Zur Erinnerung an Gerhard Jagschitz

Am 30. Juli 2018 verstarb der Zeithistoriker Gerhard Jagschitz nach langer Krankheit in Wien.

Gerhard Jagschitz wurde am 27. Oktober 1940 in Wien geboren. Er studierte an der Uni Wien Psychologie, Pädagogik, Volkskunde, Ägyptologie, Deutsche Philologie und Geschichte und promovierte 1968 mit einer Dissertation über "Die Jugend des Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß". Von 1968 bis 1985 war er Universitäts-Assistent am Institut für Zeitgeschichte. 1985 wurde er zum Universitätsprofessor für Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte ernannt. Zwischen 1994 und 2001 war er Vorstand des Instituts.

Als Historiker war es ihm ein stetes Anliegen, seine Forschungsergebnisse auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er war ein gefragter Interviewpartner bei zeithistorischen Fragen zur österreichischen Alltagsgeschichte und Geschichtspolitik. Seine Forschungsarbeiten waren prägend und wichtig für die österreichische Vergangenheitsbewältigung. Als Wissenschaftler war er zeit seines Lebens auch Kritiker der aktuellen Politik.

Seine Forschungsschwerpunkte waren u.a. Nationalsozialismus, Terror und Vernichtung im Dritten Reich, Auschwitz, Zweite Republik und Demokratie, Visual History, Photographie, Österreichische Identität und Österreich in Europa.

Der Österreichischen Mediathek war Gerhard Jagschitz über Jahrzehnte verbunden. Als unermüdlicher Zuhörer und Verfechter der Oral History als Methode in der zeithistorischen Forschung begleitete er uns seit den 1970er-Jahren. 

Wir verdanken ihm in der Mediathek sehr viel. Mit dem Interviewprojekt „Menschenleben“, das unter seiner Leitung seit 2008 an der Mediathek durchgeführt wird, erfüllte er sich wahrscheinlich auch einen wissenschaftlichen Lebenstraum und setzte dadurch großes Vertrauen in uns.

Darüber hinaus hat er uns bei so manchen Projekten und Ausstellungen begleitet, wo er durch seine präzisen Kommentare und alltagshistorischen Analysen beeindruckte.

Wir werden ihn vermissen – als hervorragenden Historiker und als großzügigen Menschen.