Wie eine Sammlung entsteht. Das Projekt „Wiener Video Rekorder“ an der Österreichischen Mediathek

Gabriele Fröschl

Videoaufnahmen von Amateur/innen haben in den letzten Jahren eine starke öffentliche Präsenz bekommen, da zahlreiche usergenerierte Online-Medien-Plattformen entstanden sind, die neben der emanzipatorischen Möglichkeit, eigene Medieninhalte ohne Zwischeninstanzen in die Öffentlichkeit zu bringen, auch eine stark verbesserte Zugänglichkeit zu audiovisuellen Dokumenten bewirkt haben. Im Hinblick auf ihre Publikationstätigkeit und ihre Zugriffsmöglichkeiten besitzen viele dieser aktuellen Online-Medien-Plattformen in der gegenwärtigen öffentlichen Wahrnehmung durchaus Archiv-Charakter. Für Archive fehlen ihnen jedoch entscheidende Kriterien: Diese Plattformen orientieren sich in erster Linie an marktwirtschaftlichen Gegebenheiten, die inhaltliche und technische Dokumentation der Einzelaufnahmen ist zumeist mangelhaft, es steht kein Sammlungskonzept hinter diesen Plattformen, die Strategien der Langzeitarchivierung sind von außen nicht einsehbar, die Sammlung und Bewahrung von Inhalten unterliegt ausschließlich kommerziellen Interessen und Prognosen über eine nachhaltig gesicherte Zugänglichkeit sind nicht zu erstellen. Die langfristige Sicherung von ausgewählten privaten Videodokumentationen muss deshalb bei den einschlägigen Archiven liegen, die sich jedoch bislang nur in Ansätzen dieser Problematik gestellt haben bzw. sich dieser stellen konnten. Die Plattform des „Wiener Video Rekorders“ ist nicht nur eine Webplattform, dahinter stecken eine Sammlung sowie ein digitales Langzeitarchiv mit tausenden Home- und Amateurvideos – so können private Sammlungen mit Hilfe eines öffentlichen Archivs dauerhaft bewahrt werden.

Sammlung

In den meisten Archiven ist der private Raum kaum bis gar nicht dokumentiert. Hier tut sich eine Schere auf zwischen dem, was prinzipiell vorhanden ist (in privaten Sammlungen) und dem, was bewahrt wird (in öffentlichen Archiven): Nie zuvor gab es so viele Möglichkeiten zur Abbildung kultureller und sozialer Lebensäußerungen – vor allem im privaten Raum –, denn nie zuvor waren die Produktionsmöglichkeiten dieser Quellen so breit gestreut und den technischen bzw. finanziellen Aufwand betreffend so einfach umsetzbar. Entscheidende Bereiche unserer medialen Vergangenheit und Gegenwart werden allerdings nicht fachgerecht archiviert. Klafft schon in der „offiziellen“ Überlieferung der Rundfunk- und Fernsehanstalten eine nicht zu unterschätzende Lücke, so ist diese im privaten Bereich ungleich größer.
Ziel des Projektes „Wiener Video Rekorders“ war es deshalb, private Videoaufnahmen ab den 1980er Jahren zu sammeln, zu dokumentieren, langfristig zu sichern und zugänglich zu machen.
Daraus ergeben sich eine Reihe von Aufgaben, die mit diesem Projektvorhaben angestoßen wurden: Neben den technischen Erfordernissen in Bezug auf die Langzeitarchivierung der unterschiedlichen Quellenformate ergeben sich auch Fragen hinsichtlich Sammlungs-, und Veröffentlichungs-Strategien von Archiven und fordern eine Reflexion über das Archiv als öffentlichen Ort und dessen Selbstverständnis.

In den meisten audiovisuellen Archiven, die einen generalistischen Ansatz verfolgen, stellen publizierte Aufnahmen (z. B. Schallplatteneinspielungen oder kommerzielle DVDs) sowie Mitschnitte (von z. B. Radio- oder Fernsehsendungen) die Mehrheit des Archivbestands dar. So auch in der Österreichischen Mediathek, dem nationalen AV-Archiv des Landes. Das Öffentliche bzw. das Veröffentlichte ist in den Archiven quantitativ wesentlich besser dokumentiert als das „Private“. Dieser private Raum, der mit aktuellen Kommunikationstechnologien immer mehr zum öffentlichen wird bzw. werden könnte, findet aktuell noch wenig Eingang in Archive.

Sammlungen bewegen sich entlang einer immer wieder neu zu ent­wickeln­den Sammel­politik, die sich im AV-Archiv oft an techni­schen Leit­linien orien­tiert, die sich aber auch mit neuen gesell­schaft­lichen Gegeben­heiten immer wieder neu de­finieren muss. Die Ent­wick­lung einer Samm­lungs­politik ist eine ständige und sich immer wieder wan­deln­de Auf­gabe, der sich Archive zu stellen haben.
Grundsätzlich orientiert sich die Samm­lungs­politik der Öster­reichi­schen Media­thek am Bundes­museen­gesetz bzw. an den in der Museums­ordnung fest­ge­legten Prin­zi­pien der Museums­ordnung für das Tech­ni­sche Museum Wien mit Öster­reichi­scher Media­thek:

Leitlinien für die besondere Zweckbestimmung der Öster­reichi­schen Media­thek
§ 15. (1) Die Österreichische Mediathek ist das Archiv für das audio­visuelle Kultur­erbe Öster­reichs (aus­ge­nommen Film auf foto­grafi­schem Träger und Foto­grafie).
(2) Kernkompetenz der Österreichischen Mediathek ist die be­nutzer­orien­tier­te Archi­vie­rung von ver­öffent­lichten und un­ver­öffent­lichten audio­visuellen Medien mit Öster­reich­bezug.
(3) Die Österreichische Mediathek koordiniert die Zusammen­arbeit aller öster­reichi­schen audio­visuellen Archive.

Als nationales AV-Archiv hat die Österreichische Mediathek keinen inhalt­lichen Schwer­punkt, sondern einen breiten und um­fassen­den Samm­lungs­auf­trag, wo­bei die Gleich­wertig­keit der ver­schie­denen Themen­felder eine Leit­linie der Samm­lungs­politik ist: Literatur, Theater und Kabarett, Politik, Alltag und Gesell­schafts­doku­men­ta­tion, U-Musik, E-Musik, Wissen­schaft, Bildende Kunst. Mit der Sammlung der Öster­reichi­schen Media­thek soll Ge­schich­te und Gegen­wart Öster­reichs audio­visuell doku­men­tiert werden.

Die Strategie der Bewahrung (Digitalisierung und digitale Langzeitarchivierung) ist eine Fortsetzung der Sammlungsstrategie. Für private Videoaufnahmen bedeutet dies, dass die langfristige Entwicklung zu einem dieser beiden Punkte hingehen wird:

  • Analoge/digitale Medien, die rechtzeitig digitalisiert wurden und nach Ablauf der Lebensdauer des Trägers und/oder des Abspielgerätes als digitale Kopie zur Verfügung stehen, womit das Wesentliche, nämlich die Aufnahme, erhalten wurde.
  • Analoge/digitale Medien, die nicht digitalisiert wurden und die entweder aufgrund des Verfalls des Trägers oder aufgrund des nicht mehr vorhandenen Abspielgerätes „totes“ Archivgut sind und als museale Träger ohne lesbaren Inhalt den Restbestand des Archivs darstellen.

Das Zeitfenster, das für die Einbringung in ein digitales Langzeitarchiv zur Verfügung steht, ist beschränkt. Im Bereich der privaten Videodokumentationen kommt den Themen Archivtechnik, Digitalisierung und digitale Langzeitarchivierung große Bedeutung zu. Den Fragen bezüglich Gefährdung der Formate sowie Verfügbarkeit von Abspielgeräten sind entscheidend für eine Sammlungsstrategie, um zu gewährleisten, dass private Videodokumentationen nicht als museale Träger ohne lesbaren Inhalt zu einem Restbestand des Archivs werden.

Durch Übernahme in die Sammlung des Archivs ändert sich der den Dokumenten zugeschriebene Kontext. Dieser Bedeutungswandel durch den Vorgang der Archivierung ist kein spezifisches Phänomen in Medienarchiven und betrifft dort nicht nur Quellen aus dem privaten Bereich. Der Produktionsprozess sowie die Verwendung im ursprünglichen Kontext und die Archivquelle unterscheiden sich grundlegend; Dieser Prozess der Transformation greift auch bei „Home Movies“: Vom privaten Erzählmuster, das Familiengeschichte tradiert und im besten Fall aktiver und regelmäßig rezipierter Teil der Familienerzählung ist, zu einem zunehmend anonymisierten Beispiel gesellschaftlicher Praxis, das eine Stellvertreterrolle für bestimmte dokumentierte Sachverhalte einnimmt – ein Effekt, der sich mit der zeitlichen Entfernung noch verstärkt.

Hypothesen

AV-Archive bilden in ihren Beständen nur einen Teil der Öffentlichkeit ab. Mit dem medialen und gesellschaftlichen Wandel entstehen Quellen, die wesentliche Teile dieser Öffentlichkeit dokumentieren, aber in Archiven nicht vorhanden sind.

Im Zuge des Projektes „Wiener Video Rekorder“ konnte eine Sammlung von insgesamt rund 3.000 Videos aus dem privaten Bereich von den frühen 1980er Jahren bis in die 2000er Jahre aufgebaut werden.
Der nun verfügbare Bestand ist als geschlossene Sammlung zu klassifizieren, die unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb einer begrenzten Dauer entstanden ist. Diese Sammlung erlaubt einen Blick auf einen bestimmten Quellentypus, vermittelt Inhalte, die bislang – auch im internationalen Vergleich – nicht in dieser Breite in einem Archiv zur Verfügung standen, und stellt in ihrer Gesamtheit eine Ergänzung zu veröffentlichten und öffentlichen Quellen dar – generelle Aussagen sollten jedoch immer auch die Entstehungsgeschichte der Sammlung miteinbeziehen.

Diese privat produzierten Quellen stehen aktuell (noch) zur Verfügung, werden sich aber in ihrer Vielfalt aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht erhalten, was dazu führt, dass – wenn man nicht aktiv dagegenwirkt – das überlieferte Bild beschnitten wird.

Das Projekt „Wiener Video Rekorder“ hat eindeutig gezeigt, dass der Erhaltungszustand privater Bestände durchwegs deutlich schlechter ist als der vergleichbarer Medienformate aus Archiven, die unter für audiovisuelle Medien geeigneten klimatischen Bedingungen gelagert sind bzw. deren Manipulation unter fachgerechten Bedingungen erfolgt. Das Zeitfenster zur Digitalisierung von Videoformaten ist aufgrund der Beschaffenheit der Quelle bzw. der Obsoleszenz der Abspielgeräte ein sehr beschränktes. Bei Aufnahmen aus dem privaten Bereich gilt dies umso mehr.

AV-Archive definieren das Bild der Gegenwart für künftige Generationen: Nicht alles kann erhalten werden, der notwendigen Selektion sollten aber dokumentierte Strategien zugrunde liegen.

Das Projekt „Wiener Video Rekorder“ hat Grenzen der Kuratierbarkeit von Sammlungen aus dem privaten Bereich gezeigt. Viele der übermittelten Quellen sind auch einer gewissen Zufälligkeit unterworfen (lassen aber in ihrer Gesamtheit sehr wohl Aussagen zu) bzw. diversen Selektionsprozessen sowohl auf Seite der Produzent/innen als auch der Archive:

  • Selektion, was privat aufgenommen wird
  • Selektion, was privat aufbewahrt wird
  • Selektion, was an ein Archiv abgegeben wird
  • Selektion, was das Archiv in die Sammlung aufnimmt
  • Selektion, was digitalisiert und langzeitarchiviert wird

Vor allem die Selektionsprozesse auf Seite der Produzent/innen sind durch Archive kaum zu beeinflussen bzw. zu dokumentieren. Was letztendlich im Archiv bewahrt wird, ist also im Endeffekt ein Ausschnitt, der nur zum Teil einer aktiven Sammlungsstrategie unterworfen ist.
Weiters hat sich im Zuge des Projektes gezeigt, dass die Sammlungsstrategie in diesem Bereich in einem hohen Maß an persönliche Kontakte zu den Produzent/innen gebunden ist – ein Unterfangen, das kaum in den Regelbetrieb eines Archivs integriert werden kann. Hier wird es immer wieder spezielle Projekte zur Sammlung (eventuell auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten) brauchen.

Die leichtere Verfügbarkeit von AV-Quellen durch Veröffentlichungsstrategien der AV-Archive regt die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Quellentypus an, die derzeit – gemessen an der Rolle, die diese Medien in der Öffentlichkeit spielen – noch immer unterrepräsentiert ist.

Durch die Verfügbarkeit von Ausschnitten aus dem Sammlungsbestand im Internet ist die Barriere für eine Beschäftigung mit diesen Beständen gesunken. Bezüglich des Gesamtbestandes ist jedoch festzuhalten, dass, wenn man die Veröffentlichungsstrategie mit ethischen Grundsätzen verknüpft und die Entscheidung über die Art der Zugänglichkeit den Übergeber/innen überlässt, der Zugang tendenziell eingeschränkt ist. Hier steht dem Wunsch von Forschenden (und Archiven), möglichst viel im Internet zu finden (und verfügbar zu machen), der Wunsch der Übergeber/innen nach Wahrung ihrer Privatsphäre entgegen.

Workflow des Projektes „Wiener Video Rekorder“

1. Akquise:
Die Strategien hinsichtlich Sammlungserwerb konzentrierten sich auf folgende Punkte:

  • Sammlungsaufrufe über Medienpartner (Printmedien, Rundfunk)
  • Kontakte zu einschlägigen Vereinen (z. B. Filmamateure)
  • Kontakte mit einschlägigen Institutionen (z. B. Bezirksmuseen, Filmmuseum)
  • Private Kontakte

Das Projekt war von Beginn an so konzipiert, dass die eingehende Sammlung möglichst innerhalb des Projektes aufgearbeitet werden kann. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass Video ein wesentlich engeres Zeitfenster für Digitalisierung bzw. Abspielmöglichkeiten aufweist als dies bei Film (und einschlägigen Sammlungsprojekten im Filmbereich) der Fall ist. Insgesamt wurden 3.000 Videokassetten in den Sammlungsbestand der Mediathek aufgenommen, 1.953 wurden digitalisiert. Die Differenz zwischen digitalisierten und gesammelten Videoträgern erklärt sich dadurch, dass nicht alle gesammelten Inhalte dem Thema der privaten Alltagsdokumentation – und damit dem Thema des Projektes – zuzuordnen sind. Das Projekt hat sich jedoch, wie auch schon Vorgängerprojekte wie z. B. „Österreich am Wort“, als Anker für das Einwerben weiterer, über das Thema des Projektes hinausgehender Sammlungen durch die Österreichische Mediathek erwiesen.

Ein wesentlicher Teil der Akquise war das persönliche Gespräch mit den Übergeber/innen. Vor allem das Sammeln von Quellen aus dem privaten Bereich hat eine starke aktive Komponente: Der Aufbau eines Sammlungsbestandes ist wesentlich von persönlicher Betreuung der Sammler/innen abhängig sowie von den Zugangsmöglichkeiten zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen. Öffentliche Aufrufe, diese Dokumente an ein Archiv abzugeben, funktionieren in der Regel nur dann für beide Seiten gut, wenn eine intensive Betreuung gewährleistet ist. Anonymisierte Übergabemöglichkeiten, wie etwa eine Upload-Plattform, haben in diesem Projekt nicht den erhofften Erfolg gebracht und werden aktuell aus diesem Grund nicht weiter verwendet. Die Tatsache, dass User/innen auf sozialen Netzwerken Videos hochladen, lässt sich nicht für Archivprojekte nutzen, da in den zuerst genannten der Fokus der Teilnehmer/innen ein anderer ist, nämlich der, sich zu vernetzen oder öffentlich präsent zu sein. Hier ist der Anspruch von Archiven, einen Sammlungsbestand für künftige wissenschaftliche Forschung bzw. Dokumente von gesellschaftlicher Relevanz für künftige Generationen bereit zu stellen, ein zu abstrakter, als dass er mit der Mehrheit der Übergeber/innen geteilt werden könnte. Meist braucht es zusätzliche Anreize, wie eine digitale Kopie (die in dem vorliegenden Projekt zugesagt wurde und wahrscheinlich ein wesentlicher Anreiz war), um Leute zu animieren, ihre Bestände an ein Archiv zu übergeben.
Die starke persönliche Komponente bei der Sammlung des Privaten spielt auch dann eine Rolle, wenn der Versuch unternommen wird, Sammlungen von geschlossenen gesellschaftlichen bzw. politischen Gruppierungen oder von Bevölkerungsteilen, die in der Institution im Vergleich zur Gesamtbevölkerung unterrepräsentiert sind, wie zum Beispiel von Migrant/innen zu übernehmen. Fehlende Kontakte in eine soziale oder politische Szene erschweren bzw. verunmöglichen einen entsprechenden Sammlungsaufbau im Archiv.

Teil des persönlichen Gesprächs bei der Sammlungsübernahme war auch die Erfassung von Metadaten zur Sammlungsgeschichte sowie den Herstellungsprozessen (Erinnerungen, die z. T. auch lücken- bzw. fehlerhaft waren) und den weiteren Verwendungsmöglichkeiten, die dem Archiv eingeräumt wurden. Diese Protokolle sind ebenfalls Teil der Sammlung und stehen für die weitere wissenschaftliche Nutzung des Bestandes zur Verfügung.
Es wurde den Übergeber/innen freigestellt, in welcher Form der Bestand künftig im Archiv genutzt werden kann. Audiovisuelle Medien unterliegen hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit einerseits rechtlichen Einschränkungen (Urheberrechte bzw. Leistungsschutzrechte, die vor allem bei publiziertem Material zu tragen kommen) aber auch – und vor allem im Bereich privater Quellenmaterialien – ethischen Einschränkungen. Dem Bestreben, möglichst alles möglichst ohne Einschränkungen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, steht der Wunsch der Übergeber/innen nach kontrolliertem Zugang entgegen – ein Wunsch, dem in diesem Projekt Rechnung getragen wurde, da dies als Teil der ethischen Verpflichtung öffentlicher Archive im Umgang mit ihren Beständen gesehen wird.

Diese Einschränkungen zeigen sich in folgenden Punkten:

  • Der Großteil der Bestände wurde auf Wunsch der Übergeber/innen anonymisiert. Mit den Übergeber/innen wurde vereinbart, ob und unter welchen Bedingungen sie von künftigen Benützer/innen für wissenschaftliche Zwecke kontaktiert werden können.
  • Die Nutzung im Internet ist nur eingeschränkt möglich. Der Sammlungsbestand, der vor Ort in der Mediathek benützbar ist, deckt sich nicht mit jenen Quellen, die im Internet zur Verfügung stehen: Online überwiegen Ausschnitte und die thematische Zusammensetzung der beiden Pools ist nicht deckungsgleich.

2. Digitalisierung
Voraussetzung für die weitere Bearbeitung des Materials war die Digitalisierung. Für grundsätzliche Überlegungen zum Thema Videodigitalisierung sowie für spezielle, das Projekt betreffende Aspekte sei auf den Text von Marion Jaks „Video erhalten! Qualitätsentscheidende Momente in der originalgetreuen Digitalisierung von Video“ verwiesen.

Im Rahmen des Projektes wurden folgende Videoformate digitalisiert:

  • Betamax: 31
  • Betacam Sp: 1
  • DVD: 67
  • MiniDV: 225
  • Video 8/Hi8: 488
  • VHS/S-VHS: 917
  • VHS-C/S-VHS-C: 222
  • Video 2000: 2
  •  
  • SUMME: 1.953

Bei einer durchschnittlichen Spieldauer von zwei Stunden umfasst die digitalisierte Sammlung des „Wiener Video Rekorders“ rund 3.900 Stunden.

Aussagen über die Digitalisierung sowie die Qualität des Bestandes sind nur individuell zu treffen und vor allem vom Format bzw. den Archivierungsbedingungen in den privaten Haushalten abhängig. Es lassen sich aber zwei generelle Aussagen zum Typus Amateurvideo treffen – vor allem im Vergleich mit dem Typus Amateurfilm:

  • Amateurvideos haben eine durchschnittlich wesentlich längere Spieldauer als Amateurfilm. Das ist medienimmanent und den technischen Voraussetzungen geschuldet, wirkt sich aber auch auf das Narrativ aus.
  • Amateurvideos haben häufig – aus des Sicht unserer heutigen Betrachtung – eine „schlechtere“ Bildqualität als Film. Das liegt nicht am Digitalisierungsvorgang bzw. am gewählten Format für die Digitalisierung, sondern am vergleichsweise schlechteren Ausgangsformat. Ein Aspekt des Wandels von Film zu Video war auch, dass sowohl die Aufnahmegeräte als auch die Speichermedien billiger wurden und sich zum Teil auch stark Richtung Consumerformate entwickelten. Die leistbare Ausrüstung, die eine Demokratisierung und Verbreiterung der Aufnahmemöglichkeiten bewirkte, schlug sich – zumindest in der Anfangszeit von Video (und mit dieser hat sich das vorliegende Projekt in erster Linie beschäftigt) auch auf die Qualität nieder.
  • Das Format Video ermöglicht es – auch im Amateurbereich – neben dem Bild auch Ton aufzuzeichnen. Diese technische Voraussetzung lässt eine andere Dimension der Erinnerung zu: Die Medialität bestimmt auch den Inhalt.

3. Metadatenerfassung
Ausgehend von den digitalen Quellen wurden zu sämtlichen Aufnahmen Metadaten erfasst, soweit diese vorhanden waren bzw. durch Sichtung der Quelle erschlossen werden konnten: Personendaten (anonymisiert), Aufnahmeort, Aufnahmedatum, Inhaltsbeschreibung, Beschriftung der Originalkassette, Beschlagwortung, Editionsangaben.

Für diesen Bestand wurde eine Sammlungsmatrix erstellt, die auch den Einstieg in die Datenbankabfrage auf der Website darstellt:

  • Feste und Feiern
  • Partner/innen; familiäres Umfeld; Freundeskreis
  • Öffentlicher Raum
  • Kulturelle Veranstaltungen
  • Freizeitaktivitäten
  • Aktivitäten im öffentlichen Raum
  • Reisedokumentationen
  • Migration
  • Sport
  • Arbeit; Betriebsfeiern
  • Lebensereignisse; Meilensteine
  • Private Dokumentationen

4. Onlineplattform
Jene Teile des Sammlungsbestandes, für die die Zustimmung zur Veröffentlichung vorlagen bzw. die den ethischen Kriterien entsprachen, sind – nach Rücksprache mit den Übergeber/innen in Ausschnitten – direkt online zugänglich. Hier wurden zusätzlich auch von Seite des Archivs Restriktionen in Hinblick auf die Privatsphäre vorgenommen – mit dem Bewusstsein, dass diese ethischen Einschränkungen immer auch subjektiv sind bzw. geltenden Tabus sowie dem gesellschaftlichen Wandel unterliegen (als Beispiel sei hier das Tabu Nacktheit bei Kindern angeführt).
Für alle Quellen des Sammlungsbestandes stehen die Metadaten online zur Verfügung, sämtliche Videoaufnahmen können in der Österreichischen Mediathek eingesehen werden.

Wie sehr das Private hier öffentlich wurde, entschieden die Übergeber/innen – die Tendenz zeigt in Richtung eingeschränkte Öffentlichkeit. Von vielen Übergeber/innen wird Anonymität gewünscht, das lässt nur ein beschränktes Maß an zusätzlichen Informationen zur Videoquelle zu. Kontextualisierendes Material kann oftmals aufgrund rechtlicher bzw. ethischer Grundsätze nicht uneingeschränkt zur Verfügung gestellt werden: Eine Zustimmung zur Übergabe der Bestände an ein öffentliches Archiv, die Zustimmung zur Forschung an den Beständen im Archiv, die Restriktion bei der Freigabe für das Internet – hier vertraut man dem Archiv die Funktion eines „Gatekeepers“ über die Bestände an, der für die Verwendung im Sinne der Übergeber/innen Sorge tragen soll.

(Publiziert: 2017)

Teile des Textes wurden der Publikation: Gabriele Fröschl, „Private Sammler/innen“ – Sammlungsstrategie und Sammlungsaufbau in Medienarchiven. In: Renée Winter, Christina Waraschitz, Gabriele Fröschl (Hg.): Aufnahme läuft. Private Videobestände – Öffentliche Archive? (Wien 2016), erschienen im LIT-Verlag, entnommen.