Mittagsjournal 1989.02.04

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    Rechtliches

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    KI-generiertes Transkript

    Die Zeit in fünf Sekunden ist es 12 Uhr.
    12 Uhr.
    Hier ist der österreichische Rundfunk.
    Guten Tag bei Mittagschanal.
    Am Samstag sagt Christl Reiß hier gleich der Beitragsfahrplan für die kommende Stunde aktueller Berichterstattung.
    Die sowjetischen Truppen verlassen die afghanische Hauptstadt Kabul.
    Wir berichten über die aktuelle Situation in Afghanistan und über die einzelnen Widerstandsgruppen.
    Aus Anlass des bevorstehenden Besuches des sowjetischen Staats- und Parteichefs Gorbatschow in der Volksrepublik China vergleichen wir die Reformansätze beider Länder.
    Im Journal zu Gast ist heute der neue Kanzleramtsminister, zuständig für die Beamten und für Gesundheit, Ingenieur Harald Ettl.
    Dann planen wir noch eine Inlandspresse-Schau als Nachlese zu den schweren Ausschreitungen bei der Anti-Oberen-Ball-Demonstration.
    Weitere Themen des Mittagsschonals, die schlechte Schneesituation in Südtirol, in Kärnten und in der Schweiz, Österreich-Hilfe für das Erdbebengebiet Armenien, in Rumänien bestehen nach wie vor Arbeitslager und Kulturnachruf auf den gestern verstorbenen Regisseur und Schauspieler John Cassavetes und Inszenierung von Turinis Die Minderleister in einer Schweizer Fassung.
    Erster Programmpunkt des Mittagsschonals ist ein Nachrichtenüberblick.
    Wolfgang Rimmerschmidt liest von Christian Teiretzbacher redigierte Meldungen.
    Afghanistan.
    Der sowjetische Truppenabzug aus Afghanistan geht offensichtlich planmäßig vor sich und dürfte demnächst abgeschlossen sein.
    Ähnlich dem Schneesturm hat jetzt das letzte stärkere Armeekontingent Kabul verlassen.
    Nur eine kleine Nachhut ist in der Hauptstadt zurückgeblieben.
    Drei Stunden lang rollten Panzer und Militärlastwagen auf der Überlandstraße Richtung Salang Pass.
    Dieser Pass und der Salang Tunnel, seit Wochen heftig umkämpft, sind die einzige wichtige strategische Verbindung nach Norden.
    Der sowjetische Truppenrückzug aus Afghanistan muss laut Friedensvertrag bis 15.
    Februar abgeschlossen sein.
    Aus Kabul dürften die letzten Rotarmisten noch an diesem Wochenende abziehen.
    Die muslimischen Widerstandskämpfer setzen unterdessen ihre Angriffe auf Nahrungsmittel und Brennstofftransporte in der Hauptstadt fort.
    Der pro-sowjetische Staatschef Najibullah hat die Kommandanten der Freischärler neuerlich zu einer Waffenruhe und zu Verhandlungen aufgefordert.
    China.
    Das sowjetisch-chinesische Gipfeltreffen, das zurzeit von Außenminister Schewadnatze in Peking vorbereitet wird, findet Mitte Mai statt.
    Auf diesen Termin haben sich der Außenminister und Deng Xiaoping, der eigentliche starke Mann der Volksrepublik, geeinigt.
    Dieses Gipfeltreffen ist das erste seit 30 Jahren.
    Schewadnatze reist heute nach Pakistan weiter und wird möglicherweise Vorschläge zur Regelung des Afghanistan-Konfliktes präsentieren.
    Paraguay.
    Der neue Staatschef General Andrés Rodríguez hat versprochen, die Menschenrechte zu achten und die Demokratie auf der Grundlage der Freiheit zu verwirklichen.
    Von allgemeinen Wahlen oder von einer Amnestie sprach der General nicht.
    Er sagte auch nicht, wie lange er als vorläufiger Präsident amtieren werde.
    Offensichtlich will er Zeit gewinnen, um seine Position innerhalb der regierenden Colorado-Partei zu festigen.
    Ex-Diktator Strössner steht unter Arrest.
    Er wird vorerst entgegen anderslautenden Vermutungen nicht nach Chile ins Exil gehen.
    Der Putsch hat bis zu 250 Menschenleben gefördert.
    Nahe Osten.
    In den israelisch besetzten Gebieten ist es wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Israelis und Palästinensern gekommen.
    Im Gaza-Streifen wurde ein 15-jähriger Palästinenser erschossen, als israelische Soldaten eine Kundgebung der Araber gewaltsam auflösten.
    Nach Angaben des israelischen Rundfunks drangen in der vergangenen Nacht hunderte israelische Siedler in ein Palästinenser-Dorf im Westjordanland ein und richteten schwere Verwüstungen an.
    Die Israelis wollten ein Kind rächen, das durch Steinwürfe von Palästinensern auf ein israelisches Auto leicht verletzt worden war.
    Israelische Soldaten trieben die Siedler mit Tränengas auseinander.
    Sri Lanka.
    Die Feierlichkeiten zum heutigen 41.
    Jahrestag der Unabhängigkeit Sri Lankas werden von politisch motivierten Gewalttaten überschattet.
    Im Osten des Inselstaates haben mutmaßliche tamilische Freischärler elf Dorfbewohner ermordet.
    Staatspräsident Premadasa hat an die rivalisierenden Volksgruppen appelliert, ihre Streitigkeiten zu beenden.
    Anlässlich des Unabhängigkeitstages wurden in Sri Lanka etwa 600 Strafgefangene begnadigt und freigelassen.
    Vereinte Nationen
    Das Mandat der UNO-Militärbeobachter an der iranisch-irakischen Waffenstillstandslinie soll nach dem Willen von UNO-Generalsekretär Peresteguella bis Ende September verlängert werden.
    Die 350 UNO-Militärbeobachter aus 26 Ländern, unter anderem aus Österreich, überwachten seit einem halben Jahr den Waffenstillstand an der 1200 Kilometer langen Front.
    Es gab zahlreiche Zwischenfälle, jedoch keine ernsthaften Zusammenstöße.
    Der Oberkommandierende der Unaufriedenstruppen auf Zypern, der österreichische Generalmajor Günther Greindl, wird Anfang April durch einen kanadischen General abgelöst.
    Österreich Umweltministerin Fleming will keine Exportgenehmigungen mehr für österreichische Sonderabfälle erteilen, die auf Schiffen in der Nordsee verbrannt werden sollen.
    Einen Antrag auf den Export von 22 Tonnen halogenhaltiger Lösungsmittel zur Verbrennung auf hoher See will die Ministerin ablehnen.
    In einer Aussendung erklärt Fleming dazu, es gehe nicht an, dass derartige Giftstoffe weiter die Nordsee belasten und die Gefahr eines Zusammenbruchs der Umwelt erhöhen.
    USA.
    Der amerikanische Schauspieler und Regisseur John Cassavetes ist im Alter von 59 Jahren gestorben.
    Cassavetes erlag in einer Klinik in Los Angeles den Folgen einer Leberzirrhose.
    Bekannt wurde der Sohn griechischer Einwanderer vor allem durch seine Rolle in Roman Polanskis Film »Rosemary's Baby«.
    Cassavetes inszenierte unter anderem die Streifen »Eine Frau unter Einfluss« und »Mord an einem chinesischen Buchmacher«.
    Die Wetteraussichten bis morgen früh.
    Gebietsweise beständige Nebelfelder mit Obergrenzen zwischen 700 und 1000 Meter Höhe, sonst heiter oder wolkenlos, schwachwindig.
    Nachmittagstemperaturen 2 bis 10 Grad, Frühwerte minus 6 bis plus 3 Grad.
    Die Aussichten für morgen.
    Im Süden keine wesentliche Wetteränderung, sonst im Tagesverlauf Auflösung der Nebelfelder und Bewölkungszunahme.
    Im Westen und Norden vereinzelt auch etwas Regen.
    Schneefallgrenze bei 1200 Meter Höhe.
    Auf West drehender Wind.
    Tageshöchsttemperaturen 2 bis 9 Grad.
    Die Vorschau auf Übermorgen.
    In den Niederungen teils beständiger Nebel, sonst wieder sonnig.
    Temperaturen wenig verändert.
    Die Messwerte abgelesen um 12 Uhr.
    Wien bedeckt leichter Schneeregen, 1°C.
    Eisenstadt bedeckt durch Hochnebel, 0°C.
    St.
    Pölten bedeckt durch Hochnebel, 0°C.
    Linz bedeckt durch Hochnebel, minus 2°C.
    Salzburg bedeckt minus 2°C.
    Innsbruck heiter, 4°C.
    Bregenz bedeckt durch Hochnebel, minus 3°C.
    Graz bedeckt durch Hochnebel, minus 1°C.
    Und Klagenfurt gefrierender Nebel, minus 2°C.
    Zwölf Uhr und acht Minuten mit dem ersten Beitrag bleiben wir.
    Beim Wetter, obwohl Sie gerade gehört haben, in Eisenstadt zumindest schneit es.
    Dort gibt es aber keinen Skilift.
    Während entlang des Alpenhauptkammes nach wie vor gute Schneeverhältnisse herrschen, obwohl auch in diesen Regionen seit Wochen kein Winterweiß vom Himmel gefallen ist, dominieren südlich davon grüne Pisten.
    In Österreich ist davon vor allem Kärnten betroffen.
    In der Schweiz Graubünden und Engadin und in Italien Südtirol.
    Die Einbußen der Fremdenverkehrswirtschaft und des Sportartikelhandels in diesen Gebieten sind beträchtlich.
    Da und dort spricht man sogar schon von einer wirtschaftlichen Katastrophe.
    Details dazu von Hans-Peter Trütsch aus der Schweiz, von Richard Gasser aus dem ORF-Landestudio Bozen und zu Beginn von Bernd Primosch vom Landestudio Kärnten.
    Kärnten ist zweifellos der Verlierer der heurigen Wintersaison.
    Nach neun Wochen ohne Schneefall ist es nicht mehr möglich, das Urlauber-Nächtigungs-Minus noch wegzumachen.
    In den Monaten November und Dezember betrug es mehr als elf Prozent.
    Bei Privatquartieren wurden sogar 27 Prozent weniger Nächtigungen gezählt als im Jahr zuvor.
    In den Wintersportzentren herrscht Krisenstimmung.
    Beispiel Bad Kleinkirchheim.
    Von 80 Kilometer Skipisten sind nur fünf Kilometer befahrbar und auch die nur auf künstlich erzeugten Schnee.
    In der kanischen Skiregion ist nur rund die Hälfte der Lifte in Betrieb.
    Auch hier muss mit Schneekanonen ausgeholfen werden.
    Die Folge sind Stornierungen von bereits gebuchten Urlauben.
    Anzeichen für eine Stornowelle in den Semesterferien gibt es in den meisten Wintersportorten Süd-, Mittel- und Ostkärntens.
    Und dennoch, einige Kärntner Skiorte haben Schnee.
    Jene nämlich, die in höheren Regionen direkt an der Südseite des Alpenhauptkammes liegen.
    Zum Beispiel Heiligenblut, die Innerkrems, die Thurach, der Kaltsperg oder Malnetz.
    Dementsprechend gut gebucht sind diese Gebiete in der nächsten Woche.
    Bezeichnend für diese Wintersaison ist wohl auch, dass das Sommerskigebiet auf dem Wurtengletscher durchgehend in Betrieb ist.
    Kärntens Liftunternehmer klagen bereits über Millionenverluste.
    Auch die Wintersportartikelhändler haben ein Drittel ihres Umsatzes an Alpinskiern eingebüßt.
    Bei Langlaufskiern beträgt das Minus sogar 80 Prozent.
    Nur Eislaufschuhe gehen weg, wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln.
    Das Land Kärnten überlegt derzeit Hilfsaktionen für die gesamte Tourismuswirtschaft.
    Wer sucht, der findet die optimistische Devise der Schweizer Tourismusfachleute, die nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass es mindestens in den oberen Regionen eigentlich gar nicht so schlimm sei.
    Dass man Schnee finde, zwar teilweise pickelhart, unerwünschter Nebeneffekt, die schweren Unfälle haben zugenommen, zu viele Skiläufer trauen sich zu viel zu.
    Die Hotels seien überraschend gut ausgebucht, heißt es bei der Verkehrszentrale in Zürich.
    Zwar hat die eigentliche Wintersaison in den meisten Kantonen noch nicht begonnen, Aussagen über Umsatzeinbußen sind daher schwierig.
    Man profitiert auch ohne Schnee vom tiefblauen Himmel mit Sonnenschein.
    Bergbahnen bringen Winterwanderer in die Höhe, Höhenwege sind geöffnet, Gartenrestaurants profitieren vom vorgezogenen Frühling, Alternativprogramme werden angeboten.
    Aber, überrasch spürbar, die Nervosität steigt.
    Wenn der Schnee nicht kommt, befürchtet man Millionenverluste.
    Das Fernsehen berichtete dieser Tage über den schneearmen Winter.
    Es wurde prompt eingeklagt von einem Wintersportort.
    Man habe nur schneefreie Hänge gezeigt.
    Und einmal mehr engagiert läuft hier die Kontroverse, ob es denn sinnvoll sei, den fehlenden Schnee künstlich zu produzieren.
    Umweltschützer haben im Tourismuskanton Graubünden eine Initiative eingereicht.
    Sie verlangen ein generelles Verbot von Schneekanonen.
    Eindeutig stagniert das Skiverkaufsgeschäft.
    Eine Firma wirbt deshalb mit Rabatten bis zu 50 Prozent unter dem Motto, jetzt muss alles weg, ohne Rücksicht auf Verluste.
    Völlig entnervt schließlich jener Ski-Lift-Besitzer in Toggenburg, nahe der Grenze zu Vorarlberg.
    Er mag nicht mehr nach vier schneearmen Wintern und verschenkt all seine Anlagen.
    Ein Sessellift, zwei Schlepplifte, Pistenfahrzeuge, Gebäude.
    Das Aktienpaket ist gratis.
    Einzige Bedingung, die Hypotheken müssen übernommen werden.
    In Südtirol ist seit genau zwei Monaten, seit dem 4.
    Dezember also, keine Flocke Schnee und kein Tropfen Regen mehr vom Himmel gefallen.
    Umso mehr setzte man auf die hausgemachte Weiße Pracht.
    Mit Kunstschnee konnte die Weihnachtssaison gerettet werden und wird jetzt noch Skivergnügen auf schmalen weißen Streifen in braun-grüner Frühlingslandschaft garantiert.
    Die Skigebiete in Gröden, am Kronplatz oder in Oberecken hat man schon vor Jahren mit Schneekanonen ausgestattet, um dem Wettergott etwas nachzuhelfen.
    Gut 300 Kilometer Pisten können so künstlich beschneit werden.
    Doch selbst diese Notlösung droht jetzt zu versagen.
    Die Kunstschneeerzeugung mit Wasserdruck und Luftgebläse funktioniert nur bei gefrorenem Boden und tiefen Temperaturen.
    Derzeit wird es jedoch immer wärmer, tagsüber bis 15 Grad und selbst in der Nacht gibt es kaum noch Frost.
    Das macht nicht nur den Schneekanonen den Garaus, sondern dämpft auch die Hoffnungen auf Rettung durch echten Schnee, der sich am aufgewärmten Boden kaum noch halten könnte.
    In Südtirol wie auch im benachbarten Trentino sieht man die Wintersaison daher praktisch schon als verloren an.
    Schnee ist weiterhin nicht in Sicht und die Einbrüche bei den Nächtigungen sind nicht mehr wettzumachen.
    Bereits im Dezember gab es landesweit um 11 Prozent weniger Nächtigungen.
    Im Ortlergebiet betrug der Rückgang gar 35 Prozent.
    Für Jänner liegen noch keine endgültigen Zahlen vor, doch befürchtet man Einbrüche um 40 Prozent.
    Während die Hotelbranche dies mit einem guten Sommer wettmachen kann, auf den ohnehin zwei Drittel der Nächtigungen entfallen, ist es für die Lift- und Seilbahngesellschaften eine Katastrophe.
    In Piemont wurden daher, wie bei Naturkatastrophen, die Steuern und Abgabenzahlungen der Touristikbranche um ein halbes Jahr verschoben.
    Im Trentino haben die Versicherungen die Prämienzahlungen ausgesetzt.
    In Südtirol ist die Fremdenverkehrswirtschaft noch nicht in Panik geraten, wohl aber ratlos.
    Mit dem Hilferuf an Staat und Land jedenfalls lässt man sich noch Zeit, auch weil er bei der Bevölkerung äusserst unpopulär wäre.
    bleibt nur der lapidare Trost, der nächste Winter kommt bestimmt.
    Die Sowjetunion hat sich verpflichtet, bis 15.
    Februar ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen und der Abzug ist in vollem Gange.
    In der Hauptstadt Kabul ist lediglich eine kleine Nachhut zurückgeblieben.
    Die Zukunft der Regierung unter Staats- und Parteichef Nacipullah ist mehr als ungewiss.
    Sie ist derzeit vor allem an einem Friedensabkommen mit den Mujahedin interessiert.
    Es scheint aber so gut wie sicher, dass gleich nach dem Abzug der Sowjet-Truppen eine der Widerstandsgruppen die Macht übernehmen wird.
    Aber es gibt viele dieser Gruppen, die auch von einigen ausländischen Mächten unterstützt werden.
    Über die Lage in Afghanistan und über die Widerstandsgruppen ein Bericht von Hermann Denecke.
    Die ruhmreiche Rote Armee zieht ab in ungeordneter Formation.
    Kein Salut, keine Blasmusik, kein Fahnenschwenken.
    Schöne Reden und starke Sprüche müssen den Rückzug decken und die Niederlage kaschieren.
    Der militärische Kampf ist noch nicht endgültig entschieden, aber es gibt nichts mehr zu gewinnen, nur noch zu verlieren.
    Im bitterkalten zehnten Winter des afghanischen Bürgerkrieges machen sich die Einheiten einer der stärksten Militärapparate der Welt davon über verschneite Bergpässe, an denen die vermummten Stammeskrieger lauern, die man mit mühevollem diplomatischen Aufwand zum gnädigen Stillhalten hatte überreden müssen.
    Die Rote Armee war gekommen vor mehr als neun Jahren, um der afghanischen Revolution zu einem dauerhaften Sieg zu verhelfen und der muslimisch-feudalistischen Stammesgesellschaft den Sozialismus zu bringen.
    Nach diesem langen Krieg ist der Sozialismus tot in Afghanistan.
    Das Land ist zerstört, eine Million Menschen sind gestorben, mehr als vier Millionen geflüchtet.
    Die Revolution, auch ihre vielfältigen positiven Hervorbringungen, sie ist am Ende.
    Ihrem im Kabul verbleibenden Restposten, dem Regime des ehemaligen Arztes und Geheimdienstchefs Najibullah, wird kein langes Überleben mehr zugetraut.
    Kommt nun der Frieden für Afghanistan, die Unabhängigkeit für das Land, die Selbstbestimmung für seine Bürger?
    Es müsste schon ein Wunder geschehen, wenn es so kommen sollte, denn die Mujahedin-Organisationen, die nun die Macht in Kabul übernehmen wollen, sind weder besonders friedlich, noch unabhängig, noch an einem demokratischen System westlichen Musters besonders interessiert.
    Der Kampf gegen das verhasste Rote Regime der Ungläubigen in Kabul, das war die einzige Klammer, der einzige gemeinsame Nenner bisher.
    Wenn diese Klammer entfällt, werden die persönlichen Rivalitäten zwischen den Führern, die politischen, vor allem aber die religiösen Gegensätze deutlicher hervortreten und die Interessen der ausländischen Mächte werden erkennbar werden, die den Kampf der Widerstandsorganisationen bisher finanziert haben.
    Gulbuddin Hekmatyar ist ein gelernter Ingenieur, ein gewaltiger Demagoge und ein geschickter Organisator.
    Seit 13 Jahren kämpft er im Untergrund, um aus Afghanistan eine islamische Republik fundamentalistischer Prägung zu machen.
    Seine Hezbi-Islami, die Islamische Partei, ist die zahlenmäßig stärkste Fraktion des afghanischen Widerstandes.
    Er war ein enger Freund des toten pakistanischen Militärdiktators Zia-ul-Haq und er ist bis heute der Hauptnutznießer der amerikanischen Dollarmillionen.
    Gulbuddin Hekmatyar ist Pashtune und er ist sunnitischer Fundamentalist.
    Das ist auch Burnaudin Rabbani, der Chef der Yamjat-Islami, der islamischen Gesellschaft.
    Und doch lebt er in unversöhnlichem Streit mit Hekmatyar, mit dem er sich schon vor der Revolution in Kabul entzweite, denn der gelernte Theologie-Professor Rabbani ist kein Pastune.
    Seine Anhänger stammen aus dem Norden Afghanistans und dort steht auch sein Kriegskommandant, der berühmt-berüchtigte Massoud, der den abziehenden Sowjets am Salang-Tunnel die Daumenschrauben ansetzte.
    Rabanis-Fraktion gilt als die kompromissbereiteste unter den sunnitischen Fundamentalisten-Gruppen.
    Auch sunnitisch-fundamentalistisch, aber politisch ausgesprochen konservativ ist die Hezbi-Islami II.
    Sie hat sich unter dem Maulana Yunus Caglis von Hekmatyars Verein abgespalten, ist klein und kampfkräftig und mit ausländischen Mitteln wohlversorgt.
    Ihr militärischer Kommandant ist Abdul Haq.
    Auch er steht vor Kabul mit seinen Truppen und will der Erste sein.
    Und ebenfalls für die rechte Sache des sunnitischen Glaubens kämpft Professor Sayyaf mit seiner Fraktion.
    Die ist erst 1982 bei internen Streitigkeiten unter den Widerstandsorganisationen entstanden und erhält ihr Geld überwiegend aus den reichen Ölstaaten am Golf.
    Gute Moslems sind sie alle, auch die in den drei sogenannten Traditionalisten-Fraktionen versammelten Widerstandskämpfer.
    Aber diese Organisationen haben weniger religiös motivierte Ziele als vor allem die Restauration der alten Verhältnisse in Afghanistan im Blick, die Erneuerung der alten Stammesherrlichkeiten und aristokratischen Privilegien im Königreich der Afghanen.
    Von Hekmatyar bis Gilani, das sind die sogenannten Sieben von Peshawar, die in einer Allianz bisher notdürftig zusammengehalten haben.
    Weniger überschaubar, weil auch weniger agierend auf der weltöffentlichen Bühne, sind die zahlreichen Widerstandsorganisationen, die von iranischem Boden aus und mit iranischem Geld in Afghanistan operieren, die schiitischen Widerstandsgruppen.
    Und vollends unkalkulierbar ist die Schar der lokalen Stammesführer in Afghanistan, die zwar von den Organisationen in Peshawar und im Iran Geld genommen, ihren Kampf aber überwiegend auf eigene Faust und eigene Rechnung geführt haben und die weniger an der Zukunft ihres Staates als vielmehr an der Absicherung ihres eigenen Machtbereiches interessiert sind.
    Die ausländischen Soldaten, das steht nun wohl fest, werden Afghanistan einstweilen verlassen.
    Die ausländischen Mächte jedoch, ob sie nun in Moskau oder Washington, in Teheran, Riyadh oder Islamabad sitzen, sehen offenbar keinen Anlass, die Zukunft Afghanistans den Afghanen alleine zu überlassen.
    Über die komplizierte Lage in Afghanistan berichtete Hermann Denike.
    Tauwetter zwischen Moskau und Peking.
    Die chinesische Führung hat Staats- und Parteichef Gorbatschow für Mitte Mai eingeladen.
    Die Einzelheiten dieser Visite hat Außenminister Schewatnatze mit dem starken Mann Chinas, Deng Xiaoping, vereinbart.
    Im Mittelpunkt des ersten Gipfeltreffens seit 30 Jahren werden außenpolitische Fragen stehen.
    Afghanistan, der Kambodscha-Konflikt und die Mongolei.
    Doch wenn Peking und Moskau nach drei Jahrzehnten Eiszeit jetzt zu einer gemeinsamen Sprache finden, so liegt das vor allem an einer Überzeugung, die Gorbatschow und Deng Xiaoping teilen.
    Wenn es nicht gelingt, die Wirtschaft zu modernisieren und technologisch an den Westen anzuschließen, droht beiden Ländern eine schwere politische und soziale Krise.
    Einige verblüffende Ähnlichkeiten, aber viele entscheidende Unterschiede prägen die bisherigen Reformansätze in der Sowjetunion und in der Volksrepublik China.
    Christian Schüller zieht einen Vergleich.
    Mit den Augen eines Moskauer Reformers hat ein Journalist der Zeitschrift Novoevremia unlängst das chinesische Experiment unter die Lupe genommen.
    Was er dort sah, ließ ihn manchmal erschauern, entlockte ihm aber auch so manches bewundernde Staunen.
    Der erste negative Eindruck, je weiter die Wirtschaftsreform fortschreitet, je mehr Waren und Geld im Umlauf sind, desto krasser die persönliche Bereicherung einzelner Funktionäre.
    Korrupte Elemente, so drückt es die Novoevremia aus, die sich an den dramatischen Reformen die Hände wärmen.
    Beeindruckt ist der sowjetische Gast davon, dass Peking ein eigenes Ministerium gegen die Korruption eingerichtet hat.
    Insgesamt sieht die sowjetische Zeitschrift einen bemerkenswerten Schluss.
    Zwar sei man politisch in Moskau bereits weitergegangen als in Peking, in der Wirtschaftsreform hätten die chinesischen Freunde aber die Sowjetunion überholt.
    Tatsächlich fällt der Vergleich schwer.
    Zu unterschiedlich sind die Maßstäbe.
    China nach wie vor ein Agrarland, 80% der Chinesen leben am Land, Lasti und Holzpflug sind weiter verbreitet als Traktor und Mähdrescher.
    Die Sowjetunion zu 80% verstetert.
    Ein Land, das einen enormen Kapitalschub braucht, um auch nur die bestehende Infrastruktur zu modernisieren.
    Dennoch sind die Reformen in Peking und Moskau, sind Deng Xiaoping 1978 und Gorbatschow sieben Jahre später von ähnlichen Problemen ausgegangen.
    Eine stagnierende Wirtschaft, totale Verstaatlichung und streng zentrale Planung hatten jede Entwicklung abgewirkt.
    Eine zwangskollektivierte Landwirtschaft produzierte immer weniger.
    Eine selbstherrliche Bürokratie in der Partei hatte die Gesellschaft entmündigt.
    Der Abstand zu den kapitalistischen Nachbarn in Europa und Asien war im Wachsen.
    Und vereinzelte, brutale, von oben diktierte Wachstumsschübe hatten das Land zerrüttet.
    Stalins Industrialisierung, Mao's großer Sprung und die Kulturrevolution.
    In China hatte die politische und soziale Krise sich Mitte der 70er Jahre viel mehr zugespitzt als in der Sowjetunion.
    Rückblickend gesehen kann das für Deng Xiaoping ein Pluspunkt gewesen sein.
    Er musste die Partei nicht erst mühsam von der Notwendigkeit einer radikalen Reform überzeugen.
    Gorbatschow übernahm die Partei hingegen nach einer langen Phase der Ruhe und Mittelmäßigkeit.
    In China hatten viele Bauern zur Selbsthilfe gegriffen und waren auf eigene Faust zur Familienwirtschaft zurückgekehrt.
    Deng Xiaoping musste nur mehr den Segen der Partei geben.
    In der Sowjetunion reagieren die Bauern nur träge auf Gorbatschows Appell zu mehr Selbstständigkeit.
    Mehr als 60 Jahre Stalinismus haben jede Eigeninitiative ausgelöscht.
    So ist auch die unterschiedliche Wirkung der Reformen zu erklären.
    In China stiegen die Ernteerträge sprunghaft und bald war die Industrie gezwungen, der steigenden Nachfrage nachzukommen.
    Doch hier zeigten sich, ebenso wie in der Sowjetunion, ernste Widerstände.
    In Moskau ist es die zentrale Bürokratie der Ministerien, die sich gegen mehr Selbstständigkeit der Betriebe wehrt.
    In China spießt sich die Reform mehr an den Parteizellen der Unternehmen.
    Sie haben bisher allein über die Produktion entschieden.
    Jetzt sollen sie eigenverantwortliche Manager arbeiten lassen.
    Das bedeutet weniger Macht für die Funktionäre.
    Deng Xiaoping hat allerdings auch kühnere Schritte gesetzt, um diese Widerstände zu umgehen.
    Private Unternehmer und Aktiengruppen können Maschinen und Werkshallen leasen.
    Eine weitere Trumpfkarte der Chinesen sind die Joint Ventures.
    In der Sowjetunion ist man bisher nicht über 100 solcher gemischter Betriebe hinausgekommen.
    In China sind es nahezu 10.000.
    Viele davon wurden mit chinesischen Kapitalisten in Hongkong abgeschlossen.
    Die Sowjetunion kann demgegenüber kaum auf die Investitionen von Exilrussen bauen.
    Allerdings investieren auch die Auslandskinesen nicht nur aus Patriotismus.
    China ist bereit, als verlängerte Werkbank den Weg ehemaliger Billiglohnländer Asiens zu gehen.
    Ein demütigender Weg der Selbstausbeutung, der in Moskau schon aus ideologischen Gründen abgelehnt wird.
    Befürworter von wirtschaftlichen Sonderzonen, die zum Westen geöffnet sind, bleiben in Moskau bisher in der Minderheit.
    Eine andere Trumpfkarte will Gorbatschow den Chinesen allerdings nicht länger allein lassen.
    Deng Xiaoping war mit der Reduzierung der Rüstungsausgaben vorangegangen und hat die Abrüstung von einer Million Soldaten durchgesetzt.
    In der Sowjetunion wäre der Widerstand der Militärs zu stark, hatten viele Experten gemeint.
    Doch Gorbatschow will sie jetzt lügenstrafen.
    Und nach dieser Analyse, diesem Vergleich von Christian Schüller kommen wir fünf Minuten vor halb eins zu unserer Samstagsserie.
    Im Journal zu Gast ist heute der seit Donnerstag neue Kanzleramts- und Gesundheitsministeringenieur Harald Ettl.
    Der heute 41-Jährige ist vor seiner Ernennung zum Minister in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt gewesen, obwohl er Vorsitzender einer Gewerkschaft ist, und zwar der Gewerkschaft Textilbekleidung und Leder.
    Ettl ist Festin der gewerkschaftlichen Tradition verankert.
    Mit 26 Jahren war er bereits Zentralsekretär seiner Gewerkschaft, der bisher jüngste.
    Seit 1984 ist er Vorsitzender der Gewerkschaft.
    Außerdem begleitet er auch noch die Funktion eines stellvertretenden Obmannes der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt.
    Mit dem neuen Minister sprach Ulrich Brunner.
    Herr Minister Ethel, Sie sind Insidern zwar schon seit längerem bekannt, einer breiten Öffentlichkeit sind Sie aber unbekannt.
    Könnten Sie zunächst einmal sagen, wie wird man eigentlich Minister?
    Wann haben Sie das zum ersten Mal erfahren durch einen Anruf des Parteivorsitzenden oder des ÖGB-Präsidenten?
    Der Parteivorsitzende, der Bundeskanzler, hat mich am Sonntagabends kontaktiert in dieser Frage und hat mich gefragt, was meinst du dazu, Kanzleramtsminister zu werden, mit dem Bereich Gesundheit.
    Kannst du dir das überhaupt vorstellen?
    Und dann haben wir halt das Thema besprochen
    Und ich bin halt in der Nacht sozusagen in mich gegangen, obwohl das vielleicht das schönste Angebot war in meinem Leben, das ich bekommen habe, nach meiner Wahl als Gewerkschaftsvorsitzender.
    Eigentlich ist es vielleicht doch zu viel.
    Das war die erste Frage.
    Die zweite Frage ist über Familie.
    Meine Frau ist berufstätig.
    Sie ist Ökonomin in der Arbeiterkammer.
    Ich habe zwei Kinder, neun und elf Jahre.
    Ich war jetzt schon zeitlich stark eingesetzt als Gewerkschafter und habe, glaube ich, doch einige Bereiche abgedeckt und viel und das gern getan, aber für die Zeit, die verblieben ist,
    habe ich versucht, gut partnerschaftlich zu leben, dass die Kinder ein bisschen was davon gehabt haben.
    Das heißt, Sie haben die Frage, ob Sie Minister werden sollen, auch mit Ihrer Frau besprochen?
    Natürlich.
    Das war eine der entscheidenden Fragen mit dabei, ob wir das familiär aushalten.
    Aber die Frau hat letzten Endes ja gesagt, und Sie sind zu einer positiven Entscheidung gekommen.
    Das Jahr hat nicht so ausgeschaut, dass meine Frau Ja oder Nein gesagt hat, sondern wir haben gemeinsam das Thema beredet, besprochen und entwickelt.
    Wobei das Gespräch so verlaufen ist, dass letzten Endes natürlich die Entscheidung bei mir gegeben ist.
    In der Früh, beim nächsten Anruf des Kanzlers,
    eigentlich dann klar war.
    Das heißt, in der Zwischenzeit, am nächsten Tag, habe ich mich natürlich auch mit dem ÖGB-Präsidenten besprochen, weil es ja nicht so war, dass der österreichische Gewerkschaftspunkt jetzt eine zusätzliche Position besetzen wollte.
    Der österreichische Gewerkschaftspunkt legt ressortmäßig überhaupt nur auf ein Ressort, egal jetzt welche Regierung,
    da ist, auf ein Ressort wert, nämlich auf das Sozialressort.
    Also Sie fühlen sich in der Regierung nicht als Gewerkschafter, sondern Sie sind da als Ingenieur Harald Ethel.
    Ich fühle mich immer als Gewerkschafter.
    Das ist meine Grundeinstellung, die ich habe.
    Aber es ist nicht so, dass sich der österreichische Gewerkschaftspunkt bemüht hat, dass ich dort hinkomme.
    Herr Minister Ettl, Ihr anfängliches Zögern, gleich Ja zu sagen, hat das auch damit etwas zu tun, dass man als Minister natürlich
    sehr stark in der Öffentlichkeit steht.
    Und die Öffentlichkeit kann auch manchmal sehr grausam sein.
    Dass das gewissermaßen auch ein Eingriff in ihr Privatleben ist.
    Das Zögern, gleich Ja zu sagen, das ist so zu interpretieren, wenn man so eine Frage bestellt bekommt, dann sagt man nicht gleich Ja, dann denkt man nach und das wurde auch nicht gefordert, gleich Ja zu sagen, sondern ich habe eine Nacht Zeit gehabt, darüber nachzudenken und das muss reichen.
    Die zweite Frage, Angst vor der Öffentlichkeit, ja, das schon.
    Obwohl ich jetzt draußen in den Gewerkschaftskreisen schon bekannt war und weil ich doch einige Themenbereiche abgedeckt habe und zumindest in meinem Bereich draußen stark agiert habe, habe ich doch eine bestimmte Privatsphäre gehabt und war irgendwie anonym, doch anonym.
    Und das hat mir schon zu schaffen gemacht, auf einmal stehst du dann draußen und
    Die ersten zwei, drei Tage waren wirklich für mich Tage, die sich auf die Magen gegengeschlagen haben.
    Das ist mir alles ein bisschen zu viel Öffentlichkeit und ich finde es eher ein bisschen bedrückend noch und das hat mich schon bestäftigt.
    Ich frage das auch deshalb, weil vor etwas mehr als einem Jahr habe ich Sie eingeladen, im Journal zu Gast zu sein und Sie haben damals abgesagt mit der Begründung, ungefähr war das so, ich möchte nicht so in der Öffentlichkeit, nicht so im Vordergrund stehen.
    Sind Sie doch eher ein vorsichtiger Mensch?
    Ich glaube schon.
    Das gehört in der Politik zu, so wie ich sie verstehe.
    Und das erfordert auch die Seriosität, die in der Politik gegeben sein muss, dass man einfach vorher nachdenkt, die Dinge bearbeitet,
    und erst wenn sie ausgegoren sind, soweit das möglich ist, das Ganze präsentiert.
    Ich weiß schon, dass das gerade für die Medien nicht der Idealzustand ist.
    Da ist es leichter, wenn man zuerst über Gedanken plaudert, über Zukunftsvisionen philosophiert und so weiter.
    Ich mache das übrigens auch gern, wenn ich mich über langfristige Angelegenheiten unterhalte, aber was
    das Umsetzen in der Politik betrifft, da bin ich eher vorsichtig, weil ich bis jetzt viele Verhandlungen zu führen gehabt habe, auf allen Ebenen, die zum Abschluss bringen musste und weiß, was zu früh Öffentlichkeit erzeugen würde.
    Und Ankündigungsminister werde ich sicher keiner sein.
    Herr Minister Themenwechsel, Sie sind als Gewerkschafter für die 35-Stunden-Woche eingetreten, für die generelle 35-Stunden-Woche, oder wie ist das eigentlich?
    Wir haben im österreichischen Gewerkschaftsbund den Beschluss gefasst, die 35-Stunden-Woche zu erreichen.
    Wir stehen alle zu diesem Beschluss.
    So fasse ich ihn auch auf.
    Im Rahmen meiner Gewerkschaft bin ich bemüht, diesen Beschluss umzusetzen.
    Eine Stufe, und das ist ein schwieriger Bereich, eine Stufe habe ich erreicht.
    Bei den Textilarbeitern, bei den Schuh- und Bekleidungsarbeitern ist das noch nicht der Fall.
    Aber die Arbeitszeitverkürzung ist ein Mittel, um den Anforderungen der Zukunft besser begegnen zu können, was Arbeitsplatzstabilität betrifft.
    Und da ist ja Österreich nicht isoliert zu sehen, da braucht man sich ja nur im Rahmen
    selbst der EG umschauen, was mit der Entwicklung in der Bundesrepublik läuft und so weiter.
    Und man tut so, wie wenn das die Österreicher erfunden hätten.
    Das ist da völlig falsch.
    Nun sind Sie in Ihrer neuen Funktion unter anderem auch für die Beamten zuständig.
    Glauben Sie, dass man auch den Beamten die 35-Stunden-Woche geben kann?
    Sie sind jetzt auf der anderen Seite der Barrikaden gewissermaßen, der Vertreter des Dienstgebers, der sich auch den Kopf des Staates zerbrechen muss, ob das tragbar ist.
    Ja, das ist richtig.
    Vor allem, weil das gigantische budgetäre Auswirkungen hat.
    Aber im Rahmen des österreichischen Gewerkschaftsbundes haben alle Gewerkschaften diesen Beschluss mitgetragen und mitgefasst.
    Ich muss dazu sagen, die Gewerkschafter im öffentlichen Dienst agieren etwas zurückhaltender.
    Das hat mehrere Gründe, weil sie auch sehr leicht und jederzeit und wie ich meine auch zu oft einer gewissen Polemik ausgesetzt werden.
    Das ist offenbar üblich in Österreich, das so zu machen, aber ich glaube auch, dass man sich im Rahmen des öffentlichen Dienstes nicht verschließen können wird, das Thema sukzessive auch adäquat zu behandeln.
    Sie haben sich da jetzt sehr vorsichtig ausgedrückt.
    Darf ich versuchen, das auf den Punkt zu bringen?
    Sie halten es auch für möglich, dass die Beamten, oder Sie halten es für notwendig, dass die Beamten auch die 35-Stunden-Woche bekommen.
    Ich möchte das so sagen.
    Es wird auch im Bereich der Beamten zu Arbeitszeitverkürzungen mittelfristig kommen müssen.
    Was verstehen Sie unter mittelfristig?
    Heute über Zeiträume zu reden, wäre von mir zu viel verlangt.
    Und ich will es auch nicht tun, um das so zu sagen.
    Herr Minister, Sie haben in Ihrem Ministerium, dass Sie übernehmen, ein Mischmasch an Kompetenzen.
    Ganz grob gesagt sind Sie Gesundheitsminister, Beamtenminister und dann sind Sie auch noch für die Koordination zuständig innerhalb der Regierung und auch mit dem Koalitionspartner.
    Für welchen dieser drei von mir skizzierten Bereiche glauben Sie denn, dass Ihre Vorkenntnisse am besten sind?
    Wo tun Sie sich am leichtesten?
    Mit dem Gesundheitsbereich war ich auf vielen Ebenen zwar partiell, aber doch stark konfrontiert, weil ich mit dem Thema Unfallverhütung vorbeugende Maßnahmen gegen Unfälle, gegen Verletzungen am Arbeitsplatz über Jahre schon zu tun hatte.
    Ich komme aus einem Bereich,
    Als Allgemeinen Unfallversicherungsanstalter war ich Funktionär, das war meine Funktion neben der Gewerkschaftsfunktion, wo wir Rehabilitationszentren hatten, wo wir Unfallspitäler hatten,
    wo wir prophylaktische Maßnahmen, vorbeugende Maßnahmen gegen Unfälle getroffen haben.
    Denken Sie an die Chemie heute, an die über 70.000 Stoffe, mit denen wir es heute zu tun haben, die wir teilweise noch gar nicht kennen, welche Auswirkungen sie auf den Menschen haben.
    Das betrifft wiederum nicht nur den Arbeitsplatz, das betrifft die Freizeit und die Umwelt genauso.
    Das ist vernetzt zu sehen, es ist nichts mehr eindimensional zu sehen.
    Und mit diesem Themenkreis habe ich mich
    habe ich mich ganz stark, um das über zehn Jahre zu beschäftigen, gehabt.
    Also mit organisatorischen Gesundheitskonzepten hatte ich sehr viel zu tun und bin teilweise sehr tief im Thema, was nicht heißt, dass es für mich eine Reihe von Bereichen gibt, die ich mir sehr genau anschauen muss, wo ich auch
    wo ich mich auch entsprechend zu beraten habe.
    Aber der Tenor der Gesundheitspolitik heißt für mich, dass Vorbeugen besser ist als Heilen.
    Sie waren bisher in Ihrem Interview sehr vorsichtig und zurückhaltend.
    Nur bei dem Gesundheitsthema sind Sie jetzt aus sich herausgegangen.
    Kann man daraus schließen, dass Sie sich eher als Gesundheitsminister fühlen als als Beamtenminister oder Koordinator?
    Das Gesundheitsthema liegt mir sehr nahe, weil es direkt zum Bereich der sozialen Sicherheit gehört.
    Der Bereich der sozialen Sicherheit generell, von den Sozialversicherungen hin bis zu den Akutversorgungsstätten, bis zu den Spitälern,
    bis zur Prophylaxe am Arbeitsplatz.
    Das ist für einen Gewerkschafter das Um und Auf in der Sozialpolitik.
    Und daher ist mir das Gesundheitsthema als umfassendes Thema heute bereits, aber als Thema sehr, sehr da.
    Danke für das Gespräch.
    Der neue Kanzleramts- und Gesundheitsminister Harald Ettl war heute im Journal zu Gast.
    Mit Minister Ettl sprach Ulrich Brunner.
    Der traditionsreiche Höhepunkt des offiziellen österreichischen Faschings ging am vergangenen Donnerstag in der Wiener Staatsoper über die Bühne.
    Jene Veranstaltung, die der Oper einmal im Jahr einen finanziellen Gewinn einbringt, der Opernball.
    Fast ebenso schon Tradition hat vor der Oper eine Demonstration dagegen.
    Schon im Vorjahr kam es zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei.
    In der Nacht von vergangenen Donnerstag auf Freitag spielten sich regelrechte Straßenschlachten ab.
    Molotow-Cocktails wurden geworfen, Auslagenfenster eingeschlagen, ein BKW wurde gar als Rambog verwendet.
    Blutige Bilanz der Anti-Opernball-Demo 52 Verletzte, 12 Personen wurden festgenommen.
    Einhellig war gestern bei Vertretern aller Parteien die Ablehnung der Ausschreitungen.
    von einem Missbrauch des Demonstrationsrechtes war die Rede.
    Sogar der Grün-Abgeordnete Peter Pilz, im Vorjahr noch Teilnehmer an der Demonstration, distanzierte sich klar von den Vorgängen.
    Wörtliches Zitat, ich bin heilfroh, dass die Grünen mit dieser Demonstration nichts zu tun hatten.
    Der frischgebackene Innenminister Franz Löschnerk kündigte eine besondere Ausrüstung und mehr psychologische Schulung für die Polizisten an.
    Außerdem waren laut Löschnerk unter den Randalierern Anarchisten aus der Bundesrepublik Deutschland und möglicherweise aus Frankreich.
    Wie Österreichs Zeitungskommentatoren die Vorgänge vor der Wiener Oper bewerten, das hat Waltraud Langer in der folgenden Presseschau zusammengestellt.
    In ihrer Ablehnung der Ereignisse außerhalb der Oper sind sich die Kommentatoren einig.
    Uneinig sind sie sich über die Beurteilung der Rolle der Polizei.
    In der Rubrik »Menschlich betrachtet« greift Reinald Hübl in der Kronenzeitung Wiens Polizeipräsident Günther Bögl massiv an.
    Die Polizisten hätten, trotz der Verwendung von Brandbomben, Pflastersteinen und Holzlatten auf Seiten der Randalierer, eine Stunde lang keine Erlaubnis gehabt, den Gummiknüppel einzusetzen.
    Die Polizisten müssen besonnen abwehren und zurückweichen vor dem Mob.
    Wiens Polizeipräsident, persönlich als Einsatzleiter tätig, ordnet das so an.
    Gegen den Willen seiner Offiziere.
    Es waren ca.
    1200 Gesetzesbrecher am Werk und ca.
    2000 Polizisten eingesetzt.
    Das Ergebnis der polizeilichen Aktion waren ganze zwölf Festnahmen.
    All die anderen kamen ungeschoren davon.
    Sie drehen uns die lange Nase, uns arbeitenden Bürgerturteln und dem Polizeipräsidenten, der sie laufen ließ.
    Gegen den Ruf nach einem massiveren Vorgehen der Polizei wendet sich im sozialistischen Parteiorgan NeuAZ ein mit OR gekennzeichneter Kommentar.
    Den Demonstranten selbst wird in der Neuen AZ ein Platz kilometerweit jenseits der Trennlinie zum demokratischen Protest zugewiesen.
    Nach Meinung von Peter Klar im ÖVP-Organ Neues Volksblatt hat sich die Polizei Donnerstagnacht vorbildlich verhalten.
    Sie ließ sich nicht provozieren und griff erst dann aktiv in das Geschehen ein, als dem sinnlosen Zerstörungsrausch eines rund 200 Personenstarken, zum Teil vermummten Kerns, anders nicht mehr begegnet werden konnte.
    Ein anderer Kreis kann sich laut Neues Volksblatt dagegen nicht aus der Verantwortung ziehen.
    Ganz wird man wohl auch jene nicht aus der Verantwortung entlassen können, die sich bislang als Lehrmeister für gewaltlose Demonstrationen betätigten, jetzt aber mit dem Ruf, das haben wir nicht gewollt, in die vorderste Reihe der Bedauerer stellen.
    Nicht zuletzt hat sich ja auch der grüne Peter Pilz, der letztes Jahr noch selber an der Opernballdemonstration teilnahm, gestern von den diesjährigen Auseinandersetzungen distanziert.
    Dies wird ihm im Kurier von Hans Rauscher zugute gehalten.
    Pilz hat völlig recht.
    Dieser relativ kleine, harte Kern war von Anfang an auf Gewalt aus und vertrat auch kein vernünftiges politisches Anliegen.
    Die Polizei verhielt sich zuerst zurückhaltend.
    Übrigens ein gutes Erbe Karl Blechers, der jedenfalls in diesen Belangen ein guter Krisenmanager war.
    Als dann die Brandbomben und Pflastersteine flogen, war angemessenes Vorgehen geboten.
    Der Opernball ist ein Ritual, aber jedenfalls ein harmloses.
    Die Gewaltdemonstrationen gegen den Opernball sind genauso ein Ritual, aber alles andere als harmlos.
    Soweit der Kurier.
    Nicht ohne am eigentlichen Ereignis selbst, dem Opernball, Kritik zu üben, distanziert sich auch Michael Graber in der kommunistischen Volksstimme von der Schlacht vor der Oper, wie er schreibt.
    Der Opernball sei nicht nur ein Ritual bürgerlicher Protzsucht und willkommener Anlass für steuerlich absetzbare Repräsentationsspesen.
    Er ist auch eine Lemurenversammlung, die auf der berechtigten Empörung, Betroffenheit und Wut tausender Jugendlicher und nicht nur Jugendlicher herumtrampelt.
    Und dennoch, bei allem Verständnis für das Bedürfnis, dem etwas entgegenzusetzen, wir sind gegen solche übrigens gar nicht so spontane Gruppen unter den sogenannten Autonomen, die ihre Energie in erster Linie ja fast ausschließlich auf die Konfrontation mit der Polizei orientieren.
    Noch einmal ein Blick in die Kronenzeitung.
    Hier meint Stabal, der betont, selber nie auf den Opernball gegangen zu sein oder je gehen zu wollen.
    364 Tage im Jahr beschert die Oper den Steuerzahlern ihr Horrordefizit.
    Just am 365.
    Tag aber, wenn einmal im Jahr ein Gewinn abfällt, machen die Krawallierer ihren Aufstoß.
    Derart volksverbunden sind sie.
    Und mit diesem Zitat endet die Inlandspresse schon als Nachlese zur Anti-Opernball-Demonstration in der Nacht von vergangenen Donnerstag auf Freitag.
    Jetzt noch einmal ins Ausland im Mittagsjournal.
    Am 7.
    Dezember des Vorjahres bebte in der Sowjetrepublik Armenien ohnehin vom Nationalitätenkonflikt erschüttert die Erde.
    Das Ausmaß wurde rasch weltweit bekannt.
    25.000 Tote, so die letzte offizielle Opferbilanz, hunderttausende Obdachlose.
    Eine rasch einsetzende und bis dahin beispiellose weltweite Hilfsaktion für die Opfer in Armenien lief an.
    Und an dieser Aktion war auch Österreich wesentlich beteiligt.
    Neben Roten Kreuz und anderen Hilfsorganisationen war auch das Bundesheer direkt in Armenien im Einsatz.
    Und durch Spendenaktionen wurden bereits Häuser für die Obdachlosen finanziert.
    Über den Stand der Hilfsaktionen ein Bericht von Franz Köstler aus Moskau.
    Zwei Monate nach der Katastrophe ist der Schock noch lange nicht überwunden.
    Leninakans, Bitaks, Stepanakans sind vom Lärm der Bagger erfüllt, die aufräumen und einebenen.
    Selbst die Gebäude, die noch stehen, sind meist baufällig und müssen abgerissen werden.
    Ein eisiger Wind wirbelt Staubwolken in die Höhe.
    Der Großteil der Bewohner hat die Städte verlassen.
    Die wenigen, die zurückgeblieben sind, starren noch immer mit ihren großen, traurigen, schwarzen Augen ins Leere.
    In Leninakan hat man in den Zelten Schulen eingerichtet.
    Die Kinder sollen wieder aktiv werden.
    Über das Erdbeben wollen sie nicht sprechen.
    Viele haben ihre Eltern, ihre Geschwister verloren.
    Auf dem provisorischen Friedhof Vorlehn in Akan vermitteln schwarze Tafeln einen Eindruck vom Ausmaß des Todes.
    Oft sind ganze Familien ausgelöscht worden, von der Großmutter bis zum Enkelkind.
    Die Kinder verarbeiten es in Gedichten, die sie dem ausländischen Besucher aufsagen und in denen die tragische Geschichte ihres Volkes besungen wird und sein Vermögen, sich trotz allem wieder aufzurassen.
    Die internationale Hilfe hat die Phase des unmittelbaren Rettungseinsatzes beendet.
    Langsam muss die Bevölkerung ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände nehmen.
    Eine internationale Hilfsorganisation schult armenische Ärzte im Gebrauch moderner medizinischer Geräte, die die europäische Gemeinschaft gespendet hat.
    Das Rote Kreuz baut Wasseraufbereitungsanlagen, die von den Eimerheimischen bedient werden können.
    Es wird an Ambulatorien und Notkrankenhäusern gebaut, die den armenischen Ärzten überlassen werden sollen.
    Das dringendste Problem aber ist jetzt, dass der Häuser die Flüchtlinge aus dem Erdbeben Gebiet wollen und müssen wieder zurück.
    Sie haben bei Verwandten Zuflucht gefunden, können dort aber nicht auf die Dauer leben.
    Doch der Wiederaufbau wird durch große Probleme behindert.
    Die ganze Gegend wird jetzt auf ihre geologische Beschaffenheit erforscht, um festzustellen, wo die am wenigsten erdbebengefährdeten Gebiete liegen.
    Dort sollen die Städte neu erstehen.
    Das erfordert jedoch Zeit und die Zeit drängt.
    Gestern wurde das Grundstück für das Österreichdorf ausgesucht, das durch eine Spendenaktion des Kurier finanziert wird.
    Private Personen und öffentliche Institutionen haben bisher an die 70 Einfamilienhäuser gestiftet, unter ihnen auch die Hörer von Ö3 und die Fernsehsendung Licht ins Dunkel.
    Ein Bauunternehmer hat ein Werk zur Fertigung der Häuser gestiftet und von österreichischer Seite könnte mit dem Bau schon in ein paar Wochen begonnen werden.
    Doch es fehlen die Infrastrukturen und einiges spießt sich an bürokratischen Schwierigkeiten.
    In drei Monaten aber hofft man, könnte das Österreichdorf in Lenina kann bezugsfertig sein.
    Am Stadtrand vermessen auch andere internationale Hilfsorganisationen den Baugrund für Notunterkünfte.
    In der Nähe von Jerewan soll ein Kinderdorf entstehen.
    Dringend Hilfe brauchen vor allem auch schwer verletzte Kinder, die in Zukunft auf Bein- und Armprothesen angewiesen sein werden und im armenischen Rehabilitierungszentrum nur mangelhaft versorgt werden können.
    Das größte Problem aber stellt die allgemeine psychische Depression dar, die die Armenier in der Folge der Erdbebenkatastrophe befallen hat und die durch die anhaltenden politischen und ethnischen Spannungen noch verstärkt wird.
    Die internationale Solidarität, die sich nach dem armenischen Erdbeben in einem außerordentlichen Ausmaß erwiesen hat, hat den Menschen zumindest wieder Hoffnung auf eine neue Zukunft.
    Franz Kössler war das aus Moskau.
    Elfeinhalb Minuten vor 13 Uhr.
    Wie Sie sicher schon in den Nachrichten gehört haben, ist der amerikanische Schauspieler und Regisseur John Cassavetes in der Nacht auf heute, 59-jährig, den Folgen einer Leberzirrhose erlegen.
    Als Darsteller wurde Cassavetes in Thrillern wie Rosemary's Baby bekannt.
    Weniger populär wurden die künstlerisch ungleich ambitionierteren Filme, die er selbst inszeniert hat.
    Hören Sie auf John Cassavetes einen Nachruf von Hans Langsteiner.
    John Cassavetes oder die Grenzen des Kinos.
    Kaum einer hat die drückenden Konventionen, die künstlerischer Kreativität im kommerziellen Filmbetrieb von heute aufgezwungen sind, so nachdrücklich erfahren müssen, wie der jetzt verstorbene John Cassavetes.
    Immer wieder hat er sich als Regisseur versucht.
    Immer wieder hat er mit seinen kleinen, sensiblen Kammerspielen auch großen Erfolg bei Festivals und Cineasten gehabt.
    Doch um geschäftlich überleben zu können, musste er, ähnlich wie auch ein Orson Welles, als Schauspieler oft weit unter seinem Wert arbeiten.
    Nicht alle Filme, denen Casavetes sein markantes Profil mit den tiefsitzenden, dunkelglühenden Augen lieh, waren in ihrer Art so geglückt wie Roman Polanskis »Rosemary's Baby«, der Casavetes zum Star machte.
    Streifen wie »Vom Teufel geritten« oder »Teufelskreis Alpha« weiteten Casavetes' düster-magnetische Ausstrahlung oft nur an der Oberfläche ihres Titels aus.
    Als Regisseur hat der als Sohn griechischer Einwanderer geborene New Yorker Casavetes nicht einmal ein knappes Dutzend Filme vollendet.
    Es waren unkonventionelle und wohl auch unkommerzielle Schauspielerfilme.
    nach Artes Cinema Verite mit nervöser Handkamera registrierte, improvisierte Momentaufnahmen aus dem amerikanischen Alltag, in denen Casavetes nicht selten seine Frau, die Schauspielerin Gina Rowlands, in den Vordergrund rückte.
    Titel wie »Eine Frau unter Einfluss«, »Premier«, »Gloria, die Gangsterbraut« oder »Love Streams« brachten John Casavetes Preise und Renommee, aber kein Geld ein.
    Es war ein beschwerlicher künstlerischer Weg, den Cassavetes da eingeschlagen hatte.
    Doch der Star nahm ihn auf sich.
    Er wollte, wie er vor fünf Jahren in einer Pressekonferenz erklärte, nie zum Establishment gehören.
    Auch dann nicht, als in sein Ruhm, gegen seinen Willen, nach 25 Jahren Filmbetrieb, schon längst eingeholt hatte.
    I never felt like Establishment.
    You know, the Establishment.
    Never have felt that.
    And then after a number of years, it's been 25 years or more of making films,
    Man kann nichts anderes sagen außer, dass man in irgendeiner Art und Weise erstaunlich ist.
    Man möchte es nicht sein, aber ich glaube, das ist das, was passiert.
    Dem neuen Hollywood, dem künstlerisch aufregenden Film aus Amerika, hat dieser John Cassavetes den Weg gewiesen, als es diesen Begriff noch gar nicht gab.
    Jetzt, wo in den Chefetagen der Filmindustrie längst nur noch der Rechenstift herrscht, wiegt ein künstlerischer und menschlicher Verlust wie der Tod des John Cassavetes doppelt schwer.
    Den Nachruf auf Gian Casavetes hat Hans Langsteiner verfasst.
    Österreichische Künstler sind zurzeit in Zürich gut vertreten.
    Im Schauspielhaus inszeniert Karel Barilla die Minderleister von Beta Turini, ein Stück, das am 1.
    Juni des Vorjahres im Wiener Akademietheater Uhr aufgeführt wurde.
    Auch österreichische Schauspieler sind an der Aufführung beteiligt.
    Dietmar Schönherr, Christian Spatzek und Stefan Barilla.
    Gegenüber dem Schauspielhaus im Kunsthaus findet eine Ausstellung der klassischen Moderne Österreich statt.
    Karl Parilla hat sieben Emigrantenjahre von 1938 bis 1945 in Zürich verbracht, aber seitdem nur einmal am Schauspielhaus inszeniert.
    Peter Turini hat für die Schweizer Erstaufführung eine geänderte Fassung erarbeitet, die heute Abend Premiere haben wird.
    Eva-Maria Klinger berichtet von den Proben in Zürich.
    Das Interesse an Turinis Minderleistern ist international.
    Das Stück wurde bereits auf einigen deutschen Bühnen nachgespielt, auch in Belgien und Aufführungen in England folgen demnächst.
    Für die Schweizer Erstaufführung heute Abend in Zürich wurden einige dramaturgische Retuschen vorgenommen.
    In welcher Hinsicht, erklärt zunächst der Autor Peter Turini.
    Dem Karl ging es immer wieder darum, auch einen Ausweg, auch einen Optimismus anklingen zu lassen.
    Und diese Anklänge sind jetzt in der Figur des Shakespeares drinnen.
    Das heißt, der Shakespeare hält beispielsweise zum Schluss nicht nur einen toten Monolog, nicht nur einen Trauergesang, sondern er spricht auch davon,
    wie er oder wie andere das hätten vermeiden können.
    Also das Stück kriegt sozusagen eine optimistischere Aussicht.
    Das ist eine der Grundänderungen.
    Die zweite Änderung lässt sich so allgemein schwer benennen, weil es Änderungen von einzelnen Textstellen, von Sätzen, von Dialogstellen sind.
    Und was glaubt der 83-jährige Vitale Karl Parilla an Veränderungen vorgenommen zu haben?
    in verschiedenen nicht sehr vordringlichen Momenten, sondern es ist hier Zürich und nicht Wien und nicht Stuttgart, sondern es ist Zürich und Zürich hat ein eigenes Publikum und auch eigene Einstellungen zum Problem der Arbeitslosigkeit und da muss man öfter deutlicher werden.
    wie bei uns in unseren Gegenden in Österreich und auch in Deutschland mit den Menschen umgegangen wird, so weit sind sie hier noch nicht.
    Und das Publikum des Zürcher Schauspielhauses bedarf da einiger Aufklärung.
    Es ist ein Unterschied zwischen den Menschen und den Behörden.
    so wie in Österreich und auch in Deutschland.
    Ich bin der Auffassung, dass die Menschen fortschrittlicher sind und schon weiter sind als die Behörden.
    Für das Schweizer Publikum ist das in Österreich brandaktuelle Thema der Entlassungen in der Stahlindustrie weniger konkret.
    Denn hier gibt es keine Stahlindustrie und die ohnehin geringe Arbeitslosigkeit betrifft nur Gastarbeiter.
    Wir sind aber sehr schnell drauf gekommen, dass es das Problem der Arbeitslosigkeit natürlich in der Schweiz auch gibt.
    Nur geht die Schweiz ein bisschen kaschierter, oder um es böse zu sagen, hinterfotziger damit um, indem die Arbeitslosen, die ja meistens Ausländer sind, halt schnell wieder exportiert werden.
    Das heißt, die verlieren ihre Aufenthaltsgenehmigungen und müssen das Land wieder verlassen.
    So malt Regisseur Karl Pariller ein Menethekel als Warnung vor der Zweidrittelgesellschaft auf die Bühne, das drastisch und beklemmend das Schicksal eines Gekündigten schildert.
    Der Stahlarbeiter Hans, dargestellt von Christian Spatzek, wird freigesetzt, wie es in der zynischen Betriebssprache heißt, weil es der Markt erfordert.
    Dann unterschreiben Sie die Kündigung!
    Unterschreiben?
    Ja, warum ich?
    Nicht persönlich.
    Nicht persönlich.
    Es liegt nicht an Ihnen.
    Nicht an Ihnen.
    Nein, nicht an dir.
    Es liegt nicht an mir.
    Es liegt am Markt.
    Mit dem Verlust der Arbeit verliert Hans aber auch seine Identität, die Liebe seiner Frau und die Freundschaft seiner Kollegen.
    Turini meinte mit dem Stück eine Parabel zu schreiben, weshalb er auch jeden Anklang von Dialekt vermeidet und manche Szenen und vor allem die Figur des Werksbibliothekars Shakespeare aus der Realität kippt.
    Parela eliminiert nun die Brüche ins Irrationale weitgehend.
    Shakespeare ist kein Gaukler zwischen den Welten, sondern einfach eine versoffene, vom Leben enttäuschte Randerscheinung.
    Dietmar Schönherr spielt ihn.
    Ich heiße William Shakespeare.
    William Shakespeare!
    Mir geht es glänzend.
    Wie geht es Ihnen?
    Kennen Sie noch ein Bier?
    Jawohl, Herr Shakespeare!
    Mir ist Europa auf den Kopf gefallen.
    Pariller erreicht mit seiner realistischeren Auffassung beklemmende Direktheit, deftige Lebensnähe.
    Er deutet nicht hintergründig, er inszeniert.
    So wie es geschrieben ist, es ist ja nicht nur eine Parabel, es ist ja auch von Turin aus ein realistisches Stück geschrieben worden.
    In den Pornofilmszenen vermeidet Pariller Drastik und deutliche Einblicke, schiebt etwa einen Stapel von Kartonagen vor die heiklen Aktionen.
    Dennoch befürchtet man in Zürich, dass sich manche Zuschauer an Obszönitäten stoßen werden.
    Premiere von Peter Tuorini ist die Minderleister heute Abend in Zürich.
    Nach diesem Bericht von Eva-Maria Klinger noch einmal ins Nachrichtenstudio.
    Afghanistan.
    Der sowjetische Truppenabzug aus Afghanistan wird offensichtlich planmäßig fortgesetzt.
    Er soll demnächst abgeschlossen sein.
    In dichtem Schneesturm hat das letzte, stärkere Armeekontingent die Hauptstadt Kabul verlassen.
    Nur eine kleine Nachhut ist zurückgeblieben.
    Drei Stunden lang rollten Panzer und Militärlastwagen auf der Überlandstraße Richtung Salang Pass.
    Dieser seit Wochen umkämpfte Pass ist die wichtigste strategische Verbindung nach Norden.
    Die muslimischen Widerstandskämpfer greifen nach wie vor Nahrungsmittel- und Sprengstofftransporte in die Hauptstadt an.
    China.
    Das geplante Gipfeltreffen zwischen China und der Sowjetunion soll Mitte Mai stattfinden.
    Auf diesen Termin haben sich Außenminister Schewadnazi und Chinas sogenannter starker Mann Deng Xiaoping in Peking geeinigt.
    Paraguay.
    Der neue Staatschef Andrés Rodríguez hat versprochen, die Menschenrechte zu achten und die Demokratie zu verwirklichen.
    Allgemeine Wahlen oder eine Amnestie kündigte der General nicht an.
    Auch erwähnte er nicht, wie lange er als vorläufiger Präsident amtieren wolle.
    Der entmachtete Diktator Strössner steht unter Arrest.
    Der Staatsstreich hat bis zu 250 Menschenleben gefordert.
    Nahe Osten.
    In den israelisch besetzten Gebieten ist es wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Israelis und Palästinensern gekommen.
    Im Gazastreifen kam ein 15-jähriger Palästinenser ums Leben.
    Im Westjordanland rangen Hunderte israelische Siedler in ein Palästinenser-Dorf ein und richteten Verwüstungen an.
    Anlass ihrer Empörung war die Verletzung eines jüdischen Kindes durch Steinwürfe von Palästinensern.
    Vereinten Nationen.
    Das Mandat der UNO-Militärbeobachter an der iranisch-irakischen Waffenstillstandslinie soll nach Ansicht von UNO-Generalsekretär Peres de Cuellar bis Ende September verlängert werden.
    350 UNO-Militärbeobachter aus 26 Ländern, auch aus Österreich, überwachen seit einem halben Jahr den Waffenstillstand an der 1200 Kilometer langen Front.
    Österreich.
    Der neue Kanzleramtsminister Harald Ettl hat in der Hörfunkreihe im Journal zu Gast eine Arbeitszeitverkürzung für Beamte befürwortet.
    Ettl sagte, mittelfristig werde es auch im Bereich der Beamten dazu kommen müssen.
    Im Hinblick auf seine Funktion als Vorsitzender der Gewerkschaft Textilleder und Bekleidung sagte der neue Kanzleramtsminister, es sei seine Grundeinstellung, sich immer als Gewerkschafter zu fühlen.
    Der Gewerkschaftsbund habe sich aber nicht bemüht, dass er in die Regierung komme.
    Und das Wetter für Österreich bis heute Abend in Tiefenlagen nebelig, trüb, sonst sonnig.
    Nachmittagstemperaturen 2 bis 10 Grad.
    Und damit schließt das Mittagjournal am Samstag.
    Im Namen von Redaktion und Technik verabschiedet sich Christel Reis nach einem angenehmen Nachmittag.
    Auf Wiederhören.

    Beiträge dieses Journals

    Nachrichten
    Mitwirkende: Riemerschmid, Wolfgang [Sprecher/in]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Wetterbericht
    Mitwirkende: Riemerschmid, Wolfgang [Sprecher/in]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Natur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Schlechte Schneesituation im Süden: Kärnten
    Mitwirkende: Primosch, Bernhard [Gestaltung]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Wissenschaft und Forschung ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Schlechte Schneesituation im Süden: Schweiz
    Mitwirkende: Trütsch, Hans-Peter [Gestaltung]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Wissenschaft und Forschung ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Schlechte Schneesituation im Süden: Südtirol
    Mitwirkende: Gasser, Richard [Gestaltung]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Wissenschaft und Forschung ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Aktuelle Lage in Afghanistan
    Mitwirkende: Denecke, Hermann [Gestaltung]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Vergleich der Reformen in China und der UdSSR
    Mitwirkende: Schüller, Christian [Gestaltung]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Im Journal zu Gast: Harald Ettl
    Interview: neuer Gesundheitsminister Ettl
    Mitwirkende: Brunner, Ulrich [Gestaltung] , Ettl, Harald [Interviewte/r]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Inlandspresseschau zu Opernball-Demo
    Mitwirkende: Langer, Waltraud [Gestaltung]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Österreichhilfe für Erdbebengebiete in Armenien
    Mitwirkende: Kössler, Franz [Gestaltung]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Nachruf John Casavetes
    Einblendung: Regisseur Cassavates
    Mitwirkende: Langsteiner, Hans [Gestaltung] , Casavetes, John [Interviewte/r]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Film ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Kultur: Turrinis "Die Minderleister" in Schweizer Fassung
    Einblendung: Autor Turrini, Regisseur Paryla, Probenausschnitte
    Mitwirkende: Klinger, Eva Maria [Gestaltung] , Turrini, Peter [Interviewte/r] , Paryla, Karl [Interviewte/r]
    Datum: 1989.02.04 [Sendedatum]
    Ort: Zürich [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Theater ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten

    Katalogzettel

    Titel Mittagsjournal 1989.02.04
    Spieldauer 01:00:01
    Mitwirkende Reiss, Christl [Moderation]
    ORF [Produzent]
    Datum 1989.02.04 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-890204_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal

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    Nachrichten

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    Schlagworte

    Gesellschaft , Radiosendung-Mitschnitt
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