Bundeskanzler Kreisky will eine Volksabstimmung nicht unterstützen
Die Volksabstimmung
Letztendlich bot die Frage der Kernenergie den Anlass für die erste Volksabstimmung in der Zweiten Republik, die am 5. November 1978 abgehalten wurde und ein entsprechend großes Medienecho fand.
Der ORF als zeitgenössisches Leitmedium widmete dem Thema in seiner Berichterstattung breiten Raum. Als klar wurde, dass sich die Frage der Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf von einer technisch-wirtschaftlichen zu einer politisch-gesellschaftlichen wandelte, wurde auch die Bevölkerung verstärkt einbezogen. So entstand 1976 und 1977 beispielsweise eine öffentliche Diskussionsreihe, die in verschiedenen österreichischen Städten aufgenommen und unter dem Titel „Wie gefährlich ist Atomenergie - Eine öffentliche Diskussionsreihe über Fug und Unfug von Atomkraftwerken“ auf Ö1 gesendet wurde.
Bundeskanzler Bruno Kreisky hatte noch im Jänner 1978 hatte den Vorschlag der „Jungen Sozialisten“ einer Volksabstimmung über die Inbetriebnahme von Zwentendorf abgelehnt. Wenige Monate später, am 24. Juni 1978, verabschiedete die SPÖ-Mehrheit gegen die Stimmen der Opposition das Gesetz über die friedliche Nutzung der Atomenergie . Die Abgeordneten des Parlaments beschlossen anschließend einstimmig die Abhaltung einer Volksabstimmung. Unmittelbar vor der Abstimmung wurde eine „Atomserie“ im Ö1-Morgenjournal vom 17. Oktober bis zum 30. Oktober 1978 ausgestrahlt, in der die Zuhörer/innen über die verschiedensten technischen, wirtschaftlichen und politischen Aspekte des Kraftwerkes informiert wurden.
Die Volksabstimmung vom 5. November 1978 ging mit 50,47 Prozent der Stimmen gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf ebenso knapp wie unerwartet aus. Bruno Kreisky bot seinen Rücktritt an, den der SPÖ-Bundesparteivorstand aber nicht annahm und ihm politisch per Generalvollmacht sogar den Rücken stärkte. Bei der Nationalratswahl 1979 baute die SPÖ ihre absolute Mehrheit weiter aus. Der persönliche Triumph von Bundeskanzler Bruno Kreisky als Spitzenkandidat der SPÖ ergab bei einer Wahlbeteiligung von 91 Prozent 51 Prozent der Stimmen – bis heute der höchste Stimmanteil für eine Partei bei einer Nationalratswahl.
In der Österreichischen Mediathek sind zwei besondere Tondokumente archiviert: Wer die Telefonnummer 1516 wählte, dem erläuterte Bundeskanzler Bruno Kreisky die Argumente für die Inbetriebnahme von Zwentendorf. Unter der Telefonnummer 1537 wurden dem Anrufer bzw. der Anruferin die Argumente gegen den Atomstrom auseinandergesetzt.