Kriegspropaganda

Anhand von Aufnahmen österreichischer Generäle sowie von Mit­gliedern des Kaiser­hauses, da­runter auch von Kaiser Franz Joseph I. selbst, soll der Beitrag audio­visueller Medien zur Kriegs­propa­ganda im Ersten Welt­krieg in Öster­reich auf­gezeigt werden. Im Weiteren wird der Bogen über die Zwischen­kriegs­zeit ge­spannt, um mit der propa­gan­dis­tischer Agi­ta­tion im Dritten Reich und dem Zweiten Welt­krieg zu enden.

In fünf chronologisch unterteilten Arbeitsblättern werden Ar­beits­an­regungen zu einzelnen Tönen als auch zu Fragen der Propa­ganda ge­geben.

1. Zur Propaganda im Allgemeinen

Das lateinische Verb „propagare“ bedeutet „verbreiten, ausdehnen, fort­pflan­zen“. Papst Gregor XV. schuf im Jahr 1622 die Kon­gre­ga­tion (= päpst­liches Minis­ter­ium) „de propa­ganda fide“ („um den Glauben zu ver­breiten“), um orga­ni­siert dem Protestan­tis­mus entgegenzutreten. Der Name dieses päpst­lichen Ins­tituts wurde später in viele Spra­chen über­nommen, um durch das Wort Propa­gan­da den Ver­such zu be­zeich­nen, er­wünschte Sicht­weisen zu er­zeu­gen und Re­ak­ti­onen zu steuern. Im weitesten Sinne kann daher ebenso wie die Wer­bung in der Wirt­schaft auch reli­giös moti­vierte Missionierung als Propa­gan­da be­zeich­net werden.

Propa­gan­da ver­mag mani­pu­la­tiv zu wirken, indem sie Wahr­heiten ver­dreht und auf diese Weise die Öffent­lich­keit be­ein­flusst, um be­stimmte Re­ak­ti­onen zu provo­zieren. Diese Eigen­schaft der Propa­gan­da machten sich vor allem totalitäre Sys­teme wie der National­so­zial­ismus und der Stalin­ismus zu eigen. Im national­sozial­istischen Deutschen Reich wurde da­für so­gar ein eigenes Minis­terium ge­schaffen, das Minis­terium für Propa­gan­da und Volk­sauf­klärung, an dessen Spitze der promo­vierte Germa­nist Joseph Goebbels stand und das heute als Parade­bei­spiel für Propa­gan­da im nega­tiven Sinne gilt.

2. Vor dem Krieg und der Erste Weltkrieg

Die ältesten historischen Tondokumente im Bestand der Österreichischen Media­thek spannen einen weiten Bogen über die ge­sell­schaft­liche und kultu­relle Szene im letzten Jahr­zehnt der Monar­chie. Im Folgenden sollen die k. u. k. Armee und der Erste Welt­krieg be­handelt werden.

Unter der großen Zahl der öster­reich­ischen Ton­auf­nahmen der k. u. k. Armee stechen die Ein­spielungen zu­gun­sten des öster­reichischen "Militär-Witwen- und Waisen­fonds" her­vor, die in den Jahren 1915 und 1916 produ­ziert wurden und öster­reichische Militärs, da­runter auch Mit­glieder des Kaiser­hauses und Franz Joseph selbst, zu Wort kommen lassen.

Da es zu dieser Zeit noch keine Radioausstrahlungen gab, war der Kreis, der mit Propa­gan­da auf Schall­platten er­reicht werden konnte, ein wesent­lich ge­ringerer als nach dem Ersten Welt­krieg. Trotz­dem zeigte sich bereits die Ten­denz der Ver­ächtlich­machung der gegner­ischen Kriegs­parteien, wenn auch in wesent­lich ge­ringerem Aus­maße als auf den über­all an­ge­brachten Pla­katen.

Die Präsenz des Heeres im öffentlichen Leben hat sich im Gegensatz zum ersten Jahr­zehnt des 20. Jahr­hun­derts stark ge­ändert. Um 1900 war der An­blick Uni­for­mierter auf den Straßen und Gassen, in den Theatern, den Opern­häusern und Salons der Monar­chie etwas All­täg­liches. Großer Wert wurde auch auf die An­wesen­heit der Armee bei kirch­lichen Feiern ge­legt. Bei der jähr­lichen großen Fron­leich­nams­prozes­sion durch die Wiener Innen­stadt war selbst­ver­ständlich auch das k. u. k. Heer ver­treten. Die Armee und ihre Spek­takel er­schien vielen Menschen als Garant für den Be­stand des Reiches. Die Realität eines Krieges lag jen­seits der Er­inner­ung und der Vor­stellungs­kraft der meisten. Die jähr­liche Militär­parade auf der Schmelz, von wo die Truppen an­schließ­end ins Manöver zogen, wiegte die Be­völker­ung in jener – auch später viel­be­schworenen – Welt der Sicher­heit, in der sie lebte oder zu leben glaubte.

Das zur Verfügung stehende akustische Material – fast ausschließlich auf Schel­lacks – reicht von der bunt ge­kleideten Frieden­sarmee aus der Zeit vor 1914 mit ihren ge­feierten Regi­ments­musiken und beliebten Wach­ab­lösen bis zu den Material­schlachten des Ersten Welt­krieges, in denen die nun feld­grauen Sol­da­ten buch­stäb­lich zer­malmt wurden. Aus der Zeit vor dem Kriegs­aus­bruch sind vor allem Regi­ments­märsche er­halten, die damals ein sehr be­liebtes Genre der Unter­haltungs­musik dar­stellten. Im Be­son­deren zog die Wach­ab­löse in der Hof­burg täg­lich zahl­reiche Zu­schauer/innen in den Inneren Burg­hof. Auf der ältesten Auf­nahme dieses Spek­takels aus dem Jahr 1906, die sich im Besitz der Öster­reichischen Media­thek be­findet, ist das k. u. k. In­fanterie­regi­ment Hoch- und Deutsch­meister Nr. 4 zu hören.

Auch die 1910 entstandene Aufnahme des Aufziehens und der Ablöse der Burg­wache mit dem Musik­zug des k. u. k. Infanterie­regi­ments Nr. 51 „Frei­herr von Probszt“ gibt einen lebendigen Ein­druck dieses Er­eig­nisses:

00:02:18
Aufziehen der Burgwache

Zu den erklärten Lieblingen der Wiener/innen zählten nicht nur die beiden schon ge­nannten Militär­ka­pellen, sondern auch das k. u. k. In­fanterie­regi­ment Nr. 99 mit seinen Kapell­meistern Anton Kucera und Richard Hunyacek, unter denen ein Groß­teil der ein­ge­spiel­ten Auf­nahmen ent­stand.

Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajevo wird zum Auslöser des Ersten Weltkriegs. In den ent­schei­denden Wochen nach dem Atten­tat er­geben sich viele Möglich­keiten, den Frieden zu wahren, und doch treibt Europa auf die Kata­strophe zu. Die euro­päische Sicher­heits­ord­nung – ein Netz­werk aus Bei­stands­pakten – er­weist sich nicht als Friedens-, sondern als Kriegs­ordnung. Grund­pfeil­er dieses Sicher­heits­sys­tems sind der Drei­bund (Deutsch­land, Öster­reich-Ungarn, Italien) und die Entente Cordiale (Frank­reich, Groß­britannien, Russ­land). Italien versichert noch 1913 der miss­trau­ischen Re­gier­ung in Wien, dass der Drei­bund im Kriegs­fall wie ein einziger Staat handeln müsse.

Am 28. Juni 1984 wurde im Mittagsjournal über den 70. Jahres­tag der Schüsse von Sarajevo berichtet:

00:59:54 [00:29:31 bis 00:35:08]
Mittagsjournal vom 28. Juni 1984

Am 28. Juli 1984 brachte das Mittagsjournal einen Bericht zum 70. Jahres­tag des Aus­bruchs des Ersten Welt­kriegs: 

00:59:45 [00:47:19 bis 00:52:43]
Mittagsjournal vom 28. Juli 1984

Mit Begeisterung ziehen die Rekruten in den Krieg gegen Serbien. Ein kurzer Feld­zug gegen einen unter­legenen Feind auf dem Balkan soll es werden. Wie über­all in Europa glaubt man auch in Öster­reich an einen schnellen Sieg. Kriegs­be­geister­ung ist in allen gesell­schaft­lichen Lagern zu finden. Eine Ent­scheid­ung wird herbei­ge­sehnt. Der Krieg soll den Still­stand über­winden. Die jungen Burschen sind zwar gut aus­ge­bildet – in der Monarchie war 1912 die Dienst­zeit auf drei Jahre aus­ge­dehnt worden –, ihre Aus­rüst­ung aber ist un­zu­läng­lich. Die k. u. k. Armee ist nicht vor­be­reitet, ob­wohl Teile des hohen Offiziers­korps schon seit Jahren einen Krieg er­warten. So ist man z. B. mit Maschinen­ge­wehren schlecht ver­sorgt. Die Be­deu­tung dieser Waffe ist von den Militärs nicht richtig er­kannt worden.

Die Ernüchterung kommt rasch. Österreich gelingen keine raschen Er­folge gegen Serbien. Schon die ersten Schlachten sind auf öster­reich­ischer Seite äußerst verlust­reich. An der russischen Front sterben Hun­dert­tausende in einem blutigen Gemetzel, die Husaren reiten völlig irr­witzige Attacken gegen Maschinen­ge­wehr­stel­lungen und ver­bluten in der letzten Reiter­schlacht der Ge­schich­te. Immer neue Rekruten­jahr­gänge werden in die Schlacht ge­führt.

Die Szenen der Kriegsbegeisterung im Sommer 1914 in Wien, wie sie Karl Kraus in seinem Werk „Die letzten Tage der Mensch­heit“ so ein­drucks­voll kari­kiert, werden von einer real­istisch­eren Stimmung ab­ge­löst und schließ­lich von einer sich immer mehr steigern­den Kriegs­müdig­keit.

Statt eines „Operettenfeldzuges“ war ein Weltbrand entstanden, der Not, Leid und Tod über ganz Europa brachte und die ge­samte politische Land­schaft und das Lebens­ge­fühl radikal ver­änderte.

Dass die Niederlage, die Auflösung des seit Jahrhunderten bestehenden Reiches so nahe, dass diese über­haupt denk­bar war, daran ver­schwen­de­te 1915 fast nie­mand auch nur einen Ge­danken. Humo­ristinnen und Humo­risten stellten ihre Fähig­kei­ten in den Dienst der Propa­gan­da: Der da­mals sehr be­kannte Gesangs­komiker und Schau­spieler Richard Waldemar (1869–1946) be­tätigte sich in einem Couplet als Kriegs­propa­gan­dist. Die gegner­ische Kriegs­partei wird hier in krasser Weise ver­un­glimpft und mit dem eigenen strahlenden Sieg kon­tras­tiert. Dabei wird auf den Durch­bruch der öster­reich­isch-ungar­ischen und deutschen Armeen bei Tarnow-Gorlice vom Mai 1915 Be­zug ge­nom­men, durch den große Teile des 1914 vom russischen Kaiser­reich er­ober­ten Galiziens wieder be­setzt wurden. Der in dem Couplet er­wähn­te Erz­her­zog Friedrich war von 1914 bis 1917 Ober­be­fehls­haber der k. u. k. Armee:

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Richard Waldemar: Kriegspropaganda

Am 23. Mai 1915 erklärte Italien der Monarchie den Krieg. Für Öster­reichs po­li­ti­sche und militär­ische Führung war dieser Schritt nicht über­rasch­end ge­kommen. Den­noch war die Empör­ung über Italien groß und es kam zu national­istischen Hass­aus­brüchen. Auf den Schlacht­fel­dern des Südens zeigte sich bald, dass die Armeen beider Staaten zu schwach waren, die je­weils andere zu be­siegen. Vor­erst ver­keil­ten sich in den Berg­re­gionen des da­mals noch zu Österreich-Ungarn ge­hören­den Gebiets Trentino Kaiser­jäger und Bersaglieri (In­fan­terie­trup­pen des italienischen Heeres) in­ein­ander. Die er­bitter­ten Kämpfe unter wid­rigs­ten Witterungs­be­dingungen nahmen fast groteske Aus­maße an. Um Berg­gipfel, Hoch­ebenen und die öster­reich­ischen Sperr­forts wurde heftig ge­kämpft. Pausen­los schoss die Artillerie auf die in Fels und Eis ge­hauenen Schützen­gräben und Unter­stände. Heute noch sind die Millionen Ein­schläge in der Land­schaft des Trentino zu sehen. Die mäch­ti­gen Forts, die oft nur von wenigen 100 Mann be­setzt waren, über­standen tausende Granat­treffer. Nur noch drei Wochen wollte der alte Kaiser dem Elend des Krieges zu­sehen, dann wollte er damit Schluss machen. Doch dazu reichte die Zeit nicht mehr. Der Kaiser stirbt am 21. No­vem­ber 1916, aber der Krieg geht weiter.

War in Friedenszeiten das Begräbnis eines Soldaten einem militär­ischen Fest­akt gleich­ge­kommen, wurden die Massen der für „Gott, Kaiser und Vater­land“ Ge­fallenen bald so un­über­schau­bar, dass oft sogar die re­li­giösen Zeremonien unter­bleiben mussten, wenn die sterb­lichen Über­reste über­haupt noch der Erde über­geben werden konnten. Der Staat, für den so viele Soldaten kämpften und starben, war am Ende des Krieges nur mehr Vergangen­heit.

Als eigentliche und einzige Sieger/innen des Krieges blieben nur „die Raben“, wie dies Karl Kraus in seinem Ge­dicht in dem Drama „Die letzten Tage der Mensch­heit“ be­schreibt:

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Karl Kraus rezitiert das Gedicht „Die Raben“

3. Österreichische Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg – Der k. k. Österreichische Militär-Witwen- und Waisenfonds

Krieg bedeutete Opfer, und so versuchte der 1914 vom ehemaligen k. u. k. Kriegs­minister Franz Xaver von Schönaich ins Leben gerufene „k. k. Öster­reich­ische Militär-Witwen- und Waisen­fonds“ mit Spenden­auf­rufen und Sammlungen zu­guns­ten der Kriegs­hinter­blieb­en­en die ärgste Not in der Heimat zu lindern. Dabei bediente man sich bereits der modernen Medien und brachte eine Serie von acht 30-cm-Schellack-Schall­platten zu 78 U/min heraus, auf denen eine Reihe ver­ant­wort­licher Generäle und Mit­glieder des Kaiser­hauses kurze auf­munternde Stellung­nahmen ab­gaben.

Die von der Firma Lindström in Berlin produzierten Platten weisen für diese Zeit eine be­sondere Ton­quali­tät auf und wurden in re­präsen­ta­tiver Form heraus­ge­geben. Der Kaiser, der Thron­folger und eine Reihe promi­nenter Heer­führer, allen voran General­stabs­chef Franz Conrad von Hötzen­dorf, sprechen über die Situa­tion des Reiches und der Armee. Diese Auf­nahmen er­mög­lich­en natürlich keinen direkten Zu­gang zum Kriegs­ge­schehen und ‑erleben an der Front, liefern aber einen guten Ein­blick in die Gedanken­welt und den Stil ver­ant­wort­licher Führer.

Zu den Aufnahmen gehörten auch im Jugendstil produ­zierte Platten­hüllen. Solche Covers für Schellack­platten waren zu dieser Zeit nicht üblich. Die Ton­träger wurden meist nur in Papier­hüllen ver­kauft, die außer Werbung für Neu­er­schein­ungen und/oder die Platten­firma keine weiteren Infor­ma­tionen über den Inhalt der durch sie ge­schützten Schellacks ent­hielten.

Zur Einschätzung der Bedeutung dieser Einspielungen muss auch der nicht zu unter­schätzende Um­stand be­achtet werden, dass die Stimme des Kaisers größeren Kreisen der Be­völkerung der Monarchie zum ersten Mal zu­gänglich war.  Auf dem Cover der Schellack mit der Auf­nahme des Kaisers ist zu lesen: „Vor­liegende Platte ist das einzige Stimm­porträt Seiner kaiser­lichen und könig­lichen apost. (= apos­to­lischen) Majestät, welches der Öffent­lich­keit über­geben wurde“. Zu den Auf­nahmen sind außer den Platten und ihren Covers selbst keine weiteren Unter­lagen er­halten. Daher kann bei der Datierung nur auf diese zurück­ge­griffen werden. Ein Hin­weis, dass die Auf­nahmen vor einem be­stimmten Zeit­punkt ent­standen sein müssen, liegt aber doch vor: Wie aus den Rück­seiten der Covers her­vor­geht, wurden die Stimm­porträts Kaiser Franz Joseph am 24. April 1916 im Schloss Schön­brunn vor­ge­führt. Da­nach gab es also keine Ein­spielungen mehr.

Die Aufnahmen für den k. k. Österreichische Militär-Witwen- und Waisen­fonds sind Kriegs­propa­gan­da, wenn auch ver­glich­en mit der Kriegs­propa­gan­da des Dritten Reiches die Dosis an Be­schö­ni­gung und Ver­un­glimpf­ung der gegner­ischen Parteien ver­gleichs­weise gering und auch von Redner zu Redner sehr unter­schiedlich war. Für die Kriegs­propa­ganda zu­ständig war das am 28. Juli 1914 ge­gründete k. u. k. Kriegs­presse­quartier (KPQ), dessen Komman­dant zuerst General­major Maximilian von Hoen und ab März 1917 der Oberst des General­stabes Wilhelm Eisner-Bubna war. Die Aufgabe des KPQ war die Ko­ordi­na­tion aller Presse­infor­ma­tionen und Propagandatätigkeiten Österreich-Ungarns unter Einbeziehung sämtlicher damals verfügbarer Massenmedien. Ins­ge­samt waren im Ver­lauf des Ersten Welt­krieges 550 Künstler/innen und Journalisten als Mit­glieder des KPQ tätig. Ent­gegen den militär­ischen Ge­pflogen­heiten jener Zeit wurden auch Frauen auf­ge­nommen, da­runter die erste offiziell zu­ge­lassene Kriegs­bericht­erstatterin der Ge­schichte Alice Schalek.  

Audiovisuelle Medien waren in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg noch etwas fast Exo­tisches. Jetzt wurde vor allem das Medium Film in Öster­reich-Ungarn durch Kriegs­wochen­schauen und Propa­gan­da­filme ge­nutzt. In diesen Filmen wurden die gegner­ischen Kriegs­parteien lächer­lich ge­macht, während die eigene Stärke und die Kampf- und Sieges­moral be­schworen wurde. Dazu wurde auf die Not­wendig­keit hin­ge­wiesen, sein Land zu unter­stützen, etwa durch die Meldung zum Kriegs­dienst oder auch durch das Zeich­nen von Kriegs­an­leihen.
Plakate und Flug­blätter ver­breiteten ver­herr­lichende Grafiken von Soldaten oder denunzierten die gegner­ischen Kriegs­par­teien mit Propa­ganda­sprüchen wie „Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Britt, jeder Klaps ein Japs“ und „Serbien muss sterbien“. Andere populäre Propa­ganda­mittel waren Karika­turen und Trick­filme.

Die einzelnen Einspielungen für den k. k. Öster­reichi­schen Militär-Witwen- und Waisenfonds

4. Neue Formen der Propaganda nach dem Ersten Weltkrieg

Wie schon in der Einleitung erwähnt, will alle Werbung – und Propa­ganda ist nichts an­der­es als eine be­son­dere Form von Wer­bung – das Ver­halten der Menschen be­ein­flussen, an die sie sich wendet. Geschäft­liche Wer­bung will uns über­reden, eine be­stimmte Zahn­pasta, eine be­stimmte Seife, eine ge­wisse Zeitung zu kaufen – und eben keine andere. Po­li­tische Propa­gan­da zielt darauf, uns für eine be­stimmte po­li­tische Hal­tung, Lehre oder Partei ein­zu­nehmen und zwar so, dass wir alle anderen Mög­lich­keiten ab­lehnen.

Seit dem Ersten Weltkrieg spielte politische Propaganda in Europa eine größere Rolle als je zu­vor. Die alte Ord­nung war weit­gehend zu­sammen­ge­brochen. Drei Kaiser­reiche waren ge­fallen, in Russ­land war der Bol­schewis­mus an die Macht ge­kommen, der auch in vielen anderen Ländern zum po­li­tischen Faktor wurde. In Deutsch­land und Öster­reich hatte das plötz­liche Ver­schwin­den der Kaiser­häuser eine Lücke hinter­lassen. In­fla­tion und Arbeits­losig­keit er­schütter­ten die Selbst­sicher­heit von Millionen. Zwar ver­suchten bürger­liche Par­tei­en so­wie die sozial­demo­kra­tische Par­tei sich der ver­änder­ten Situa­tion an­zu­passen, aber die neuen, ex­tre­men Gruppier­ungen ver­moch­ten die vor­her eher un­po­li­tischen Massen der Industrie­ge­sell­schaft er­folg­reicher an­zu­sprechen. Vor allem für die kommu­nis­tische und die national­sozial­istische Par­tei wurde die Propa­gan­da ein wichtiger Teil ihrer Tätig­keit: Massen­auf­märsche, Lieder, auf­wühlende Schlag­zeilen in den Partei­blättern – all das riss die Menschen aus ihrer Lethar­gie und gab ihnen ein Ge­fühl der Gemein­schaft.

Dazu kam die schnell wachsende Bedeutung der Massenmedien. Zwar hatten schon während der Fran­zösischen Revo­lu­tion Zeitungen, Zeit­schriften und Flug­blätter eine Rolle ge­spielt, nun aber hatte die Technik neue Mög­lich­keiten ge­schaf­fen: Film, Rund­funk und die Schall­platte. Und auch das Flug­zeug bot neue Mög­lich­keiten: Unter dem national­sozial­istischen Regime wurde das Flug­zeug zu Propa­gan­da­zwecken mit dem Slogan „Hitler über Deutsch­land“ zuerst ge­nutzt. Der „Führer“ flog über weite Strecken von Stadt zu Stadt und konnte am gleichen Tag bei ver­schie­den­en Massen­ver­an­stal­tun­gen reden, die er ohne Flug­zeug nie­mals am gleichen Tag er­reicht hätte.

Ebenso neu schienen auch die verwendeten Techniken der Rhetorik zu sein: die Massen­be­ein­flus­sung durch Ver­ein­fach­ung und Ver­blüf­fung, die Be­ton­ung von scharfen und aggres­siven Gegen­sätzen, die ab­sicht­lichen Wieder­holungen be­stim­mter Schlag­zeilen und die Be­vor­zug­ung des ge­sproch­enen vor dem ge­schrieb­enen Wort.

5. Propaganda des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland

Hitler war – wie er in „Mein Kampf“ darlegte – davon überzeugt, dass die Masse lang­sam und be­quem sei und ein schwaches Ge­dächtnis habe. Sie re­agiere nur auf die tausend­fache Wieder­holung einfach­ster Be­griffe. Das Denken und Fühlen werde weniger von nüchterner Über­legung als viel­mehr von gefühls­mäßiger Em­pfin­dung be­stimmt. Daher dürfe Propa­gan­da nur schwarz oder weiß, ein Positiv und ein Negativ sein und müsse stets an Liebe und Hass appel­lieren.

Ende 1926 wird der promovierte Germanist Joseph Goebbels Gau­leiter in Berlin und be­ginnt, system­atisch die Propa­gan­da der Partei zu orga­ni­sier­en. Im März 1933 wird Goebbels zum Reichs­minister für Volks­auf­klär­ung und Propa­gan­da er­nannt.

Goebbels brachte die schon von Hitler angesprochene Schwarz-Weiß-Malerei der Propa­gan­da zur Per­fek­tion und be­hielt dies auch bis zum Unter­gang des Dritten Reiches bei. Das An­sehen seiner Gegner/innen wurde durch bos­hafte und heim­tück­ische Kon­traste – in Wort und Bild – unter­graben. Werbe­plakate, Post­karten und Reden der Partei waren immer Auf­rufe zur Aktivität, zum un­barm­herzigen Zu­schlagen und Vor­wärts­stürmen. Schlag­wörter sollten das Pub­li­kum er­regen und mit­reißen. Markige Formu­lier­ungen wie „fana­tische und be­dingungs­lose Menschen stehen im Ein­satz“ er­weckten den Ein­druck der Rast­losig­keit der Par­tei; die Macht­er­greif­ung schien das Ziel einer stän­digen, aber plan­vollen Be­wegung. Auf Wahr­heit kam es dabei nicht an: Es war zweck­mäßig, die Gegner/innen als die Bösen den Heldinnen und Helden des National­sozial­ismus gegen­über­zu­stellen.

Ein besonders gutes Beispiel für Goebbels Agieren findet sich im Wahl­kampf im April 1932. Der (vom 30. März 1930 bis 30. Mai 1932) am­tier­en­de deutsche Reichs­kanzler Heinrich Brüning hatte sich ge­weigert, gegen Goebbels in einer öffent­lichen De­batte auf­zu­treten. Goebbels rächte sich, in­dem er die letzte Kanzler­rede auf Schall­platten auf­nehmen ließ und sie bei einer riesigen Partei­ver­sam­mlung vor­spielte. Von Zeit zu Zeit unter­brach er die Vor­führung und „ant­wortete“ dem un­sicht­baren Gegner. Das Pub­li­kum raste vor Be­geister­ung darüber, wie und auf welche Weise Goebbels Brüning ins Lächer­liche zog.

6. Zwischenkriegszeit in Österreich

Verglichen mit dem brutalen Agieren vor allem der SA in Deutsch­land nimmt sich die Propa­gan­da der beiden in Öster­reich ver­fein­de­ten Blöcke der Sozial­demo­kra­tischen Ar­beiter­par­tei und der Christ­lich­so­zialen Par­tei zu Be­ginn fast harm­los aus. In den po­li­tischen Reden werden „die Anderen“ zwar ver­un­glimpft, aber ein Auf­ruf zur Aus­rot­tung er­folgt keines­falls.

Die uni­for­mierten und teil­weise be­waf­fneten Ver­bände der bei­den Par­teien – Heim­wehr und Repu­bli­kanischer Schutz­bund – waren aus dem Straßen­bild bald nicht mehr weg­zu­denken.

00:00:41
Julius Deutsch, der Führer des Schutzbunds, in einer Rede zur NR-Wahl 1930

über die Heimwehren (Ausschnitt)

Aus dem Wiener Wahlkampf 1932 sind ebenfalls Ausschnitte von Wahl­reden er­halten.

00:02:38
Leopold Kunschak von den Christlichsozialen in einer Rede zur Wiener Landtagswahl

(Ausschnitt)

Die christlichsoziale Stadträtin Alma Motzko rief in einer Rede die Wiener Frauen zur Wahl auf.

00:02:57
Alma Motzko in einer Wahlrede für die Wiener Landtagswahl

Anfang der 1930er Jahre nahm der Nationalsozialismus auch in Öster­reich einen raschen Auf­stieg und übte durch Massen­ver­sam­mlungen – und durch den Wahl­erfolg bei der Wiener Land­tags­wahl vom April 1932 (Sozial­demo­kra­tische Arbei­ter­par­tei 66, Christl­ich­so­ziale Par­tei 19, NSDAP 5) – zu­nehmend Druck aus.

Reden und Musik vor begeisterten Massen charakterisieren viele politische Ver­an­staltun­gen der zwanziger und dreißiger Jahre. Be­son­ders aber die National­so­zial­isten ver­brämten ihre Hetz­parolen mit einer speziellen In­sze­nie­rung. Dazu nimmt mit der Macht­er­greif­ung der NSDAP in Deutsch­land am 30. Jänner 1933 auch in Öster­reich der Druck der national­so­zial­istischen Propa­gan­da von außen stark zu.

Ein Ausschnitt aus der Ansprache eines deutschen Gastredners auf einer Kund­ge­bung in Wien am 15. März 1933 macht dies bei­spiels­weise deutlich.

00:01:05
Nationalsozialistische Kundgebung in Wien

In der Engelmann-Arena im März 1933

Der Kampf der reichsdeutschen Presse gegen Österreich wird in der „Politischen Korrespondenz“ der RAVAG am 25. Juni 1933 thematisiert.

00:02:01
Die „Politische Korrespondenz“ der RAVAG

Auch der christlichsoziale „Österreichische Heimatschutz“ versucht mit seiner Platten­reihe „Vater­länd­ische Schall­platten“ das Be­wusst­sein für ein eigen­stän­diges und un­ab­hängig­es Öster­reich zu fördern, in­dem er wichtige Per­sön­lich­keiten darüber spre­chen lässt. So waren 1933 u. a. Ernst Rüdiger Starhem­berg zum „neuen Öster­reich“ als auch der da­malige Vize­kanzler Emil Fey zum Kamerad­schafts­be­griff zu hören.

00:03:05
Das neue Österreich ruft!
00:03:32
Kameradschaft ist mehr als Freundschaft!

1934 sprachen auch (der von Mai 1932 bis zum 25. Juli 1934, ab 4. März 1933 dik­ta­to­risch re­gier­ende) Kanzler Engel­bert Doll­fuß und der da­malige Justiz­minister Kurt Schusch­nigg, der Doll­fuß als Kanzler nach­folgte, über Patriot­ismus und den Glauben an Öster­reich.

00:02:59
Österreichs Sendung
00:02:34
Der Glaube an Österreich

Kanzler Engelbert Dollfuß nutzte eine Geschäftsordnungslücke des Par­la­ments, um dieses aus­zu­schal­ten. Die kom­munis­ti­sche und die national­so­zial­istische Par­tei wurden wie auch der Re­pu­bli­ka­nische Schutz­bund ver­boten und Doll­fuß setzte zu­sam­men mit der von ihm neu­ge­grün­deten Vater­länd­ischen Front alles daran, die noch übrig­ge­blie­benen gegner­ischen poli­ti­schen Struk­turen zu zer­schla­gen. Vom 12. Februar bis zum 15. Februar kam es zum so­ge­nannten Öster­reich­ischen Bürger­krieg (auch Februar­kämpfe 1934 ge­nannt), bei denen mehrere Hundert Menschen starben und in Folge dessen die Sozial­demo­kra­ti­sche Arbeiter­partei ver­boten wurde.

Kanzler Engelbert Dollfuß appel­liert am 12. Februar 1934 im Radio an die sozial­demo­kra­ti­schen Kämpfenden, die Waffen zu strecken, und ver­hängt das Stand­recht, das auch an­ge­wendet wurde.

Gnadenfrist der Regierung

Bundeskanzler Dollfuß' Rede im Rundfunk am 12. Februar 1934 (Ausschnitt)

Das folgende Filmdokument gibt die Ereignisse des Bürgerkriegs im Februar 1934 aus­schließ­lich aus Sicht der Re­gier­ung wieder. Die Kampf­hand­lungen werden als Putsch­ver­such be­zeich­net; nicht er­wähnt werden die Aus­löser des Bürger­kriegs, die hohen Opfer­zahlen auf Seite der Sozial­demo­kra­tie und die stand­recht­lichen Hin­richt­ungen führender sozial­demo­kra­tischer Funktio­näre.

00:02:35
Bürgerkrieg Februar 1934
00:01:23
Regierungserklärung im Bundestag über die Verteidigung der österreichischen Unabhängigkeit

(Ausschnitt)

Am 24. Februar 1938 erklärt Bundeskanzler Kurt Schuschnigg im Bundes­tag den Willen der Re­gier­ung zur Ver­tei­di­gung der öster­reich­ischen Un­ab­hängig­keit.

00:00:45
„… bis in den Tod: Rot-Weiß-Rot“ Regierungserklärung im Bundestag über die Verteidigung der österreichischen Unabhängigkeit

(Ausschnitt)

Nach massiven Interventionen des nationalsozialistischen Deutschlands, die eine er­zwun­gene Re­gierungs­um­bil­dung zur Fol­ge haben, tritt in den Abend­stunden des 11. März 1938 Schusch­nigg zu­rück und Arthur Seyß-Inquart wird zum Bundes­kanzler er­nannt.

Schusch­nigg erklärt im Radio seinen Rück­tritt und endet mit den Worten „Gott schütze Öster­reich“.

00:02:48
Rundfunkansprache des österreichischen Bundeskanzlers Schuschnigg mit der Rücktrittserklärung seiner Regierung

7. „Anschluß“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland

Den deutschen und österreichischen Kinobesucherinnen und ‑besuchern wurden Bilder­fluten einer dem Ein­marsch be­geis­tert zu­jubeln­den Be­völker­ung ge­boten, wie z. B. an­läss­lich der Fahrt Hitlers von Linz nach Wien am 14. März 1938. Ge­steu­ert durch eine ge­schickte Propa­gan­da kam hier eine emotional auf­ge­heizte Stim­mung zu Tage, die vor allem weit nach dem Ende der NS-Zeit zum Gegen­stand der Dis­kus­sion wurde, in­wie­weit Öster­reich – wie immer wieder be­hauptet – ein Opfer des NS-Regimes oder ein williger Partner und Erfüllungs­ge­hilfe ge­wesen war.

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Tonspur der Wochenschau zur deutschen Okkupation Österreichs

8. Arbeitsblätter

Arbeitsblatt 1 – Propaganda im Ersten Weltkrieg allgemein

Arbeitsblatt 2 – Der k. k. Militär-Witwen- und Waisenfonds

Arbeitsblatt 3 – Propaganda in der Ersten Republik

Arbeitsblatt 4 – Nationalsozialistische Propaganda

Arbeitsblatt 5 – Propaganda heute

(Text und Inhalt: Walter Perné, 2014)