In den Mund gelegt – Frauen als Interpretinnen

Grammophon und Schallplatte aus Schellack bildeten als Abspielgerät und Trägermedium die Basis für die ersten Stars in der Musikgeschichte, deren Stimmen einem Millionen bekannt waren.

Mit dem Grammophon und den Schellackplatten, die ab 1897/98 in Massenproduktion gegangen waren, bot sich die Gelegenheit, Interpretationen von Künstler/innen sowie die Klangfarbe ihrer Stimmen einzufangen, zu verbreiten und für die Nachwelt festzuhalten. Es entstanden – vor allem auch im Bereich der Oper – die ersten Stars, die ihren Ruhm zu einem Teil auch diesen Einspielungen verdanken, wie etwa Enrico Caruso. Der überwiegende Teil der Tonaufnahmen, der vor dem Ersten Weltkrieg entstand, ist dem Bereich der Musik­ein­spielungen zuzuordnen – und hier konnten Frauen mit ihren männlichen Kollegen durchaus mithalten.

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Ozeanarie

Die Frauen verkörperten Rollen, interpretierten Texte und sangen Melodien, die männliche Librettisten und Komponisten für sie geschrieben hatten und verkörperten eine Weiblichkeit, die männlichen Vorstellungen entsprang – und dabei konnten sie sehr erfolgreich sein, was ihren (Nach-)Ruhm, ihre soziale Stellung und ihre finanzielle Situation betraf.

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Ah! forse è lui

Selma Kurz

Selma Kurz war eine der gefeiertsten Koloratursopranistinnen ihrer Zeit, bekannt vor allem für ihre lang gehaltenen Triller. Sie wurde 1899 an die Wiener Hofoper engagiert und blieb bis 1929 Ensemblemitglied. Sie war eine der (finanziell) erfolgreichsten Sängerinnen des Ensembles und kam ab 1908 auf eine Jahresgage von rund 52.000 Kronen (zum Vergleich: rund 90 % der Bevölkerung der westlichen Reichshälfte der Monarchie – Cisleithanien – verdienten damals jährlich weniger als 1.200 Kronen). Neben ihren Gagen an den Opernhäusern waren die Platteneinspielungen eine lukrative Ein­nahme­quelle: 1910 schafft es Selma Kurz mit einem Jahres­einkommen von über 300.000 Kronen unter die 929 reichsten Wienerinnen und Wiener.

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An der schönen blauen Donau

Anna Mildenburg

Anna Mildenburg, eine Schülerin der Sängerin Rosa Papier, war drama­tische Sopranistin und ab 1898 an der Wiener Hofoper engagiert. Mit dem damaligen Direktor Gustav Mahler verband sie – aus ihrer gemein­samen Zeit in Hamburg – eine Beziehung, die mit ihrem Engagement, auf Wunsch Mahlers, endete, der sie vor die Wahl stellte Beziehung oder Karriere „[…] Ich habe in Wien für Dich alle Wege soweit geebnet, daß […] demnächst von dort ein Engage­ments­antrag an Dich ergehen wird. Es ist aber für den Fall, daß du ihn annimmst durchaus nötig (nachdem ich die Verhältnisse jetzt ganz klar übersehe), daß wir dann unseren persönlichen Verkehr auf das Weitgehendste einschränken […]“ (Brief Gustav Mahlers an Anna Mildenburg, Juli 1897) – und Anna Mildenburg entschied sich für ihre Karriere als Sängerin.

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Wahnsinnsarie