Bericht im Abendjournal vom 31. Juli 1968
Kunst und Politik
Kunst und Politik sind zwei Bereiche, die sich gegenseitig beeinflussen. Der künstlerische Zugang liegt zwischen den Extremen der l’art pour l’art, der „Kunst um der Kunst willen“ und deklarierter politischer Kunst. Der Politik stehen von stark eingreifender Zensur bis zu Fördersystemen viele Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Kunst zur Verfügung. In diesem Themenpaket werden einige Beispiele vorgestellt, wie die beiden Bereiche miteinander verbunden sind bzw. miteinander in Verbindung gesetzt werden.
Darum geht’s
Ein Unterrichtsentwurf für die Oberstufe zum Thema Kunst und Politik, der sich mit den Fragen beschäftigt, wie und warum Künstler/innen zu politischen Fragen Stellung nehmen, ob ein solches Verhalten von der Öffentlichkeit als legitim angesehen wird und wie Politik Kunst beeinflusst oder vereinnahmt. Die Arbeitsblätter sind kompetenzorientiert gestaltet und beziehen als historische Quelle auch fiktionale Literatur mit ein.
1. Die Aktion „Kunst und Revolution“, 1968
Die Wiener Aktionisten Günter Brus, Otto Muehl, Peter Weibel und Oswald Wiener veranstalteten 1968 eine Aktion mit dem Titel „Kunst und Revolution“, über die in der Boulevardpresse unter der Bezeichnung „Uni-Ferkelei“ berichtet wurde. Aufgrund der Form und des Inhalts der Aktion wurden die daran beteiligten Künstler vor Gericht gebracht. Heute werden die Werke der damals Verurteilten in international renommierten Museen und Galerien ausgestellt.
Im folgenden Tondokument sind Ausschnitte des Plädoyers des Staatsanwaltes und die Urteilsverkündung des Prozesses gegen Günter Brus, Otto Muehl und Oswald Wiener zu hören. Brus und Muehl werden wegen Herabwürdigung der Bundeshymne (unter anderem wurde während des Absingens der Hymne onaniert und defäkiert) verurteilt.
2. Thomas Bernhard: „Heldenplatz“, 1988
20 Jahre später steht Thomas Bernhards Stück „Heldenplatz“ auf dem Spielplan des Burgtheaters und löst heftige Kontroversen aus. Schon vor der Uraufführung kritisieren und beleidigen zahlreiche Politiker/innen mit Unterstützung mancher Medien wie zum Beispiel der „Kronenzeitung“ den Autor und den damaligen Burgtheaterdirektor Claus Peymann. Heute stehen die Stücke Thomas Bernhards auf den Spielplänen zahlreicher Theater, nicht nur im deutschsprachigen Raum, und seine Prosa zählt zu den wichtigsten literarischen Werken des 20. Jahrhunderts.
Wie sich Politiker/innen zu Thomas Bernhards „Heldenplatz“ äußern – über die Freiheit der Kunst bis hin zur Einflussnahme durch Subventionen – ist in diesen Aufnahmen zu hören.
- 00:46:21 Thomas Bernhard liest aus seiner Erzählung „Watten“
- 00:57:14 Thomas Bernhard liest aus „Die Billigesser“, „Wahrscheinliches – Unwahrscheinliches“, „Hotel Waldhaus“ und „Ein eigenwilliger Autor“
- 00:52:16 Lesung von Thomas Bernhard: „Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?“
- 00:45:34 Thomas Bernhard liest aus „Verstörung“
- 00:35:36 Thomas Bernhard liest aus seinem Roman „Das Kalkwerk“
- 00:38:13 Thomas Bernhard liest eigene Prosa
3. Macht die Kunst Politik oder macht die Politik Kunst?
„Über die politische Verantwortung des Künstlers“ referierte 1966 der Kunstwissenschaftler Werner Hofmann. Ausgehend von Platon erläutert Hofmann den Zusammenhang zwischen Kunst und Politik und bezieht die gewonnenen Erkenntnisse auf seine eigene Gegenwart, wobei die jeweilige Rolle der Künstler/innen in den beiden damals vorherrschenden politischen Systemen besonders herausgearbeitet wird.
Der Zusammenhang von Kunst und Politik erschöpft sich freilich nicht in diesen Beispielen, deren Auswahl auch mit der Verfügbarkeit von Tondokumenten zu diesem Thema zusammenhängt. Die Gleichschaltung unter dem nationalsozialistischen Regime ausgenommen, stellte einer der umfassendsten Eingriffe in die Kunst das Zensursystem unter Metternich im 19. Jahrhundert dar. Die Zensur ist ein Instrument, das in autoritären Regimen nach wie vor verbreitet ist und das auch im Zusammenhang mit Thomas Bernhard gefordert wurde.
4. Freiheit der Kunst
1984 äußert sich der damalige Wissenschaftsminister Heinz Fischer in einem Interview zum Thema „Freiheit der Kunst“:
Im Jahr 2000 sorgte der Regisseur Christoph Schlingensief mit seinem Projekt „Bitte liebt Österreich“ bei manchen für Empörung und 2003 löste in Salzburg während der Festwochen die Skulptur eines nackten Mannes, insbesondere der Umstand, dass ein erigierter Penis gezeigt wurde, große Aufregung bei Politikerinnen und Politikern sowie der Bevölkerung aus.
Umgekehrt führen auch politische Themen und Handlungen zu Aufregung bei Künstlerinnen und Künstlern, worauf viele zu politischen Themen bzw. Aktionen Stellung nehmen. Besonders bemerkenswert ist es, wenn die Kunst durch die Politik tatsächlich vereinnahmt wird: Einstige, als „Nestbeschmutzer/innen“ beschimpfte Künstler/innen finden sich dann überraschend als „Säulenheilige“ der österreichischen Kunst und Kultur wieder.
5. Literatur = eine politische Äußerung?
Der Literaturwissenschaftler Walter Jens vertritt die These, schriftstellerische Arbeit sei immer auch eine politische Äußerung.
Eine eindeutige politische Äußerung ist das „Manifest bevor Österreich bewaffnet wurde“ von H. C. Artmann.
Um die Revolution von 1848 geht es in dem Stück „Brückenköpfe“ des Schriftstellers Heinz Rudolf Unger. In einer kurzen Werkeinführung erklärt er seine Sicht auf den damaligen Aufstand. Nicht nur als Träger des Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien ist der Verfasser von politischen Theatertexten (u. a. „Proletenpassion“ und die Trilogie „Die Republik des Vergessens“) ein gutes Beispiel für den Zusammenhang von Kunst und Politik.
Lesung von Heinz Rudolf Unger aus seinem Stück „Hoch hinaus“, einem Teil der Trilogie „Die Republik des Vergessens“, das die unmittelbare Nachkriegszeit behandelt: Ein Kriegsheimkehrer muss Opportunismus und (alte und neue) Vorurteile bei den Österreicherinnen und Österreichern erkennen.
6. Arbeitsblätter
Arbeitsblatt 1 – Freiheit der Kunst
Arbeitsblatt 2 – (Fiktionale) Literatur als historische Quelle
7. Literatur
Rüther, Günther: Literatur und Politik. Göttingen 2013
(Text und Inhalt: Christian Benesch, 2014)