Die Nationalratswahlkämpfe der Jahre 1990, 1994 und 1995 als Spiegelbild des Wandels in Politik und medialer Berichterstattung

Eine Bestandsaufnahme.

von Stephan Grundei

40. Debatte um die Neutralität – auch im NR-Wahlkampf 1995

Der Abschluss der Friedensverhandlungen von Dayton bestimmte vollends die mediale Berichterstattung am 22. November. Der Nationalratswahlkampf wurde dementsprechend erneut auf drei Berichte reduziert. Eine Kurzreportage stellte die wahlwerbenden außerparlamentarischen Parteien vor. Die KPÖ sprach sich in ihrem Wahlkampf für einen Austritt aus der EU aus. Spitzenkandidat Walter Baier argumentierte mit der Wahrung der Neutralität und dem drohenden Sozialabbau. Auch die Bürgerinitiative „Nein zur EU“ sprach sich für einen raschen EU-Austritt aus. Der Organisationsleiter Karl Nowak sah ebenfalls die österreichische Neutralität stark gefährdet und schlug vor, die Beitragszahlungen vorerst auszusetzen (Audioquelle 122, Mittagsjournal vom 22. November 1995).

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Audioquelle 122

aus dem Mittagsjournal vom 22. November 1995
Nationalratswahlkampf außerparlamentarischer Parteien

Die österreichische Beteiligung an der Friedenstruppe für Bosnien unter NATO-Kommando hatte erneut eine Diskussion über den Status der Neutralität in Österreich ausgelöst. SPÖ-Nationalratspräsident Fischer bezog zur Frage einer etwaigen Aushöhlung der Neutralität durch Österreich Stellung. Fischer sah die Neutralität als einen der Beweggründe für viele Ja-Stimmen bei der Abstimmung über den EU-Beitritt und sprach sich für eine Beteiligung an europäischen Friedensmissionen unter Achtung der Neutralität aus. Die FPÖ stellte im Rahmen ihres „Vertrages mit Österreich“ das freiheitliche Wirtschaftsprogramm vor. Zentrale Punkte waren 75 Milliarden Schilling an Einsparungen, Steuersenkungen für Betriebe und Haushalte und die Stärkung der österreichischen Wirtschaft. Der freiheitliche Budgetsprecher Trattner wollte die Einsparungen durch die Kürzung von Subventionen in der Höhe von 20 Milliarden Schilling, sowie durch Privatisierungen erzielen. FPÖ-Obmann Haider nannte den Abbau der Bürokratie, eine Vereinfachung des Steuersystems und mehr Zeitautonomie für die Unternehmen als Ziele. Die SPÖ nahm sich des Themas der Frauenpolitik an. Der Frauenanteil auf allen SPÖ-Listen bei Wahlen sollte demnach seit Jahren bei mindestens 40 Prozent liegen. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Ederer und Bundeskanzler Vranitzky stellten nun die Bundesliste der SPÖ vor. Der Frauenanteil dieser Liste lag bei 38,7 Prozent, allerdings war der Frauenanteil auf den vorderen Plätzen der Liste eindeutig niedriger. Ederer sprach von einer spektakulären Liste (Audioquelle 123, Mittagsjournal vom 23. November 1995).

00:02:04
Audioquelle 123

aus dem Mittagsjournal vom 23. November 1995
Frauenplatzierungen auf der SPÖ-Liste

In der Reihe der ausführlichen Wahlkampfreportagen wurde im Abendjournal vom 23. November der Wahlkampf der liberalen Obfrau Heide Schmidt begleitet. Im Mittagsjournal wurde ein Teaser für das abendliche „Journal-Panorama“ eingespielt.

41. Wirtschaftspolitische Konzepte

Die SPÖ präsentierte ihr industriepolitisches Programm. Sowohl Bundeskanzler Vranitzky, Verkehrsminister Klima als auch ÖGB-Präsident Verzetnitsch betonten die Bedeutung der Beschäftigung. Für Vranitzky waren die Sicherung der Beschäftigung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze Grundlage jeder Wirtschafts- und Sozialpolitik. ÖGB-Präsident Verzetnitsch sah die Priorität der Beschäftigung lediglich im Programm der Sozialdemokraten wiedergegeben. Verkehrsminister Klima forderte eine Innovationsoffensive für Österreich und die Einführung eines Technologiebeirates zur Koordination der Forschungsprogramme (Audioquelle 124, Mittagsjournal vom 24. November 1995). Die Grünen beschäftigten sich ebenfalls mit ihren Vorstellungen zur Budgetpolitik. Die grüne Klubobfrau Petrovic forderte wirtschaftlichen Fortschritt mit stetiger Berücksichtigung des Umweltschutzes als politische Leitlinie. Benzin, Gas und Kohle sollte stärker besteuert werden, im Gegenzug müsste die Lohnsteuer gesenkt werden. Eine leistungsorientierte Spitalsfinanzierung und die Abschaffung der Pragmatisierung der Beamten stellten weitere Eckpunkte dar. Petrovic betrachtete mit diesem Programm die Budgetkonsolidierung, den wirtschaftlichen Wohlstand und die Schaffung neuer Arbeitsplätze als gesichert. Das Antimissbrauchsgesetz wurde von der ÖVP thematisiert. Das Gesetz wurde ohne Zustimmung der ÖVP in der jüngsten Sondersitzung des Nationalrates beschlossen. Die ÖVP wollte das Zustandekommen des Gesetzes nun im Bundesrat blockieren. ÖVP-Klubobmann Khol ortete beim Abstimmungsprozedere während der Sitzung Widersprüchlichkeiten. Durch das Gesetz sollte die Schwarzarbeit bekämpft werden. Die FPÖ präsentierte die Kandidaten der Bundesliste für die Nationalratswahl. Allgemein rechnete man mit etwa fünf sicheren Plätzen auf der Bundesliste. Als Überraschung wurde die Kandidatur des scheidenden Chefs der Österreich-Werbung, Klaus Lukas, gesehen. FPÖ-Obmann Haider nannte seine Kandidaten klassische soziale Aufsteiger bürgerlicher Herkunft.

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Audioquelle 124

aus dem Mittagsjournal vom 24. November 1995
SPÖ präsentiert Beschäftigungs- und industriepolitisches Konzept

Zum Wochenausklang kamen die beiden Regierungsparteien ausführlich in der Berichterstattung vor. Einem Bericht vom Bundesparteirat der SPÖ war ein umfassendes Interview mit der ÖVP-Wirtschaftsprecherin Maria Fekter gegenüber gestellt. Der Bundesparteirat der SPÖ beschloss endgültig die Bundesliste der Nationalratskandidaten und das Wahlprogramm. Gleichzeitig fungierte dies als Auftakt zum Intensivwahlkampf. SPÖ-Bundeskanzler Vranitzky attackierte in seiner Festrede FPÖ-Obmann Haider frontal. Außerdem distanzierte er sich deutlich vom bisherigen Koalitionspartner ÖVP. „Im Journal zu Gast“ in dieser Woche war ÖVP-Wirtschaftssprecherin Fekter. Sie stellte das ÖVP-Wirtschaftsprogramm vor, wodurch die vierte Partei zu diesem Thema in dieser Serie zu Wort kam. In diesem ausführlichen Interview sprach sie über ihr Programm zur Bekämpfung der Armut in Österreich, Einsparungen im Bildungsbereich, Sozialmissbrauch, Kürzungen beim Arbeitslosengeld, Selbstbehalt im Gesundheitswesen, die Budgetkonsolidierung, Steuererhebungen und ihre persönlichen Wahlprognosen. (Audioquelle 125, Mittagsjournal vom 25. November 1995)

00:15:04
Audioquelle 125

aus dem Mittagsjournal vom 25. November 1995
Im Journal zu Gast: Maria Fekter

42. Soziale Fragen im Wahlkampf 1995

Die Einführung und Ausweitung von Selbstbehalten im Gesundheitswesen war am 27. November zentrales Thema der Berichterstattung. Die Regierungsparteien konnten sich Selbstbehalte beim Kuraufenthalt vorstellen. Die ÖVP überlegte darüber hinaus Selbstbehalte beim Arztbesuch. Dies wurde von der SPÖ striktest abgelehnt. Der Effekt von Selbstbehalten war umstritten. In einem Bericht wurden die Sachlage und die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen diskutiert und analysiert.

Auch am folgenden Tag wurde dem Wahlkampf im Mittagsjournal kein allzu großer Raum gewährt. Bundeskanzler Vranitzky trat im Anschluss an den Ministerrat vor die Presse. Dabei plädierte er für einen schnellen Zeitplan zur Einführung einer europäischen Währungsunion. Vranitzky betonte erneute die Bedeutung einer offensiven Beschäftigungspolitik. Dem deutschen Vorschlag, Strafen für die Nichteinhaltung der Maastricht-Kriterien zu erlassen, konnte er wenig Positives abgewinnen. (Audioquelle 126, Mittagsjournal vom 28. November 1995)

00:02:11
Audioquelle 126

aus dem Mittagsjournal vom 28. November 1995
Pressefoyer: Vranitzky für rasche Einführung der Euro-Währung

Bundeskanzler Vranitzky stellte am 29. November das SPÖ-Antimissbrauchs-Programm vor. Das Programm wandte sich sowohl gegen den Missbrauch im Sozialsystem als auch gegen den Missbrauch des Staates allgemein. Im Unterschied zur ÖVP ginge es der SPÖ laut Eigenaussage auch darum, gegen die organisierte Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung vorzugehen. An der Spitze eines Sieben-Punkte-Katalogs sollte eine neu zu schaffende Antimissbrauchsgruppe aus Sozialarbeitern, Steuerberatern und Rechtsanwälten stehen. Die Arbeiterkammer hatte das Gewinnsteueraufkommen der letzten vier Jahre analysiert. Demnach hatte die letzte Steuerreform von 1993 wesentlich höhere Ausfälle bei den Unternehmenssteuern gebracht als ursprünglich erwartet. AK-Präsidentin Eleonora Hostasch ortete die Existenz einer großen Zahl von Steuerschlupflöchern. Insgesamt betrugen die existenten Schulden der österreichischen Unternehmen bei den Finanzämtern 54 Milliarden Schilling.
Die ÖVP präsentierte ihre außen- bzw. europapolitische Kompetenz. Außenminister und ÖVP-Spitzenkandidat Wolfgang Schüssel gab eine Erklärung in der Hofburg ab. Dieser Erklärung war eine innerkoalitionäre Debatte über den Ort der Wortmeldung vorangegangen. Schüssel sah es als oberste, politische Aufgabe an, die politischen Chancen der Mitgliedschaft in der EU zu nutzen. Die europäische bzw. österreichische Sicherheitspolitik nahm ebenfalls einen bedeutenden Stellenwert ein. In diesem Zusammenhang sprach er sich ausdrücklich für die Teilnahme Österreichs an der NATO-Friedensmission unter UNO-Mandat in Bosnien aus (Audioquelle 127, Mittagsjournal vom 29. November 1995). In Brüssel hatte EU-Agrarkommissar Franz Fischler eine internationale Hormonkonferenz eröffnet.

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Audioquelle 127

aus dem Mittagsjournal vom 28. November 1995
Außenpolitische Erklärung von Außenminister Schüssel

Ein Programmhinweis auf die Sendereihe „Journal-Panorama“ beschäftigte sich ebenfalls mit dem Nationalratswahlkampf. Im Rahmen der Sendereihe wurde jeweils der/die Spitzenkandidat/in der wahlwerbenden, parlamentarischen Parteien für eine ausführliche Reportage im Wahlkampf begleitet. Dieses Mal beschäftigte sich die Sendereihe mit dem FPÖ-Obmann Jörg Haider, dabei wurde Haider im Gespräch mit den Bürgern und bei Reden gezeigt.

Der ÖGB verabschiedete einstweilen ein Memorandum mit Forderungen an die Parteien. Man betonte Äquidistanz zu allen Parteien wahren zu wollen und die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. ÖGB-Präsident Verzetnitsch sah in den Memorandum jedenfalls keine Wahlempfehlung für die SPÖ, selbst wenn viele Punkte auch im Programm der SPÖ abgedeckt sind. Die vom ÖGB geforderten Mehrausgaben rechtfertigte Verzetnitsch durch die damit einhergehende steigende Anzahl der arbeitenden Menschen und die damit verbundene stärkere Wirtschaft.

Das Thema der Finanzierung der Pensionen war in diesem Wahlkampf weiterhin Gegenstand der Berichterstattung. Die Parteien waren sich bezüglich der Bekämpfung des Missbrauches der Pensionen einig. Die Grünen präsentierten ihr Pensionsmodell. Der grüne Sozialsprecher Karl Öllinger sprach sich für ein Zwei-Säulen-Modell aus. Zwischen dem 18. Lebensjahr und dem Pensionsantritt sollte demnach jede Person monatlich 500 Schilling einzahlen. Dafür wäre eine Grundpension 5.600 Schilling monatlich garantiert. Als Gewinner prognostizierte Öllinger die ASVG-Pensionisten, die Selbstständigen und die kleinen Bauern. Erwartete Verlierer wären die Bezieher hoher Pensionen im öffentlichen Dienst (Audioquelle 128, Mittagsjournal vom 30. November 1995). Die Personalvertretungswahlen der Beamten brachten kaum Veränderungen. Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter konnte ihre absolute Mehrheit halten.

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Audioquelle 128

aus dem Mittagsjournal vom 30. November 1995
Pensionsmodell der Grünen

43. Das Schwarz-Blaue-Schreckgespenst

Die SPÖ warnte auch am ersten Dezembertag vor einer möglichen schwarz-blauen Koalition. Laut SPÖ-Klubobmann Kostelka waren die Anzeichen für eine mögliche Koalition von ÖVP und FPÖ klar zu erkennen. Er sah zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Parteien. Ähnliche Anträge und Positionen gab es demnach in der Sozialpolitik, in der Pensionsfrage, bei der Wirtschafts- bzw. Umweltpolitik und in der Frage der Neutralität bzw. NATO. Kostelka wollte darin eine bewusste Strategie und politisches Kalkül von Seiten der ÖVP erkennen. Diese Anzeichen waren seit dem Obmannwechsel zu Wolfgang Schüssel wahrnehmbar. Außerdem kritisierte er die aktive Wahlwerbung durch den deutschen CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl für die ÖVP.

ÖVP-Obmann Schüssel hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung die SPÖ um Bundeskanzler Vranitzky und die FPÖ um Obmann Haider für die Probleme in Österreich verantwortlich gemacht. Dabei sprach er von „Haiderismus“ und „Vranziskaner“. Der Franziskanerorden bekundete ausdrücklich sein Befremden und verlangte, dass die Kirche nicht im Wahlkampf benutzt werden soll. Bei einer Pressekonferenz kommentierte derweil ÖVP-Obmann Schüssel das Ergebnis der Beamtenvertretungswahl und präsentierte die Bundesliste für die Nationalratswahl. Schüssel diagnostizierte eine sensationelle Politisierung in Österreich. Außerdem erklärte er den Ausdruck „Vranziskaner“ bei zukünftigen Wahlkampfveranstaltung durch „Vranzianer“ ersetzen zu wollen. (Audioquelle 129, Mittagsjournal vom 1. Dezember 1995)

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Audioquelle 129

aus dem Mittagsjournal vom 1. Dezember 1995ÖVP-Vorstand: Vorstellung der Bundeskandidatenliste, Antwort auf „Vranziskaner“-Äußerung

 

Am 17. Dezember 1995 fand die steirische Landtagswahl statt. Das Mittagsjournal zog zwei Wochen vor der Wahl eine Zwischenbilanz über den steirischen Wahlkampf. In der Steiermark regierte bisher die ÖVP mit 44 Prozent der Stimmen. Das dominierende Thema des Wahlkampfes 1995 war ähnlich dem der Nationalratswahl, man sprach von einer Richtungsentscheidung und von Schicksalswahlen. Der SPÖ-Spitzenkandidat, Peter Schachner-Blazizek, thematisierte bei jeder Gelegenheit die Möglichkeit einer schwarz-blauen Regierung in der Steiermark und nannte die Steiermark als Wegbereiter für Schwarz-Blau im Bund. Dies bezeichnete er als möglichen historischen Fehler. Der ÖVP-Landeshauptmann Josef Krainer sah die Stimmung im Land sehr positiv für seine Partei und wollte damit aufkeimende Rücktrittsgerüchte im Keim ersticken.
 
Inhaltlich war die Budgetsanierung eines der zentralen Wahlkampfthemen. Die Diskussion drehte sich um die Finanzierung der Budgetsanierung. Auf Grund der Maastricht-Kriterien zur Einführung einer europäischen Einheitswährung durfte die gemeinsame Verschuldung aller öffentlichen Haushalte nicht mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Eine Darstellung der aktuellen Situation in Österreich und ein Überblick über die Programme der Parteien im Zuge des Nationalratswahlkampfes leitete ein weiteres Interview der Sendereihe „Im Journal zu Gast“ ein. Zum Abschluss der wöchentlichen Gesprächsreihe war mit SPÖ-Wirtschaftssprecher Ewald Nowotny der letzte verbleibende Wirtschaftssprecher einer Parlamentspartei eingeladen. In dem Interview mit Redakteur Michael Kerbler bezog Nowotny Stellung zu den Themen Budgetsanierung, Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, dem Klima zwischen SPÖ und ÖVP, etwaigen künftigen Regierungskonstellationen und einer Prognose zum SPÖ-Abschneiden bei der Nationalratswahl. (Audioquelle 130, Mittagsjournal vom 2. Dezember 1995)

00:14:46
Audioquelle 130

aus dem Mittagsjournal vom 2. Dezember 1995
Im Journal zu Gast: SP-Wirtschaftssprecher Ewald Nowotny

Der bevorstehende Einsatz von NATO-Friedenstruppen unter UN-Mandat in Bosnien war das europäische und außenpolitische Hauptthema am 4. Dezember. FPÖ-Wehrsprecher Herbert Scheibner sprach von 300 Millionen Schilling Zusatzkosten beim Einsatz österreichischer Soldaten in Bosnien. Er sah die Voraussetzungen für einen Einsatz nicht gegeben. Erhebliche Investitionen und eine genaue Klärung der Befugnisse wären seiner Meinung nach notwendig gewesen, um den Einsatz verantworten zu können. Gleichzeitig kritisierte er die Bundesregierung auf Grund der Versäumnisse der Vergangenheit. Die ÖVP kam im Zuge der Berichterstattung zur existenziellen Krise der UNIDO zu Wort. Die USA kritisierte an der UNIDO die mangelhafte Effizienz und zu viel Bürokratie. ÖVP-Staatssekretärin Benita Ferrero-Waldner ortete im UNIDO-Management Probleme und einen Strukturwandel bei industrieller Entwicklung.

Das „Journal-Panorama“ setzte seine Reihe von Wahlkampfreportagen fort und begleitete in dieser Ausgabe ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel. In der Vorankündigung zur Reportage im Mittagsjournal ist Schüssel bei einer Diskussion mit Schülern zu hören.

ÖVP-Wirtschaftsminister Johannes Ditz wurde im Zusammenhang mit der neuen, umstrittenen Regelung zu den Ladenöffnungszeiten am 8. Dezember eingespielt. Die Regelung wurde gegen den Willen der SPÖ und der Gewerkschaften durch die Stimmen von ÖVP, FPÖ und dem Liberalen Forum beschlossen. Ditz präsentierte bei einer Pressekonferenz einen Vorstoß zu einer weiteren Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten und sah in der Regelung zum 8. Dezember die Bedürfnisse der Arbeitnehmer erfüllt. Vom 8. Dezember erwarteten Experten ein Umsatzplus von einer Milliarde Schilling. Bundeskanzler Vranitzky konnte weitere EU-Gelder im Rahmen der Regionalförderung präsentieren. Rund 18,5 Milliarden Schilling zusätzliche Förderungen würden demnach in den kommenden fünf Jahren an Österreich ausbezahlt werden. Der Bundeskanzler forderte mehr österreichische Projekte, um diese Fördergelder auch voll ausschöpfen zu können.

Eine mögliche bevorstehende schwarz-blaue Koalition nach der Nationalratswahl war das Hauptthema in dieser Phase des Wahlkampfes. Welche Ängste und Hoffnungen eine solche Koalition bei den Österreichern erzeugte, war Gegenstand eines weiteren Beitrages. Laut einer Umfrage war das stärkste Motiv die Angst um das Ansehen Österreichs im Ausland und der Verlust des sozialen Friedens in Österreich (Audioquelle 131, Mittagsjournal vom 4. Dezember 1995).

00:01:25
Audioquelle 131

aus dem Mittagsjournal vom 4. Dezember 1995
Was erwarten die Wähler von Schwarz-Blau?

44. TV-Kanzlerduell

Die Fernsehdiskussionen konnten bei diesen Wahlen äußerst hohe Einschaltquoten erzielen. Die TV-Konfrontation zwischen ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel und FPÖ-Obmann Jörg Haider am 29. November wurde von fast 1,5 Millionen Menschen verfolgt. Der Marktanteil lag bei 81 Prozent. Damit haben die TV-Konfrontationen ungeahnte Bedeutung gewonnen. Der Vorstand des Publizistikinstituts in Wien, Thomas Bauer, analysierte am 16. November dieses Phänomen. Laut Bauer empfanden die Menschen die Fernsehduelle als Schauspiel, welches den Menschen inhaltliche Orientierungshilfe gibt. Dennoch schätzte er die Bedeutung der TV-Duelle bei der Entscheidung als nicht sonderlich hoch ein.

Die erste 5er-Konfrontation der Spitzenkandidaten der fünf Parlamentsparteien brachte einen neuen Zuschauerrekord. Mehr als 1,7 Millionen Menschen verfolgten die Diskussion zwischen Bundeskanzler Vranitzky, Wirtschaftsminister Ditz, FPÖ-Obmann Haider, dem grünen Wirtschaftssprecher van der Bellen und LiF-Finanzsprecher Haselsteiner. Im Mittagsjournal wurden die Pressestimmen zusammengestellt. Die Debatte zu Wirtschaftsthemen wurde allgemein als sachlich und seriös bewertet. In der Fernsehdiskussion hatte FPÖ-Obmann Jörg Haider der Nationalbank vorgeworfen, dass im Rahmen des Beitritts zur europäischen Union die Österreichische Nationalbank durch Goldverkauf den Ausverkauf der österreichischen Wirtschaft eingeläutet habe. Die Nationalbank stellte umgehend ihre Position klar.

In der Wahlkampfberichterstattung stand am 5. Dezember die am Abend bevorstehende TV-Konfrontation zwischen Bundeskanzler Vranitzky und Vizekanzler Schüssel im Mittelpunkt. Ähnliche Einschaltquoten wie bei der ersten 5er-Konfrontantion mit 1,7 Millionen Zusehern wurden erwartet. Bei einer Straßenbefragung bekundeten viele Menschen ihr Interesse an der Diskussion und kündigten an, die TV-Diskussion als Entscheidungshilfe für ihr Wahlverhalten heranzuziehen. Die beiden Spitzenkandidaten sprachen nach dem Ministerrat über ihre Art der Vorbereitung auf das abendliche Zusammentreffen. Bundeskanzler Vranitzky sprach davon, sich als Vorbereitung den Tag terminlich freigehalten zu haben, um die Bedeutung der Fernseh-Diskussion anzuerkennen. Vizekanzler Schüssel gab sich betont locker und sprach von keiner intensiven Vorbereitung auf Grund der Kenntnis der politischen Inhalte. (Audioquelle 132, Mittagsjournal vom 5. Dezember 1995, JM‑951205_b01)

00:01:24
Audioquelle 132

aus dem Mittagsjournal vom 5. Dezember 1995
Vor der TV-Konfrontation: Die Diskutanten zu ihren Vorbereitungen

Die Obfrau des Liberalen Forums, Heide Schmidt, verlautbarte während ihrer Wahlkampftour Möglichkeiten zu neuen Koalitionsformen. Demnach konnte sich Schmidt auch ein Mitwirken an einer großen Koalition vorstellen. (Audioquelle 133, Mittagsjournal vom 5. Dezember 1995, JM‑951205_b02)

Beim Pressefoyer nach dem Ministerrat stellte sich Innenminister Caspar Einem den Fragen der Journalisten. Dabei begründete er seine Position, keine Zwangsrückführung von Flüchtlingen aus Bosnien durchzuführen. Die natürliche Rückwanderung von Flüchtlingen nach Bosnien hätte eine solche nicht notwendig gemacht. Die fehlende Infrastruktur in Bosnien macht darüber hinaus eine Zwangsrückführung im Laufe des Winters unmöglich. Auch Kunstminister Rudolf Scholten durfte im Mittagsjournal positive Bilanz ziehen. Er zeigte sich rundum zufrieden mit dem österreichischen Ergebnis bei der Frankfurter Buchmesse.

00:01:00
Audioquelle 133

aus dem Mittagsjournal vom 5. Dezember 1995
Heide Schmidts Koalitionserwägungen

Auch die Wissenschaft meldete sich im Wahlkampf zu Wort. Die Plattform „Universität und Demokratie“ war ein Zusammenschluss von mehr als 170 Universitätsprofessoren. Sie warnten vor den Entwürfen einer Dritten Republik. Der Historiker Michael Weinzierl warnte vor einer autoritären und plebiszitären Präsidialrepublik und sah darin Ähnlichkeiten mit den faschistischen Systemen der 1930er Jahre. Er nahm damit direkten Bezug auf die politischen Visionen von FPÖ-Obmann Haider. Der Romanist Georg Kremnitz erweiterte den realpolitischen Bezug der Ansage auf die Politik von ÖVP-Obmann Schüssel. Der Sprecher der Plattform, der Historiker Gerhard Botz, betonte dennoch, dass es kein Anliegen der Plattform sei, eine Wahlempfehlung auszugeben. (Audioquelle 134, Mittagsjournal vom 5. Dezember 1995, JM‑951205_b03)

00:02:16
Audioquelle 134

aus dem Mittagsjournal vom 5. Dezember 1995
Plattform für Universität und Demokratie zu den Wahlen

Das Hauptthema der Berichterstattung am 6. Dezember war die TV-Konfrontation zwischen SPÖ-Bundeskanzler Vranitzky und ÖVP-Obmann Schüssel. Mit diesem sogenannten „Kanzlerduell“ ging die Serie der 2er-TV-Diskussion im Wahlkampf 1995 zu Ende. Sowohl Vranitzky als auch Schüssel zogen Bilanz über die vorangegangene Diskussion. Anschließend kam es zu einer Analyse durch diverse Chefredakteure. Bundeskanzler Vranitzky sprach retrospektiv von einer „Verhaiderung“ von ÖVP-Obmann Schüssel. Des Weiteren strich er als großen Unterschied zwischen SPÖ und ÖVP heraus, dass die SPÖ, im Gegensatz zur ÖVP, ein Budgetkonzept vorlegen konnte. Außerdem bezeichnete er Schüssel als „Reformer im Retourgang“. Schüssel hingegen sprach von einer spannenden Diskussion, die auf einem guten Niveau hart ausgetragen worden sei. Er sah generell bei Wahlkonfrontationen keine Gewinner und Verlierer, sondern vielmehr den Austausch von Argumenten (Audioquelle 135, Mittagsjournal vom 6. Dezember 1995). Die Medien analysierten den Ablauf und das Ergebnis der Diskussion. Andreas Unterberger von der Tageszeitung „Presse" stellte die Frage, ob ein Fortbestand der großen Koalition überhaupt möglich sei, und sah auf Grund von Schweißausbrüchen von Bundeskanzler Vranitzky, Schüssel als Sieger an. Hans Rauscher hörte wenig Programmatisches und würde Schüssel ebenfalls als Punktesieger sehen. Auch weitere Chefredakteure der Printmedien sahen Schüssel im Vorteil.

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Audioquelle 135

aus dem Mittagsjournal vom 6. Dezember 1995
Nach TV-Diskussion Vranitzky – Schüssel: Stellungnahmen der Diskutanten

Im Durchschnitt wurden die Sendungen von 1 Million Menschen verfolgt. Das geringste Interesse gab es bei der Diskussion zwischen SPÖ-Innenminister Casper Einem und dem LiF-Sozialsprecher Volker Kier mit 570.000 Zusehern. Inhaltlich sah der Kommunikationswissenschaftler Thomas Bauer am 7. Dezember bei den TV-Konfrontationen eine Maskierung eines politischen Spiels. Primär ging es dabei um die Darstellung und nicht um Inhalte. Allgemein wollte Bauer bei den Bürgern eine gewisse Sättigung bei den TV-Konfrontationen erkannt haben. Der Politologe Anton Pelinka sah auf Grund der gestiegenen Einschaltquoten nicht automatisch eine gestiegene Beweglichkeit im Wahlverhalten. Pelinka folgerte auf Grund der hohen Zahl der Zuseher eine gesteigerte Gesamtinformation bei gleichzeitiger Vereinfachung der Inhalte. Der Meinungsforscher Fritz Plasser analysierte bezüglich der Meinungsumfragen, dass durch die TV-Konfrontationen weniger Leute zu einem Wechseln der Partei motiviert als vielmehr die bestehenden Meinungen vertieft werden.

Die Wahlkampfleiter der Parlamentsparteien zogen ebenfalls Bilanz nach den TV-Konfrontationen. Generell wurde ein hohes Informationsinteresse festgestellt. FPÖ-Wahlkampfleiter Gernot Rumpold sprach von einem unnötigen Wahlkampf und von enormem Zulauf auf den Wahlveranstaltungen der FPÖ. Der grüne Wahlkampfleiter Peter Altendorfer sah den Hauptunterschied zu der Nationalratswahl 1994 in dem viel offeneren Ausgang. Damit einher ging ein verstärktes Taktieren der Parteien vor der Wahl. Der Wahlkampfleiter des Liberalen Forums, Gerhard Kratky, stellte im Gegensatz dazu einen härteren Wahlkampf als noch 1994 fest und argumentierte dies mit der stärkeren Akzentuierung der Konturen der Parteien. Der SPÖ-Wahlkampfmanager Dietmar Ecker wiederum sah die SPÖ-Strategie, Bundeskanzler Vranitzky erst gegen Ende des Wahlkampfes zu inszenieren, als erfolgreich an. Der ÖVP-Wahlkampfmanager Othmar Karas sprach, als wesentlichen Unterschied zum ÖVP-Wahlkampf 1994, von einem Positivwahlkampf. (Audioquelle 136, Mittagsjournal vom 7. Dezember 1995)

00:03:36
Audioquelle 136

aus dem Mittagsjournal vom 7. Dezember 1995
Wahlkampfleiter zum Verlauf der TV-Konfrontationen

45. Bilanzen und Wahlempfehlungen 1995

SPÖ-Beamtenstaatssekretär Karl Schlögl zog Bilanz am 6. Dezember über seine 8-monatige Amtszeit und wagte einen Ausblick auf die anstehenden Probleme. Für die Gehaltsverhandlungen versprach Schlögl keine Nulllohnrunde, sondern eine gestaffelte Erhöhung der Bezüge.

Sämtliche großen österreichischen Jugendorganisationen haben sich zur Plattform „Jugend für Demokratie“ zusammengeschlossen. Oberste Ziel war es, junge Leute dazu zu motivieren, wählen zu gehen und Gebrauch von ihrem Wahlrecht zu machen. Zur der Initiative haben sich Organisationen wie die Junge Industrie, die Gewerkschaftsjugend, die Katholische Jugend oder die Sozialistische Jugend zusammengefunden. Der Vorsitzende des Bundesjugendringes, Martin Kargl, appellierte daran, sich mit den Parteiprogrammen auseinanderzusetzen.

Die überparteiliche und außerparlamentarische Liga der Menschenrechte zog am 7. Dezember Bilanz. Der Vorsitzende der Liga und ÖVP-Abgeordnete Josef Höchtl setzte die österreichische Verhältnisse in einen internationalen Vergleich. Für Österreich wurde, nicht zuletzt auf Grund des Briefbombenattentates von Oberwart, eine zwiespältige Bilanz gezogen.

Im letzten Teil der Serie zu den Wahlkämpfen der Spitzenkandidaten im „Journal-Panorama“ wurden diesmal Bundeskanzler Franz Vranitzky und die SPÖ begleitet. Bundeskanzler Franz Vranitzky wurde bei seiner Wahlkampftour in Salzburg medial verfolgt.

Der Bosnien-Einsatz der NATO nahm am 9. Dezember überraschenderweise Einfluss auf den Nationalratswahlkampf. Der Transport amerikanischer Truppen durch Österreich wurde, laut US-amerikanischen Medienberichten behindert. Sowohl Bundeskanzler Vranitzky als auch Außenminister Schüssel dementierten umgehend. Der Außenminister sprach von einem planmäßigen Vorgehen. Vranitzky sprach von einer ordnungsgemäßen Zusammenarbeit und kündigte die ersten Truppentransporte zu Land in den nächsten Tagen an.