Die Nationalratswahlkämpfe der Jahre 1990, 1994 und 1995 als Spiegelbild des Wandels in Politik und medialer Berichterstattung

Eine Bestandsaufnahme.

von Stephan Grundei

24. Wieder Bezügeskandal bei der AK – der Fall Zacharias

Am 22. September versuchte FPÖ-Obmann Jörg Haider, erneut die Zustände in der Arbeiterkammer im Wahlkampf zu thematisieren. Kurz vor den Wahlen zur Arbeiterkammer am 2./3. Oktober und mitten im Wahlkampf zum Nationalrat am 8. Oktober schaffte es FPÖ-Obmann Haider, Mehrfachbezüge und Spitzengehälter der Funktionäre medienwirksam anzuprangern. Wie schon 1990 mit der Causa Rechberger, konfrontierte er nun Bundeskanzler Vranitzky mit skandalösen Zusatzverträgen in der steirischen Arbeiterkammer. Speziell das Gehalt des steirischen AK-Direktors Kurt Zacharias wurde angeprangert. Von Seiten der steirischen AK entgegnete man und sprach von einem Wahlkampftrick. (Audioquelle 72, Mittagsjournal vom 22. September 1994) AK-Präsident Heinz Vogler musste sich in der Sendung vom 23. September dementsprechend rechtfertigen. Eine Offenlegung der Gehälter aller Direktoren und Präsidenten war die Folge. Der steirische Direktor Kurt Zacharias war demnach mit 181.000 Schilling brutto pro Monat der österreichische Spitzenverdiener.

00:03:36
Audioquelle 72

aus dem Mittagsjournal vom 22. September 1994
Bekommen Arbeiterkämmerer der Steiermark zu hohe Bezüge?

Zum Wochenausklang wurde der Wahlkampf der außerparlamentarischen Klein-Parteien näher beleuchtet. In einer Kurz-Reportage wurde ein Stimmungsbild von den Wahlkämpfen der Parteien VGÖ, KPÖ, Bürgerliche Grüne, CWG, ÖNP und der Bürgerinitiative Schmutzer begleitet. Die Spitzenrepräsentanten der Parteien kamen dabei ebenfalls zu Wort und sprachen über die Tücken und Schwierigkeiten, für ihre Anliegen Aufmerksamkeit zu bekommen. (Audioquelle 73, Mittagsjournal vom 24. September 1994)

00:07:33
Audioquelle 73

aus dem Mittagsjournal vom 24. September 1994
Wahlkampf der Kleinst-Parteien

FPÖ-Obmann Haider brachte die Sozialdemokratie durch den Fall des steirischen AK-Kammerdirektors Kurt Zacharias in immer größere Bedrängnis. Zacharias erklärte sich auf massiven internen Druck bereit, seinen Monatsbezug von 181.000 Schilling brutto auf 128.000 Schilling brutto reduzieren zu lassen. Damit stimmte er zu, sein Gehalt auf das durch das neue Arbeiterkammergesetz geregelte Ausmaß herabsetzen zu lassen. AK-Präsident Vogler hatte massiv an Zacharias appelliert, diesen Schritt zu setzen, und zeigte sich nun zufrieden (Audioquelle 74, Mittagsjournal vom 26. September 1994). ÖVP-Obmann Busek sah bereits einen enormen Schaden für die Politik und für die Arbeiterkammer als gegeben an. Er hätte ein früheres Eingreifen von AK-Präsident Vogler begrüßt. In den ÖVP-nahen Kammern sah Busek die Kontrollinstanzen als intakt an. Bundeskanzler Vranitzky verlangte die Abschaffung aller Ausnahmen zum Arbeiterkammergesetz 1992 und er wiederholte die Forderung nach einer Rechnungshofprüfung für alle Kammern. In dieser Causa sah er die ÖVP am Zug. Im Bundeskanzleramt wurde der Seniorenbeirat formell geschaffen. Es sollte sich dabei sowohl um eine Interessensvertretung, als auch um ein allgemein beratendes Gremium der Regierung handeln. Bundeskanzler Vranitzky unterstützte die Institutionalisierung dieser Interessensvertretung  ausdrücklich.

00:05:35
Audioquelle 74

aus dem Mittagsjournal vom 26. September 1994
Die AK-Spitzengehälter: Welche Abstriche macht der steirische AK-Direktor Zacharias?

Die Affäre rund um den steirischen Direktor der Arbeiterkammer, Kurt Zacharias, zog immer weitere Kreise. Der Initiator, FPÖ-Obmann Haider, legte nach, indem er in der Landwirtschaftskammer Oberösterreich ebenfalls Spitzengehälter veröffentlichte. Der Generalsekretär der Wirtschaftskammer, Stummvoll, reagierte abwehrend und wollte sich keinesfalls mit den Zuständen in der Arbeiterkammer assoziieren lassen. Dem Vorschlag von Bundeskanzler Vranitzky, mit allen Funktionären der AK, die ihre Verträge vor dem neuen Arbeiterkammergesetz 1992 abgeschlossen hatten und so von der neuen Bezügeregelung ausgenommen waren, neue Verträge abzuschließen, stand die Gewerkschaft skeptisch gegenüber. Verfassungsrechtler beurteilten ein etwaiges Eingreifen in bestehende Verträge ebenfalls kritisch. ÖGB-Präsident Verzetnitsch unterstrich in diesem Zusammenhang die rechtliche Verbindlichkeit eines Arbeitsvertragsrechtes für beide Vertragspartner. Bundeskanzler Vranitzky präzisierte am 26. September seine Forderung und sprach sich dafür aus, dass alle Funktionäre Verträge abschließen sollten, die dem geltenden Recht entsprachen. Vranitzky wollte eine gesetzliche Regelung zum Abschluss neuer Vertrag nur im absoluten Notfall in Betracht ziehen. ÖVP-Obmann Busek verwehrte sich unterdessen gegen die Angriffe Haiders auf Grund der Spitzengehälter der Funktionäre der oberösterreichischen Landwirtschaftskammer und wies auf die Zuständigkeit des Kontrollausschusses der Landwirtschaftskammer Oberösterreich hin. Busek betonte die Tatsache, dass dieser Kontrollausschuss unter Leitung eines Freiheitlichen stand. In seiner Funktion als Wissenschaftsminister konnte Busek hingegen sein liberales Image stärken, indem er den ehemaligen Umweltaktivisten Bernd Lötsch zum neuen Direktor des Naturhistorischen Museums Wien ernannte.
Eine weitere Kontroverse entfachte sich um die Postprivatisierung. Die Postgewerkschaft startete eine Unterschriftenaktion gegen Privatisierungspläne und gegen die Schließung von Postämtern in ländlicher Umgebung.
Eine neue Serie im Mittagsjournal beleuchtete den Wahlkampf der Spitzenkandidaten der fünf Parlamentsparteien. Im ersten Teil wurde die Spitzenkandidatin des Liberalen Forums, Heide Schmidt, einen Tag lang begleitet. Schmidt war dabei in einer Telefonstunde und bei Gesprächen mit Passanten während einer Wahlveranstaltung zu hören (Audioquelle 75, Mittagsjournal vom 27. September 1994).

00:04:26
Audioquelle 75

aus dem Mittagsjournal vom 27. September 1994
Ein Wahlkampftag der Heide Schmidt

Die Aussage vom 26. September von Bundeskanzler Vranitzky, in der Affäre rund um das Spitzengehalt des steirischen AK-Direktors Zacharias notfalls in bestehende Verträge per Gesetz eingreifen zu wollen, entfachte eine immer größer werdende politische Debatte. Der SPÖ-Nationalratspräsident und renommierte Verfassungsrechtler Heinz Fischer hätte in einem solchen Gesetz keinen Verfassungsbruch gesehen. Gleichzeitig sprach er sich aber dafür aus, eine solche Vorgangsweise erst als letzte Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Außerdem befürwortete er bei einer Pressekonferenz die Reform des Rundfunkgesetzes. Damit soll eine Anpassung an die modernen Gegebenheiten gewährleistet werden. In einer weiteren Pressekonferenz zogen SPÖ-Innenminister Löschnak und SPÖ-Sozialminister Hesoun Bilanz über die Ausländerpolitik. Beide Minister zeigten sich höchst zufrieden. Hesoun verwies auf einen Rückgang der Ausländerarbeitslosigkeit um 10 Prozent gegenüber 1993. Dennoch wollte man gerade im Bereich der Schwarzarbeit weitere Maßnahmen setzen. Durch die anhaltende Kritik der Grünen und der FPÖ sah sich Innenminister Löschnak in seinem Kurs der Mitte bestärkt. (Audioquelle 76, Mittagsjournal vom 28. September 1994)

00:03:03
Audioquelle 76

aus dem Mittagsjournal vom 28. September 1994
Pressekonferenz: Maßnahmen gegen Schwarzarbeit

Neben der anhaltenden Diskussion über die Notwendigkeit des Kammersystems wurde elf Tage vor der Wahl eine erste Bilanz über den Wahlkampf gezogen. Die TV-Konfrontationen im Wahlkampf waren demnach von immer größerer Bedeutung. Insgesamt zehn Debatten wurden im Wahlkampf 1994 live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt. In einem Bericht sprachen Meinungsforscher und Experten über die Bedeutung der Rekordanzahl an Konfrontationen. Die höchsten Einschaltquoten erzielten Debatten mit Beteiligung von FPÖ-Obmann Haider, der dementsprechend als Hauptprofiteur beurteilt wurde (Audioquelle 77, Mittagsjournal vom 29. September 1994). 

00:03:58
Audioquelle 77

aus dem Mittagsjournal vom 29. September 1994
Was hat den Wahlkampf geprägt?

25. Koalitionspoker im Wahlkampf 1994

Das innerkoalitionäre Hauptthema war die Äußerung von Außenminister Mock, wonach jede Partei nach einer Zeit in die Opposition gehöre und das zu lange Regieren demokratiepolitisch gefährlich sei. ÖVP-Obmann Busek unterstützt die Aussagen seines Parteikollegen. Allerdings gab es seiner Meinung nach keine Alternative zu einer Koalition mit der SPÖ, allein da ein Ratifizieren des EU-Beitrittsvertrages mit der Haider-FPÖ nicht möglich gewesen wäre. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Cap empfand die Ausführungen von Außenminister Mock als unerträglich. Cap sah in der Aussage eine klare Absichtserklärung der ÖVP, nach der Wahl eine Koalition mit der FPÖ zu bilden. (Audioquelle 78, Mittagsjournal vom 29. September 1994)

00:03:29
Audioquelle 78

aus dem Mittagsjournal vom 29. September 1994
SPÖ-Reaktionen auf Mocks Vorschlag einer Oppositionsrolle für die SPÖ

In der Endphase des Wahlkampfes attackierte ÖVP-Vizekanzler Busek am 30. September die SPÖ erneut. Er unterstrich die Aussage von Außenminister Mock, dass sich die SPÖ schon zu lange in der Regierung befindet und untermauerte seine Aussage an Hand des Beispiels des Wiener Polizeipräsidenten Günther Bögl. Ihm warf Busek Unfähigkeit, mit dem vorherrschenden Terrorismus umzugehen, vor und nannte Bögls direktes Umfeld und den Polizeiapparat Wiens unter dessen Führung „verludert“. Zurückzuführen sei dies auf die jahrzehntelange SPÖ-Führung des Innenministeriums und auf das Faktum, dass die Personalvertreter ihren Polizeipräsidenten maßgeblich mitbestimmten (Audioquelle 79, Mittagsjournal, JM-900930_b01). SPÖ-Bundeskanzler Vranitzky sah in diesen Aussagen den Versuch Buseks, eine Schlammschlacht vom Zaun zu brechen. Er bewertete sie als unqualifizierten Angriff auf die Sozialdemokratie durch den ÖVP-Obmann und Spitzenkandidaten Busek, der wiederum von den Aussagen des Außenministers beeinflusst worden sei.

00:01:10
Audioquelle 79

aus dem Mittagsjournal vom 30. September 1994
Busek attackiert Polizei und Bögl

In einer Kurzreportage wurde Bundeskanzler Vranitzky einen Tag lang während seiner Wahlkampftour begleitet. Der Bericht zeigte den Kanzler bei einer Rede in der Landesfeuerwehrschule in Tulln und während einer Wahlkampfveranstaltung in Niederösterreich. Vranitzky stellte sich dabei informellen Gesprächen mit Besuchern der Veranstaltung.  (Audioquelle 80, Mittagsjournal, JM-940930_b02)

00:05:21
Audioquelle 80

aus dem Mittagsjournal vom 30. September 1994
Ein Tag im Wahlkampf von Franz Vranitzky

ÖVP-Wirtschaftsminister Schüssel bewies sich als origineller Wahlkämpfer. Auf Grund des neuen, verstärkten Persönlichkeitswahlrechts engagierte sich der Wirtschaftsminister stark in seinem Privatwahlkampf. Er trat dabei unter anderem als Tiermärchenerzähler in Erscheinung. Der Radiobericht zeigt Impressionen aus dem Wahlkampf von Wolfgang Schüssel. In einem Interview gab er Angaben zu seiner Wahlkampfstrategie. (Audioquelle 81, Mittagsjournal vom 1. Oktober 1994)

00:03:48
Audioquelle 81

aus dem Mittagsjournal vom 1. Oktober 1994
Wirtschaftsminister Schüssel – ein origineller Wahlkämpfer

Die scharfen Angriffe von ÖVP-Obmann Busek gegen das Innenministerium bzw. gegen den Wiener Polizeipräsident Bögl forderten zu Beginn der letzten Wahlkampfwoche eine Reaktion des SPÖ-Innenministers Löschnak heraus. Löschnak reagierte empört und stellte sich schützend vor seine Beamten. Er sah einen rein parteipolitisch motivierten Rundumschlag des ÖVP-Vizekanzlers. SPÖ-Unterrichtsminister Scholten eröffnete rechtzeitig vor der Wahl das Wiener Filmhaus. Scholten erhoffte sich dadurch Synergieeffekte für die Filmschaffenden.
Im Rahmen der Mittagsjournalreihe zum Wahlkampf der Spitzenkandidaten wurde diesmal FPÖ-Spitzenkandidat Haider einen Tag lang bei seinen Wahlkampfauftritten im Burgenland und in Wien begleitet. Die Passanten zeigten sich durchwegs begeistert von dem Wahlkampfzirkus der FPÖ und von Jörg Haider als Person. Zentrales Thema bei den Wahlkampfveranstaltungen war die Ausländerpolitik. Haider sprach bei seinen Reden von einem direkten Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeit und dem Zuzug von Ausländern. Seine Hauptangriffe in diesem Wahlkampf galten allerdings den „Bonzen“ und dem „Privilegienrittertum“, sowie dem „System“. In dem anschließenden Interview benutzte er für sich selbst das Motiv des Sheriffs der Innenpolitik. In dem Beitrag wurden diverse Passanten zu ihrer Meinung zu den Reden Haiders befragt, und Haiders Reden ausschnittsweise wiedergegeben. Haider war weiters im informellen Gespräch mit Besuchern der Veranstaltung zu hören. (Audioquelle 82, Mittagsjournal vom 3. Oktober 1994)

00:04:39
Audioquelle 82

aus dem Mittagsjournal vom 3. Oktober 1994
Ein Tag im Wahlkampf von Jörg Haider

26. Die Wahl vor der Wahl – AK-Wahl 1994

Eine Woche vor den Nationalratswahlen waren rund 2,6 Millionen unselbstständig Erwerbstätige aufgefordert, ihre Interessensvertretung zu wählen. Die Stimmung vor der Arbeiterkammerwahl wurde durch den Bezügeskandal rund um den steirischen Direktor der Arbeiterkammer Zacharias aufgeheizt. Die Affäre wurde durch FPÖ-Obmann Haider aufgebracht. Die Auswirkungen der Affäre auf die AK-Wahlen waren nicht prognostizierbar. Ein Bericht am 1. Oktober stellte die Spitzenkandidaten Heinz Vogler, Fritz Dinkhauser und Reinhart Gaugg vor.

Die Sendung vom 4. Oktober stand dann ganz im Zeichen des Ausgangs der Arbeiterkammerwahlen. Nicht zuletzt auf Grund des Skandals um die Spitzenbezüge des steirischen AK-Präsidenten Zacharias wurde diese Wahl zu einem Desaster für die sozialdemokratische Fraktion, dennoch konnte die FSG (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen) in sieben von neun Arbeiterkammern den Posten des Präsidenten für sich in Anspruch nehmen. Dem ÖVP-nahen ÖAAB (Österreichischer Arbeiterinnen‑ und Arbeitnehmerbund) war es nicht gelungen, die Krise der FSG auszunutzen.

Der große Sieger der AK-Wahl war die FPÖ-nahe FA (Freiheitliche Arbeitnehmer) rund um ihren Spitzenkandidaten Gaugg. FPÖ-Obmann Haider hatte im Zuge des Nationalratswahlkampfs den „Fall Zacharias“ an die Öffentlichkeit gebracht. Die Spitzenkandidaten der drei Fraktionen waren in der Sendung mit Reaktionen zum Wahlausgang zu hören. AK-Präsident Vogler sprach überraschenderweise von einem Wahlerfolg seiner Fraktion (Audioquelle 83, Mittagsjournal vom 4. Oktober 1994). Die Spitzenkandidaten der Nationalratswahl kommentierte das Wahlergebnis ebenfalls. Bundeskanzler Vranitzky erklärte die Aussage Voglers damit, dass die FSG ihre sieben Präsidentenposten halten hatte können. Er selbst sah keinen direkten Konnex zu den Nationalratswahlen am folgenden Wochenende. Außerdem unterstrich er, dass die FPÖ-Attacken der jüngsten Vergangenheit keinerlei Lösungsansätze für die großen Probleme des Landes bieten würden.

Auch die ÖVP bzw. der ÖAAB musste in jedem Bundesland – bis auf Vorarlberg – Verluste verzeichnen. Die geringe Wahlbeteiligung war für ÖVP-Obmann Busek der größte Grund zur Besorgnis, trotzdem nannte er das ÖAAB-Ergebnis respektabel. FPÖ-Obmann Haider erklärte seine parteiinternen Ziele für mehr als erreicht. Er sah sich in seinem Vorhaben gestärkt, in der nächsten Legislaturperiode im Parlament eine Urabstimmung über das Zwangskammersystem herbeizuführen. Der grüne Bundessprecher Pilz fühlte sich in seinen Vorwürfen gegen die Arbeiterkammerspitze bestärkt. Er wollte in dem Wahlausgang eine Quittung für die SPÖ-Sozialpolitik erkennen und sprach sich ebenfalls für eine Urabstimmung aus. Außerdem verlangte er eine Einstellung der Mehrfachfunktionen und den Verzicht von AK-Präsident Vogler auf sein Nationalratsmandat.

Audioquelle 83

aus dem Mittagsjournal vom 4. Oktober 1994
Stellungnahme des AK-Präsidenten Vogler

27. Die zweite Briefbombenserie

Der Wahlkampf der Parteien wurde am 5. Oktober 1994 je gestört. Eine neue, zweite Serie von Briefbombenattentaten suchte Österreich heim. Die Politiker aller Parteien mussten ihren üblichen Wahlkampf unterbrechen. Der zuständige SPÖ-Innenminister Löschnak zeigte sich froh darüber, dass alle drei Briefbomben entschärft worden waren und gab einen Überblick über den aktuellen Ermittlungsstand. Die beiden in Haft sitzenden Verdächtigen seien auf Grund der neuen Serie keineswegs unschuldig. Das prominenteste Opfer der ersten Briefbombenserie, der Wiener Bürgermeister Zilk, sah durch den untergriffigen, gehässigen Nationalratswahlkampf mit dem Thema Ausländerpolitik eine Förderung eines extremistischen, trennenden Klimas in Österreich. Die österreichischen Spitzenpolitiker meldeten sich mit ihren Einschätzungen zu Wort. FPÖ-Obmann kritisierte die Methoden des Innenministers Löschnak und ortete darin ein gefährliches Spiel. ÖVP-Obmann Busek schloss sich der Kritik am Innenministerium an. Er sprach sich ebenfalls gegen die Radikalisierung der Sprache und für eine Reform des Sicherheitsapparates aus. Bundeskanzler Vranitzky wollte einen Zusammenhang zwischen der neuerlichen Briefbombenserie und den bevorstehenden Nationalratswahlen erkannt haben. Er appellierte an die Bevölkerung möglichst zahlreich wählen zu gehen, um den Staat Österreich damit zu stärken.

In der Serie der Reportagen über die Wahlkämpfe der Spitzenkandidaten der wahlwerbenden Parteien wurde genau an diesem Tag der Wahlkampf der Grünen beleuchtet. Die grüne Spitzenkandidatin Madeleine Petrovic wurde bei einem Wahlkampfbesuch im Tiergarten Schönbrunn begleitet. Eine Führung durch den Tiergarten in Begleitung des Direktors Pechlaner war zu hören. Der wahlkämpfende, grüne Bundessprecher Peter Pilz unterstützte den Wahlkampf von Petrovic durch seine Anwesenheit. (Audioquelle 84, Mittagsjournal vom 5. Oktober 1994)

00:04:22
Audioquelle 84

aus dem Mittagsjournal vom 5. Oktober 1994
Ein Wahlkampftag von Madeleine Petrovic

Am 6. Oktober, drei Tage vor der Nationalratswahl, dominierte medial der neuerliche Briefbombenterror. Dementsprechend war das Interesse an SPÖ-Innenminister Löschnak groß. Er gab in einem ausführlichen Interview erneut Aufschluss über den Erkenntnisstand der Polizei und den Stand der Ermittlungen. Der aufkeimenden Kritik über die Geschwindigkeit der Arbeit der Sicherheitsbehörden entgegnete er vehement und stellte sich demonstrativ vor die Behörden. Die verschiedenen politischen Parteien reagierten auf die jüngsten Entwicklungen. So warnte etwa SPÖ-Bundesgeschäftsführer Cap vor einer Verunsicherung der Bevölkerung durch einen Streit der Parlamentsparteien. ÖVP-Obmann Busek bezeichnete Reformen des Sicherheitsapparates als Regierungsfrage. FPÖ-Obmann Haider forderte den Rücktritt des Polizeichefs. LiF-Obfrau Schmidt zeigte sich von den Briefbomben nicht überrascht und sah darin eine Konsequenz aus der aufhetzenden, polarisierenden Politik der FPÖ. Der grüne Bundessprecher Pilz sah beim Innenministerium eine Unfähigkeit im Vorgehen gegen rechtsextremen Terror. (Audioquelle 85, Mittagsjournal vom 6. Oktober 1994)

00:05:07
Audioquelle 85

aus dem Mittagsjournal vom 6. Oktober 1994
Parteienreaktionen auf die Briefbombenserie

Zwei Tage vor der Wahl dominierte das Thema der zweiten Briefbombenserie weiterhin die Berichterstattung im Mittagsjournal. Aus der politischen Perspektive standen zwei Fragen im Mittelpunkt. Einerseits wurde die FPÖ wegen ihres hetzerischen Wahlkampfs gegen Ausländer für den Terror mitverantwortlich gemacht. Andererseits wurde das Innenministerium von SPÖ-Minister Löschnak hart für die weiterhin anhaltende Terrorserie kritisiert. In der Berichterstattung rechtfertigte sich FPÖ-Obmann Jörg Haider für seine Wahlkampfrhetorik und ritt seinerseits heftige Attacken gegen die Obfrau des LiF Heide Schmidt (Audioquelle 86, Mittagsjournal vom 7. Oktober 1994, JM‑941007_b01). Bundeskanzler Vranitzky stellte sich in einem Interview vollinhaltlich hinter Innenminister Löschnak.

00:00:36
Audioquelle 86

aus dem Mittagsjournal vom 7. Oktober 1994
FPÖ-Chef Haider weht sich gegen Kritik von Heide Schmidt

Ein weiterer Beitrag beschäftigte sich mit der bevorstehenden Nationalratswahl. Dabei wurden die Neuerungen im Wahlrecht vorgestellt. Speziell die Möglichkeit, zwei Vorzugstimmen zu vergeben, war neu. Jeweils eine Stimme konnte man an einen Kandidaten des Bundeslandes und an einen Kandidaten des Regionalwahlkreises vergeben. Damit sollte mehr Bezug zwischen den Regionen und ihren Abgeordneten geschaffen werden. Als Konsequenz kämpften nun fast überall regionale Kandidaten um Vorzugstimmen. Mittels einer Kurzreportage wurden regionale Kandidaten bei ihren Wahlkämpfen begleitet. Die Größe der jeweiligen Regionalwahlkreise wurde in diesem Zusammenhang kritisiert. (Audioquelle 87, Mittagsjournal vom 7. Oktober 1994, JM‑941007_b02)

00:04:41
Audioquelle 87

aus dem Mittagsjournal vom 7. Oktober 1994
Was bringt die neue Wahlkreiseinteilung?

Am Vortag der Wahl zum Nationalrat konnte die Wahl die Themenführerschaft im Mittagsjournal wieder zurückgewinnen. Auf faktischer Ebene beleuchtete ein Bericht die Daten zur Wahl des Nationalrates. Ein weiterer Bericht spiegelte die Neuerungen rund um den neuen Wahlzettel wider. In einer Analyse der möglichen Szenarien nach der Wahl wurden die Regierungsmöglichkeiten beleuchtet. Dabei wurden speziell die relevanten Fragen nach einer möglichen gemeinsamen Zwei-Drittel-Mehrheit von SPÖ und ÖVP und nach der Dauer einer kommenden Regierungskoalition beleuchtet. Der einzige parteipolitische Beitrag beschäftigte sich mit dem Wahlkampf-Finale der ÖVP in der Wiener Innenstadt. Dabei stand der Festcharakter der Veranstaltung im Mittelpunkt. Wirtschaftsminister Schüssel moderierte durch die Festveranstaltung. Quereinsteiger Franz Morak und Spitzenkandidat Busek hielten die Hauptreden. Betont wurde dabei die Position der Partei in der Mitte des politischen Spektrums. Der Kampf der ÖVP gegen Radikalismen und Terror wurde verbal hervorgehoben. (Audioquelle 88, Mittagsjournal vom 8. Oktober 1994)

00:02:54
Audioquelle 88

aus dem Mittagsjournal vom 8. Oktober 1994
ÖVP-Wahlkampffinale

28. Die Folgen des 9. Oktober 1994

Die Nationalratswahl vom 9. Oktober 1994 nahm erwartungsgemäß fast die komplette Sendung des Mittagsjournals am 10. Oktober ein. Das Ergebnis brachte ein Debakel für die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Die SPÖ erreichte 34,92 Prozent und musste ein Minus von 7,86 Prozent hinnehmen. Die ÖVP erreichte gerade einmal 27,76 Prozent, was einem Minus von 4,40 Prozent gleichkam. Der große Wahlgewinner war die FPÖ von Jörg Haider mit 22,50 Prozent. Dies kam einem Stimmenzuwachs von 5,86 Prozent gleich. Die Grünen konnten 2,53 Prozent dazugewinnen und verzeichneten 7,31 Prozent. Das Liberale Forum schaffte den Einzug in das Parlament mit 5,96 Prozent. Alle übrigen wahlwerbenden Parteien erreichten zusammen 1,64 Prozent und waren damit kein wahlrelevanter Faktor (Audioquelle 89, Mittagsjournal vom 10. Oktober 1994, JM‑941010_b01).

00:02:44
Audioquelle 89

aus dem Mittagsjournal vom 10. Oktober 1994
Nach der NR-Wahl: Interessante Detailergebnisse im Vergleich

Die Berichterstattung konzentrierte sich in diversen Beiträgen auf die Detailergebnisse, die Wählerstromanalyse, die Vergabe der Vorzugsstimmen, die Rezeption des Ergebnisses in den Zeitungskommentaren und auf die Reaktionen der SPÖ, ÖVP, Grünen und des Liberalen Forums. In der ÖVP sprachen die Generalsekretäre Molterer und Korosec von nötigen, anstehenden Veränderungen innerhalb der Partei. Als Hauptgrund für den Stimmenverlust wurde weniger der Inhalt als vielmehr die Präsentation desselbigen gesehen. Sowohl die Grünen als auch das Liberale Forum demonstrierten neues Selbstbewusstsein auf Grund der Zugewinne. Die grüne Spitzenkandidatin Petrovic und die LiF-Spitzenkandidatin Schmidt zeigten sich betroffen ob der Zugewinne der FPÖ. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit den Regierenden sei dadurch widergespiegelt worden. Beide Obfrauen unterstützten die Ratifizierung des EU-Beitrittsvertrages. Für die Grünen war trotzdem die Neutralität weiterhin unabdingbar. Das Liberale Forum hingegen sah keine Vereinbarkeit von Neutralität und einer Vollmitgliedschaft Österreichs bei der EU. Bezüglich der Regierung erwarteten beide eine Neuauflage der großen Koalition, zweifelten aber an der Langlebigkeit dieser künftigen Regierungskoalition. Der SPÖ-Vorstand trat zu Beratungen zusammen. Die Parteivorstandsmitglieder zeigten sich äußerst zugeknöpft. SPÖ-Verstaatlichtenminister Viktor Klima sah in dem Ergebnis eine Chance für die SPÖ. Sozialminister Hesoun wollte personelle Veränderungen vorerst vermeiden. SPÖ-Tirol-Obmann Herbert Prock gab Vranitzky keineswegs Schuld an dem Wahlergebnis, sondern verlangte mehr Gemeinsamkeit innerhalb der Partei und mehr allgemeine Unterstützung für den Parteivorsitzenden. Der viel kritisierte AK-Präsident Vogler gab keinen Kommentar ab. SPÖ-Parteivorsitzender Vranitzky kündigte eine unverzügliche, umfassende Fehleranalyse an. (Audioquelle 90, Mittagsjournal vom 10. Oktober 1994, JM‑941010_b02)

00:11:43
Audioquelle 90

aus dem Mittagsjournal vom 10. Oktober 1994
Reaktionen der ÖVP, der Grünen, des LIF und der SPÖ auf die NR-Wahl