Der 15. Mai 1955 im Radio

Der 15. Mai 1955 - Die Ereignisse um die Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrags in Wien

6 Uhr: Bundeskanzler Julius Raab besucht die Heilige Messe in der Franziskanerkirche.

Bereits ab 7 Uhr morgens beginnen die Leute Richtung Belvedere zu strömen. Die Straßenbahnen Richtung Belvedere können gratis benützt werden.

Schon vor 8 Uhr sind viele Schaulustige zum Schloss Belvedere gekommen. Der Park ist noch gesperrt, die schmiedeeisernen Tore sind geschlossen. Überall sind Wachleute und Kriminalbeamte zu sehen. An der Prinz-Eugen-Straße, die am Park entlang führt, bildet sich auf beiden Seiten ein Spalier. Die Seite der Schlosszufahrt Richtung Gürtel und Südbahnhof wird freigehalten.
Außenminister Leopold Figl begrüßt am Wiener Westbahnhof Lourdespilger des Bauernbundes und besucht um 8 Uhr die Messfeier in der Lazaristenkirche.

Kurz vor 9 Uhr: Einlass der Wartenden durch das Tor am Rennweg in den zur Stadtseite gelegenen Garten. Es findet ein wahrer Wettlauf bis zum Polizeikordon am letzten Treppenabsatz vor dem Schloss statt, 15 m vor dem Oberen Belvedere.

Die zahlreichen Film-, Foto- und Radioreporter werden zur Rampe vorgelassen, um die Ankunft der Staatsmänner zu beobachten. Im Marmorsaal sind die letzten Vorbereitungen im Gange. Die auf dem Marmorboden ausgelegten Teppiche rutschen und ein Fotoreporter stürzt. Um die Sicherheit der Staatsmänner zu gewährleisten, werden noch schnell große Gummimatten unter den Teppichen verlegt.

9:45 bis 10:10: Kurze Konferenz beim Bundeskanzler unter Teilnahme von Außenminister Figl vor der Abfahrt zum Belvedere.

10:25 bis 10:40: Ankunft der österreichischen Politiker (Botschafter, Bundesregierung mit Figl)

10:43: Ankunft von Vizekanzler Adolf Schärf

10:45: Ankunft  Bundeskanzler Julius Raab

00:06:35
Die Bedeutung des Staatsvertrags

Kommentar von Gerhard Jagschitz

Ab 11 Uhr: Auffahrt der ausländischen Delegationen.

Gleichzeitig beginnt die Staatsvertragsreportage des Österreichischen Rundfunks auf allen Sendern mit den Moderatoren Heinz Fischer-Karwin und Hellmuth Bock.

Die russische Delegation braust in hohem Tempo die Prinz-Eugen-Straße herauf, eine Wagenkolonne von mindestens vierzehn Limousinen unter Polizeibegleitung. Empfangsbeamte begleiten die sowjetische Delegation mit Außenminister Wjatscheslaw Molotow in das Foyer. Anschließend werden die ankommenden Delegationen im Marmorsaal von der österreichischen Abordnung begrüßt.

11:07: Die englische Delegation trifft ein. Außenminister Harold Macmillan steigt an der Rampe aus einem Rolls Royce.

11:14: Die US-amerikanische Delegation trifft ebenfalls in Polizeibegleitung ein. Die britischen Autos sind kaum weggefahren, schon steigt US-Außenminister John Foster Dulles mit seinem Botschafter aus einem Chrysler.

11:21: Die französische Delegation mit Außenminister Antoine Pinay und seinem Stab trifft ein.
Vor dem Schloss hat sich nun das Spalier aufgelöst und die Menschen strömen langsam stadteinwärts.

00:04:14
10:50 Uhr
00:20:43
11:04 Uhr
00:06:14
11:25 Uhr

Nach der Begrüßung der französischen Delegation im Marmorsaal werden kurz vor

11:30 die vier Außenminister und ihre Botschafter zu den Tischen gebeten.

Auf diesen vier Barocktischen mit rotem Filztuch befinden sich vier Leuchter mit je sieben gelben Kerzen und Blumen in Vasen. Neun rote Ledermappen dienen als Unterlage (nach anderen Angaben waren diese Mappen grau), als Sitzgelegenheiten dienen neun elfenbein-goldfarbene Barocksessel mit kardinalroter Polsterung.

Der Staatsvertrag, mit seinen viersprachigen Übersetzungen zu etwa je siebzig Seiten, ist wie ein dickes Buch in grünes Leder gebunden.

Die neun Staatsmänner nehmen am Tisch Platz. Ganz links sitzt US-Botschafter Lewellyn Thompson mit US-Außenminister Dulles, anschließend Botschafter Leonid Iljitschow mit dem sowjetischen Außenminister Molotow. In der Mitte sitzt Außenminister Figl. Daneben sind der britische Außenminister Macmillan mit seinem Botschafter Sir Geoffrey Wallinger platziert und ganz rechts der französische Außenminister Pinay mit seinem Botschafter Roger Lalouette.

Zwei Beamte reichen einem Diplomaten nach dem anderen den Staatsvertrag zur Unterzeichnung. Zuerst unterzeichnet der sowjetische Außenminister, danach der sowjetische Botschafter. Als nächste signieren der britische Außenminister und sein Botschafter. Nach ihnen unterschreiben der Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika und der US-Botschafter.

Daraufhin unterzeichnen der französische Außenminister und sein Botschafter, bevor Außenminister Figl mit grüner Tinte den Abschluss macht. Dann wird das Dokument gesiegelt: Neben jede Unterschrift wird ein großes rotes Siegel gesetzt.

Es folgen die unterschiedlich langen Reden der Außenminister, die sie stehend halten und die über Lautsprecher auch für die Leute im Belvederepark zu hören sind. Den Anfang macht wiederum Außenminister Molotow, danach spricht sein Dolmetscher (insgesamt 24 Minuten).

Der britische Außenminister Macmillan, spricht nur kurz, mit der darauffolgenden Übersetzung nur vier Minuten.

Außenminister Dulles hält sich ebenso kurz: mit seinem Dolmetscher spricht er nicht ganz fünf Minuten.

12:00: Die Glocken beginnen noch während der Ansprache des US-Außenministers zu läuten. Auch die Pummerin, die neben dem Stephansdom aufgestellt ist, erklingt zur Feier des heutigen Tages.

00:23:43
11:31 Uhr
00:04:03
11:54 Uhr
00:04:41
11:58 Uhr

Außenminister Pinay und danach sein Dolmetscher sprechen insgesamt siebeneinhalb Minuten.

Als letzter spricht Außenminister Figl, der seine kurze Rede (nicht ganz vier Minuten) mit den Worten "... Österreich ist frei!" beendet und sich danach wieder setzt.

12:15: Die Türen zum Balkon werden geöffnet. Die Menge jubelt.

Alle Außenminister treten auf den Balkon. Die Sekretäre des Bundeskanzlers, Franz Karasek und Ludwig Steiner, reichen Außenminister Figl den Staatsvertrag, der ihn der jubelnden und winkenden Menge präsentiert.

Auch österreichische Regierungsmitglieder wie Bundeskanzler Raab treten auf den Balkon, der eigentlich eine von Säulen getragene Terrasse ist.

00:07:26
12:03 Uhr
00:03:49
12:10 Uhr
00:02:16
12:14 Uhr
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12:17 Uhr

Nach einigen Minuten begeben sich die Delegationen durch den Makartsaal zu einem kleinen Imbiss, bei dem  ein Glas Wein und Brötchen gereicht werden.

12:20: Während draußen der Jubel nicht enden will, wird im Marmorsaal der Staatsvertrag abgefilmt und fotografiert.
Die Außenminister begeben sich, angeregt durch den Jubel, nochmals auf den Balkon, diesmal allerdings auf den kleineren Seitenbalkon bei der Prinz-Eugen-Straße, reichen sich die Hände und winken der Menge nochmals zu.

Danach folgt noch eine zwanglose Unterhaltung im Ecksalon des Schlosses.
 
12:30: Der Live-Teil der Radioreportage von der Staatsvertragsunterzeichnung aus dem Schloss Belvedere endet mit der österreichischen Bundeshymne.
 
Kurz vor 13 Uhr: Abfahrt der Delegationen im Schritttempo durch die jubelnde Menge die bis hinunter zum Schwarzenbergplatz steht.

In der Reihenfolge (nun nach österreichischem Protokoll): Dulles, Molotow, Macmillan, Pinay und die österreichische Bundesregierung fahren in 67 Wagen über den Schwarzenbergplatz und den Ring zum Burgtheater und durch die Löwelstraße zum Ballhausplatz.
 
13:30: Bundespräsident Theodor Körner empfängt in der Hofburg zum kleinen Frühstück. Geladen sind die Außenminister der vier Großmächte, Mitglieder der Bundesregierung, der Präsident des Nationalrates Felix Hurdes, der Vorsitzende des Bundesrates Hans Riemer, die Obmänner der vier Nationalratsklubs und zahlreiche ausländische Diplomaten.

Körner begrüßt die Gäste im Pietra-Dura-Zimmer und geleitet  sie dann in den Spiegelsaal, wo eine hufeisenförmige Tafel für dreiundsechzig Personen aufgebaut ist. Im Verlauf des Essens werden Toasts ausgesprochen.

14:45: Die (aufgezeichnete) Rede des Bundespräsidenten wird über alle österreichischen Sender ausgestrahlt.

Nach 15 Uhr wird die Tafel aufgehoben und im Pietra-Dura-Zimmer schwarzer Kaffee gereicht.

Inzwischen hat es in Wien zu regnen begonnen.
 
15:45: Die österreichische katholische Jugend marschiert vom Albertinaplatz zum Stephansplatz, wo um 16 Uhr ein Dankgottesdienst im Stephansdom von Kardinal Theodor Innitzer gefeiert wird.
 
16:45: Die Pummerin läutet das Te Deum ein, das um 17 Uhr, anschließend an den Gottesdienst, zelebriert wird. Kardinal Innitzer spricht das Dankgebet.
 
17:45: Nach der Feierstunde, bei der auch die Außenminister Macmillan und Pinay anwesend waren, spricht Bundeskanzler Raab am Stephansplatz zur Jugend. Teile dieser als "Freiheitskundgebung der Jugend" bezeichneten Veranstaltung werden im Radio übertragen. Zu dieser Kundgebung hatte eine Reihe von Organisationen der österreichischen Jugend aufgerufen.

Trotz Regens haben sich über 60 000 Jugendliche eingefunden. Während die österreichische Bundeshymne gesungen wird, entrollt sich eine rot-weiß-rote Fahne von der Spitze des Stephansturmes.

Außenminister Figl ergreift spontan auch das Wort und danach erklingt zum zweiten Mal am Stephansplatz die österreichische Bundeshymne, noch immer bei starkem Regen.

Offizielles Ende der Feierlichkeiten am Heldenplatz mit einer Kranzniederlegung zum Gedenken an die gefallenen Österreicher. Die Deutschmeisterkapelle spielt österreichische Märsche, die Menge strömt zurück zum Stephansplatz, wo von der Deutschmeisterkapelle immer wieder "O du mein Österreich" verlangt wird.
 
19 Uhr: Die österreichische Bundesregierung veranstaltet ein Festbankett im Zeremoniensaal von Schloss Schönbrunn. Viele Schaulustige umlagern trotz Regens das Schloss, um einen Blick auf die geladenen Gäste zu werfen.

Geladen sind die vier Außenminister der ehemaligen Besatzungsmächte, ihre in Wien akkreditierten Vertreter, Nationalratspräsident Hurdes, der Vorsitzende des Bundesrates Riemer, die Obmänner der vier Nationalratsklubs, die Botschafter Österreichs in Washington, Moskau, London und Paris, und viele mehr.

Die Gäste des Banketts tragen sich im Laternensaal in ein Gästebuch aus rotem Leder ein. Eine E-förmige Tafel mit schwerem Silberbesteck für die 85 Gäste ist vorbereitet.

Menü: Brandteigkrapferln mit Gansleber, Kraftsuppe mit Markscheiben, Seezungenfilet in Weißweinsauce und Spargel, Filet mit Champignons und Paradeiser, Erdäpfel, gefülltes Huhn, grüner Salat mit harten Eiern, Eiscreme und Mokka; als Weinbegleitung Dürnsteiner Katzensprung, Retzer Rotwein und Hochriegel brut. Im Verlauf des Essens werden Toasts ausgesprochen.

Es spielt ein Quartett der Wiener Philharmoniker – Molotow bittet den Primgeiger Faltl um den Walzer "Wiener Blut"
 
20:00: In der Stadt werden die bedeutenden Bauwerke der Stadt beleuchtet.

Platzkonzerte finden am Schottentor, vor dem Rathaus, vor dem Parlament, vor dem Burgtor, auf dem Schwarzenbergplatz und auf dem Dr. Karl-Lueger-Platz statt, zu denen die Leute trotz Regens auch aus den äußeren Bezirken herbeiströmen. Die Musikkapelle der Wiener Feuerwehr, die beim Parlament spielt, zieht sich unter die trockenen Arkaden zurück. Die anderen Kapellen spielen meist, bis die Noten durchweicht sind. Die Bevölkerung tanzt trotz strömenden Regens zu den Klängen der Kapellen.
 
21:00: Galaempfang in allen Festräumen von Schloss Schönbrunn (u. a. im Maria-Theresien-Saal und in der Spiegelgalerie des Schlosses).

An diesem Buffett-Empfang nehmen alle Gäste der österreichischen Bundesregierung teil, zu denen neben Bundespräsident Körner etwa 1200 Gäste aus Politik, Wirtschaft sowie Vertreter der In- und Auslandspresse gehören.

Die Philharmoniker spielen unter anderem "O, du mein Österreich". Die Gloriette, der Neptunbrunnen, Bäume und Blumenbeete des Schlossparks sind beleuchtet.

Die geplanten Darbietungen des Staatsopernballetts im Schlosspark müssen wegen des schlechten Wetters unterbleiben.
 
Kurz vor 22 Uhr verabschiedet sich US-Außenminister Dulles, der eine Stunde später vom amerikanischen Flugplatz in Tulln die Heimreise antritt, während der französische Außenminister Pinay um 6 Uhr früh und Macmillan erst um 9:30 des kommenden Tages von Schwechat die Heimreise antreten werden. Molotow hält sich noch einige Tage in Wien auf.

Bald darauf verlassen auch die Außenminister Molotow, Pinay und Macmillan mit ihrer Begleitung den Empfang.
 
22:00: Mit der österreichischen Bundeshymne enden die Platzkonzerte in der Innenstadt und somit der offizielle Teil der Feierlichkeiten auf der Straße.
 
22:30: Im Schloss Schönbrunn werden Notenpulte und Stühle auf die Galerie gebracht. Die Wiener Philharmoniker spielen "Die kleine Nachtmusik", Tschaikowskys Ballettmusik, "An der Schönen Blauen Donau" und zuletzt den Radetzkymarsch.

00:04:55
Der Bundespräsident

Theodor Körner spricht zum Tag

00:03:07
Vom Stephansplatz

Außenminister Leopold Figl

00:13:30
Auslandsberichte

Berichte über Reaktionen...

00:09:16
19:45 Uhr - Der Bundeskanzler

Julius Raab aus dem Studio

00:01:58
Das Festbankett

Aus dem Schloß Schönbrunn

00:05:23
Kabarett

22:30 Uhr - humoristischer Ausklang