DAT-Kassette 15 - Aus dem Radio

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Beiträge dieses Mediums

Politische Programmrede
zur Bundespräsidentenwahl am 9. Oktober 1931
Mitwirkende: Renner, Karl
Datum: 1931
Typ: audio
Wirtschaftliche und kulturelle Programmrede
zur Bundespräsidentenwahl am 9. Oktober 1931
Mitwirkende: Renner, Karl
Datum: 1931
Typ: audio
Wahlrede zur Nationalratswahl am 9. November 1930
Mitwirkende: Renner, Karl [Redner/in]
Datum: 1930.11.09 [Bezugsdatum]
Typ: audio
Wirtschaftspolitische Rede 1932
Mitwirkende: Renner, Karl
Datum: 1932
Typ: audio
Festrede
100 Jahre Akademie der Wissenschaften 1947
Mitwirkende: Renner, Karl
Datum: 1947
Typ: audio
Von der 1. zur 2. Republik Österreich
Mitwirkende: Renner, Karl
Datum:
Typ: audio

Katalogzettel

Titel DAT-Kassette 15 - Aus dem Radio
Titelzusatz Reden von Karl Renner
Spieldauer
Urheber/innen und Mitwirkende Renner, Karl [GND]
Typ audio
Format DFMP3 [Dateiformat: MP3]
DFWAV [Dateiformat: Broadcast WAV]
DAT [DAT-Kassette]
Signatur 11-01532_k01, 11-01532
Medienart Mediendatei

Information

Inhalt

ad [01] und [02]: Nach einer Gesetzesnovelle 1929 sollte die nächste Wahl des Bundespräsidenten nicht vom „Parlament“ sondern vom Volk gewählt werden. Geplant war sie für den 18. Oktober 1931. Die Sozialdemokraten schlugen aber vor, auf Grund der angeheizten politischen Lage, von der Volkswahl abzusehen. Der Vorschlag wurde anfangs nicht aufgegriffen. Am 25. September wurde Karl Renner von den Sozialdemokraten als Kandidat nominiert. Am 7. Oktober entschloss man sich doch keine Volkswahl durchzuführen. Am 9. Oktober 1931 wurde Renners Gegenkandidat und amtierender Bundespräsident, Wilhelm Miklas, von der Bundesversammlung wiedergewählt.
Bei den beiden Aufnahmen „Politische Programmrede“ und „Wirtschaftliche und kulturelle Programmrede“ dürfte es sich um die zwei Seiten einer Plattenaufnahme für die Wahlwerbung 1931 handeln. Ein Indiz ist, neben dem inhaltlichen, die Länge der beiden Ansprachen. Wie und ob die Platte eingesetzt wurde, ob sie für Wahlkundgebungen vervielfältigt wurde oder sogar im Handel erwerbbar war, wissen wir noch nicht.
Eine Datierung in den Herbst 1931 kann aus mehreren Gründen vorgenommen werden: Am Beginn der politischen Programmrede wird angesprochen, dass der Bundespräsident erstmals vom Bundesvolk gewählt wird, was auf die Zeit nach der Gesetzesnovelle 1929 und daher auf die Wahl von 1931 hindeutet, und nicht auf die, die im Jahre 1928 stattfand, bei der Karl Renner auch kandidierte.
Ein weiteres Argument ist die Erwähnung, in der Rede Renners: „hat der Nationalrat mich jüngst zu seinem Präsidenten bestellt“, was am 29. April 1931 der Fall war.
GESAMTTEXT DER REDE [01] :
Ansage: Dr. Karl Renners politische Programmrede
Mitbürger! Zum ersten Male wählt das gesamte Bundesvolk von Österreich, alle erwachsenen Männer und Frauen direkt den Bundespräsidenten. In dem es die Person seiner Wahl zum obersten Hüter des Landes bestellt, wird es auch die Ziele bestimmen, denen es das Gemeinwesen entgegengeführt wissen will. Das Volk wird dabei nicht leeren Worten trauen, sondern auf das ganze bisherige Lebenswerk des Bewerbers achten. Seine Leistungen müssen ihr entsprechen. Sie sind der beste Bürge für dessen Absichten, Charakter und Fähigkeiten, sie verbürgen auch den Weg den er künftig zu gehen entschlossen ist. Die Partei die mich vorschlägt, hat dem Volke keinen Unbekannten, keinen Neuling empfohlen, nahezu 40 Jahre lang arbeite ich in Wort und Schrift, in Gesetzgebung und Verwaltung, im Dienste unseres Landes.
Vor dem Kriege habe ich zunächst als wissenschaftlicher Schriftsteller für die nationale Autonomie, und die Neugestaltung Österreichs, zum demokratischen Nationalitäten-Bundesstaat gekämpft, zu dessen Aufrichtung das alte Reich vor dem Zusammenbruch behütet werden konnte. Seit 1907 vom Bezirke Neunkirchen in das alte Abgeordnetenhaus entsendet, habe ich dort für das gleiche Ziel, aber auch für die wirtschaftlichen und sozialen Interessen des gesamten arbeitenden Volkes in Stadt und Land gekämpft.
Als sich nach dem Zusammenbruch sämtliche deutschen Abgeordneten des alten Österreich zur konstituierenden Nationalversammlung zusammenschlossen, bestellte mich diese zum ersten Staatskanzler. In Mitten der revolutionären Stürme des Zusammenbruches fiel mir die Aufgabe zu, eine neue Staatsordnung auf den Trümmern der alten aufzurichten. Dies unter Vermeidung aller Zerstörung, aller Blutopfer, in tunlichster Eintracht aller Staatsbürger zu vollbringen, war mein Bestreben. Darum vereinigte ich Bürger, Bauern und Arbeiter zu einer Koalitionsregierung, um die von Ungarn und Bayern zugleich drohende bolschewikische Gefahr zu bannen und dem Lande möglichst rasch den inneren Frieden zu geben. Der provisorischen Nationalversammlung habe ich die ersten Verfassungsgesetze vorgelegt, welche Österreich zur demokratischen Republik erklärten und den Anschluss Deutsch-Österreichs an das Deutsche Reich verkündeten. In drei monatiger Arbeit war die neue Staatsordnung eingerichtet und durch die Volkswahlen vom Februar ´19 vorbehaltlos bestätigt. Nunmehr galt es das Land auch von der militärischen Besetzung zu befreien und den Frieden nach außen abzuschließen. Die Nationalversammlung hat mich durch freie Wahl als Präsidenten der Friedensdelegation nach St. Germain entsendet. Dort gelang es das harte Friedensdiktat der Siegermächte zu mildern, das deutsche Burgenland für Österreich, und damit für die deutsche Sache zu erwerben und Kärnten im Wege der Volksabstimmung zu retten.
Meine Partei war bei den Wahlen im Oktober ´20 in der Minderheit geblieben, und so widmete ich mich durch Jahre fast ausschließlich den wirtschaftlichen Aufgaben und Einrichtungen der Arbeiterschaft. Erst 1927 als das Land dem Bürgerkrieg anheimzufallen drohte, trat ich politisch wieder hervor, im Dienste der Versöhnung und Verständigung der Klassen, im Dienste der inneren Abrüstung und Befriedung des Landes. Seither habe ich mich ohne Unterlass bemüht die Republik vor der Gefahr eines gewaltsames Umsturzes, ob er nun von rechts oder links drohe zu bewahren, den politischen Kampf auf die gesetzlichen und rechtlichen Mittel einzuschränken und dahin zu wirken, dass an Stelle der Gewalt und Willkür, Recht und Gesetz treten, als die sicherste Bürgschaft der Wohlfahrt aller.
Wohl in Anerkennung dieses meines Sterbens hat der Nationalrat mich jüngst zu seinem Präsidenten bestellt. Jeder aufrichtige Republikaner der den Gewalt- und Obrigkeitsstaat verabscheut und die Selbstregierung des Volkes liebt, jeder Demokrat der die in hundertjährigen Kämpfen errungene Volksfreiheit bewahren und weder der Diktatur von links noch von rechts preisgeben will, jeder Freund des Rechtsstaates, der den inneren Frieden und die Beendigung der ewigen Aufmärsche und Bürgerkriegsdrohungen will, möge die Summe meines Lebenswerkes ziehen, und er wird selbst urteilen, ob ich zu dem hohen Amte, dessen Träger seine Stimme mit zu bestellen berufen ist, würdig und fähig bin.
GESAMTTEXT DER REDE [02] :
Ansage: Dr. Karl Renners wirtschaftliche und kulturelle Programmrede
Mitbürger! Die politische Freiheit ist nach einem Worte Viktor Adlers, wie die Luft, man kann nicht von ihr leben aber man kann noch weniger ohne sie leben. Ein Volk ohne diese Freiheit wird von kontrolllosen Obrigkeiten in ihren Machtinteressen beherrscht. Einem freien Volke dienen die Freiheitsrechte nicht zum Selbstzweck, sondern als Mittel seine wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Interessen selber zu pflegen.
Alle Zeit war es meine Auffassung das die politischen Rechte nicht aus Machtinteresse missbraucht, sondern in den Dienst der Hebung des Volkswohlstandes des Schutzes der Arbeit, der Förderung der geistigen Ausbildung des Volkes gestellt werden sollen. Darum hat die Regierung Renner der ich in den Jahren ´18-´20 vorstand sich keineswegs auf politische Aufgaben beschränkt, sondern weitgehende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Reformen durchgeführt. Nur die wichtigsten seien erwähnt: Diese Regierung hat die im Kriege erschöpfte Volkswirtschaft wieder in Gang gesetzt, so hat die völlig herabgewirtschafteten Bundesbahnen wieder in Ordnung gebracht, sie hat sofort – noch in den Tagen des Staatsrats – den Ausbau unserer Wasserkräfte und die Elektrifizierung der Bundesbahnen in Angriff genommen, ein Werk, das leider später verzögert und verzettelt worden ist.
Sie war die erste welche der Bauernschaft freie, selbständige Wirtschaftsvertretung in den Bauernkammern gegeben, sie hat es unternommen alles vormalige Bauernland das vom Grund- und Geldherren zu Jagdzwecken aufgekauft war, im Wege des Wiederbesiedelungsgesetzes dem Bauernstand zurückzuführen. Sie hat durch das demokratische Wahlrecht zu den Landtagen die Bauernschaft von der Vormundschaft des Großgrundbesitzes und der Handelskammern befreit, sie hat diesen Landtagen die Gesetzgebung wie die Verwaltung der Landeskultur beinahe vorbehaltlos übertragen. Weitergehende Pläne, insbesondere die Aufhebung der Fidei Komisse scheiterten an dem Einspruch der bürgerlichen Koalitionsteilnehmer. Immerhin konnte ein hervorragender Sachwalter agrarischer Interessen aus Anlass der 10-Jahres-Feier der Republik mit Recht erklären, dass die im Jahre 1848 begonnene Bauernbefreiung erst durch das Jahr 1918 zu Ende geführt worden sei.
Die Regierung Renner hat der Arbeiterschaft jene soziale Gesetzgebung gebracht, die seither vielen Ländern zum Vorbild geworden ist. Sie schuf den gesetzlichen 8-Stunden-Tag, den gesetzlichen Urlaubsanspruch der Arbeiter und Angestellten, sie brachte das Gesetz über Kollektivvertrag und Einigungsämter, sie gab den Arbeitern und Angestellten das Recht auf Vertretung in Betriebe und schuf für sie die Kammern für Arbeiter und Angestellte neben den Handels- und Bauernkammern.
Sie brachte des ersten Alters- und Invaliditätsversicherungsentwurf in die Nationalversammlung dessen Gesetzwerdung leider durch ihren Sturz verhindert wurde. Sie sorgte früher und besser als irgendein kriegsführender Staat für die Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen. Die Regierung Renner stellte das gesamte Volkschulwesen und die Schulreform auf neue Grundlagen. Sie befreite Wissenschaft und Forschung von aller Bevormundung und die Presse von unwürdigen Schranken.
Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man zusammenfasst: Das gesamte wirtschaftliche, soziale und geistige Leben unseres Volkes wart in der kurzen Zeit zweier Jahre erneuert. Diese mitten ständiger innerer Unruhen und auswärtiger Bedrohung trotz der ungeheuren Erschwerung durch die materiellen und geistigen Nachwirkungen des Weltkrieges.
Was hat diese gewaltigen Leistungen möglich gemacht? Die Parteien waren zusammengeführt zu einer Regierung, welche dem Dienst der Volksfreiheit und Zusammenarbeit getragen war. Solchen Geist brauchen wir wieder an den führenden Stellen des Staates, solch Geistes muss vor allem der Bundespräsident sein, wenn die traurige Zerrissenheit unseres Volkes, die überwuchernde Macht- und Gewaltpolitik das unfruchtbare und gefährliche Spiel mit dem Bürgerkrieg überwunden, und das Gemeinwesen zurückgeleitet werden soll zu aufbauender wirtschaftlicher und kultureller Arbeit.
Unser ganzes Volk wartet auf eine völlige Wende. Es will das es anders werde als es in den letzten Jahren war. Es erhofft sich – wenn diese Wahl nicht wieder vergebens sein soll – eine wahre volle Erneuerung. Sie kann nur zur Tat werden durch die Rückkehr zum Geiste von 1918. In diesem Geiste wieder unserem Volke zu dienen, das ist der Sinn und die Arbeit meiner Bewerbung um die Bundespräsidentschaft.
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