Die Westfront

Zwei parallel verlaufende, über 750 km lange Stellungssysteme bildeten den Schauplatz des Krieges im Westen - die Westfront. Keine Flanke mehr für eine Umfassung, der einzige Weg "zum Sieg" führte mitten durch. 

Die Westfront des Ersten Weltkrieges bot das Bild, welches sich für diesen Krieg ins allgemeine Bewusstsein gebrannt hat: Schützengräben, Stacheldraht, Trommelfeuer der Artillerie, Giftgas, Maschinengewehre im Dauerfeuer und dazwischen Infanteristen, als Kanonenfutter verheizt, in sinnlose Frontalangriffe getrieben.

Die Front und der Krieg im Westen erstarrten schon vor 1915. Bereits bei der großen, aber eigentlich vollkommen inoffiziellen Waffenruhe, zu Weihnachten 1914, trafen sich die gegnerischen Soldaten, aus Gräben und Stellungen kommend, im Niemandsland. Eine durchgehende Front vom englischen Kanal bis an die Grenze der Schweiz war entstanden. Es gab nun keine Flanke mehr zum Umfassen und jeder Angriff war ein Frontalangriff. 1915 waren die Stellungssysteme noch nicht so ausgeklügelt und weitläufig, wie in den folgenden Jahren. Die Schützengräben waren noch nicht so gut ausgebaut, die Stollen und Unterstände noch nicht so tief in der Erde angelegt, die Zahl der Maschinengewehre und Geschütze pro Kilometer der Front noch nicht so groß, die Stacheldrahtverhaue noch nicht so breit und mächtig, aber schon 1915 war der Stellungskrieg Realität. Stellungskrieg war aber nur ein anderer Name für die militärische Pattsituation. Die Befehlshaber auf beiden Seiten der Front weigerten sich, den Krieg als einen reinen Abnützungskampf zu akzeptieren, wenn die Front durchbrochen werden konnte, dann wäre auch wieder Raum für Manöver, die Rückkehr zum Bewegungskrieg möglich. Aber erst musste die Front durchbrochen werden. Die Entente versuchte es einerseits mit immer größeren Offensiven an der Westfront selbst, andererseits mit Offensiven, weit vom Kriegsschauplatz im Westen entfernt. Zwei Meinungen trafen hier aufeinander: Die Meinung, dass die Entscheidung nur an der Westfront fallen könne, gegen die Ansicht, dass Deutschland über die Türkei oder den Balkan bezwungen werden könnte. Das Deutsche Reich war der Hauptgegner, seine Armee musste besiegt werden, diese war aber mehrheitlich an der Westfront versammelt und ipso facto dort zu besiegen, dann und nur dann könnte der Krieg gewonnen werden. So lautete die Meinung der Verfechter einer Entscheidung an der Westfront. Die Vertreter der Idee über Nebenkriegsschauplätze zum Sieg zu kommen, wollten den Bullen nicht bei den Hörnern packen. Sie wollten vielmehr zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen: Indem durch den Gallipolifeldzug der Weg vom Mittelmeer ins Schwarze Meer geöffnet würde, müsste die Türkei aus dem Krieg ausscheiden und Russland könnte so endlich mit Nachschub versorgt werden, sodass die russische Dampfwalze tatsächlich bis Berlin alles niederwalzen würde.

Die Suche nach der Entscheidung im Westen führte in immer größere und immer verlustreichere Materialschlachten, die für den Krieg an der Westfront so charakteristisch wurden. Der französische Oberkommandierende Joseph Joffre wollte die deutsche Front „anknabbern“. Eine ganze Reihe von Groß-Offensiven brachte hier und da die Front vielleicht ins Wanken, ein echter Durchbruch war aber nie wirklich in Aussicht. Das britische Expeditionskorps unterstützte die französischen Bemühungen durch eigene Offensiven, doch noch war die britische Armee der Junior-Partner und dementsprechend kleiner fielen die Angriffe aus. Auch wenn die Konzentration von Kräften im Angriff alles Bisherige übertraf, Stacheldraht, Maschinengewehr und Artillerie in der Verteidigung waren stärker. Auf deutscher Seite setzte man einmal mehr auf die beste und größte chemische Industrie der Welt. Die Haber-Bosch-Synthese, ein chemisches Verfahren zur Gewinnung von Salpeter, hatte es Deutschland, ja den Mittelmächten, überhaupt erst ermöglicht den Krieg über das Jahr 1914 hinaus weiter zu führen. Abgeschnitten vom Salpeter aus Chile, wäre die Herstellung von Sprengstoff zum Erliegen gekommen. Nun sollten abermals deutsche Wissenschaft und Industrie in die Bresche springen. Fritz Haber, der geniale Chemiker, entwickelte ein Verfahren zum großräumigen Einsatz von Chlorgas als chemischer Waffe. Der erste Giftgaseinsatz fand im April 1915, während der zweiten Ypern-Schlacht, statt. So schrecklich die Folgen für die noch völlig schutzlosen Truppen der Entente waren, der Durchbruch gelang auch hier nicht. Dafür war in einem weiteren Bereich der Kriegsführung abermals die Büchse der Pandora geöffnet worden. Im September 1915 setzten die Briten ihrerseits erstmals Chlorgas bei der Schlacht von Loos ein und auch die französische Seite griff zu dieser Waffe.

Ein Wettlauf um immer tödlichere Kampfstoffe, immer effektivere Wege der Anwendung gegen den Feind begann. Aber es war nicht der einzige Rüstungswettstreit, auch die Luftfahrt wurde immer mehr in den direkten Dienst des Krieges gestellt. Nach dem Aufklärungsflugzeug entstanden der Bomber und das Jagdflugzeug. Deutsche Zeppeline flogen Angriffe gegen London und andere Ziele tief im feindlichen Territorium. Im Juli und Dezember 1915 einigten sich die Ententemächte in Chantilly auf das weitere Vorgehen im Krieg. Für 1916 waren Offensiven an allen Fronten vorgesehen, die Mittelmächte sollten den Vorteil der „Inneren-Linie“, die Möglichkeit der schnellen Verlegung von Truppen an gefährdete Frontabschnitte durch die Eisenbahn verlieren, indem alle Fronten bedroht werden sollten. Durch die großen Verluste Russlands und den noch nicht abgeschlossenen Aufbau der britischen Armee war der große Generalangriff aber nicht vor Sommerbeginn 1916 zu erwarten. Falkenhayn hatte aber seine große Offensive, die Operation Gericht, für das Frühjahr im Frontabschnitt von Verdun geplant. Es war dieser Abschnitt der Front, an dem der deutsche General Mudra mit kleinen, lokal begrenzten, aber bestens geplanten Angriffen ständig erfolgreich gewesen war. Die Überlegenheit der Angreifer auf dem Gebiet der schweren Artillerie hatte immer den Ausschlag gegeben, dieses Konzept sollte nun auf einer viel größeren Basis wiederholt werden.

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Westfront 1915 – Der britische Frontabschnitt
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Life in a trench in Belgium, No. 1
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Life in a trench in Belgium, No. 2
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Preußens Gloria
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Westfront 1915 – Der französische Frontabschnitt
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1914 –1915 - Eine Kriegschronik - 1. Teil
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1914 –1915 - Eine Kriegschronik - 2. Teil
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Ankunft von Kriegsgefangenen von Chop

Chronologie der Ereignisse

1915

2. Jänner
Karl Goldmark (18. Mai 1830 - 2. Jänner 1915)

Der Komponist Karl Goldmark (18. Mai 1830 - 2. Jänner 1915) stirbt in Wien.
Zu seinen bekanntesten Werken gehört die Oper "Die Königin von Saba"

13. Jänner

Stephan Burián Freiherr von Rajecz wird k. u. k. Außenminister

8. März

Um Italien von einem Kriegseintritt auf Seiten der Entente abzuhalten, erklärt sich Österreich-Ungarn bereit, das Trentino an Italien abzutreten.

15. März

Uraufführung des Films "Der Traum eines österreichischen Reservisten". Der Film basiert auf dem Orchesterwerk Carl Michael Ziehrers "Der Traum eines österreichischen Reservisten" aus dem Jahr 1890.

23. März

Nach dem Scheitern des Entsatzes der Festung Przemysl durch k. u. k. Truppen Ende Februar / Anfang März fällt die Festung am 23. März.

März / April

Der Krieg hat Auswirkungen auf die Versorgungslage der Zivilbevölkerung. In Wien ergehen Appelle zum sparsamen Brotverbrauch, es werden die ersten Lebensmittelkarten für Brot und Mehl ausgegeben, weiters steigen die Lebensmittelpreise für Grundnahrungsmittel wie etwa Milch.

27. April

Das k. u. k. U-Boot U5, unter Kommando von Georg Ludwig Ritter von Trapp, dem Vater der singenden Trapp-Familie, versenkt den französischen Panzerkreuzer Leon Gambetta in der Straße von Otranto.

2. Mai
Die Zahl der russischen Soldaten, die in Gefangenschaft gerieten überstieg die Millionenmarke.

Ostfront – Angriffsverbände der Mittelmächte durchbrechen die Front zwischen Gorlice und Tarnow. Am 3. Juni wird Przemysl zurückerobert und am 23. Juni ziehen Turppen der Mittelmächte im befreiten Lemberg ein. Die Offensive erzwingt ab Mitte Juni 1915, bis in den September, den "Großen Rückzug" der russischen Armee. Fast ganz Polen, der größte Teil von Galizien und Teile des Baltikums kommen unter Kontrolle der Mittelmächte. Die massiven russischen Verluste an Menschen und Material verhindern größere russische Angriffsabsichten in den folgenden Monaten.

3. Mai

Italien kündigt den Dreibund mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich auf.

7. Mai

Seekrieg - Das deutsche U-Boot U 20 versenkt das britische Passagierschiff RMS-Lusitania vor der Südküste Irlands. Heftige Proteste von Seiten der USA, 128 US-Bürger verlieren ihr Leben, führen zur Einstellung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges.

9. Mai bis 23. Juli

Westfront - Französischer Großangriff in der Lorettoschlacht im Artois. Das Rezept mit mehr Infanterie und mehr Artillerie anzugreifen führt, außer zu höheren Verlusten, kaum zu einem nennenswerten Ergebnis. Ebenfalls am 9. Mai, allerdings nur einen Tag lang, erfolgt ein erfolgloser britischer Großangriff bei Aubres zur Unterstützung der französischen Offensive.

15. Mai bis 27. Mai
Das 13th Battaillon London Regiment, The Kensingtons, war einer der Truppenteile, die bei den britischen Unterstützungs-Angriffen zum Einsatz kamen. Viele britische Kommandante hatten Zweifel an den Erfolgsaussichten, doch bestand der britische Kriegsminister Lord Kitchener, auch aus politischen Gründen, auf einer britischen Beteiligung bei den Frühjahrsoffensiven. Das zahlenmäßig noch immer viel schwächere BEF, somit das britische Weltreich, mußte wenigstens den Willen zum Angriff beweisen.

Westfront – Ein weiterer britischer Großangriff bei Festubert, zur Unterstützung der französischen Armee, wird ebenfalls von den deutschen Verteidigern abgewiesen. Die mangelnde Artillerieunterstützung - zu wenige moderne Geschütze und viel zu wenig Munition,  diese auch noch von schlechter Qualität - führt zur "Shell Crisis", der Munitions-Krise von 1915. Als direkte Folge davon werden in Groß Britannien Maßnahmen zur Ausnutzung der gesamten Industriekapazität ergriffen, bei gleichzeitiger Steigerung der Aufträge für Kriegszwecke in den USA. Ein weiterer Aspekt dieser Krise war der beschleunigte politische Aufstieg von David LLoyd George.

23. Mai
Der wohl bekanntesten Tiroler Standschütze war der Bergführer und Gastwirt Sepp Innerkofler, hier von Franz Defregger gemalt. Innerkofler fiel noch im Juli 1915 bei Kämpfen in den Sextner Dolomiten.

Italien erklärt Österreich-Ungarn, aber nicht dem Deutschen Reich, den Krieg. Die italienische Armee versäumt einen schnellen Angriff. Österreich-Ungarn kann mit letzten Reserven, darunter die berühmten Tiroler Standschützen, eine Abwehrfront errichten. Die Südfront, wird einerseits vom Krieg im Hochgebirge, andererseits vom Kampf im Karst am Isonzo-Unterlauf geprägt. Im Gegensatz zur Ostfront oder zur Balkanfront, wird Italien von beinahe allen Bevölkerungsteilen der Monarchie als Feind und wortbrüchiger Angreifer empfunden.

27. Mai

Die Deportationsgesetzte in der Türkei gegen die armenische Minderheit werden auf Druck der Jung-Türken beschlossen. Beginn des Völkermordes an den Armeniern, in dessen Verlauf im Jahr 1915 bis zu 1,5 Millionen Opfer zu beklagen sind.

31. Mai

Luftkrieg - Erste Angriffsfahrt eines deutschen Zeppelins auf London. Das nächtliche Luftbombardement soll die Rüstungswirtschaft schwächen. An Tagen nach Luftschiff-Angriffen sinkt die Produktivität in den Fabriken erheblich ab.

Ab Juni

Westfront - langsames und systematisches Vorrücken deutscher Truppen im Bereich der Argonnen und vor Verdun. Das von General Mudra entwickelte Angriffsverfahren ist viel kleinteiliger als die großen französischen Offensiven, dadurch ist die örtliche Überlegenheit, besonders an effektiver schwerer Artillerie, sehr viel erdrückender. Zu diesem Zeitpunkt ist auch noch eine erhbebliche technische Überlegenheit bei der schweren Artillerie auf Seite der Mittelmächte vorhanden.

23. Juni bis 3. August
Die italienischen Alpini waren als Gebiergstruppen das Gegenstück zu den Kaiserjägern und Standschützen auf österreichischer Seite.

Italienfront - Die italienische Armee beginnt mit der Ersten und Zweiten Isonszoschlacht eine ganze Reihe von Offensiv-Schlachten am Isonzo-Unterlauf. Es ergibt sich ein ähnliches Bild, wie bei den Schlachten an der Westfront. Hohen Verlusten, besonders für die Angreifer, stehen kaum messbare Geländegewinne gegenüber. Auch der Gebirgskrieg wird nun von italienischer Seite mit erhöhtem Einsatz geführt. Die verlorene Zeit zwischen der Kriegserklärung und den ersten großen Angriffen kann aber nicht mehr wettgemacht werden.

Von Juli bis Frühjahr 1916
Fokker EII Eindecker mit dem synchronisierten Maschinengewehr.

Luftkrieg - Westfront - Beginn der "Fokker-Plage" an der Westfront. Durch ein synchronisiertes Maschinengewehr, so kann durch den sich drehenden Probeller geschossen werden, ist der deutsche Fokker-Eindecker allen Flugzeugen der Entente im Luftkampf vorübergehend überlegen.

19. August
Gemälde von Carl Bössenroth.

Seekrieg – Der britische Passagier-Dampfer Arabic wird von U 24 versenkt. Weil unter den Opfern wieder US-Bürger sind wird der U-Boot-Krieg weiter eingeschränkt. Am selben Tag kommt es zum Baralong-Zwischenfall. Die britische U-Boot-Falle Baralong setzt U 27 kampfunfähig. Als U-Boot-Fallen wurden bewaffnete Schiffe bezeichnet, die als Handelsschiffe getarnt waren, ein klarer Verstoß von britischer Seite gegen das Prisen-Recht und einer der Gründe für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg von deutscher Seite. Der britische Kapitän lässt alle überlebenden Matrosen der U-Boot Besatzung erschießen, ein klares Kriegsverbrechen.

21. August

Gallipolifront - Der letzte Versuch britischer, australischer und neuseeländischer Truppen die Brückenköpfe an der Meerenge auszuweiten scheitert.

Mitte September
Österreichisch-ungarische Proviantkolonne in Wolhynien (Russisch-Polen; letzter Ort vor der russischen Festung Dubno)<br /><br />Welt-Preß-Photo<br /><br />In: Illustrierte Zeitung, Leipzig, 30. 9. 1915

Nach russischen Gegenangriffen (Schlacht bei Tarnopol 6. – 19. September) kein weiteres Vordringen österreichisch-ungarischer Truppen in Galizien; der Frontverlauf verfestigt sich

September bis November

Ergebnislose französische Herbstoffensive in der Champagne

Oktober bis November
Österreichisch-ungarische Truppen überschreiten, gedeckt durch das Feuer der Donaumonitore, die Donau bei Belgrad<br /><br />Gez. Willy Stöwer<br /><br />In: Illustrierte Zeitung, Leipzig, 8. 10. 1915

Eroberung Serbiens und Montenegros durch die Mittelmächte

6. Oktober Beginn der Offensive, Besetzung Belgrads 
24./25. Oktober entscheidender Erfolg über die serbischen Truppen am Amselfeld bei Pristina

Mitte Oktober
Vor einer Buchhandlung, die eine&nbsp;Karte des Krieges ausgehängt hat<br /><br />In: Illustrierte Zeitung, Leipzig, 25. 11. 1915

Kriegseintritt Bulgariens auf Seiten der Mittelmächte und Teilnahme am Feldzug gegen Serbien

Oktober bis Dezember
Durch Artilleriebeschuss zerstörtes Haus<br /><br />In: Illustrierte Zeitung, Leipzig, 23. 12. 1915

Dritte und Vierte Isonzoschlacht; vergebliche italienische Angriffe (u. a. auf Görz); hohe Verluste auf beiden Seiten