2. Kasseler Treffen

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    Rechtliches

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    KI-generiertes Transkript

    Über Kassel liegt heute früh Hochspannung.
    Eine Stunde vor der Ankunft des Sonderzuges aus der DDR auf dem Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe sind die Straßen vom Bahnhof zum Schloss bereits gesperrt.
    Hinter den stehlenden Gittern, die entlang der drei Kilometer langen Straße aufgestellt wurden, stehen hunderte Demonstranten.
    Die Sicherheitsvorkehrungen übertreffen selbst alles bei Staatsbesuchen übliche.
    Obwohl ein dichter Polizeikordon die Wilhelmshöhe hermetisch abschirmt, sind im Park hunderte Polizisten postiert.
    Scharfschützen, die jedem nur mit der Hand an der Pistole entgegentreten und zur wiederholten Ausweisleistung auffordern.
    In drei Spitälern der Stadt stehen für alle Fälle Operationsteams bereit.
    Ein Hubschrauber mit einem Notarzt und Blutplasma an Bord kreist über dem Sonderzug und wird den Autokonvoi bis auf die Wilhelmshöhe begleiten.
    Eine Hubschrauberstaffel des Grenzschutzes sichert die Bahnstrecke von Weberer bis Kassel.
    Der Luftraum über Kassel wurde zum Sperrgebiet erklärt.
    Nur Militär- und Polizeiflugzeuge dürfen die Stadt überfliegen.
    Die Vorausraschine ist eingetroffen, der Minenräumer, wie er hier genannt wird.
    Staatssekretär Ahlers, der Sprecher der Bundesregierung, hat den ostdeutschen Ministerpräsidenten an der Grenze in Bebra begrüßt.
    Und Willi Stow, der Vorsitzende des Ministerrates der DDR, hielt seine erste Rede.
    Eine Rede, die gleich bei der Einreise in die Bundesrepublik die harte Gangart der Verhandlungen andeutet.
    Stow forderte völkerrechtliche Anerkennung der DDR, stellte ein Verlangen, das ihm nicht erfüllt werden wird.
    Und dann sprach Stow in einem Ton, den man bisher bei internationalen Gesprächen kaum vernommen hat.
    Er beschuldigte die Bundesrepublik des Revanchismus und der faschistischen Umtriebe.
    Die Rede wurde schon heute früh hektografiert, verteilt und wird, darüber sind sich alle Beobachter hier einig, ihre Auswirkungen auf die Verhandlungen haben.
    Während die Gespräche zwischen Brand und Stoff anliefen, künden Straßen von Kassel zu verschiedenen Demonstrationen.
    Klaus Emmerich berichtet.
    Wir fordern hier von Kanzler Brandt, DDR wird anerkannt.
    Wenn eines gemeinsam ist, hier in Kassel heute an diesem Tag und mit Erfurt, was damals Willy Brandt ans Fenster hieß, dann ist es dieser Slogan der DDR-Propaganda.
    Es ist ganz deutlich, die Demonstranten haben sich heute und hier ein eigenartiges, ein unverwechselbares Stelldicht eingegeben.
    Es sind hauptsächlich jugendliche Sprecher der Deutschen Kommunistischen Partei.
    und andererseits der rechtsradikalen NPD.
    Was die Slogans sagen, spricht für sich hoch.
    Hoch Willi Stoff heißt es zum Beispiel.
    Schon als die beiden Regierungschefs die Kamerabalustrade überschritten haben, wurde das erste Mal Stoff akklamiert.
    Die Kommunisten wollten wohl in keinem Fall zu spät kommen.
    Umgekehrt haben die NPD-Sprechchörer immer wieder unterstützt durch schwarze Fahnen, damit das auch im Fernsehen gut ankommt, klargemacht,
    dass sie die Rechtspositionen nicht aufgeben wollen, dass sie immer wieder behaupten, dass das, was heute hier in Kassel geschieht, ein nationaler Verrat sei.
    Das freie Berlin ist eine Realität, steht zum Beispiel zu lesen.
    Oder weg mit der Mauer.
    Wobei nicht ganz klar zu unterscheiden war und ist, ob es sich hier um Demonstrationen der rechten NPD handelt,
    oder auch der Jungen Union, der Jugendorganisation, der CDU.
    Die Demonstration ist im Ganzen friedlich verlaufen.
    Es hat einen kleinen Zwischenfall gegeben.
    Einige Demonstranten haben gleich hinter dem Bahnhof versucht, sich vor den Wagen der beiden Regierungschefs nicht zu werfen, sondern so zu begeben, dass sie nicht dort weiterfahren können.
    Im Großen und Ganzen hat die Kasseler Polizei, die im Übrigen zu den Journalisten nicht besonders freundlich ist, sich in dieser Sache diszipliniert ruhig verhalten.
    Die Demonstration hat es im eigentlichen Sinn nicht gegeben.
    Inzwischen ist auf Schloss Wilhelmshöhe das Publizitätshandwerk in große Fahrt gekommen.
    Die Delegationen der DDR und der Bundesrepublik verstehen das Handwerk.
    Pressekonferenzen, hier in Konferenzdeutsch Briefings genannt, jagen einander.
    Den Anfang macht der Sprecher des DDR-Außenministeriums Peter Lorf mit dem, was man schon eine kleine diplomatische Bombe nennen kann.
    Ich möchte Sie jetzt davon in Kenntnis setzen,
    dass der Vorsitzende des Ministerrats der DDR, Herr Willi Stow, es für erforderlich gehalten hat, den Herrn Bundeskanzler der BRD, Herrn Willy Brandt, bereits zu Beginn des offiziellen Gesprächs mit ihm, darauf hinzuweisen, dass nach wie vor in der BRD ein ganzes System von Gesetzen, Urteilen und sonstigen staatlichen Handlungen besteht, mit denen sich Regierungsorgane und Gerichte der BRD
    völkerrechtswidrig über die Staatsgrenzen der Bundesrepublik hinaus, Rechte und Zuständigkeiten gegenüber DDR und ihren Bürgern anmaßen.
    Der Vorsitzende des Ministerrats der DDR schloss eine Erklärung zu Beginn des offiziellen Gesprächs mit den folgenden Worten.
    Nach dem Grundgesetz der BRD bestimmen Sie, Herr Bundeskanzler, die Richtlinien der Politik der Bundesrepublik Deutschland.
    Im Auftrag der Volkskammer und im Namen des Ministerrats der DDR fordere ich Sie auf, entsprechend Ihren Zusicherungen in Erfurt verbindlich zu erklären,
    dass die Regierung der DDR ebenfalls, der BRD, Entschuldigung, ebenfalls der Tatsache zustimmt, dass Gesetze und andere Normativakte, Urteile, Entscheidungen oder Handlungen von Staatsorganen der BRD nur für die Bundesrepublik Deutschland in ihren bestehenden Grenzen und für ihre Bürgergültigkeit haben können und die Ausdehnung auf die Deutsche Demokratische Republik und ihre Bürger null und nichtig ist.
    Diese Klarstellung, so Schlosser Stow, ist für unser Gespräch von außerordentlicher Bedeutung.
    Nun muss man also klar festhalten, neben dem Begehren nach voller, sofortiger völkerrechtlicher Anerkennung steht ein zweites Begehren, der DDR, nämlich Gesetze in der Bundesrepublik zu ändern und Gerichtsurteile null und nichtig zu erklären.
    Es gehört nicht viel juristischer Sachverstand dazu und gar keine Ausbildung in Spezialvölkerrecht, um zu sagen, dass ein deutscher Regierungschef so weit nicht gehen kann.
    Die deutsche Verfassung verbietet ihm das ebenso wie das Recht vor der Souveränität des Parlaments.
    Ein schlechtes Omen.
    Und hier in Kassel stehen die Journalisten, wetten momentan 5 zu 4, dass es heute noch zu einem Bruch kommen könnte.

    Katalogzettel

    Titel 2. Kasseler Treffen
    Titelzusatz Einblendung: Sprecher des DDR-Außenministeriums Lorch
    Spieldauer 00:06:25
    Mitwirkende Emmerich, Klaus [Gestaltung] [GND]
    Eibegger, Gundomar [Gestaltung] [GND]
    Lorch, ... [Interviewte/r]
    Datum 1970.05.21 [Sendedatum]
    Ort Kassel [Veranstaltungsort]
    Schlagworte Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 70er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-700521_a_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal 1970.05.21

    Information

    Inhalt

    Zwischenmoderation (Roka)
    Völkerrechtliche Anerkennung
    Nachrichten

    Verortung in der digitalen Sammlung

    Schlagworte

    Gesellschaft , Politik , Radiosendung-Mitschnitt
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