Käufer_innen und Kosten

Der Verkaufserfolg und damit die Verbreitung von Phonoprodukten hing eng mit ihrem Preis zusammen. Plattenfirmen und Händler_innen versuchten, mit unterschiedlichen Preiskategorien und Repertoires neue Käuferschichten anzusprechen.

Mit den Möglichkeiten der Massenproduktion verringerten sich die Preise für Phonogeräte und Tonträger. Der Preis von 85 Kronen für ein Grammophon, das in den Wiener Caricaturen als günstiges Modell genannt wurde, war dennoch ein Vielfaches dessen, was zahlreichen Bevölkerungs­gruppen zur Verfügung stand. Wie Adelheid Popp 1912 berichtete, verdiente etwa ein Dienst­mäd­chen durchschnittlich 10 bis 20 Kronen monatlich. Bedenkt man, dass Wiener Arbeiter_innen­­haushalte durchschnittlich mehr als die Hälfte ihres Ein­kommens für Nahrungsmittel verwen­deten und Ausgaben für Bekleidung und Wohnen noch hinzukamen, wird deutlich, dass der Spiel­raum für die Anschaffung von (teuren) Konsum­gütern begrenzt war. Um die relativ kosten­intensiven Geräte für breitere Bevölkerungs­gruppen leistbarer zu machen, stellen Produ­zent_innen und Händler_innen Ratenzahlung in Aussicht und boten qualitativ einfachere Apparate an.

„Bei uns heisst es nicht, dass schon jeder einen Phono­graphen besitze, sondern, es sei nicht möglich, denselben in jedem Hause zu haben. Schuld hieran ist der allgemein noch zu hohe Preis.“

Wiener Brief, Phonographische Zeitschrift, 15,1.1902, S. 16.

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Ich hab’ zu Haus ein Grammophon

Max Kuttner

„Nun wird die allgemeine Meinung dahin gehen, dass ein solch gutes Grammophon für einen mittelmässigen Haushalt einen unerschwinglichen Luxus bedeutet. Dies trifft jedoch nicht zu, wenn man bei der Auswahl der Bezugsquelle mit der genügenden Sorgfalt vorgeht […] Denn schon für 85 Kronen ist die Möglichkeit geboten, ein in jeder Beziehung den vorher­gehenden Aus­führ­ungen entsprechendes Grammophon zu erstehen. Anspruchsvolleren allerdings stehen Spezial­typen bis zu 2200 Kronen zur Verfügung.“

Jonny: Das Gramophon, Beiblatt der Wiener Caricaturen, 15.12.1912, S. 1

Zonophone brachte 1913 eine deutlich günstigere Platte als bisher üblich heraus: Die „lila Platte“ – der Name bezog sich auf das Etikett, das in der Farbe Lila gestaltet war – sorgte bei den konkurrierenden Unternehmen und Händler_innen für große Aufregung. Sie sprachen von einer „Kampfplatte“, warfen der Plattenfirma Preis­drückerei vor und warnten vor dem Untergang der ganzen Branche. Letztlich blieben der Protest und die Boykottversuche erfolglos, denn auch andere Unter­nehmen brachten billigere Preisklassen auf den Markt. Die Farben der Etiketten zeigte dabei häufig die Preiskategorie an – oder verwies auf das Genre.

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Gruß aus dem Ennsthal - Ländler

Ländler

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Wo ist die alte Zeit

Kornett-Duett

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Schönau, mein liebes Schönau

Walzer

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D’ Tirolerbua am Land

Komik

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A Rindvieh bin i

Komik

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Gold und Silber lieb’ ich sehr!

Marsch

„Inzwischen ist das neue Verzeichnis der „Zonophon-lila-Platten“ er­schie­nen. Dasselbe enthält 150 Platten, und zwar zum allergrössten Teile Orchester-Aufnahmen, wie Ländler, Märsche, Tänze. […] Die Qualität der Auf­nahmen lässt naturgemäss bei der dünnen Orchester­besetzung zu wünschen übrig. […] Die ganze Auf­machung der Platte ist so billig wie irgend möglich gehalten.“

Zur Lage auf dem Schall­platten­markt, Phono­graphische Zeitschrift, 14.8.1913, S. 731.

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Die schöne Tirolerin

Ländler

„Odeon war bisher eine der wenigen Marken, denen die billigen Platten keine Konkurrenz machen konnten, weil sie eben ein ganz anderes Käuferpublikum hatte. – Wenn nunmehr die Odeon auch mit einer billigen Marke auf dem Platze erscheint, ereignet sich der seltsame Fall, dass sie sich damit das Publikum, dem die bisherige Platte noch zu teuer war, erobert und derart gewiss zu einer Besserung des Geschmackes an künstlerischer Musik beiträgt, was man von den bisherigen billigen Platten wohl nicht behaupten kann.“

Phonographische Zeitschrift, 10.2.1910, S. 121.

Plattenfirmen versuchten, durch ein vielfältiges und wechselndes Repertoire neue Käuferschichten zu erschließen. Dazu gehörten neben Opernarien, die anfangs die größten Umsätze brachten, zuneh­mend moderne Musikformen und Instrumental­musik, aber auch Wortaufnahmen wie Erzählungen und humoristische Beiträge – und vor allem Unterhaltungsmusik. Der Begriff des Schlagers, der in Kaufmanns­kreisen für absatzstarke Waren stand, etablierte sich in der Musikbranche. Platten mit Tanzmusik und Operetten dominierten den Markt und waren in der Regel günstiger als beispielsweise klassische Musik, weil hier oftmals unbekannte Sänger_innen eingesetzt wurden. Bekannte und populäre Interpret_innen wie Caruso hingegen verlangten eine höhere Bezahlung, waren aber für die Platten­firmen auch teurer zu verkaufen, da sie für Qualität bürgten. Umgekehrt beförderte die Verbreitung auf Schallplatte Künstlerkarrieren.

„Kaum irgend eine andere Ursache ist so sehr geeignet, den Absatz in Sprech­maschinen und besonders in Walzen und Platten günstig zu beeinflussen, wie der Schlager.“

Schlager, Phonographische Zeitschrift, 8.8.1907, S. 799.

„Die statistischen Aufzeichnungen in den Betrieben […] zeigen mit beinahe beschämender Deutlichkeit, dass der Sinn für das klassisch Schöne im Volke immer mehr verloren geht. Den überwiegend zahlreicheren Zuspruch zeitigen Platten mit aktuellen Schlagern, leichten flüssigen Operetten-Melodien, heiteren, humoristischen Sujets und pointierten Kuplets, allenfalls noch gefühlsselige volkstümliche Leider bis hinein in die Kategorie banaler ‚Schmacht­lappen‘. Es bleibt nichts anderes übrig, als diese Tatsachen bis zu einer gewissen Grenze zu berücksichtigen im Interesse der Selbsterhaltung. Dem Moloch der ‚Popularität‘ müssen Opfer gebracht werden“.

Die Suche nach neuen Platten-Sujets, Phonographische Zeitschrift, 20.2.1913, S. 173.

Schätzungen gehen davon aus, dass die deutsche Schallplattenindustrie – sie zählte zu den weltweit größten Exporteurinnen – im Jahr 1907 rund 18 Millionen Tonträger produzierte. Alleine die Deutsche Grammophon-Gesellschaft fertigte 1908 rund 4,5 Millionen Stück.

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So warn’s unsere Alten g’wohnt

Kornett-Duett