Das Nachleben früher Tondokumente – Bewahrung, Digitalisierung und Archivierung von Tonaufnahmen

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„Lebendige Stunden? Sie leben doch nicht länger als der letzte, der sich ihrer erinnert. Es ist nicht der schlechteste Beruf, solchen Stunden Dauer zu verleihen, über ihre Zeit hinaus.“

Arthur Schnitzler rezitiert einen von ihm verfassten Text
(aus: Lebendige Stunden, 1902)

Am 19. März 1907 sprach Arthur Schnitzler einige Sätze in den Schalltrichter des Archivphonographen des Phono­grammarchivs der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien.
Die Aufnahme existiert bis heute und wird mittlerweile auch digital im Phonogrammarchiv an der Akademie der Wissen­schaften in Wien gesichert.

Seit über 150 Jahren werden Tonträger produziert, an die bzw. deren Produzent_innen oftmals der Anspruch gestellt wurde, die auf ihnen aufgezeichneten Töne dauerhaft zu bewahren.
Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden frühe Walzen­aufnahmen auf Schallplatten übertragen, um sie zu sichern. Mit der allgemeinen Verfügbarkeit von Ton­bändern ab den 1950er Jahren wurden viele dieser Auf­nahmen zu Sicherungszwecken auf Tonband überspielt.
Mit den ersten digitalen Tonträgern ab den 1980er Jahren wurde das Thema der Digitalisierung zum zentralen Thema der Bewahrung von Medien­inhalten. Aufgrund der Erkennt­nis, dass viele dieser digitalen Träger auch nur eine sehr begrenzte Haltbarkeit besitzen, erfolgte etwa ab dem Jahr 2000 wieder ein Paradigmenwechsel: Digitalisierung stellt zwar nach wie vor den Beginn der digitalen Bewahrungskette dar, digitale Langzeitbewahrung findet seitdem jedoch in erster Linie über regelmäßige Migrationen des Daten­bestandes auf wechselnde digitale Träger statt.

Digitalisierung an der Österreichischen Mediathek

Seit 2000 werden auch an der Österreichischen Mediathek Audioaufnahmen digitalisiert. Seit nunmehr über zwei Jahrzehnten wurde so ein digitaler Bestand von Tausenden Stunden an historischen Tonaufnahmen geschaffen, die großteils auch dauerhaft online verfügbar gemacht werden. Im Haus selbst werden diverse analoge und digitale Schallplatten- und Tonbandformate digitalisiert. Die Digi­talisierung von historischen Sonderformaten wie Tonzylindern bzw. Tondraht erfolgt außer Haus bzw. in Kooperation mit anderen Archiven.

Weiterführende Links zu Institutionen und Projekten im Bereich der digitalen Bewahrung früher historischer Tonaufnahmen

Nationaler und Internationaler Austausch sowie Kooperationen mit Institutionen und Forscher_innen aus dem Fachbereich der Mediendigitalisierung stellen eine Kernaufgabe der digitalen Bewahrungsstrategie der Österreichischen Mediathek dar. Digitalisierung ist für audiovisuelle Archive unumgänglich, internationaler Austausch und Zusammenarbeit ebenso. Aufgrund der Vielfalt der erhaltenen Tonträger und dem teilweise verlorengegangenen oder neu zu entwickelnden Wissen über deren Behandlung und Bewahrung kann diese Tätigkeit nicht von einer einzelnen Institution bewerkstelligt werden.

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Das Wiener Phonogrammarchiv

Das Phonogrammarchiv an der Akademie der Wissenschaften ist das älteste Schallarchiv der Welt (gegründet 1899). Die Schwerpunkte der Institution bestehen in der Herstellung, Samm­lung, Erschließung, langfristigen Be­wahrung sowie dauernden Verfüg­bar­keit von wissen­schaft­lichen Schall- und Videoaufnahmen aller Disziplinen und ohne regionale Einschränkungen. Besonderes Augenmerk wird auf die quellen­kritische Erschließung und Annotierung der archivierten Auf­nahmen gelegt.

Zum Phonogrammarchiv der ÖAW

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firstsounds.org

First Sounds versucht, die frühesten Audio­aufnahmen der Welt zu ent­decken, zu bewahren und zugänglich zu machen. David Giovannoni, Patrick Feaster, Meagan Hennessey und Richard Martin, die Mitarbeiter_innen von firstsounds, haben jede bekannte Schallauf­nahme von vor 1861 sowie viele danach entstandene frühe Auf­nahmen digital konserviert und bieten auf ihrer Website freien und univer­sellen Zugang zu den bewahrten Phonautogrammen und Tönen.

Zu firstsounds.org

Nový Fonograf/New Phonograph

Nový Fonograf/New Phonograph ist ein Digi­talisierungs- und Langzeit­sicherungsprojekt der Abteilung für Digitalisierung und Neue Medien des tschechischen Nationalmuseums in Prag. Das Projekt zielt darauf ab, all­gemeine Audio­konservierungs­standards für die Archivierung früher Tonzylinder in der Tschechischen Republik zu schaffen. Neben der Digitalisierung und Sicherung der Auf­nahmen ist auch ein großer Fokus auf die Dokumentation der Aufnahmen gerichtet.

Zum Projekt Nový Fonograf
(engl. Website)

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Archeophone Records

Seit 1998 bewahrt, restauriert und veröffentlicht das GRAMMY-prämierte Reissue-Label Archeophone Records Aufnahmen aus der akustischen Ära des Klangs – den Jahren von 1890 bis 1925, als Schallplatten mit akustischem Horn, also ohne Strom, gemacht wurden. Die Neuauflagen der his­tori­schen Aufnahmen werden restauriert und bieten umfangreiche Notizen, Illustrationen und Originalrecherchen, die diese historischen Aufnahmen zugänglich machen.

Zur Website von Archeophone Records

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UCSB Cylinder Audio Archive

Das UCSB Cylinder Audio Archive ist ein Teil der Bibliothek der University of California, Santa Barbara, die Auf­nahmen von Phonographen­walzen aus der akustischen Periode der Musik­industrie digitalisiert und verfügbar macht. Die UCSB-Bibliothek bewahrt eine digitale Sammlung von mehr als 10.000 Zylinderaufnahmen und stellt diese online über das UCSB Cylinder Archive kostenlos zum Herunterladen oder Streamen zur Verfügung.

Zum UCSB Cylinder Audio Archive

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Cylinder.de

Die Webseite des Walzensammlers und -experten Norman Bruderhofer bein­haltet einen Wegweiser mit umfang­reichen Details zu einzelnen histori­schen Phonographen-Walzen, einige Artikel mit Hintergrundinformationen zur Walzengeschichte sowie einen Zugang zur Zylinder-Sammlung des Autors.

Zur Webseite Cylinder.de