Budgetrede des Finanzministers: Budget 70

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    Rechtliches

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    Ja, meine Damen und Herren, die Rede des Finanzministers ist vor wenigen Minuten hier zu Ende gegangen.
    Der Sitzungssaal ist im Augenblick fast leer, denn das Parlament, die Sitzung wurde daraufhin auf 15 Minuten unterbrochen, damit sich die Abgeordneten sozusagen etwas erholen können.
    Es war eine große Rede.
    Man könnte sagen, ein Rekordbudget verlangte eine Rekordrede schon allein in der Länge.
    Es war aber auch, wie sich gleich in den ersten Sätzen zeigte,
    sonst eine besondere Budgetrede.
    Es war die letzte Budgetrede dieser Regierung und damit gleichsam ein Rechenschaftsbericht, den der Finanzminister über die Zeit von 1966 bis 1970 gab.
    Mehr als in den früheren Jahren war es also eine politische Rede.
    So setzte sich der Finanzminister gleich in seiner Einleitung mit einem Hauptkritikpunkt der Opposition auseinander.
    Die Sozialisten hatten schon vor längerer Zeit verlangt, dass die Regierung für das kommende Jahr kein vollständiges Budget mehr, sondern nur noch ein Budgetprovisorium für die Amtszeit bis zum 1.
    März und gegebenenfalls einige Zeit darüber, bis halt eine neue Regierung eben wieder im Amt ist, vorlege.
    Der Finanzminister
    meinte dazu heute gleich zu Beginn, dass die budgetpolitischen Entscheidungen zurzeit so schwerwiegend seien, dass man nicht einen vier Monate langen Schwebezustand eintreten lassen könne.
    Die Sozialisten nahmen diese Argumentation hier heute gelassen zur Kenntnis.
    Ganz nebenbei gesagt, zwischen politischen und technischen Anliegen gibt es natürlich auch einen Unterschied.
    Denn wer immer nach dem 1.
    März 1970 Finanzminister sein wird, er kann dem derzeitigen Ressortchef sicher dankbar sein,
    dass er ihm die Aufgabe unter Zeitdruck ein Budget fertigzustellen abgenommen hat.
    Und das auch dann, wenn dieser künftige Finanzminister vielleicht heute noch als Oppositionsabgeordneter aus politischen Gründen ein Budget-Provisorium verlangt.
    Dem Charakter eines Rechenschaftsberichtes entsprechend ist diesmal in der Budgetrede der allgemeine Teil besonders umfangreich.
    Finanzminister Dr. Korin nennt als seine budgetpolitischen Grundziele die Haltung der Vollbeschäftigung, die Sicherung eines möglichst hohen Wirtschaftswachstums, finanzielle Stabilität und gerechte Eigentumsverteilung.
    Aber er selbst fügt hinzu, dass es unmöglich ist, alle diese Ziele gleichzeitig zu verwirklichen.
    Es gibt nur eine optimale Kombination von Kompromissen, sagt Minister Korin.
    Und dann geht der Finanzminister konkret auf die derzeitige Wirtschaftssituation ein.
    Die Zahlen und Fakten zeigen heute das Bild einer vollbeschäftigten und kräftig wachsenden österreichischen Wirtschaft.
    Die Konjunkturbelebung, über die ich im Vorjahr berichten konnte, ist 1969 in einen stetigen, störungsfreien und kräftigen Aufschwung übergegangen, der gegen Jahresende bereits nahe an die Vollauslastung der Produktivkräfte heranführt.
    Das Bruttonationalprodukt wird heuer voraussichtlich real um sechs Prozent höher sein als im Vorjahr.
    Die industrielle Produktion um zehn Prozent.
    Das ist die höchste Zuwachsrate seit dem Jahre 1960.
    Mit diesem Ergebnis, so setzt der Finanzminister fort, befindet sich Österreich im Spitzenfeld des Wachstums der wichtigsten Industrieländer.
    Das Bruttonationalprodukt pro Kopf sei in Österreich von 1965 bis 1969, also in der Amtszeit der ÖVP-Alleinregierung, stärker gestiegen als beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland,
    in Schweden oder in den USA.
    Allerdings, was der Finanzminister nicht dazu sagt, muss man berücksichtigen, dass Österreich gegenüber diesen Ländern einiges nachzuholen hatte und auch immer noch nachzuholen hat.
    Und dann wieder eine politische Erklärung in der Rede des Finanzministers.
    Wenn auch für die gute Wirtschaftsentwicklung viele Ursachen maßgebend seien, sagt der Minister, so stehe doch außer Zweifel, dass der österreichische Budgetpolitik ihre wachstumspolitische Funktion in dieser Legislaturperiode gut erfüllt habe.
    Und weiter sagt Korin, dass durch diese Politik es auch möglich war, den internationalen Wirtschaftsrückschlag 1967 in Österreich in weit geringeren Grenzen als etwa im Ausland zu halten.
    Erst später, im zweiten Drittel, geht der Finanzminister dann konkret auf das ein, was die meisten der Abgeordneten und auch die Öffentlichkeit bereits mit Spannung erwarteten.
    Nämlich, wie das Budget für das kommende Jahr nun wirklich aussehen wird.
    Der gesamte Ausgabenrahmen beträgt 101,2 Milliarden Schilling.
    Das sind um 7,3 Milliarden Schilling mehr als 1969 unter Einschluss der Finanzgesetznovelle 69.
    Der Ausgabenzuwachs ist demnach mit 7,8 Prozent etwas geringer als der erwartete Zuwachs des Sozialproduktes.
    Diese Daten können in der Abbildung 3 entnommen werden.
    Von den Gesamtausgaben des Haushaltes entfallen auf die ordentliche Gebahrung 97,7 Milliarden Schilling, auf die außerordentliche Gebahrung 3,6 Milliarden Schilling.
    Der gesamte Einnahmenrahmen ist mit 92,2 Milliarden Schilling veranschlagt.
    Das sind um 6,7 Milliarden Schilling oder um 7,9 % mehr als im Bundesvoranschlag 1969.
    Sowohl Ausgaben wie Einnahmen gehen also nicht über den Rahmen des erwarteten wirtschaftlichen Wachstums hinaus.
    Der Gesamtgebarungsabgang
    Von 8.975 Millionen Schilling ist um rund 600 Millionen Schilling höher als 1969, einschließlich der Finanzgesetznovelle.
    Ebenso der Nettoabgang, die Neuverschuldung minus Tilgungen.
    Dieser Nettoabgang beträgt 4 Milliarden Schilling.
    Das sind knapp 4 Prozent des gesamten Ausgabenrahmens.
    101 Milliarden Budgetrahmen, etwas mehr als 101 Milliarden Ausgaben, 9 Milliarden Defizit, das sind also die magischen Zahlen dieses Budgets.
    Mehr als ein Drittel der Ausgaben des kommenden Jahres, nämlich 36,8 Milliarden, entfallen dabei auf den Personalaufwand.
    Dieser ist damit um 2,3 Milliarden oder 7 Prozent höher als 1969.
    Die Ursache der Erhöhung liegt hauptsächlich in der dritten Etappe der Besoldungsreform, die am 1.
    August 1970 in Kraft treten wird.
    Nicht vorgesorgt ist im Budget für eine Erfüllung der Lehrerforderungen, die in den letzten Wochen erhoben wurden.
    Sollten also hier noch Verhandlungen kommen, müsste man nachträglich im Budget dafür eine Bedeckung suchen.
    Im Sachaufwand hat man in diesem Budget einen eindeutigen Vorrang für Bildung und Unterricht verankert.
    Das Unterrichtsbudget wurde im Sachaufwand, wie gesagt, um rund 20 Prozent erhöht.
    Dazu kommen eine Erhöhung des Schulbaubudgets um 36 Prozent.
    Und wieder gibt der Finanzminister eine kleine Gesamtbilanz der ÖVP-Regierung.
    Seit 1965 seien die Ausgaben für Bildung und Unterricht um mehr als 90 Prozent gestiegen.
    Sie haben sich also fast verdoppelt.
    Im Sozialbudget erreicht der Gesamtaufwand 1970 die Rekordhöhe von 16 Milliarden Schilling.
    Das werden 2,3 Milliarden mehr sein als heuer.
    Rund die Hälfte dieser Erhöhung geht allerdings auf die gesetzlich verankerte Pensionsdynamik zurück.
    In der anderen Hälfte sind die Erhöhung der Witwenpensionen und die bäuerliche Altersversorgung enthalten, die erst im Laufe des Jahres 1970 in Kraft treten werden.
    Im Landwirtschaftsbudget gibt es dann einen bemerkenswerten Posten.
    Zum ersten Mal werden die Milchsubventionen im kommenden Jahr um rund 40 Millionen Euro geringer sein.
    Allerdings ist das nicht einem besonderen Kraftakt des Finanzministers gegenüber der Landwirtschaft zu verdanken, sondern es ergibt sich automatisch aus dem Zurückbleiben zweckgebundener Einnahmen.
    Dafür wird andererseits der Grüne Plan im kommenden Jahr mit 780 Millionen Schilling dotiert, wobei allein die Zinsenzuschüsse für Agrarkredite um 15 Prozent höher angesetzt werden.
    Ganz interessant ist auch das Budgetkapital Bundesbahn.
    Das viel zitierte ÖBB-Defizit wird im kommenden Jahr auf dem Papier nur noch 2,8 Milliarden Schilling betragen.
    Der Trick ist allerdings der, dass 1970 zum ersten Mal die sogenannten betriebsfremden Lasten, die rund 350 Millionen Schilling ausmachen, an anderer Stelle im Budget stehen.
    Rechnet man diese dazu, dann wäre freilich das Bundesbahn-Defizit um 150 Millionen Schilling höher als im vergangenen Jahr.
    Einige Budgetkapiteln übergeht der Finanzminister dann in seiner Rede.
    Darunter auch das Ressort Landesverteidigung.
    Wie wir hier aus den nun vorliegenden Budgetzahlen entnehmen können, werden im kommenden Jahr 4,1 Milliarden Schilling dafür ausgegeben werden.
    Das ist eine ganz geringe Erhöhung gegenüber dem heurigen Jahr.
    Ein zweiter Schwerpunkt des Budgets für 1970 liegt dann auf dem großen Sektor der Investitionen.
    Nach den Worten des Finanzministers bringt der Entwurf für das kommende Jahr das bisher größte Investitionsbudget, nämlich 18,4 Milliarden Schilling.
    Davon 2 Milliarden Schilling für Autobahnen, 2,9 Milliarden Schilling für die Bundesstraßen.
    Und dazu versichert der Finanzminister, dass die Tauernautobahn und die Inntal-Autobahn gar nicht im Budget aufscheinen, weil sie gesondert finanziert werden.
    Für den Wiener U-Bahn-Bau sind im Budget 1970 derzeit ganze 1000 Schilling eingesetzt.
    Dies ist nur ein symbolischer Ansatz, weil ja das Gesetz über den Bundeszuschuss vorläufig im Parlament stecken geblieben ist.
    Und wie sieht es nun auf der Einnahmenseite aus?
    Finanzminister Korin rechnet mit einer Steigerung der Staatseinnahmen für 1970 mit 7,9 Prozent.
    Die höchste Einzeleinnahme wird auch weiterhin die Umsatzsteuer sein.
    Aus ihr erwartet der Finanzminister fast 22 Milliarden Schilling.
    Die Lohnsteuer soll 10 Milliarden, die Einkommensteuer 7,5 Milliarden Schilling erbringen.
    Dabei ist gegenüber dem Voranschlag 1969 die Lohnsteuer um 2 Milliarden mehr, die Einkommensteuer um 300 Millionen höher angesetzt.
    Also ein viel stärkeres Anwachsen der Lohnsteuer gegenüber der Einkommensteuer.
    Nach der Detailerläuterung geht der Finanzminister schließlich wieder auf die internationale Konjunkturlage zurück.
    Und hier gibt es zum Investitionsoptimismus eine Einschränkung.
    Minister Korin weist darauf hin, dass man in diesem Augenblick, wo das Budget im Nationalrat vorgelegt wird, die Wirtschaftsentwicklung für das kommende Jahr noch gar nicht genau überblicken kann und dass deshalb die genaue Durchführung des Budgets erst später festgelegt werden kann.
    Berücksichtigt man alle diese Faktoren, dann ergeben Sie, dass der Haushalt 1970 eher konjunkturneutral angelegt ist.
    In seiner praktischen Durchführung erhält er noch Bewegungsspielraum.
    Denn die konjunkturelle Wirkung der Budgetpolitik besteht nicht nur in der einmal jährlichen Erstellung des Voranschlags, sondern auch in seiner praktischen Durchführung.
    Sobald fundierte Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung und die Tendenzen im Jahr 1970 vorliegen, beabsichtige ich, gemeinsam mit den zuständigen Ressorts und den Bundesländern eine koordinierte und der Konjunkturlage angepasste Politik der öffentlichen Auftragsvergabe abzusprechen.
    Was hinter dieser Formulierung steht, könnte unter Umständen auch ein Zurückhalten der Aufträge zu dem einen oder anderen Zeitpunkt sein.
    Wenn dies aufgrund der wirtschaftlichen Lage tatsächlich notwendig würde, könnte freilich der Glanzpunkt der Investitionen einen leichten, matten Fleck erhalten.
    Was aber das Budget in seiner Gesamtheit betrifft, so endete der Finanzminister in einem optimistischen Schlusssatz.
    Ich bin mir vollkommen bewusst, dass in der Debatte über dieses Budget
    der doppelte Vorwurf erhoben werden wird, dass ein hartherziger Finanzminister viele Wünsche nicht erfüllt, d.h.
    Ausgaben nicht berücksichtigt hat.
    Ebenso aber, dass er Einnahmen und Abgang in diesem Haushalt zu hoch angesetzt habe.
    Demokratie ist Diskussion.
    In dieser Diskussion darf aber auch die Regierung ihren Standpunkt vertreten.
    Als Finanzminister dieser Bundesregierung stelle ich fest, dieses Budget sichert Wirtschaftswachstum und Währung, den Vorrang für Bildung und den Vorrang für die Sozialschwachen.
    Das war also der Inhalt der Budgetrede des Finanzministers.
    Sie war, abgesehen vom Beginn und vom Ende, wie wir eben hörten, in voller Ruhe verlaufen, nur eben am Beginn und am Ende gab es Zwischenrufe.
    Die Ruhe war wahrscheinlich dadurch verursacht, dass die Sozialisten, wie angekündigt, am Nachmittag sozusagen eine erste Budgetdebatte noch vor der ersten Lesung erzwingen wollen.
    Um 17 Uhr wird über eine dringliche Anfrage der Sozialisten zum Thema Budget debattiert werden.
    Wir werden also darüber im Abendschanal noch ausführlich berichten können.
    Und damit gebe ich zurück zum Funkhaus.

    Katalogzettel

    Titel Budgetrede des Finanzministers: Budget 70
    Titelzusatz Einblendung: Finanzminister Koren
    Spieldauer 00:13:29
    Mitwirkende Pfitzner, Helmut [Gestaltung]
    Koren, Stephan [Interviewte/r] [GND]
    Datum 1969.10.21 [Sendedatum]
    Schlagworte Politik ; Politik Österreich ; Gesellschaft ; Bildung ; Wissenschaft und Forschung ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 60er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-691021_c_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal 1969.10.21

    Information

    Inhalt

    Vollbeschäftigung, Wirtschaftwachstum, gerechte Eigentumsverteilung. Aufschwung, Vollauslastung der Produktivkräfte, Bruttonationalprodukt, Ausgaben, Zuwachs, Lehrerforderungen, Subventionen, Investitionen
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