Kunst und Wissenschaft im Exil

Über 135 000 Österreicherinnen und Österreicher wurden aus politischen und größtenteils aus "rassischen" Gründen aus ihrer Heimat vertrieben. Aus Wien wurden während des Nationalsozialismus mehr Menschen ins Exil gezwungen als aus jeder anderen Stadt des deutschen Sprachraums.

Dies bedeutete nicht nur eine persönliche Tragödie für viele Betroffene, sondern auch einen schmerzlichen Verlust für die Kunst und vor allem die Wissenschaft dieses Landes. So mussten z. B. alleine an der Wiener Medizinischen Fakultät über 60 Prozent der Professorenschaft – meist aus "rassischen" Gründen – aus dem Dienst ausscheiden, ganze Schulen wurden zerschlagen, wie die Wiener Schule der Nationalökonomie oder der Wiener Kreis, ein Zusammenschluss einer Gruppe neopositivistischer Philosophen. Die "vertriebene Vernunft" trug dazu bei, dass in vielen Wissenschaftsdisziplinen eine menschliche und intellektuelle Lücke entstand, die vor allem nach 1945 bewusst wurde und nicht geschlossen werden konnte, denn die Remigration lag, aus vielerlei Gründen, nur bei rund 20 Prozent.
Der Gang ins Exil fand teilweise schon vor 1938 statt, wie z. B. Hilde Spiel, die 1936 nach Großbritannien ging. Der Gang ins Exil traf nicht nur Spitzen der Wissenschaft, wie z. B. die Nobelpreisträger Otto Loewi, Erwin Schrödinger, Victor Franz Hess oder eine anerkannte Wissenschaftlerin wie Lise Meitner, sondern auch zahlreiche Studierende, die dadurch auch ihrer Lebenschancen beraubt wurden: nicht alle konnten in ihren Exilländern dort anschließen, wo sie in ihrer Heimat gestanden hatten.
Die nach Aufnahmezahlen wichtigsten Exilländer waren die USA und Großbritannien. Für manche Exilant/innen erfüllte sich in der neuen Heimat ihr Wunsch nach wissenschaftlicher Karriere. Dies zeigt sich auch an den Beispielen amerikanischer oder englischer Nobelpreisträger österreichischer Herkunft (die ihrer alten Heimat oft kritischer gegenüberstehen, als dies die nunmehrige Vereinnahmung für Österreich erscheinen lässt) – für einen großen Teil bedeutete das erzwungene Exil aber einen nicht wieder gutzumachenden Bruch im persönlichen Lebensentwurf.

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Kulturelles Kapital [Ausschnitt]

Bruno Frei (eigentlich Benedikt Freistadt, 11.6.1897–21.5.1988), Journalist und Schriftsteller, emigrierte 1936 nach Frankreich, 1941 nach Mexiko und kehrte 1947 nach Wien zurück. Bei politischen Flüchtlingen war die Tendenz zur Rückkehr relativ hoch, obwohl auch hier das galt, was für Emigrantenschicksale prinzipiell gilt: Einladungen zur Rückkehr gab es kaum.

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Frauen im Exil

Hilde Spiel (geb.: 19.10.1911 in Wien, gest. 30.11.1990 in Wien), Schriftstellerin, Exil in England ab 1936, Rückkehr nach Österreich 1963

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Interview mit Marie-Louise Motesiczky [Ausschnitt]

Marie-Louise von Motesiczky (24. 10. 1906, Wien - 10. 6. 1996, London), Malerin, Exil in den Niederlanden ab 1938, in England ab 1939

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Was ist Materie? [Ausschnitt]

Erwin Schrödinger (geb.: 12.8.1887 in Wien, gest. 4.1. 1961 in Wien), Physiker, Nobelpreisträger 1933, Exil in Irland ab 1938, Rückkehr nach Österreich 1956

Diese Ausstellung ist im Rahmen des Projektes Österreich am Wort entstanden.
Ein Großteil der Medien ist dort in voller Länge abrufbar.