Terror bei den Olympischen Sommerspielen 1972: Reaktionen in Österreich, Telegramm von Bundespräsident Jonas an die israelische Regierung

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    Rechtliches

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    Tiefe Bestürzung über die Gewalttaten der palästinensischen Terroristen in München und über die tragische Entwicklung in der vergangenen Nacht kennzeichnet heute nicht nur die Stimmung in der österreichischen Öffentlichkeit, sondern auch in allen politischen Lagern.
    Schon gestern, nach dem Bekanntwerden der zwei Morde im Olympischen Dorf, hatte Außenminister Dr. Kirchschläger erklärt, die Bundesregierung verurteile den terroristischen Gewaltakt bei den Olympischen Spielen mit aller Entschiedenheit.
    Die Bundesregierung sei immer für eine friedliche Beilegung des Nahostkonfliktes eingetreten.
    Sie sei der Überzeugung, dass derartige Gewaltakte zu keiner gerechten Lösung des Problems führen.
    Für Morde und Geiselnahme gebe es keine Rechtfertigung, stellte der Außenminister fest.
    Bundespräsident Franz Jonas richtete nun ein Telegramm an den israelischen Staatspräsidenten Shazar, in dem es wörtlich heißt.
    Tief erschüttert von dem verbrecherischen Mordanschlag in München, dem so viele hoffnungsvolle junge Menschen ihres Landes zum Opfer gefallen sind, spreche ich Ihnen und dem israelischen Volk sowie insbesondere den Angehörigen der unschuldigen Mordopfer meine und des österreichischen Volkes aufrichtige Anteilnahme aus.
    Soweit das Telegramm des Bundespräsidenten.
    Bundeskanzler Dr. Kreisky konfrontierten wir mit dem Hinweis, dass sich seinerzeit auch Wien um die Austragung der diesjährigen Sommerspiele beworben habe.
    Hätte diese Bewerbung Erfolg gehabt, gäbe es möglicherweise auch in Österreich Gewaltakte.
    Müsste die internationale Staatengemeinschaft nicht Maßnahmen gegen jene arabischen Länder ergreifen, auf deren Territorium Guerillas zu Mördern ausgebildet werden, fragten wir Dr. Kreisky.
    Wie etwas gewesen wäre, wenn, lässt sich nie beantworten,
    weil im Leben sich die Dinge durch eine ganz kleine Veränderung auch wieder anders gestalten.
    Im Leben richtet sich alles nach dem Gesetz des Minimums.
    Was die Staaten tun sollen gegen Terroristen, dem will ich nicht vorgreifen.
    Sicherlich laden die eine große Schuld auf sich.
    die in ihren Grenzen terroristische Aktivität wissentlich zulassen.
    Wenn sich das der Kontrolle entzieht, ist das natürlich sehr viel schwieriger.
    Wer es aber wissentlich toleriert, macht sich sicherlich im höchsten Maße mitschuldig und hier wird man sich die Dinge überlegen müssen.
    Andererseits hat es zu allen Zeiten eine terroristische Aktivität gegeben und es war immer schwer, sie zu bekämpfen.
    Wir erleben ja jetzt dasselbe in Irland und wir haben das vor einigen Jahren in anderen Teilen der Welt erlebt.
    Ist Österreich angesichts der jüngsten Vorfälle in München bereit,
    auf internationaler Ebene etwa in den Vereinten Nationen einer Verurteilung der palästinensischen Terroristen zuzustimmen.
    Diese Terroristen haben ja schon in der Vergangenheit durch andere Gewalttaten wie etwa Flugzeugentführungen von sich reden gemacht.
    Wir werden uns sicher von keiner Aktion ausschließen, die in eindrucksvoller Weise dem Gewissen der Welt Rechnung trägt.
    Und das Gewissen der Welt hat in diesen letzten Stunden mit einer Einhelligkeit reagiert, wie selten zuvor.
    Sollten die Olympischen Spiele Ihrer Ansicht nach abgebrochen oder fortgesetzt werden?
    Das ist eine schwierige Frage, aber ich will mich um Ihre Antwort nicht drücken.
    Sollte es wirklich einer Handvoll Terroristen möglich sein, solche Spiele zu beenden, dann haben sie in jeder Weise Erfolg gehabt, nicht nur den blutigen
    den Sie herbeiführen wollten, sondern auch dennoch, dass die ganze Welt sich dieser Aktivität beugt.
    Ich bin daher der Meinung, Sie sollen weitergehen, aber Sie sollen überschattet sein vom Ernst der Ereignisse.
    Ich selber habe ja den Tag vorher in München erlebt.
    Ich war spätabends, ja am Beginn der Nacht,
    im Olympischen Dorf.
    Ich habe erlebt, wie dort die jungen Menschen aus allen Völkern, auch Araber und Israeli, friedlich nebeneinander lebten, friedlich miteinander verkehrt haben.
    Ich habe diesen herrlichen Tag im Olympiastadion erlebt und nach meiner Rückkehr nach Wien von den furchtbaren Ereignissen erfahren.
    Es zeigt so richtig,
    vielen jungen Menschen, wie es sein könnte auf der Welt, aber auch wie es ist.
    Wie friedlich es sein könnte auf der Welt, wenn die Menschen sich von guten Gedanken leiten ließen und wie grausam es ist, weil Hass und Zwietracht geschürt wird.
    Das muss uns eine Lehre sein, nicht zu erlahmen in unseren Bemühungen, eine friedliche Welt zu schaffen.
    Soweit also die Stellungnahme des Bundeskanzlers, der übrigens ebenso wie die ÖVP-Spitze ein Beileidstelegramm an den israelischen Ministerpräsidenten Frau Golda Meir richtete.
    In dem Telegramm von ÖVP-Bundesparteiobmann Dr. Schleinzer und Generalsekretär Dr. Kohlmeier wird ausgeführt.
    Mit tiefer Bestürzung haben wir vom gewaltsamen Tod der israelischen Sportler in München erfahren.
    Wir möchten Ihnen unsere aufrichtige Anteilnahme ausdrücken und gleichzeitig versichern, dass die gesamte österreichische Bevölkerung mit Abscheu jene verurteilt, die durch derartig unmenschliche Terrorakte den Hass und die Saat der Gewalt verbreiten.
    Die Olympische Idee und das völkerverbindende Element des Sports wurden in München von den Terroristen vorsitzlich geschändet, womit diese sich und ihre Anliegen gleichzeitig disqualifiziert haben.
    Wir trauern mit denen, die durch das Verbrechen von München schweres Leid erfuhren.
    Wir wollen aber auch mithelfen, dass der organisierte Wahnsinn nicht neues Leid hervorrufen kann."
    Das also war der Wortlaut des ÖVP-Telegrammes an Golda Meir.
    Auch der freiheitliche Bundesparteivorstand will eine Stellungnahme zu den Münchner Vorfällen abgeben.
    Was nun die Konsequenzen der Ereignisse in der bayerischen Landeshauptstadt für Österreich betrifft, so teilte uns Justizminister Dr. Broda mit, natürlich würden die Bestrebungen zu einer Reform und Modernisierung der Rechtsprechung und des Strafvollzuges weiterhin fortgesetzt.
    Herr Minister Rösch, durch die zunehmenden Terroranschläge in ganz Europa muss sich eigentlich jeder europäische Innenminister fragen, was würde ich in dieser Situation tun?
    Wären Sie nun an der Stelle von Innenminister Genscher gewesen, hätten Sie sich für den Schießbefehl der Polizei entschieden oder dagegen?
    Ich glaube, das kann man aus der Entfernung überhaupt nicht sagen.
    Ein Nein kann es nicht geben, genauso wie es kein Ja gibt, dass man es auf jeden Fall schießen wird, sondern es hängt eben von den Umständen ab und die können nur immer dann beurteilt werden, wenn man die Situation genau kennt.
    Herr Minister, es kann aber prinzipiell jedem von uns passieren, dass er auf den Schwächerter Flughafen geht oder irgendwo bei einem Gebäude vorbeigeht, auf das gerade ein Anschlag verübt wird.
    Das heißt, jeder von uns ist praktisch durch diese zunehmende Terrortätigkeit dauernd gefährdet.
    Kann die Polizei, sei es jetzt international oder national gesehen, diesen Terrorgruppen nicht ins Handwerk legen?
    Schauen Sie, es ist möglich, gewisse vorhersehbare Ereignisse durch Präventivmaßnahmen zu verhindern.
    Aktionen wie die in München durch Desparados dieser Art
    Da wird immer noch ein gewisses Risiko drinnen liegen, das man meiner Meinung nach mit keinerlei Präventivmaßnahmen wird verhindern können.
    Das beweist sich auf der ganzen Welt, auch in Staaten, gerade im Staat Israel selbst, wo also die Menschen seit Jahren
    eigentlich gewohnt sind, mit dieser Gefahr zu leben, und die, glaube ich, doch das perfekteste Sicherheitssystem in eigenem Land aufgebaut haben, dass man sich nur denken kann, und dennoch passieren auch dort solche Dinge.
    Müssen wir also durch diese zunehmenden Terroranschläge auch lernen, mit der Gefahr zu leben?
    Weil es ist ja nicht mehr auf Israel beschränkt oder auf ein arabisches Land beschränkt, sondern offensichtlich schlagen diese Terroristen zu, wo sie gerade Gelegenheit haben.
    Schatz, ich glaube, gerade aus diesen Ereignissen in München geht hervor, dass offensichtlich die ganze Welt entweder lernen muss, mit der Gefahr zu leben, oder, so wie es gerade vor wenigen Minuten aus allen Ansprachen im Münchner Stadion hervorgegangen ist, sich die Welt entschließt, gemeinsam etwas dagegen zu unternehmen.
    Nun, solche Aufrufe sind ja bereits bei diversen Flugzeugentführungen nicht befolgt worden.
    Also schließt sich praktisch der Hilflosigkeit der Bevölkerung eine gewisse Hilflosigkeit der internationalen Politik an, die keine Schritte gegen solche Terribanten unternehmen kann, weil keine Einmütigkeit feststellbar ist.
    Ich weiß nicht, ob die internationale Politik keine Schritte unternehmen kann oder ob man keine Schritte unternehmen will.
    Das kann ich nicht beurteilen.
    Aber vielleicht sind die Ereignisse in München so aufrüttelnd und so erschreckend, dass man sich doch zu irgendwelchen Maßnahmen entschließt.
    Das ist die einzige Hoffnung, die aus diesen Verbrechen überbleibt.
    Herr Minister Rösch, haben die Ereignisse in München zu verstärkten Sicherheitsvorkehrungen in Österreich geführt?
    Ja.
    Werden Ausländer, so unfreundlich das jetzt klingt, überprüft?
    Im vorigen Jahr allein haben rund 80 Millionen Menschen vom Ausland die österreichischen Grenzen überschritten.
    Es wird niemand erwarten, dass alle nun überprüft werden können.
    sondern man kann also nur sein Augenmerk auf solche Leute lenken, wenn gewisse Verdachtsmomente auftauchen.
    Nun, man kann den Kreis der Verdächtigen ja auf gewisse Nationalitäten einschränken.
    Ich glaube, nur deswegen, weil jemand einer gewissen Nationalität angehört, ist er noch nicht verdächtig.
    Dankeschön.
    Das waren Stellungnahmen und Reaktionen österreichischer Politiker.
    Wie wir erfahren, hat die Wiener Polizei inzwischen ihre Sicherheitsmaßnahmen verschärft.
    Sowohl am Schwecher der Flughafen, als auch vor dem Büro der Israelischen Luftfahrtgesellschaft in der Wiener Innenstadt und vor den diplomatischen Vertretungen arabischer Länder hat die Polizei Bereitschaftsdienst.
    Es ist jetzt genau 13 Uhr, 1 Uhr Mittag.

    Katalogzettel

    Titel Terror bei den Olympischen Sommerspielen 1972: Reaktionen in Österreich, Telegramm von Bundespräsident Jonas an die israelische Regierung
    Titelzusatz Interview: Bundeskanzler Kreisky und Innenminister Rösch
    Spieldauer 00:11:14
    Mitwirkende Kunz, Johannes [Gestaltung] [GND]
    Gettler, Dieter [Gestaltung] [GND]
    Kreisky, Bruno [Interviewte/r] [GND]
    Rösch, Otto [Interviewte/r] [GND]
    Datum 1972.09.06 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Politik ; Politik Österreich ; Sport ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 70er Jahre
    Typ audio
    Format KKA [Kompaktkassette]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-720906_d_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal 1972.09.06

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    Schlagworte

    Gesellschaft , Politik , Politik Österreich , Sport , Radiosendung-Mitschnitt
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