Mittagsjournal 1995.06.10

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    Rechtliches

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    Die Ermittlungen nach den neuen Briefbombenanschlägen stehen im Mittelpunkt des Samstag-Mittag-Journals, heute mit Manfred Kronsteiner.
    Weitere Themen sind der Mainzer FDP-Parteitag, bei dem heute Wolfgang Gerhardt zum Vorsitzenden gewählt worden ist und eine Vorschau auf den morgigen Referentensonntag in Italien, wo gleich zwölf Fragen von der Bevölkerung entschieden werden sollen.
    Im Journal zu Gast sind heute zwei Politiker, Wolfgang Schüssel und Jörg Haider, in einer Konfrontation zum Thema Österreich ein Jahr nach der EU-Volksabstimmung.
    Last not least eine Rarität für literarisch Interessierte.
    Saul Bellow, heute 80 Jahre alt geworden, in einem seiner so seltenen Interviews.
    Zunächst jedoch Wesentliches komprimiert, in Nachrichten von Jürgen Pfaffinger, gelesen von Andreas Ilavski.
    Österreich.
    Nach dem neuen Briefbomben-Terror ist jetzt ein zweites Bekennerschreiben aufgetaucht.
    Nach dem gestrigen Bekennerschreiben an den Anwalt des mutmaßlichen Briefbomben-Attentäters, Peter Binder, ist heute ein an das Nachrichtenmagazin Profil adressiertes Schreiben bekannt geworden.
    Dieses stammt ebenso von einer Organisation mit der Bezeichnung Salzburger Altgenossenschaft Bayouvarische Befreiungsarmee.
    Darin wird neuerlich die Unschuld der beiden inhaftierten Hauptverdächtigen der ersten Briefwombenserie Binder und Radl Jr.
    beteuert.
    Außerdem werden technische Details des verwendeten Sprengstoffs ausführlich beschrieben.
    Bei den Ermittlungen gibt es unterdessen keine neuen Ergebnisse.
    Die Sicherheitsbehörden gehen aber davon aus, dass die beiden Anschläge in Linz und in München in direktem Zusammenhang stehen und dass die Täter aus rechtsextremen Kreisen kommen.
    Das Opfer der Linzer Briefbombe, eine 27-jährige Ungarin, ist bis in die Nachtstunden operiert worden.
    Trotz der stundenlangen Operation rechnen die behandelnden Ärzte aber mit bleibenden Schäden.
    Eine Hand der jungen Frau wurde durch die Explosion regelrecht zerfetzt.
    Innenminister Einem hat davor gewarnt, dass möglicherweise noch weitere Briefbomben im Umlauf sind und ruft die Bevölkerung zur Vorsicht auf.
    Deutschland.
    Wolfgang Gerhardt ist neuer Vorsitzender der FDP.
    Der Landesvorsitzende der hessischen FDP wurde beim Bundesparteitag in Mainz vor kurzem mit 371 von insgesamt 654 gültigen Stimmen zum Nachfolger von Klaus Kinkel gewählt.
    Gerhardt tritt für einen Mitte-Rechtskurs der FDP und für ein Festhalten an der Koalition mit der CDU-CSU ein.
    Sein Herausforderer bei der Wahl zum neuen Parteichef war der frühere deutsche Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann.
    Er plädierte für eine Öffnung der FDP in Richtung Sozialdemokraten.
    Der bisherige Parteichef-Außenminister Klaus Kinkel hat nach einer Serie von Wahlniederlagen nicht mehr kandidiert.
    Europäische Union.
    Der ehemalige schwedische Ministerpräsident Karl Bild wird neuer Jugoslawien-Vermittler der EU.
    Darauf haben sich die Staats- und Regierungschefs der 15 EU-Staaten bei ihrem Gipfeltreffen in Paris geeinigt.
    Bild soll auch Vertreter der EU in der internationalen Bosnien-Kontaktgruppe werden.
    Bosnien-Herzegowina.
    In weiten Teilen Bosniens hat es in der Nacht wieder schwere Kämpfe gegeben.
    Aus der Moslem-Enklave Bihać und aus der Unschutzzone in Gorazde werden massive serbische Angriffe gemeldet.
    Es soll wieder zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung geben.
    Nahe Osten Die amerikanische Außenminister Christopher setzt seine Nahostmission fort.
    Christopher trifft heute in Damaskus mit dem syrischen Präsidenten Assad zusammen.
    Es geht um den syrisch-israelischen Friedensprozess.
    Hauptstreitpunkt ist ein Zeitplan für den israelischen Abzug von den besetzten Golanhöhen.
    Morgen wird Christopher mit PLO-Chef Arafat und dem jordanischen König Hussein zusammentreffen.
    Zaire.
    Im Osten von Zaire ist es zu schweren Unruhen zwischen Flüchtlingen aus Ruanda und der einheimischen Bevölkerung gekommen.
    Bei den blutigen Auseinandersetzungen sind mindestens 80 Menschen getötet worden.
    Hintergrund der Gewalttaten dürften Streitigkeiten zwischen den Kriegsflüchtlingen und der einheimischen Bevölkerung um Ackerland gewesen sein.
    Kolumbien.
    Der Drogenboss Gilberto Rodríguez Orejuela ist verhaftet worden.
    Rodríguez Orejuela ist der Chef des sogenannten Cali-Kartells, das 80 Prozent der Kokain-Einfuhr in die USA kontrolliert.
    Der kolumbianische Präsident Ernesto Zampa bezeichnete die Verhaftung als entscheidenden Schlag im Kampf gegen die Drogenmafia.
    Frankreich.
    In Le Bourget bei Paris beginnt heute die diesjährige Luft- und Raumfahrtausstellung.
    Der Luftfahrtsalon, der alle zwei Jahre stattfindet, gilt als bedeutendste Ausstellung der Luftfahrtbranche.
    Heuer werden insgesamt 220 neue Flugzeugtypen aus 41 verschiedenen Herstellerländern präsentiert.
    Kanada.
    Weite Teile Kanadas werden derzeit von Naturkatastrophen heimgesucht.
    In den Provinzen British Columbia und Alberta im Westen des Landes gibt es nach tagelangen Regenfällen schwere Überschwemmungen.
    Der Norden Kanadas leidet unterdessen unter einer Hitzewelle und Trockenheit.
    In der Provinz Northwest Territories wüten verheerende Waldbrände.
    Österreich.
    In Ostösterreich hat es in der Nacht neuerlich schwere Unwetter gegeben.
    Am schwersten betroffen war diesmal das niederösterreichische Weinviertel.
    Im Bezirk Korneuburg gibt es Überschwemmungen.
    Mehrere Wohnhäuser stehen unter Wasser, auch Straßen und Felder sind überflutet.
    Die Aufräumungsarbeiten werden vermutlich mehrere Tage dauern.
    Und von den gestrigen Unwettern zum Wetter jetzt an diesem Wochenende.
    Manfred Meixner mit aktuellen Werten und Prognosen.
    Auch heute Nachmittag muss man im Großteil Österreichs wieder mit Regenschauern und Gewittern rechnen.
    Erste Gewitter hat es vor kurzem schon im Geiltal gegeben und ganz ähnlich sieht es auch in den nächsten Tagen aus.
    Also am Vormittag noch recht sonnig, umso mehr je weiter man nach Osten kommt.
    Am Nachmittag wieder gewittrig.
    Jetzt die aktuellen Meldungen.
    Wien-Heiter 17 Grad, Eisenstadt-Heiter 19, St.
    Pölten-Heiter 17, Linz-Wolkig 17, Salzburg stark bewölkt 16, Innsbruck stark bewölkt 12, Bregenz-Heiter 13, Graz stark bewölkt 17 und Klagenfurt leichter Regenschauer 17 Grad.
    In Tirol, Salzburg, Kärnten und der Steiermark bleiben die Wolken dicht und zeitweise regnet es, aber auch im übrigen Österreich bilden sich in den nächsten Stunden immer mehr Quellwolken und bald auch Regenschauer und Gewitter.
    Die Temperaturen erreichen noch 20 bis etwa 24 Grad, in Vorarlberg und Tirol nur maximal 17 Grad.
    Morgen Sonntag ist es in Vorarlberg, Tirol und Teilen Salzburgs wahrscheinlich von der Früh weg stark bewölkt und es gibt hier immer wieder Regenschauer.
    Sonst scheint am Vormittag noch zeitweise die Sonne.
    Am Nachmittag steigt in ganz Österreich die Wahrscheinlichkeit für Regenschauer und Gewitter.
    Die Höchstwerte morgen ähnlich wie heute 18 bis 24 Grad, im Westen um 16.
    Und auch übermorgen am Montag im Westen und Südwesten meist dichte Wolken und etwas Regen, überall sonst zeitweise sonnig, am Nachmittag wieder gewittrig.
    Es wird übermorgen eine Spur wärmer.
    Soweit die Wetteraussichten.
    Es wird gleich 8 nach 12.
    Und wir kommen zum Stichwort Briefbomben-Terror.
    Nach den gestrigen Anschlägen in Linz und bei München mit je einer Verletzten sind die Ermittlungen in vollem Gange.
    Zusätzliche Informationen könnte den Ermittlern ein neues Bekennerschreiben liefern.
    Nachdem Rudolf Mayer, Anwalt des Hauptverdächtigen der ersten Briefbombenserie Peter Binder, einen Bekennerbrief erhalten hatte, langte auch beim Nachrichtenmagazin Profil ein Bekennerschreiben ein.
    Michael Kerbler mit Details.
    Der Bekennerbrief an das Nachrichtenmagazin Profil trägt im Briefkopf die Bezeichnung Salzburger Eidgenossenschaft Bayuwarische Befreiungsarmee.
    Unterschrieben ist der Brief mit Kampftrupp BBA, Graf Ernst Rüdiger von Stahemberg.
    Das und die Tatsache, dass sowohl der Brief an das Profil als auch das Schreiben an den Wiener Rechtsanwalt Rudolf Mayer am selben Tag und am selben Ort, nämlich am 7.
    Juni in Wiener Neustadt aufgegeben wurden, zählen zu den wenigen Übereinstimmungen der beiden Poststücke.
    Denn anders als im Brief an den Advokaten, der Peter Binder, einen Hauptverdächtigen der ersten Briefbombenserie, vertritt, sind dem Schreiben an Profil keinerlei technische Bauteile beigefügt worden.
    Der Brief an den Rechtsanwalt umfasst 27 Seiten, der an das Profil gerichtete Brief ist nur zwei Seiten lang.
    Der oder die Autoren beklagen in dem Schreiben, dass ihren Bemühungen nachzuweisen, nicht Peter Binder und der mitangeklagte Franz Radl Junior hätten die Briefbomben der ersten Serie konstruiert, sondern der Kampftrupp BBA keinen Glauben geschenkt wird.
    So sei der Sprengstoff Nitroglycerin nicht nur in der ersten Briefbomben-Serie verwendet worden, sondern auch später, etwa in der Klagenfurter Sprengbombe.
    Zitat,
    Wir sahen uns veranlasst, eine Schularbeit über die Herstellung von Nitroglycerin abzuliefern.
    So führten wir den Nachweis, dass wir es sind, die das Nitroglycerin und die Briefbomben der ersten Serie hergestellt hatten."
    Die Briefautoren beziehen sich auf eine ausführliche Darstellung über die Produktion des hochbrisanten Sprengstoffes, die Anfang Februar 1995 den Anwälten Radels, Binders sowie dem damaligen ÖVP-Justizsprecher Michael Graf zugegangen war.
    Erwähnt werden in dem Schreiben einmal mehr Details, wie zum Beispiel Komponenten, die zum Bau der Briefbomben verwendet wurden, etwa Silberfulminat, Sensorträte und der Umstand, dass ein Tropfen nitrocellulose Lack auf die Glühfäden der Warnzünder aufgebracht werden muss.
    Abfällig äußern sich die Verfasser des Briefes über die Qualifikation eines führenden Sprengstoff-Sachverständigen des Innenministeriums und ziehen die Aussagekraft seiner Gutachten in Zweifel.
    Auch in Irland seien, so der Briefschreiber, aufgrund falscher Gutachten Unschuldige inhaftiert gewesen.
    Zitat
    Damals schrieb die IRA fleißig Bekennerbriefe, um die zu Unrecht Verurteilten aus dem Gefängnis herauszubekommen.
    Die IRA hatte damit keinen Erfolg.
    Auf uns will ebenfalls keiner hören."
    Der Brief an Profil zeigt in zwei Details, dass die Briefautoren über Insiderwissen aus dem Innenministerium verfügen dürften.
    Denn erstens behaupten sie in dem Schreiben die Fehlerquote des Gutachters bei der Identifikation von Sprengmitteln betrage an die 79 Prozent und zweitens erwähnen sie einen Kriminalpsychologen namentlich, der als Spezialist für heikle Fälle gilt und etwa im Fallcheck Unterweger aktiv war.
    Die Profilredaktion hat das Bekennerschreiben gestern Nachmittag den Sicherheitsbehörden zur Auswertung überlassen.
    Zu den Bekennerbriefen äußerte sich heute auch der Chef der ermittelnden Sonderkommission und Staatspolizeileiter Hein-Jürgen Mastaljé.
    In einem Gespräch mit Robert Stoppacher erklärte der Ermittler.
    Wir sind der Meinung, dass diese Schreiben aus dem Kreis der Täter stammen.
    Nur gefällt mir der Ausdruck Bekennerschreiben nicht in einem Bekennerschreiben.
    bekennt sich, wie schon der Name sagt, eine Person zu einer Tat.
    Das ist hier nicht der Fall, sondern es sind hier Erklärungen der Täterschaft enthalten.
    Es geht daraus hervor, dass Binder und Radl nicht die alleinigen Täter sein können.
    Das beweist ja auch die neue Bomben-Serie.
    Das ist richtig, das vertritt die Täterschaft.
    Hat man damals, nach der ersten Briefbomben-Serie, die Falschen erwischt?
    Das glaube ich nicht.
    Wenn es die Falschen gewesen wären,
    so hätten die Gerichtsbehörden in der Zwischenzeit die Haftbefehle gegen die beiden aufgehoben.
    Die Briefschreiber von dieser Bayouvarischen Befreiungsarmee wissen offenbar sehr viel, wie aus diesem Schreiben hervorgeht.
    Sie haben sehr viel Insiderwissen, das nicht jedermann haben kann.
    Woher haben die das?
    Das ist eine Frage, Herr Stopacher, die ich Ihnen so nicht beantworten kann.
    woher die Schreiber ihr Wissen bezogen haben, das werden sie uns zum gegebenen Zeitpunkt wohl selber sagen müssen.
    Halten Sie es für möglich, dass die Täter Zugang zu Informationen haben, die nur im Innenministerium vorhanden sind und geheim sind, oder dass sie auch einen persönlichen Kontakt zu höchsten Stellen von ermittelnden Beamten im Innenministerium haben?
    Beide Möglichkeiten schließe ich völlig aus, weder Zugang zu internen Unterlagen,
    noch zu entsprechenden Funktionären des Landes.
    Es wird der Sprengstoff-Experte des Innenministeriums, Diplom-Ingenieur Perrender, angesprochen in dem Schreiben, wo es heißt, er ist überdurchschnittlich gebildet und gescheit, aber er hat eine Fehlerquote bei der Identifikation der Sprengmittel von 76,9 Prozent.
    Ist so ein Prozentsatz irgendwo einmal erhoben worden bei Ihnen?
    Das ist mir völlig unbekannt und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass solche Untersuchungen angestellt werden.
    würde der genannte Beamte nicht seinen hohen Anforderungen entsprechen, bzw.
    den Anforderungen, die wir an den Beamten stellen, so würde er seine Funktion nicht ausüben.
    Der Sprachanalytiker Thomas Müller, der die bisherigen Bekennerschreiben ausgewertet hat, wird in dem Schreiben auch erwähnt, der ist bisher überhaupt nie in der Öffentlichkeit bekannt gewesen.
    Woher wissen die das?
    Soviel ich mich erinnere, wurde Müller in einem der früheren Artikel einer Zeitschrift zitiert und ich gehe davon aus, dass die Täterschaft die Presseerzeugnisse sehr genau verfolgt und vermutlich daraus Kenntnis über Müller gewonnen hat.
    Also undichte Stellen in Ihrem Ministerium schließen Sie kategorisch aus.
    In dem Brief ist auch eine Drohung enthalten unter dem Motto, Spaßvögel, die uns nicht ernst nehmen, werden zur Ordnung zurufen sein.
    Nehmen Sie diese Drohung ernst?
    Ich nehme jede Drohung ernst und gerade aus diesem Kreis und ich glaube, das ist eine Sache, die uns wirklich zu denken geben sollte.
    Haben Sie schon Hinweise darauf, ob noch weitere Briefbomben im Umlauf sein können?
    Hinweise haben wir nicht, aber ich habe die Befürchtung, dass solche Briefbomben noch
    unterwegs sein könnten und hier würde ich doch die Bevölkerung ersuchen, gerade in den nächsten Tagen bei Postsendungen besonders vorsichtig zu sein.
    Wir haben auch am gestrigen Tag bereits eine entsprechende Warnung herausgegeben, ein Merkblatt, in dem die wichtigsten Verhaltensmaßregeln enthalten sind.
    Stabohrleiter Mastallier im Gespräch mit Robert Stoppacher.
    Und damit nach Linz, wo die gestrige Explosion einer Briefbombe in einer Partnervermittlung eine Frau schwer verletzt hat.
    Mehrere Stunden wurde die Frau operiert, um an der zerrissenen Hand zu retten, was zu retten war.
    Über das Befinden der Patientin und den letzten Stand der Informationen in Linz berichtet Ronald Mayer.
    Wir vermuten mit sehr großer Sicherheit, dass die Briefbomben von Linz und München vom selben Täterkreis stammen und dass dieser Täterkreis auch mit der ersten und mit der zweiten Briefbombenserie in Österreich zu tun hat.
    So hat vor wenigen Minuten Gruppeninspektor Robert Sturm von der Einsatztruppe zur Bekämpfung des Terrorismus den Ermittlungsstand im Fall der beiden Briefbombenanschläge von gestern zusammengefasst.
    Die Fakten, die dafür sprechen.
    Beide Briefe waren mit aufgeklebten Blümchen verziert.
    Beide in Thürnitz in Niederösterreich aufgegeben.
    Wann, kann noch nicht gesagt werden, da die Poststempel so gut wie völlig zerstört sind.
    Auch der Inhalt des im Linzer Fall beigelegten Schreibens konnte noch nicht rekonstruiert werden.
    Ermittlungen in Thürnitz wegen des Absenders der Briefe haben bisher kein Ergebnis gebracht.
    Die Reste der beiden Briefbomben werden derzeit in Wien und in München kriminaltechnisch untersucht.
    Eines kann aber schon jetzt gesagt werden.
    In beiden Fällen bestehen große Ähnlichkeiten, vor allem zu den ersten Briefbomben aus dem Dezember 1993.
    Welcher Sprengstoff verwendet wurde, ist noch nicht mit letzter Sicherheit geklärt, es dürfte sich aber um Nitroglycerin gehandelt haben.
    Die 27-jährige Chefin eines Partnervermittlungsinstitutes, die bei dem gestrigen Anschlag in Linz schwere Verletzungen an der linken Hand erlitten hatte, war bis jetzt noch nicht ansprechbar.
    Nach der zwölfstündigen Operation befindet sie sich derzeit noch in der Aufwachphase.
    Die Kriminalbeamten werden laut Einschätzung des behandelnden Arztes nicht vor dem Abend mit ihr sprechen können.
    Die Frau hat die langwierige Operation ausgezeichnet überstanden.
    Das Endglied des Daumens konnte replantiert werden, beim Zeigefinger ist die Replantation des ebenfalls abgetrennten Endgliedes nicht gelungen.
    Und der stark zerfetzte Mittelfinger konnte ebenfalls wiederhergestellt werden.
    Dem Eingriff heute Nacht werden noch einige weitere folgen müssen, so Oberarzt Michael Bauer vom Linzer Unfallkrankenhaus.
    Österreichs Innenminister Kaspar Einem hat heute Vormittag in Kärnten an der 50-Jahr-Feier zum Gedenken an das Konzentrationslager unter dem Läubeltunnel teilgenommen und dabei auch zum aktuellen Thema der Briefbomben und des politischen Klimas dieser Tage Stellung genommen.
    Ein Live-Bericht von Michael Kopeinig aus dem Studio Kärnten.
    Direkt neben dem heutigen Zollamt stand in den Jahren 1943 bis 1945 das Konzentrationslager Nord.
    Mehr als die Hälfte der Insassen stammten aus Frankreich, Häftlinge gab es aber aus fast allen europäischen Ländern.
    Heute, 50 Jahre nach der Befreiung, wurden am Nordportal des Leubeltunnels zwei Gedenktafeln feierlich enthüllt, auf denen die Geschichte des Lagers und ein genauer Plan dargestellt sind.
    Innenminister Kaspar Einem sprach in seiner Festrede davon, dass im Lichte der damaligen Verbrechen auch heute Widerstand gegen jede Form der Gewalt gegen Minderheiten notwendig sei.
    Wir laufen auch heute Gefahr, Rattenfängern, die Emotionalisierung predigen, auf den Leim zu gehen, sagte Einem.
    Heute gehört allerdings nicht viel Mut dazu, noch nicht viel Mut dazu, sich dieser Politik der Polarisierung
    der Ausgrenzung von Minderheiten, der gezielten Angstmacherei oder der gezielten Aufbutschung gegen wen auch immer, gegen die da oben, gegen beliebige Nachbarn, gegen Menschen anderer Herkunft, anderer Sprache, anderen Aussehens, zur Wehr zu setzen.
    Heute gehört noch nicht viel dazu.
    Oder sollte ich dazu sagen, im Lichte der
    Feigenbombenanschläge von gestern, es gehört schon wieder Mut dazu.
    Nach dem Festakt nahm einem zu den gestrigen Bombenanschlägen Stellung.
    Es gäbe zur Zeit keine wesentlichen neuen Erkenntnisse.
    Bisher könne aber ein Zusammenhang zu den ersten beiden Briefbomben-Serien hergestellt werden.
    Die Ermittlungen gegen die Täter gestalten sich jedoch als schwierig.
    Wir haben es hier mit einer außerordentlich professionell arbeitenden Tätergruppe zu tun.
    Und überall dort, wo jede Polizeibehörde und auch unsere auf eine derart professionell arbeitende Gruppe stößt, ist die Aufklärung besonders schwierig.
    Jene zehn Personen, die in dem Bekennerbrief des letzten Anschlags genannt worden sind, wurden bereits verständigt, sagt er einem.
    Die Genannten wurden auch über alle Möglichkeiten des Schutzes informiert.
    Reporter war Michael Kopeinig.
    Kritik an einem kam heute vom VP-Sicherheitssprecher Dr. Paul Kiss.
    Er sprach von einer lavierenden Haltung des Innenministers im Zusammenhang mit den Bombenattentaten und fügte dann an, wenn einem noch länger zögere, müsse er sich irgendwann den Vorwurf gefallen lassen, nicht Sicherheitsminister, sondern Unsicherheitsminister Österreichs zu sein.
    Soweit die Meinung von Dr. Paul Kiss, ÖVP.
    Zu einem anderen Thema jetzt im Mittagsjournal.
    Es geht jetzt um Michael Graf, den streitbaren Wiener Anwalt und bisherigen Justizsprecher der ÖVP.
    Er wird doch nicht ins Parlament zurückkehren.
    Der Vorstand der ÖVP musste das durch Sesselrücken zu verhindern.
    Graf wurde vor vollendete Tatsachen gestellt.
    Ein Nationalratssitz wurde ja frei nach dem Übersiedeln von Ingrid Korosek in die Volksanwaltschaft.
    Nun wird der EU-Abgeordnete Fritz König ein Doppelmandat auch in Wien übernehmen, um Michael Kraft zu behindern, berichten Robert Stoppacher und Wolfgang Fuchs.
    Fritz König übernimmt wieder zusätzlich ein österreichisches Nationalratsmandat.
    Walter Schwimmer bekommt von Michael Graf zusätzlich nicht nur den Vorsitz des Parlamentarischen Justizausschusses.
    Schwimmer wird auch ÖVP-Justizsprecher.
    Das beschloss der Parteivorstand.
    Und Michael Graf ist, nicht überraschend, ziemlich sauer.
    Man hat offensichtlich sich bemüht, mich auszutricksen.
    Und wenn ein Abgeordneter zwei Vorsitze übernimmt, Justiz und Bauten,
    und ein anderer zwei Mandate in Europa und in Wien.
    Dann geht es sich natürlich aus, dann wird kein Platz frei und dann komme ich nicht ins Parlament.
    Dass man dazu noch gleich mich als Justizsprecher absetzt und ich das in der Zeitung lesen muss, das macht das Ganze besonders amüsant.
    Sie haben gesagt, Sie wurden ausgetrickst.
    Wer hat Sie denn da ausgetrickst?
    Ich habe keine Ahnung.
    Das Ganze hat sich ja alles an mir vorbei entwickelt.
    Aber ich kann mir schon vorstellen, dass Kohl und Schüssel, dass es ohne die nicht gegangen wäre, sagen wir so.
    Sind Sie enttäuscht von Ihrer Partei?
    Ja.
    Heißt das, ziehen Sie daraus irgendwelche Konsequenzen?
    Nein, ich tue überhaupt nichts.
    Ich meine, ich bin ja auch kein, nicht auf die Politik angewiesen, sondern selbst erhaltungsfähig.
    Also ich schaue mir das weiter an.
    Ich bin ja nach wie vor auch auf dem Listenplatz, den ich
    durch das beste Resultat bei der Vorwahl mir errungen habe.
    Es ist ein bisschen merkwürdig, man hat mir erzählt, ich soll mein Mandat freimachen oder darauf verzichten, damit mehr Frauen ins Parlament kommen.
    Und mit den Herren Busseck, Schwimmer und König ist dieser Forderung eigentlich nicht voll entspannt.
    Mit kühler Distanziertheit versucht Klubobmann Andreas Kohl die andere Sicht der Dinge, nämlich die der offiziellen Parteilinie darzulegen.
    Den Vorwurf, Michael Graf sei ausgetrickst worden, verstehe er nicht, sagt Kohl.
    Michael Graf wurde über der Nationalratswahl nicht gewählt.
    Er ist ein Nachrücker, ein möglicher Nachrücker.
    Er ist schon einmal nachgerückt für einen anderen gewählten Abgeordneten, der Minister wurde.
    Hat aber einige tausend Vorzugsstimmen bekommen.
    Ja, aber er wurde nicht gewählt.
    Es haben viel mehr, viel mehr Vorzugsstimmen bekommen.
    Hunderte haben mehr Vorzugsstimmen bekommen und sind auch nicht gewählt.
    Sie haben Michael Graf den Verzicht auf sein Mandat nahegelegt, damit, wie Sie gesagt haben, der Frauenanteil erhöht werden kann.
    Ist Fritz König eine Frau?
    Auch diese Frage verstehe ich nicht.
    Nun, mit Fritz König wird der Frauenanteil natürlich nicht erhöht im Parlamentsklub.
    Die Frage stellt sich eben.
    Ich habe nach wie vor den dringenden Appell an Michael Graf einzusäben, dass es eine neue Politik in der Volkspartei gibt und ein neues Team und dass wir auf eine Frau folgen lassen wollen, wenn Fritz König im Herbst sein Mandat zurücklegen wird.
    Dann stellt sich die Frage neuerlich an Michael Graf und ich habe ihn
    So wie der Parteiobmann.
    Vor Monaten habe ich ihn letzte Woche gefragt, ob er nicht von vornherein klarstellt, dass er seinen Platz für eine Frau freimacht.
    Ich werde nicht lockerlassen bei jedem, der ausscheidet, den Nachrücker zu fragen, ob er nicht für eine Frau den Platz freimacht.
    Kann es sich die ÖVP leisten, auf den Justizpolitiker Michael Graf zu verzichten?
    Walter Schwimmer sei sehr erfahren und ebenfalls ein Jurist zur Kohl.
    Und Kohl legt auch Wert auf die Feststellung, durch diese neue Konstruktion sei verhindert worden, dass Fritz König für einige Monate ein arbeitsloses Einkommen beziehe.
    So viel über ein Comeback, das nicht stattgefunden hat, jenes von Michael Graf.
    Übermorgen Montag wird es genau ein Jahr her sein, dass sich die Österreicher und Österreicherinnen in einer Volksabstimmung für den Beitritt zur Europäischen Union ausgesprochen haben.
    66,6 Prozent Ja-Stimmen für den Beitritt, eine deutlichere Zustimmung als ursprünglich erwartet worden war.
    Der Jahrestag der Volksabstimmung ist Anlass für diverse Rückschauen und Bilanzen, die je nach politischer Einstellung unterschiedlich ausfallen.
    Die einen sprechen von erfolgreichem EU-Einstieg, die anderen von einem Fiasko.
    Österreich ein Jahr nach der EU-Volksabstimmung.
    Um dieses Thema geht es heute auch in unserer Samstagreihe.
    Heute gleich mit zwei Gästen.
    Mit Wolfgang Schüssel, Vizekanzler, Außenminister, VP-Vorsitzender und mit dem F-Obmann Jörg Haider, einst pro EU, dann vor der Volksabstimmung in seinen Argumenten auf Nein-Kurs gegangen.
    Gisela Hopfmüller hat Wolfgang Schüssel und Jörg Haider zu einer Konfrontation vor das Mikrofon gebeten.
    Herr Vizekanzler Schüssel, Herr Parteiobmann Haider, danke fürs Kommen.
    Ein Jahr nach der EU-Volksabstimmung stehen Sie da nicht alle beide vor einer ähnlichen Situation, nämlich vor dem Problem, dass Dinge, mit denen Sie vor einem Jahr argumentiert haben, sich als unrichtig erwiesen haben.
    Beginnen wir vielleicht mit Ihnen, Herr Dr. Haider.
    Österreich ist in der EU weder vom Schildklausjoghurt vergiftet worden, noch sind die Goldreserven der Nationalbank nach Brüssel gekommen, noch ist unser Trinkwasser nach Spanien verkauft worden.
    Herr Vizekanzler, Sie haben vor der Volksabstimmung damit argumentiert, tausende Arbeitsplätze seien in Gefahr, wenn wir nicht beitreten.
    Jetzt rechnet man uns vor, dass wegen des Kaufkraftabflusses in EU-Nachbarländer bei uns Arbeitsplätze doch in Gefahr sind.
    Die Preise sind weniger gesunken als erwartet, etliche Wirtschaftsbranchen stöhnen, nicht nur die Landwirtschaft.
    Das Transitproblem ist ungelöster denn je.
    Also müssen Sie sich alle beide nicht jetzt, ein Jahr nach der Volksabstimmung, deutlich selbst korrigieren.
    Herr Dr. Haider.
    Ich glaube, dass ein Oppositionspolitiker, der in dieser Frage schon so sehr bald Recht bekommen hat, überhaupt nicht sich die Frage vorlegen muss, ob er etwas Falsches der Bevölkerung gesagt hat.
    Denn ich lege Ihnen hier nochmals unsere Broschüre vor.
    Wir haben davor gewarnt, dass es zusätzlich Arbeitslose geben wird.
    Wir haben davor gewarnt, dass es ein Ausländerwahlrecht geben wird.
    Wir haben davor gewarnt, dass die direkte Demokratie in Österreich eingeschränkt wird.
    Wir haben vor der grenzenlosen Kriminalität gewarnt.
    Wir haben vor der Transithöhle gewarnt.
    Und wir haben vor der Abschaffung des Schillings gewarnt.
    Das ist unsere Werbebotschaft und unsere Aussage gewesen.
    Und da ist eigentlich alles eingetreten, möchte ich sagen.
    Und wenn Sie noch einmal auf die Schildklaus zu reden kommen, dann ist das der einzige Punkt, wo ich mich wirklich korrigieren muss.
    Denn die Schildklaus war in der Tat noch das Harmloseste, was uns die EU gebracht hat.
    Ich habe hier eine Broschüre der Arbeiterkammer, aktiv für Sie.
    Lebensmittelbezeichnung in Österreich seit dem EU-Beitritt.
    Und da können Sie lesen, wann Konservierungsstoffe E-161G z.B.
    orange-rot ausgewiesen sind, wo der Verdacht auf Leberschäden besteht.
    Konservierungsmittel E-220, das ist ja alles nicht mehr mit Ziffern bezeichnet,
    bei Überempfindlichkeit von Asthmatikern, Kopfschmerzen, Reizung des Magendarmtraktes verursachen oder E230-Binfenyl eine Verminderung der Fruchtbarkeit und des Wachstums bewirken und, und, und.
    Ich kann Ihnen also hier diese Broschüre nur vorlegen und Sie fragen, ob da nicht meine Schildlaus noch heimlos war.
    Richtig ist, dass vor einem Jahr die Bevölkerung uns einen großen Vertrauensvorschuss gegeben hat und richtig ist, dass einige der kurzfristigen Effekte tatsächlich eingetroffen sind.
    Es sind also die Preise für bestimmte Produkte für die Erzeuger, aber auch für die Konsumenten heruntergeburselt und zwar ziemlich gleich mit dem Eintritt in den Binnenmarkt, mit dem 1.
    Jänner 1995.
    Jede Hausfrau kann das feststellen bei einem Einkauf,
    dass bestimmte Waren wie Schlagobers und Joghurt und Milch und Mehl, Salz und ähnliches billiger geworden sind.
    Bei anderen, wo vor allem mittelfristige Effekte da sind, ist das noch nicht im vollen Ausmaß eingetreten trotzdem.
    Es ist die Inflationsrate um deutliches zurückgegangen, von 3 Prozent auf jetzt 2,6.
    Wenn man sogar die Gebührenerhöhung an der öffentlichen Hand von den Gemeinden wegrechnet, wären wir etwa bei 2 Prozent.
    Also die Inflationsrate ist gut zurückgegangen.
    Das könnte noch mehr sein und wird auch noch besser werden.
    Zweiter Punkt, wir haben gesagt, es werden Arbeitsplätze dadurch neu geschaffen, das ist auch eingetreten.
    Wir haben etwa im April um etwa 12.000 mehr Arbeitsplätze gehabt als ein Jahr zuvor.
    Wir haben gesagt, der Wirtschaftsstandort Österreich wird verbessert, auch das ist eingetreten.
    Wir haben etwa neun Prozent mehr Industrieinvestitionen in Österreich, das sind aber immerhin vier bis fünf Milliarden Schilling mehr.
    Also das ist eingetroffen.
    Bei anderen Dingen tun wir uns ein bisschen schwer, weil das mit dem EU-Beitritt nichts zu tun hat.
    Wir haben etwa Abwertungen, besonders der Lire und auch in anderen Bereichen.
    Das spüren natürlich unsere Exporteure und die Konsumenten freuen sich und fahren nach Italien einkaufen.
    Nur man darf auch nicht übersehen, dass etwa die Schweizer Schlange stehen in Vorarlberg bei den österreichischen Einkaufszentren, weil dort zum Beispiel die Lebensmittel billiger sind.
    Also ich glaube, wir haben früher, vor einem Jahr, einen deutlichen Vertrauensvorschuss gehabt.
    Heute ist vielleicht eine etwas realistischere Sicht und durchaus auch manche Skepsis da und dort, vor allem in der Landwirtschaft, aber ich bin eigentlich sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen werden.
    Was mir an dieser Stelle auffällt ist, dass so unterschiedlich wie die Prognosen vor einem Jahr waren, was passieren wird, so unterschiedlich ist offensichtlich jetzt die Wahrnehmung, was tatsächlich eingetreten ist.
    Der Herr Dr. Haider sagt, alles was an negativen Prophezeiungen der Freiheitlichen gemacht worden ist, ist eingetreten zwischen Arbeitsplätzen und Transit.
    Sie sagen, es ist auch bei Arbeitsplätzen und etlichem anderen sehr viel positives Geschehen.
    Ist das nicht ein sehr deutliches Zeichen dafür, dass schlicht und einfach auch
    der Bürger kaum damit zur Rande kommen kann, was jetzt ein halbes Jahr in der EU für Österreich tatsächlich bedeutet.
    Ich sehe es eigentlich gar nicht einmal so dramatisch, denn wir sind jetzt fünf Monate dabei.
    Und es ist ja völlig lächerlich zu glauben, dass nach fünf Monaten alles glatt über die Bühne geht.
    Wir haben uns ja ungeheuer anstrengen müssen.
    Das Wort von den berühmten eigenen Aufgaben, die man zu erfüllen hat, das stimmt natürlich.
    Es gab eine Totalerfassung zum Beispiel der österreichischen landwirtschaftlichen Flächen, eine völlige Umstellung in der Förderungslandschaft.
    Das ist gelungen.
    Wir haben den schwierigsten Finanzausgleich der Geschichte hinter uns gebracht.
    Daneben mussten auch die eigenen Probleme, die wir mit unserem Budget haben, durch ein Sparprogramm bewältigt werden.
    Und manches von diesen objektiven Schwierigkeiten wird ganz einfach der Union in die Schuhe geschoben, wofür sie gar nichts kann.
    Das sind unsere eigenen Probleme, die wir lösen mussten und müssen, ganz gleich, ob wir dabei sind oder nicht.
    Vor allem aber die politische Integration, die eigentlichen Gründe, warum wir dazugegangen sind, das zeigt sich ja jetzt sehr deutlich, wie notwendig das gewesen ist.
    Denn wir sind ja nicht wegen der niedrigeren Preise für asiatische T-Shirts dazugegangen, sondern weil wir mitbestimmen, weil wir mitreden wollen in Europa und dort fallen die wirklich wesentlichen Entscheidungen und das sehen wir ja jeden Tag.
    Herr Dr. Haider.
    Naja, die negativen Dinge will man natürlich nicht sehen.
    Auch mir wäre es lieber, wenn sie nicht eintreffen würden.
    Aber man kann es sich nicht so leicht machen.
    Herr Vizekanzler, und sagen, naja, jetzt sind wir erst fünf Monate dabei, da kann ja noch nicht alles funktionieren.
    Offenbar das Negative funktioniert.
    Das Versprechen, das diese Regierung, der sie auch damals schon angehört haben, gegeben hat, war beispielsweise keine Steuererhöhungen aus dem EU-Beitritt.
    Wir haben in der Zwischenzeit ein Sparpaket bekommen, wir haben eine saftige Kürzung des Investitionsfreibetrages um 3,8 Milliarden Schilling.
    Kapitalentzug der heimischen Wirtschaft.
    Wir haben eine Mineralölsteuererhöhung von mehr als einem Schilling.
    Es ist geplant, wenn man sich das neue Programm des Finanzministers anschaut, auf Gas und Wasser erstmals eine Besteuerung einzuführen.
    Da kann man nicht sagen, hier hält sich die Regierung an das, was sie vorgegeben hat.
    Sie hat hier einfach mit unwahren Argumenten die Zustimmung der Österreicher gekauft und das erklärt ja auch den Frust.
    Herr Vizekanzler, es steht der Vorwurf im Raum, die Regierung sagt die Unwahrheit.
    Sie haben es ja am Anfang viel besser und viel treffender erklärt.
    Es haben die Neinsager vor einem Jahr eigentlich die Unwahrheit gesagt, denn das kann jeder überprüfen.
    Es gibt nach wie vor keine Blutschokolade in Österreich zu kaufen.
    Die Paradeiser heißen noch immer Paradeiser und nicht Tomaten.
    Und die Portugiesen haben nicht die österreichischen Bauarbeiter verdrängt und der Goldschatz befindet sich immer noch.
    im Fort Knox Österreichs, nämlich bei der Wiener Nationalbank.
    Es ist nicht so, dass etwa österreichische Soldaten in einer Euroarmee zu Zielscheiben gemacht werden.
    Das ist alles lächerlich.
    Das heißt, in Wahrheit haben die Neinsager mit sehr vielen Argumenten unglaublich überzogen.
    Auf der anderen Seite lässt sich ebenso beweisen, und das kann ja niemand dementieren, dass wir jetzt gerade, fünf Monate nach dem Beitritt zur Europäischen Union, Beschäftigungsrekorde schreiben.
    Es hat noch nie so viele Menschen gegeben, die in Österreich Arbeit und Brot gehabt haben, wie jetzt.
    Und natürlich weiß jeder, der es ehrlich meint und es auch sagt,
    dass das mit dem EU-Beitritt zusammenhängt.
    Es hat ja niemand versprochen, dass jetzt die EU ein Land ist, wo Milch und Honig fließt.
    Im Gegenteil, wir müssen uns ungeheuer anstrengen.
    Aber diese Anstrengung gibt uns eben die Chance, dass beispielsweise eine Menge von ausländischen Firmen in Österreich sich interessieren.
    Wenn wir etwa jetzt in Kärnten darum kämpfen, dass wir eine Ansiedlung, eine Investition von 12 Milliarden Schilling der Firma Siemens bekommen, dann hängt das damit zusammen, dass wir bei der Europäischen Union sind.
    Wenn heute BMW in Steyr 3,5 Milliarden Schilling investiert,
    eine Anschlussinvestition, dann nur deswegen, weil die Österreicher vor einem Jahr Ja gesagt haben.
    Wenn heute die geplagte Vorarlberger Textilindustrie jetzt eine halbe Milliarde Schilling investiert, um den Standort zu halten, dann nur deshalb, weil sie die Sicherheit hat, von diesem österreichischen Standort die gesamte EU betreuen zu können.
    Das lässt sich also nicht wegleugnen.
    Auf der anderen Seite, und da muss man ehrlich sein, gibt es natürlich Übergangsschwierigkeiten, gar keine Frage.
    Und da darf man natürlich nicht abwarten und sagen, das wird sich schon legen, sondern harte Arbeit.
    Herr Dr. Haider.
    Es klingt ja, als wäre Österreich das Schlafenland, wenn ich das anschaue.
    Darf ich Sie also doch einmal darauf hinweisen, dass die angebliche Zunahme der Beschäftigung, die angebliche Zunahme der österreichischen Beschäftigung,
    Dadurch erklärbar ist, dass etwa im April, auf den sie sich bezogen haben, zwar 12.000 Arbeitsplätze von Österreichern weniger geworden sind, aus der Sicht der Statistikanschauung der Arbeiterkammer und des Gewerkschaftsbundes.
    aber 14.000 Ausländer mehr beschäftigt wurden und daher gibt sich ein Plus.
    Und genau das ist ja das, was wir kritisieren.
    Daher kritisiere ich also auch, dass es ein Sozialdumping nach wie vor gibt, sonst würde ja etwa nicht die Tageszeitung der Kurier am 16.
    Mai eine Schlagzeile machen, EU-Sozialdumping am Bau und die Gewerkschaft fordern, dass man endlich in Österreich etwas dagegen tut, dass man nicht einmal die Kollektivverträge einklagen kann und heute schon darüber diskutiert wird, ob man nicht auch illegalen Ausländern
    einen Mindestlohn garantieren sollen und solche abstrusen Ideen.
    Das sind Dinge, die nicht vorbereitet worden sind.
    Oder wenn Sie sagen, die Textilindustrie läuft wunderbar, ich weiß nicht, ist es an Ihnen vorbeigegangen, dass Mesa sich nach außerhalb von Österreich begeben hat und dass Huber ans Ausland verkauft worden ist und dass Arbeitsblitze über Arbeitsblitze in der Textilindustrie weg sind oder ist es Ihnen entgangen?
    dass die Molkereien in einer Riesenkrise sind und bis heute ihr von ihnen propagiertes Eurofit-Programm überhaupt nicht funktioniert.
    Da machen die Länder zum Teil überhaupt nicht mit und es ist jetzt erst im Anlaufen zu einem Zeitpunkt, wo bereits Marktanteile verloren werden und etwa die AMF Schlagzeilen macht, dass sie als Molkereigenossenschaft 5,4 Milliarden Schilling Schulden hat, aber keine Marktanteile mehr erobert.
    Das sind die Realitäten, oder es ist ihnen entgangen,
    dass die Bauern bei der Milch 30 Prozent weniger Preis haben, dass sie beim Fleisch um 20 Prozent weniger Preis haben, dass sie beim Getreide 50 Prozent verloren haben und die Ausgleichszahlungen, die als Abfedern versprochen worden sind, nicht zutreffen.
    Oder ist es Ihnen entgangen, dass der Kollege Klima,
    Kollegin der Regierung im Fernsehen selber erklärt hat, jawohl, wir haben leider bei der Vorbereitung des Transits versagt, weil der Transit steigt an und wird nicht weniger.
    Auf der Brennerstrecke gibt es über 20 Prozent mehr Transit, trotz des so beglatschten Transitvertrages.
    Und auch das, was Sie von Siemens gesagt haben.
    Sie tun ja so, als wollten Sie einen neuen Betrieb ansiedeln.
    Bitte, Siemens ist seit Jahrzehnten in Kärnten verankert und steht jetzt in der Gefahr seit dem EU-Beitritt, dass abgesiedelt wird in ein sogenanntes Ziel-1-Gebiet, nämlich nach Dresden.
    Das alles sind Dinge, die einfach die Realität sind und ich darf es untermauern durch
    jemanden, der sehr für den EU-Beitritt geworben hat.
    Das ist der Professor Schneider in Linz.
    Der Professor Schneider hat gesagt in einer Sendung des ORF vor wenigen Tagen, für das Transkript, wo er sagt, ich habe davor gewarnt, wenn wir nicht der EU betreten, wird es zwischen 50.000 und 70.000 Arbeitsplätze weniger geben.
    Jetzt sind wir beigetreten und der Effekt ist nicht eingetreten.
    Aber durch die enormen Steuerunterschiede gehen pro Jahr ungefähr 38.000 Arbeitsplätze durch den Kaufkraftabfluss verloren.
    Das heißt, die Hälfte des positiven Beitrittseffektes ist durch den Kaufkraftabfluss bereits verloren gegangen.
    Herr Vizekanzler, wie erklären Sie sich, dass der Professor Schneider innerhalb von einem Jahr so ganz unterschiedliche Berechnungen anstellt?
    Das ist halt wie immer beim Herr Greider, das ist ein Melange von halb Wahn und natürlich halb falschen Argumenten, die so zusammengemischt werden,
    dass das glasklingt.
    Nur die Wirkung ist einfach falsch, denn vieles von den Argumenten Richtung Kaufkraftabfluss stimmt, höheres Mehrwertsteuerniveau in Österreich als in Deutschland stimmt.
    Nur Gegenfrage, wäre das ohne den Beitritt Österreichs zur EU anders?
    Hätten wir dann plötzlich niedrigere Mehrwertsteuersätze als Deutschland?
    Nein!
    Ich glaube, der entscheidende Punkt ist, dass manche Dinge wie Abwertung der Lire, das ist ein richtiges Argument, daher fahren die Österreicher teilweise hinunter, kaufen dort ein,
    Das hätten sie bitte ohne EU-Bitrate auch gemacht.
    Wir hätten sie halt bitte schwarz importiert.
    Heute können sie ohne schlechtes Gewissen fahren.
    Nur die Kofferreime haben sie sich früher genauso voll geräumt.
    Der Maeser hat zugesperrt, stimmt, absolut richtig.
    Nur die Frage, und das ist jetzt die andere Seite der Wahrheit, was wäre gewesen, wenn Österreich nicht beigetreten wäre?
    Dann hätten nämlich die guten Vorarlberger Textilindustriebetriebe, die jetzt, wie schon erwähnt, und auch die Ziffer ist überprüfbar,
    Hunderte Millionen investieren, um zu bleiben und um dort Arbeit zu schaffen, die hätten weggehen müssen, weil die Spielregeln es ihnen nicht erlaubt hätten, ihre Produkte in die EU hineinzubringen.
    Das ist der entscheidende Punkt.
    Der Fall Siemens ist ein totaler Unsinn.
    Nicht ein Stammwerk wäre nach Dresden gegangen in ein Ziel-1-Gebiet.
    sondern die neue Generation.
    Nein, das haben sie nicht gesagt.
    Sie haben eindeutig gesagt, das Stammwerk wäre übersiedelt worden, aber das ist falsch.
    Also dass Siemens überhaupt da bleibt und sogar zusätzliche 12 Milliarden Schilling, hoffentlich, in Kern nicht.
    Wir kämpfen ja drum.
    Mit den Sprüchen allein wird es nicht getan.
    Wir tun es schon recht lang.
    Sprüche klopfen.
    Und jedenfalls nicht halb so gut wie Sie.
    Meine Sprüche bringen wenigstens Wähler ihre Brücken und Nachteile für Österreich.
    Das ist das Problem.
    Ich glaube eigentlich, Ihre Sprüche ernst genommen würden ganz sicher den Standort Österreich nachhaltig zurückbekommen.
    Dann beweisen Sie doch, dass Sie das einhalten, was Sie versprochen haben.
    zuhören.
    Wird mehr investiert, ja oder nein?
    Antwort ja.
    Die Industrie investiert 9% mehr heuer.
    Also ein Beweis dafür.
    Man kann natürlich hartnäckig die Wahrheit leugnen.
    Die Ziffern sind ja nicht von mir erfunden, die sagt das Wirtschaftsforschungsinstitut.
    Also wenn die Industrie 9% mehr investiert, dann ist das ein Beweis dafür, dass der Wirtschaftsstandort Österreich lebt.
    Und ich glaube, man sollte das jetzt gar nicht zerreden.
    Die Leute haben vor einem Jahr richtig entschieden.
    Es ist nicht so, dass wir in ein Schlaraffenland hineingegangen sind, dass alles von selber läuft.
    Ich sage sogar auch selbstkritisch dazu.
    Wir haben auch von der Regierung her Fehler gemacht.
    Wir hätten einfach auch weiter informieren müssen.
    Man hätte noch mehr zusammenarbeiten müssen, aber es wäre auch der Opposition nicht schlecht angestanden, wenn sie sich in diese positive Stimmung eingeklinkt hätte und nicht nur wieder diese Jammergesänge wie vor einem Jahr ununterbrochen wiederholt, von Schildglas bis Goldschatz und ich weiß nicht was, was alles zugrunde gehen wird.
    Das ist einfach falsch.
    Warum ist, Herr Dr. Schüssel, dass wir mit dem EU-Beitritt selbstverständlich bereits einen Teil unserer Devisenreserven, der Österreichischen Nationalbank, auch verpflichtet sind, bei der gesamten Europäischen Bank zu halten?
    Das steht aus Ihrem Vertrag drinnen, das ist eine Realität.
    Aber worauf ich hinaus will?
    ist auf Ihre Frage noch was gewesen, wenn wir nicht beigetreten wären.
    Erstens einmal, die Textilindustrie hat deshalb Probleme bekommen in den letzten Jahren, weil es ihrem Verhandlungsgeschick nicht gelungen ist, schon beim EWR-Vertrag, die Frage der passiven Veredelung für die Textilindustrie zu regeln.
    und damit den Wettbewerbsnachteil gegenüber den neuen Ländern in Osteuropa, Polen, Tschechien, Ungarn, die also eine Liberalisierung mit der EU bekommen haben, wettzumachen.
    Und es hat Nachteile gebracht.
    Und wenn Sie also jetzt die Salzburger Nachrichten vom 20.
    Mai lesen, dann steht dort ganz groß, passiver Veredelungsverkehr, die EU bringt überraschend viele Nachteile für die heimische Textilindustrie.
    Also gar so positiv kann es nicht sein.
    Wenn Sie es weiter sagen, was wäre gewesen, wenn wir nicht beigetreten wären, wäre doch auch die Kaufkraft abgeflossen, weil ja die Mehrwertsteuerdifferenz zwischen Österreich und Italien oder zwischen Österreich und Deutschland da ist.
    Richtig, die Differenz ist da, aber wir hätten keinen Mitgliedsbeitrag an die EU gezahlt, der uns 50 Milliarden Schilling im Budget kostet und um diese 50 Milliarden hätten Sie um 5 Prozent die Mehrwertsteuer senken können.
    Herr Dr. Haider, sollen wir Ihrer Meinung nach aus der EU wieder austreten?
    Wir haben immer gesagt, wir nehmen das Votum zur Kenntnis, wir müssen nur das Beste daraus machen.
    Das heißt, wenn wir etwas zu sagen haben, wir sind nur die Opposition, wir können ja nur anmerken, der Dr. Schüssel möchte immer, dass ich etwas tue, er braucht ja nur zurücktreten in der Regierung und eine andere Regierung bilden, dann gibt es also die Möglichkeit zu schauen, wer was zusammenbringt.
    Aber das wird sicher sein, wenn wir mit in einer Regierung sind, dann ist das fixer Bestandteil eine Neuverhandlung in Bezug auf unsere Beitrittslasten, unsere ehrlichen vorzunehmen.
    Wie realistisch ist das?
    Schauen Sie sich an.
    Welches EU-Beitrittsland hat einen niedrigeren Beitrittssatz ehrlicherweise zu erwarten?
    Das müssen Sie schon dazu sagen.
    Normal müssten Sie es wissen, weil es ist da sogar ein Fraktionskollege von den britischen Konservativen.
    Die Konservativen haben es geschafft, nachdem das ihr Wahlprogramm bei den letzten Wahlen gewesen ist, eine Senkung ihrer Beitragslasten zu erreichen.
    Und der deutsche Finanzminister Weigl hat in einem Interview mit dem Spiegel und dem Fokus vor kurzem angekündigt, dass auch Deutschland über eine Senkung seiner jährlichen Beitragskosten verhandeln wird.
    Und Österreich ist halt wieder einmal der Musterknabe, der sagt, wir haben eh so viel Geld, wir tragen das lieber nach Brüssel, anstatt den Österreichern die Steuern zu ersparen.
    Das ist die Realität.
    Das stimmt ja überhaupt nicht.
    Das ist die Realität.
    Wetten wir was, dass sie nicht informiert sind über diese Frage?
    Nein, bitte entschuldige.
    Die Briten haben in einer spezifischen Frage eine Sonderregelung.
    Nein, die Briten haben in einer ganz bestimmten Frage eine Sonderregelung.
    Ansonsten sind die Beiträge für alle gleich.
    Dass Weidel insgesamt eine Lösung haben will, die vor allem in den künftigen Aufwertungen und auch die künftigen Konvergenzprogramme, Koalitionsprogramme usw.
    eine billigere Lösung will, deckt sich voll mit unseren Intentionen.
    Aber den Leuten einreden zu wollen, man kann jetzt neu verhandeln, ist ja bitte wirklich absurd.
    Das kann doch niemand werden.
    Die Deutschen können, das werden wir die Österreicher auch können, im Namen der EU ihre Beitragslasten reduzieren.
    So leid es mir tut, diese spannende Diskussion zu beenden.
    Eines hat sich jedenfalls in dem Jahr seit der Volksabstimmung nicht verändert, die Intensität der Diskussionen.
    Ich danke beiden Herren für's Kommen.
    Was ich nicht für schlecht halte, weil das ist an sich ein gutes Zeichen.
    Danke für's Kommen.
    Im Journal zu Gast waren heute Wolfgang Schüssel und Jörg Haider, die Fragen stellte Gisela Hopfmüller.
    Um die Bilanz ein Jahr nach der EU-Volksabstimmung geht es auch in der TV-Diskussion zur Sache mit Peter Rabel am Sonntag bereits um 21.55 Uhr im ORF1.
    Der neue Chef der deutschen Liberalen heißt Paul Gerhardt.
    Auf dem Mainzer FDP-Parteitag wurde der hessische Landesvorsitzende mit absoluter Mehrheit gewählt.
    Aus Mainz Paul Schulmeister.
    Kurz vor 12 Uhr wurde das Ergebnis der mit Spannung erwarteten Abstimmung bekannt gegeben.
    Der 51-jährige Gerhard erhielt 371 Stimmen, das sind 57 Prozent.
    Auf seinen Rivalen Jürgen Möllemann entfielen in der Kampfabstimmung immerhin 219 Stimmen eine gute Ausgangsposition, um eventuell wenigstens in das FDP-Präsidium gewählt zu werden.
    Über die Vorstellungsreden der Bewerber hatte das Los entschieden.
    Der Favorit Wolfgang Gerhardt sprach als erster, angespannt, in schnellem Tempo, immer wieder durch Beifall unterbrochen.
    Er wiederholte sein liberales Programm der Mitte, trat für Meinungsfreiheit in der FDP ein, auch für die Nationalliberalen.
    Gerhardt attackierte gleichermaßen SPD wie Grüne, warfe aber auch Teilen der CDU vor, sozialdemokratisch geworden zu sein.
    Einmal wagte er es, gegen den Bonner Koalitionsstachel zu löken.
    Wir sind zuallererst Freie Demokraten und dann Koalitionspartner.
    Gerhards Rivale Möllemann, der sich selbst als Kandidat ins Spiel gebracht hatte, polarisierte den Parteitag immer wieder.
    Mehrmals Pfiffe und Buhrufe, wenn der frühere Bundeswirtschaftsminister seine Medienbegabung allzu sehr hervorstrich, tosender Beifall dagegen, wenn er für linksliberale Positionen eintrat oder CDU-Chef Kohl attackierte.
    Für beste Unterhaltung, Beifall und Lachen im Saal sorgte als dritter Kandidat der 23-Jährige
    Passauer Student Markus Schönherr.
    Chancenlos natürlich, er bekam nur 36 Stimmen, aber in seiner Parteikarriere gewiss einen Schritt weiter.
    Ob der FDP nach der Wahl Gerhards ein neuer Anfang gelingt, das muss wohl weiter offen bleiben.
    Zwölf Referenten an einem einzigen Tag.
    Morgen werden Italiens Wähler und Wählerinnen gleich über ein Dutzend Sachfragen zu entscheiden haben.
    Dass angesichts der Themenfülle beim Referendum für die meisten Wahlberechtigten so etwas wie Durchblick nicht zu erlangen ist, nimmt nicht Wunder.
    Andreas Pfeiffer über die allgemeine Ratlosigkeit.
    Dass die Italiener morgen die Qual der Wahl besonders deutlich verspüren werden, ist leicht zu prophezeien.
    Denn nicht nur einer, sondern gleich zwölf Stimmzettel von Elfenbeinfarben bis Dunkelgrünen werden ihnen vorgelegt.
    Mit einem Federstrich sozusagen muss über so gewichtige Gegenstände wie Ladenschlusszeiten, Zwangsaufenthalte von Mafiosi, Abschaffung von Gewerkschaftsbeiträgen etc.
    entschieden werden.
    Dies alles, weil alle politischen Versuche, zumindest einige Referenten durch rasche Verabschiedung von Gesetzen abzuwenden, im römischen Parlament gescheitert sind.
    Die Ratlosigkeit und der Wählerunwille sind groß und der greise italienische Philosoph Norberto Bobbio spricht offen von unverdaulicher Demokratie.
    Klarheit, worum es eigentlich geht, herrscht allenfalls über jene drei Referenten, die das Reich der Medien und vor allem seinen größten Fürsten betreffen.
    Silvio Berlusconi.
    Ein Unternehmer soll künftig nur noch einen statt drei nationale Fernsehsender besitzen dürfen.
    Die Werbeunterbrechungen von Spielfilmen sollen drastisch eingeschränkt werden.
    Eine Werbeagentur soll künftig maximal zwei TV-Kanäle mit Werbung beliefern dürfen.
    So lauten die wichtigsten Begehren der Antragsteller.
    Stimmen die Italiener zu, wäre Berlusconi gezwungen, zwei seiner drei Anstalten zu verkaufen.
    Die Befürworter erhoffen sich dadurch größere Freiheit des Marktes und der Meinungen, sagt Piero de Chiara vom Komitee der Ja-Sager.
    Wir haben es von Anfang an gesagt, ein Ja eröffnet dem Medienmarkt der Zukunft größere Möglichkeiten.
    Mit einem Nein aber würde ein Zustand festgeschrieben, der viele Arbeitsplätze gefährdet und den Italienern weniger mediale Freiheit bietet.
    Das Ja ist die Hoffnung.
    Silvio Berlusconi freilich hat in den letzten Wochen seine gesamte Medienmaschinerie in Gang gesetzt, um seine Konsumenten zu einem klaren Nein zu bewegen.
    Ein starkes Privatfernsehen und das gewohnte Werbeaufkommen seien zur Sicherung der medialen Qualität unter Meinungsvielfalt unverzichtbar, lautet seine Argumentation.
    In diesen Referenten ortete er daher eine klare Strategie seiner politischen Gegner.
    Erstens, sie wollen das Privatfernsehen zerstören, das heute ein Banner der Freiheit ist.
    Zweitens, sie wollen mit allen Mitteln, mit persönlichen Angriffen und einem Missbrauch der Justiz Forza Italia und ihren Chef zerstören.
    Das einzige Hindernis zwischen ihnen und der Macht.
    Soweit aber wird es nicht kommen.
    Ob es soweit kommen wird oder nicht, hat zunächst die morgige Wahl zu klären.
    Das italienische Verfassungsgericht allerdings hat bereits im Dezember vergangenen Jahres die Unzulässigkeit des Monopols im privaten Fernsehen erklärt.
    Unabhängig vom Ausdruck der Referenten wird Italien damit in nächster Zukunft ein neues Mediengesetz beschert werden müssen.
    Berlusconis Tage als Großfürst des italienischen Privatfernsehens sind gezählt.
    Er ist heute 80 geworden und er gilt als der wichtigste jüdisch-amerikanische Nachkriegsautor, neben Isaac Bashevis Singer und Philip Roth.
    1976 erhielt er den Literaturnobelpreis, Saul Bellow.
    Eines der raren Interviews mit ihm hören Sie im Beitrag von Brigitte Hofer.
    Saul Bellows Thema, die Entwurzelung des Intellektuellen mit dem Chaos seines Privatlebens und der Brutalität seines Berufslebens.
    Die grössten Leseerfolge, meint Bellow ironisch, hätte er bei Geschiedenen, bei Juden, bei Studenten, bei Taschenbuchlesern, Autodidakten und bei Lesern, die gerne Selbstgespräche führen.
    Das gilt für Bellows Kein-Abel-Opfer-Täter-Roman Das Opfer.
    für seine komödiantischen Abenteuer der Augie March, für seine extravagante Romanze der Regenkönig, vor allem aber für seinen Briefroman Herzog, der Bello weltberühmt gemacht hat.
    Dieser Moses Herzog ist der sinnliche jüdische Intellektuelle der Upper Class mit seinen ewigen Schuldgefühlen, verletzten Eitelkeiten und dem ewigen Grübeln über die Wirkungslosigkeit seines Denkens.
    Brillant, geistreich und beklemmend, das Bild, das Saul Bello vom urbanen Amerikaner zeichnet.
    Und voll Selbstironie seine eigene Beschreibung.
    Nach Wochen auf der Intensivstation im vergangenen Winter.
    Im Moment bin ich ein Lazarus.
    Er wurde erheblich.
    Und ich fühle, seitdem ich letztes Dezember fast tot war.
    Saul Bello, der auferstandene Lazarus, der dem Tode gerade noch von der Schaufel gesprungen ist.
    Ich war im Januar und wusste nicht, was passiert ist.
    I survived this pneumonia on an artificial respirator.
    I feel that for the time being I've escaped the grave and that's how I mainly, that's how I experience life these days.
    Saul Bello, also jetzt ironischerweise Philosoph.
    I think every philosopher who has proposals for the good of mankind to make, or anybody,
    Er meint, jeder, der große Massen von etwas überzeugen will, sollte vorher gründlich darüber nachdenken, was geschehen wird, falls sich seine Ideen als Unfug erweisen.
    Bei Karl Marx, aber auch beim Christentum wäre da der Welt viel unheil erspart geblieben, meint Bello.
    Und die bittere, resignative Erkenntnis des 80-jährigen Nobelpreisträgers?
    Als Junger wollte er durch sein Schreiben die Öffentlichkeit geistig und moralisch bessern.
    Jetzt merkt er, dass alle Anstrengungen dieser Art eine törichte Verschwendung von Energie und Willenskraft waren.
    Als ich jünger war, war ich interessiert darauf, das Publikum zu edifizieren.
    Aber als ich älter wurde, habe ich bemerkt,
    Fünf Generationen von Schriftstellern in Europa haben sich die Finger wundgeschrieben, um die Menschen für ein höheres geistiges Leben vorzubereiten.
    Aber es hat nie geklappt.
    Es war immer ein kompletter Flop.
    Und was heute davon noch übrig ist, findet sich als vereinzeltes Gerippe in der Wüste einer Lesebuchindustrie.
    die Massen ihres Landes für ein höheres Leben vorbereiten.
    Und es hat nie geklappt.
    Es war ein kompletter Blödsinn.
    Es hat nie geklappt.
    All das, was noch bleibt, sind die jeweiligen Knochen, die man in der Wüste der Textbuchindustrie findet.
    und zum Abschluss des Mittagsschonals noch das Neueste zu den Briefbombenanschlägen.
    Österreich.
    Zu den gestrigen Briefbombenanschlägen liegen jetzt zwei Schreiben aus dem Täterkreis vor.
    Nachdem der Anwalt des inhaftierten mutmaßlichen Briefbombenattentäters Peter Binder ein Schreiben erhalten hatte, ging in der Redaktion des Nachrichtenmagazins Profil ein Schreiben ein.
    Absent ist auch in diesem Fall eine Organisation, die sich Salzburger Altgenossenschaft bei Juwarische Befreiungsarmee nennt.
    Darin heißt es, die in Untersuchungshaft befindlichen Rechtsextremisten Peter Binder und Franz Radl seien schuldlos.
    Dem Schreiben beigefügt sind Details zur Herstellung der Briefbomben.
    Es werden all jene bedroht, die den Angaben der sogenannten Bayouvarischen Befreiungsarmee keinen Glauben schenken und sie für eine, wie es wörtlich heißt, Entlastungsaktion unter Vorspiegelung falscher Tatsachen halten.
    Innenminister Einem sprach von einer außerordentlich professionellen Tätergruppe, deshalb sei die Aufklärung besonders schwierig.
    Er wertet die aufgetauchten Schreiben nicht als Entlastung für Binn und Radl.
    Hinweise zu den Briefbondenanschlägen nimmt das Innenministerium unter den Telefonnummern 53 126 Klappen 4105 4106 und 4107 rund um die Uhr entgegen.
    Das Opfer der Linzer Briefbombe, eine 27-jährige Ungarin, ist zwölf Stunden lang an der schwerverletzten Hand operiert worden.
    Sie hat den Angriff gut überstanden und befindet sich jetzt in der Aufwegphase.
    Nun zum Wetter im Lauf des Nachmittags und auch am Abend in ganz Österreich.
    Regenschau und Gewitter, Temperaturen zwischen 16 und 24 Grad.
    Sie hörten das Mittagsschornal.
    Technik Herbert Heiner, Regie Udo Bachmeier, am Mikrofon Manfred Kornsteiner.

    Beiträge dieses Journals

    Nachrichten
    Datum: 1995.06.10
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Wetter
    Datum: 1995.06.10
    Schlagworte: Natur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Gespräch mit Hein Jürgen Mastalier
    Interview: Mastalier, Briefbombenermittler
    Mitwirkende: Stoppacher, Robert [Gestaltung] , Mastalier, Hein Jürgen [Interviewte/r]
    Datum: 1995.06.10
    Schlagworte: Politik Österreich ; Terror ; Sicherheit ; Rechtsextremismus ; Justiz und Rechtswesen ; Sicherheit ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    50 Jahr-Gedenken Konzentrationslager Loibl-Tunnel
    Einblendung: Einem. In dem KZ Nord waren sehr viele Zwangsarbeiter aus Frankreich inhaftiert.
    Mitwirkende: Kopeinig, Michael [Gestaltung] , Einem, Caspar [Interviewte/r]
    Datum: 1995.06.10
    Schlagworte: Gesellschaft ; Faschismus und Nationalsozialismus ; Terror ; Jubiläum ; Straftaten ; Regierung ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Im Journal zu Gast: Schüssel-Haider im Duell
    Interview: Haider, Schüssel. Haider bezeichnet Schüssel im Gespräch als Sprücheklopfer. Seine Sprüche, so Haider zu Schüssel, "bringen wenigstens Wähler, Ihre hingegen nur Nachteile für Österreich". Beide sehen sich in ihren Meinungen bestätigt, sowohl der EU-Befürworter Schüssel als auch der EU-Kritiker Haider. Haider kritisiert die überhöhten Beitragszahlungen an die EU, man glaube wieder einmal "Musterknabe sein zu müssen", so Haider und wirft Schüssel Uninformiertheit vor.
    Mitwirkende: Hopfmüller, Gisela [Gestaltung] , Haider, Jörg [Interviewte/r] , Schüssel, Wolfgang [Interviewte/r]
    Datum: 1995.06.10
    Schlagworte: Politik Österreich ; Regierung ; Opposition ; Parteien / FPÖ ; Parteien / ÖVP ; Diskussion ; EU ; Außenpolitik ; Wirtschaftspolitik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    FDP-Krisenparteitag in Mainz
    Einblendung: Gerhard, Wolfgang Gerhard neuer Parteiobmann
    Mitwirkende: Schulmeister, Paul [Gestaltung] , Gerhard, Wolfgang [Interviewte/r]
    Datum: 1995.06.10
    Schlagworte: Politik ; Opposition ; Liberale ; Personalfragen ; Reden und Ansprachen ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre ; Bundesrepublik Deutschland
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Saul Bellow 80
    Interview: Bellow
    Mitwirkende: Hofer, Brigitte [Gestaltung] , Bellow, Saul [Interviewte/r]
    Datum: 1995.06.10
    Schlagworte: Literatur ; Porträt ; Jubiläum ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten

    Katalogzettel

    Titel Mittagsjournal 1995.06.10
    Spieldauer 00:55:56
    Mitwirkende Kronsteiner, Manfred [Moderation]
    ORF [Produzent]
    Datum 1995.06.10 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ audio
    Format DAT [DAT-Kassette]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-950610_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal

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    Inhalt

    Nachrichten

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    Schlagworte

    Gesellschaft , Radiosendung-Mitschnitt
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