Mittagsjournal 1989.05.29

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    Rechtliches

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    KI-generiertes Transkript

    Die Zeit in fünf Sekunden ist es 12 Uhr.
    12 Uhr.
    Hier ist der österreichische Rundfunk.
    Guten Tag und willkommen beim Montag-Mittag-Journal.
    Durch die Informationsstunde führt sie heute.
    Louis Glück.
    Die wichtigsten Beiträge kommen aus dem Ausland und die Anlässe sind der Brüsseler NATO-Gipfel, der im Zeichen des Raketenstreites begann, das Abeppen der chinesischen Protestwelle, die parlamentarischen Gehversuche der Sowjets,
    Die Absage des ungarischen Politbüro-Mitglieds Poshgoy generell an den Kommunismus und ein bemerkenswertes Umweltministertreffen in Prag.
    Inland Pressekonferenz von Außenminister Alois Mock über die Pariser Menschenrechtskonferenz im Rahmen des KSCD-Prozesses, die morgen beginnt.
    Und der verstaatlichten Sprecher der Freiheitlichen Partei, Holger Bauer, behauptet unter Berufung auf den Rechnungshof einen Zuschutzbedarf von Steyr-Daimler-Puch
    von 15 Milliarden Schilling.
    Kultur, eine Wiener Festochen-Ausstellung über den Einfluss der freudschen Psychoanalyse auf die Kunst.
    Vorerst der Nachrichtenüberblick.
    Hans-Christian Scheidt hat die Redaktion, und Sprecher ist Wolfgang Riemerschmidt.
    China.
    Die chinesische Führung hat jetzt offenbar ihren Druck auf die Protestbewegung verschärft.
    Heute haben Armeetruppen ein großes Stahlwerk in Peking besetzt, um so die Teilnahme von Arbeitern an Protestkundgebungen zu verhindern.
    Zugleich hat heute die von der Parteiführung eingesetzte Oberste Zensurkommission ihre Tätigkeit aufgenommen.
    Die Arbeitsgruppe zur Überwachung der Medien ist mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und soll alle der Stabilität und Einheit Chinas zuwiderlaufende Informationen verbieten.
    Die Zentralredaktionen der amtlichen Nachrichtenagentur Neues China sowie des Rundfunks und Fernsehens in Peking wurden unterdessen unter verstärkte Armeebewachung gestellt.
    Belgien.
    Die Vereinigten Staaten wollen den NATO-Verbündeten eine Reduzierung der amerikanischen Truppen in Europa um 14 Prozent vorschlagen.
    Zurzeit sind 320.000 amerikanische Soldaten in Europa stationiert.
    Angestrebt wird ferner eine Verringerung der Anzahl von Flugzeugen und Hubschraubern der westlichen Allianz und des Warschauer Paktes um 10 bis 15 Prozent.
    Wie aus NATO-Kreisen verlautet, soll die Aufnahme von Verhandlungen über atomare Kurzstreckenraketen mit dem Abschluss der konventionellen Rüstungskontrollverhandlungen in Wien verknüpft werden.
    Diese Vorschläge, die Präsident Bush den Bündnispartnern zum Auftakt des Gipfeltreffens in Brüssel unterbreiten will, werden die Diskussionen der NATO-Tagung beherrschen.
    Die 16 Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten sind in den Vormittagsstunden zu ihrer ersten Sitzung zusammengetreten.
    Geplant ist auch die Veröffentlichung einer gemeinsamen Erklärung mit der Forderung, die Teilung Europas zu überwinden und einen zu mehr Demokratie und Menschenrechten führenden Wandel in der Sowjetunion und den osteuropäischen Staaten zu unterstützen.
    Sowjetunion
    Der Kongress der Volksdeputierten hat am Vormittag in Moskau seine Tagung wieder aufgenommen.
    Die Debatte wird vom sowjetischen Fernsehen übertragen.
    Der von Staats- und Parteichef Gorbatschow zur Wiederwahl vorgeschlagene erste stellvertretende Vorsitzende des Präsidiums des obersten Sowjets, Anatoly Lukjanov, sprach sich bei der Eröffnung der Sitzung für eine Änderung der Gesetzgebung über Demonstrationen aus.
    Lukjanov bezeichnete den Einsatz von Gewalt bei der Niederschlagung der Demonstration von georgischen Nationalisten in Tiflis als unzulässig.
    Bei der seinerzeitigen Demonstration wurden nach amtlichen Angaben 20 Menschen getötet.
    Lukjanov schlug außerdem etwa 50 neue Gesetze zur Verabschiedung vor.
    Unter anderem sollen Jugendfragen, die Rentenregelung sowie die Pressegesetzgebung neu definiert werden.
    Ungarn.
    Der als Reformer geltende Staatsminister Imre Poschgoy strebt offenbar die Bildung einer neuen Partei in Ungarn an.
    In einem Interview mit dem amerikanischen Sender Radio Free Europe sagte Poschgoy wörtlich, das System des Kommunismus müsse hinweggefegt werden.
    Eine Reform der gegenwärtigen kommunistischen Praxis in der Sowjetunion und in Osteuropa sei unmöglich.
    Er ziehe die Bildung einer neuen Partei auf der Basis sozialistischer und sozialdemokratischer Ideen einer Reform der kommunistischen Partei vor, sagte der führende ungarische Politiker.
    Schweden.
    Mehr als drei Jahre nach der Ermordung von Ministerpräsident Ulof Palme will die Staatsanwaltschaft heute Anklage gegen den mutmaßlichen Attentäter erheben.
    Die Anklagevertreter halten den 42 Jahre alten Christa Petterson für schuldig, Palme im Februar 1986 nach einem Kinobesuch in Stockholm erschossen zu haben.
    Die Urteilsfindung in dem auf vier bis sechs Wochen angesetzten Prozess wird allerdings dadurch erschwert, dass bisher nur Indizienbeweise vorliegen.
    Die Polizei will Zeugen präsentieren, die Petterson in der fraglichen Nacht vor dem Kino gesehen haben wollen.
    Petterson bestreitet die Tat.
    Österreich.
    FPÖ-verstaatlichen Sprecher Holger Bauer sieht ein Finanzdebakel bei der Stirn Steier-Daimler-Puch vor.
    Unter Berufung auf einen Rohbericht des Rechnungshofes erklärte Bauer, der Konzern benötige eine Finanzspritze von 15 Milliarden Schilling.
    Der FPÖ-Politiker fordert den Rücktritt von Finanzminister Latziner, da dieser die Kontrolle der Sanierung von Steier-Daimler-Puch vernachlässigt habe.
    Heute hat die Eintragungswoche für das Volksbegehren zur Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen von zurzeit 30 auf 25 Schüler begonnen.
    Das Volksbegehren ist von einem überparteilichen Komitee eingeleitet worden und wird von Familien-, Jugend-, Lehrer- und Schülerorganisationen aus allen politischen Lagern unterstützt.
    Heute hat der österreichische Bundesjugendring in einer Aussendung zur Unterzeichnung des Volksbegehrens aufgerufen.
    Unterrichtsministerin Havlicek lehnt die Forderung des Volksbegehrens als nicht realisierbar ab.
    Nach ihren Angaben würde eine Erfüllung dieses Wunsches den Staat jährlich drei Milliarden Schilling zusätzlich kosten.
    Die Wetteraussichten bis morgen früh.
    Am Nachmittag und abends bei zum Teil starker Quellwolkenentwicklung örtlich heftige Gewitter.
    während der Nacht wieder Bewölkungsrückbildung.
    Schwacher im Gewittern böig auffrischender Wind.
    Nachmittagstemperaturen 20 bis 26 Grad, Frühwerte 9 bis 16 Grad.
    Die Aussichten für Dienstag.
    Nach Auflösung von Bewölkungsresten zunächst wieder sonnig und warm.
    In der Folge Quellwolkenbildung und aufkommen teils gewittriger Regenschauer.
    Schwacher im Gewittern böig auffrischender Wind.
    Frühtemperatur 9 bis 16 Grad, Tageshöchstwerte 20 bis 27 Grad.
    Die Vorschau auf übermorgen Mittwoch keine wesentliche Änderung.
    Die Messwerte abgelesen um 12 Uhr.
    Wien wolkenlos 22°, Eisenstadt wolkenlos 21°, St.
    Pölten heiter 21°, Linz heiter 20°, Salzburg heiter 22°, Innsbruck stark bewölkt 19°, Westwind 25 km in der Stunde, Bregenz stark bewölkt 18°, Graz heiter 21° und Klagenfurt heiter 20°.
    12.08 Uhr ist es jetzt und zu Beginn des Beitragsteils im Journal wie angekündigt Ausland.
    Die NATO wird 40 und feiert dieses Jubiläum heute und morgen im Brüsseler Hauptquartier mit einem Treffen der Staats- und Regierungschefs ihrer 16 Mitgliedsländer.
    Die größte Friedensbewegung der Welt hat Generalsekretär Manfred Wörner die Westallianz einst unter Hinweis auf die europäischen Friedensjahrzehnte seit 1945 genannt.
    Aber im Inneren des Bündnisses herrscht am Geburtstag wenig Eintracht und deshalb auch wenig festes Freude.
    Denn die Kontroversie um Aufrüstung oder Abrüstung bei den Kurzstrecken-Atomraketen spaltet die Bündnispartner.
    Der Hintergrund sind die divergierenden strategischen Interessen.
    Kleinere Atomwaffen in Europa bedeuten für die Amerikaner die Option eines auf den alten Kontinent begrenzbaren Nuklearkonfliktes ohne Einsatz der US-Langstreckenpotenziale.
    Wird aber Europa atomwaffenfrei, Stichwort 3.0-Lösung, dann gibt es kein reduziertes Risiko für die Vereinigten Staaten mehr.
    Das wollen die Deutschen, sie wollen deshalb mit dem Osten über den Abbau der Raketen bis 500 Kilometer Reichweite verhandeln.
    Bonn hat in der NATO ja überhaupt eine Sonderrolle, strategisch der Frontstaat, vollbepackt mit 4000 Atomsprengköpfen, ohne Selbstatommacht zu sein, also ohne Mitsprache über deren Einsatz.
    Nun aber will sich die Bundesrepublik aus vitalen Nationalinteressen heraus vom Status einer Militärkolonie der Amerikaner emanzipieren.
    Sinkende Bedrohung aus dem Osten durch Gorbatschows Friedenspolitik soll die NATO zu neuen Antworten bringen, meint Wortführer Hans-Dietrich Genscher.
    Denn, wie ein deutsches Wochenblatt jüngst jubelte, die Nachkriegszeit ist zu Ende.
    Aus Brüssel Helmut Brandstätter und Klaus Emmerich.
    Bevor es doch so richtig losging, fand bereits die erste Kopfwäsche statt.
    Nicht, wie vielfach erwartet, durch Präsident Bush bei Bundeskanzler Kohl wegen des tiefgehenden Streits um Kurzstreckenraketen, sondern durch Bush bei Turgut Öcal, dem Premier der Türkei.
    War doch an der allezeit empfindlichen Südflanken
    der 16.
    Allianz der NATO dieser Tage eine Panne passiert, die die Amerikaner und mit ihnen die Luftwaffenchefs der West-Allianz so sehr verärgerte, dass der amerikanische Präsident sich der Sache beim Frühstück annahm.
    Eine MiG-29 diente einem sowjetrussischen Deserteur als Transportmittel von Ost nach West.
    Das neueste Kampfflugzeug des Ostens, vier Jahre in Produktion, aus dem noch nie ein Exemplar dem Westen zugänglich war,
    wurde nach wenigen Stunden retuniert, ohne dass amerikanischen Experten der betenden Blick in modernste russische Technologie erlaubt worden wäre.
    Skandal, sagt Washington, Politik, sagt die Türkei.
    Ein bezeichnender Zwischenfall für viele der Spannungen im jederzeit spannungsreichen Westbündnis, wo es seit 40 Jahren darum geht, wer das Sagen hat, wer anschafft, wer zahlt und wer die Einigkeit auf sich nimmt.
    Kein Wunder, dass NATO-Generalsekretär Wörner bei seiner strammen Eröffnungsrede meinte, der Schlüssel zur erfolgreichen Ost-West-Beziehungen liege beim erfolgreichen Management der West-West-Beziehungen.
    Es gehe um Einigkeit.
    Geteilt werde die NATO Opfer von Entscheidungen anderer.
    The key to successful management of East-West relations is the successful management of West-West relations.
    Only if we remain united.
    will we determine events.
    Divide it.
    Niemand widerspricht, wenn heute hier im NATO-Hauptquartier in Brüssel am Anfang des Gipfels wenig von Selbstlob und viel von Krise, Krach und Selbstzweifel die Rede ist, vor allem mangels Antworten auf die Dynamik von Mikhail Gorbatschow im Allgemeinen und das amerikanisch-westdeutsche Raketendilemma im Besonderen.
    Zum Jubeln bleibt wenig Zeit und Laune, die Erfolgsstory, als sie sich die NATO versteht, verblasst.
    Während kaum jemand daran glaubt, dass der hausgemachte Zwist Washington-Bonn so schnell beigelegt wird, fehlt es nicht an düsteren Vergleichen.
    Die NATO sei vor 40 Jahren unter dem Eindruck sowjetrussischen Vordringens mit gehorsamem Kommunismus in Prag und auch zur Kontrolle der Westdeutschen entstanden.
    Dann hätten sich die Bonner zum Musterknabe entwickelt und nun drohe das alte System zu wanken, ohne dass zündende Ideen des Westens zur Verfügung stehen.
    Personifiziert erscheint vielen hier die Spannweite zwischen Möglichkeiten und Risiko der NATO, der westdeutsche Außenminister Genscher.
    Es war ein Zufall, dass der Parteitag der FDP genau einen Tag vor dem Brüsseler NATO-Gipfel stattfand.
    Ein Zufall, den sich der Hoffnungsträger der Liberalen, Außenminister Genscher,
    Genscher aber geschickt zunutze machte.
    Bei den zweitägigen Genscher-Festspielen wurde die Linie der Bonner Koalition im Raketenstreit noch einmal so festgeklopft, dass Bundeskanzler Kohl, der ja kompromissbereit war, hier gar nicht anders kann, als die ursprüngliche Linie der Regierung zu vertreten, wenn er die derzeitige Koalition aufrechterhalten will.
    Die Bundesregierung will so bald wie möglich über die atomaren Kurzstreckenraketen verhandeln.
    Nicht erst bis Ergebnisse der Wiener Gespräche über konventionelle Abrüstung umgesetzt sind, wie die Amerikaner sagen.
    Und die Deutschen wollen auch nicht ausschließen, dass am Ende der Verhandlungen eine Nulllösung herauskommt.
    Die Abschaffung aller Kurzstreckenraketen in Europa.
    Da sich die Amerikaner diesen Forderungen nicht anschließen werden, könnte das so gut wie fertiggestellte NATO-Gesamtkonzept zur Abrüstung hier beim Geburtstagsgipfel nicht verabschiedet werden.
    Ein Eklat zum runden Geburtstag.
    Dabei wissen natürlich auch die Deutschen, dass es nicht so sehr um ein paar Raketen geht, sondern vielmehr darum, dass Bonn nicht mehr den Musterknaben des westlichen Bündnisses spielen will, der bei amerikanischen Vorschlägen in jedem Fall zustimmt.
    Noch dazu, wo Deutsche und Amerikaner die Chancen auf Veränderungen im Osten unterschiedlich einschätzen.
    Die Regierung in Bonn zu mehr vor allem wirtschaftlicher Unterstützung der Perestroika bereit ist, als die in Washington.
    Zweifellos ist durch Gorbatschows Abrüstungsvorschläge in der Bundesrepublik die Hoffnung gewachsen, zu einem offeneren Verhältnis mit dem anderen deutschen Staat, mit der DDR zu kommen.
    Dass in den USA da gleich Befürchtungen auftauchen, ein wiedervereinigtes, wirtschaftlich überlegenes Deutschland werde wieder eine Gefahr für den Weltfrieden sein, kann man in Bonn nicht verstehen.
    NATO-Generalsekretär Wörner hat heute in seiner Eröffnungsansprache von großen
    Möglichkeiten und großen Risiken gesprochen, die durch den Veränderungsprozess in Osteuropa entstünden.
    Nur, die Deutschen und die kleineren europäischen NATO-Staaten sehen mehr die Möglichkeiten, politisch wie wirtschaftlich.
    Die Amerikaner mehr die Risiken.
    Die Deutschen aber wollen zum 40.
    Geburtstag der NATO wie unter Erwachsenen mitsprechen.
    Und diese Rolle der Bundesrepublik ist nicht allen im westlichen Bündnis geheuer.
    Der Auftrag des NATO-Gipfels und die Frage bleibt also, ob es Einigung geben kann im aktuellen Raketenstreit zwischen Washington und Bonn, Viertel 1.
    Sieben Jahrzehnte nach der Oktober-Revolution macht die UdSSR in diesen Tagen ihre ersten parlamentarischen Gehversuche.
    Der Kongress, der zum ersten Mal mehrheitlich wirklich von Volk gewählten Volksdeputierten tagt.
    Es ist eine Frage des Maßstabs, ob man das für einen geschichtlichen Durchbruch hält oder bloß für alten Wein in neuen Schläuchen.
    Denn einerseits herrscht das freie Wort aus einer Abstimmungsmaschine, wurden selbstbewusste Abgeordnete, die Räte haben zwar nicht allmacht, wie die Losung von 1917 hieß, aber doch einen Teil.
    Andererseits fühlen sich die progressiven Reformer hereingelegt.
    von Geschäftsordnungstrickster Konservativen, Provinzdelegierte ohne jede demokratische Ambition feiern Abstimmungssiege über die Helden der Perestroika.
    Hitzköpfe wie Boris Jelzin bleiben da auf der Strecke.
    Franz Köstler live aus Moskau.
    ist die Auseinandersetzung so heftig geworden, dass bereits Stimmen laut werden, die Live-Übertragung im Fernsehen auszusetzen.
    So hart und rücksichtslos ist die Kritik, dass viele schon die Autorität des Staates selbst wanken sehen.
    Viele Sowjetbürger haben sich in den Instituten und Betrieben Urlaub genommen, um der ungewohnt freien Rede zu folgen, die ohne Zurückhaltung die Glaubwürdigkeit der obersten Führung des Landes infrage stellt.
    Auf den Plätzen Moskaus hat sich gestern der Unmut über die Vorgangsweise der eindeutig konservativen Mehrheit des Kongresses Luft gemacht, die bei der Wahl des ständigen 450-Mann-starken Parlaments die kritische Minderheit einfach hinausgewählt hat.
    Besonders empört ist die Volksseele darüber, dass der Held des Anti-Establishments Paris Hielsen diesem Mechanismus zum Opfer gefallen ist, obwohl er wie kein anderer in diesem Kongress von sechs Millionen Wählern plebiszitär zum Deputierten gewählt worden war.
    70.000 Menschen protestierten gestern im Luschniki-Park gegen den Ausschluss des Partei-Rebellen aus dem Organismus, der ein weit bedeutenderes politisches Gewicht hat als der Kongress selbst.
    Für viele Redner beweist die Präpotenz der Mehrheit, wie wenig Demokratie es noch immer gibt in der Sowjetunion.
    Andrei Sacharow, die wohl gewichtigste Stimme der kritischen Fraktion, stellt eine tiefe Vertrauenskrise fest.
    Das Volk misstraut der Macht, sagte Sacharow, der jetzt als Deputierter der Akademie der Wissenschaften im Kongress sitzt, und die Macht misstraut dem Volk.
    Wie tief dieses Misstrauen sitzt, kann man seit heute früh wieder im Fernsehen live miterleben.
    Seit Stunden war die gesamte kritische Riege mobilisiert, um die Wahl des stellvertretenden Präsidenten zu blockieren.
    Gorbatschow hat dem Namen der Parteiführung das Politbüromitglied Anatoly Lukjanov als seinen Stellvertreter vorgeschlagen.
    Das Sperrfeuer der Kritiker war am Samstag jedoch so heftig, dass die Wahl auf heute verschoben werden musste.
    Heute aber war die peinliche Befragung Lukianows nur noch umso heftiger.
    Denn in ihm sehen viele Deputierte den Hauptverantwortlichen für jene repressiven Maßnahmen der Staatsführung, die in den letzten Monaten wieder Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Demokratisierungspolitik haben aufkommen lassen.
    Wie etwa ein Dekret, das antisowjetische Kundgebungen und Meinungsäußerungen unter Strafe stellt und damit der alten Willkür wieder Tür und Tor öffnet.
    Oder aber die Entscheidung, das Militär gegen die Demonstranten in Georgien einzusetzen.
    Eine Operation, bei der 21 Menschen getötet worden sind.
    Immer wieder kommt aus den Reihen der Deputierten die peinliche Frage, wer hat für das eine und das andere verantwortlich gezeichnet?
    War es Lukianow, den Gorbatschow sich als Stellvertreter wünscht?
    Und wenn er es nicht war, wer war es dann?
    Hartnäckig bewahrt die Führung das Geheimnis und verliert vor aller Öffentlichkeit das Gesicht.
    Selbst Gorbatschow kann sich des Prestigeverlusts kaum erwehren.
    So als hätten sie nicht erst seit gerade drei Tagen parlamentarische Erfahrung, bohren die kritischen Deputierten immer wieder nach.
    Sie wollen sich nicht mit vagen Auskünften zufriedengeben, sie wollen eine präzise Antwort haben.
    Die Führung, seit 70 Jahren an unkontrollierte Herrschaftsausübung gewöhnt, ist spürbar in großer Verlegenheit.
    Aus der konservativen Mehrheit kommen immer wieder Missfallensäußerungen über diesen unerhörten Angriff auf die Autorität von Partei und Staat.
    Und vor gerade wenigen Minuten hat diese Mehrheit Lukianow nun doch als Stellvertreter durchgesetzt.
    Die parlamentarischen Spielregeln, zu denen man sich bekannt hat, haben jedoch erzwungen, dass sie vorher der öffentlichen Demontage der Autorität der Macht geduldig hat beiwohnen müssen.
    Ja, auf ihre Art haben die Russen offenbar auch schon ihr Mehrparteien-System.
    Und von den Problemen, die unter anderem ein Boris Jelzin hat, jetzt zu dessen ungarischem Pendant, Imre Pozsgoy.
    Der Staatsminister mit Politbüro-Sitz ist vermutlich der radikalste Reformer im ganzen Ostblock.
    Weg mit dem eisernen Vorhang, Mehrparteien-System, Privatwirtschaft, all das verficht der im Westen besonders begehrte Interviewpartner seit langem.
    Doch in letzter Zeit steigert Porschgoy die Dosen seiner scharfen Rhetorik immer mehr.
    Nach dem offenen Aufruf, Parteichef Gross abzulösen, geht er nun mit dem ganzen kommunistischen System beispiellos ins Gericht.
    Abschaffen und einen sozialdemokratischen Weg gehen, sagte er in Radio Free Europe.
    Karl Stibschitz berichtet.
    Es war damals nicht mehr der Städtenelefon des Kommunistpartners.
    Wenn ich an die Spitze der Partei käme, dann ist das nicht mehr eine kommunistische, sondern eine europäische sozialistische Partei.
    Egal, ob die Partei als Ganze auf neue Schienen gestellt wird oder ob dies durch eine Spaltung geschieht.
    Ich kann mir nur eine solche Partei erfolgreich vorstellen, die sich dem Volk anpasst und dem europäischen Denken.
    Eine solche Partei kann nicht an den verschrobenen und abstrakten Idealen und Erfahrungen der Kommunisten sich orientieren.
    Wir orientieren uns an den Vorbildern der Sozialisten und Sozialdemokraten in Italien, in Schweden, Frankreich, Österreich und der Bundesrepublik Deutschland.
    Imre Poschgoy hat diese Worte ganz bewusst gewählt.
    Seit mehr als einem Jahr gibt er die Themen der ungarischen Politik vor.
    Imre Poschgoy war es, der kürzlich zu einer Umbewertung der Ereignisse von 1956 aufgerufen hat.
    Die kommunistische Parteiführung musste sich dann wochenlang die Köpfe über eine Kompromissformel zerbrechen.
    Nun ist Imre Pozskoi wiederum der Erste, der offen ausspricht, was vielen Ungarn schon seit Monaten klar ist.
    Die Tatsache, dass mit dieser kommunistischen Partei kein Staat mehr zu machen ist.
    Der einzige Grund für das Weiterbestehen der Kommunisten in ihrer heutigen Form ist die Furcht vor einem Machtvakuum.
    Die vielen politischen Zirkel, Organisationen und Vereine sind noch viel zu schwach, um verantwortliche Funktionen im Staat übernehmen zu können.
    Imre Bozsgoy ist als Staatsminister Mitglied der Regierung und de facto der zweite Mann an der Spitze der kommunistischen Partei.
    Daneben aber hat er seine eigene Organisation aufgebaut.
    Das Demokratische Forum hat rund 14.000 Mitglieder und ist als einzige nicht-kommunistische Organisation im ganzen Land vertreten.
    Die Ideologie dieser noch Nicht-Partei ist leicht nationalistisch gefärbt, außenpolitisch strebt die Portugal-Bewegung die Neutralität an.
    Ein klares Programm zur Sanierung der Wirtschaft hat auch diese Organisation nicht.
    Der Zerfall der regierenden kommunistischen Partei in mehrere Fraktionen, aus denen dann eigene Parteien entstehen können, scheint kaum noch aufzuhalten.
    Erst kürzlich hat der junge Premierminister Miklos Nemeth seine Regierung als Reformzentrum bezeichnet, um sie von der verschlissenen ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei, wie sich die Kommunisten nennen, abzuheben.
    Der rasche Zerfall der ungarischen Kommunisten ist kein ermutigendes Beispiel für die Reformen in Osteuropa, aber ein Zeichen für den jahrzehntelang aufgestauten Unmut, der sich nun mit voller Kraft entlädt.
    Heute muss das ungarische Zentralkomitee darüber befinden, ob der nach 1956 hingerichtete Premierminister im Rheinland-Pfalz politisch rehabilitiert wird.
    Am 16.
    Juni werden die Opfer des Aufstandes von 1956 feierlich bestattet.
    Wird neu und mit ihm der antisowjetische Aufstand rehabilitiert, so muss die kommunistische Geschichte grundlegend umgeschrieben werden.
    Nicht nur in Budapest, sondern von Ostberlin bis Peking.
    Karl Stipschitz hat über das bisher stärkste Interview von Imre Porschkoy berichtet.
    Übrigens, laut Umfragen würden 70 Prozent der Ungarn sich Porschkoy als ihren Staatschef wünschen.
    Vermutlich deshalb, weil er offenbar gar kein Kommunist mehr ist.
    Es ist vorbei, der Pekinger Mai, die heroischen Tage auf dem Tiananmen-Platz, der dramatische Hunger streikt der Studenten, die breite Protestbewegung, die zehn Tage dem Kriegsrecht trotzte.
    Resignation macht sich breit.
    Zhao Ziyang, der Protektor der Reformwilligen, ist entmachtet unter Hausarrest und vor einer Anklage wegen Verrates.
    Das Regime bagatellisiert die Massenaufmärsche, die eine Handvoll Unruhestifter angezettelt hätten.
    Trotzdem meinen viele Kenner, dass die alten Herren in Peking einen Pyrus-Siegerungen haben.
    Die Unzufriedenheit bleibt und wird sich wieder entladen.
    Die drei Hauptforderungen, Weg mit der wuchenden Korruption, politische Freiheit und materielle Besserung, bleiben ebenso unerfüllt wie aktuell.
    Aus Peking mit dem Neuesten, Helmut Opletal.
    Fast so wie in den dramatischen Monaten von 1976, vor 13 Jahren, als Deng Xiaoping abgesetzt wurde, als Mao starb und die Viererbande stürzte.
    Jeden Abend sitzen die Chinesen jetzt wieder vor dem Fernsehgerät und warten auf offizielle Nachrichten, auf Hinweise, wer noch an der Macht ist, wer sich hinter die neue Führung um Lipang gestellt hat und wer Posten und Einfluss verloren hat.
    Sie warten auf zwischen den Zeilen versteckte politische Botschaften über Nuancen des offiziellen Kurses.
    Bis jetzt sind die Hinweise allerdings dürftig.
    Nicht einmal der Sturz von Parteichef Zhao Zeyang ist bisher über die offiziellen Medien verlautbart worden.
    Kein Wunder also, dass weiter allerlei Gerüchte herumschwirren über Säuberungen, geplante schwarze Listen, internen Widerstand.
    Wenig davon ist aber anhand von Fakten wirklich überprüfbar.
    In den Tagen nach der Verhängung des Ausnahmezustands über Peking sind die wichtigsten Massenmedien unter militärische Kontrolle gestellt worden und damit auch wieder unter strenge Zensur.
    Bei der Volkszeitung, in den Fernseh- und Radiostudios, bei der staatlichen Nachrichtenagentur und zumindest bei den großen Tageszeitungen auch in den anderen Provinzen rückten jeweils mehrere hundert Soldaten ein.
    Offiziere überwachen seither die Redaktionen,
    die Druckanlagen und die Sendeeinrichtungen.
    Wichtige Meldungen werden direkt von den Propaganda-Verantwortlichen der neuen Führung geliefert.
    Alles übrige muss zumindest der Zensur vorgelegt werden.
    Beim Pekinger Fernsehen wurde Saboteuren, die Sendeeinrichtungen unbenützbar machen, sieben Jahre Haft angedroht.
    Die Radio- und Fernsehnachrichten werden nicht live, sondern nur voraufgezeichnet ausgestrahlt.
    Trotz dieser schrittweisen Gleichschaltung, die kaum mehr unabhängige Informationen ermöglicht, versuchen viele Journalisten bis heute, auf den ersten Blick unauffällig kritische Berichte zu platzieren, Sympathie für die Protestbewegung auszudrücken oder auch die offizielle Informationspolitik lächerlich zu machen.
    Sogar das Parteiorgan Volkszeitung brachte vor zwei Tagen zwei Artikel, die genau das Gegenteil aussagten.
    Einen, dass viele Studenten von auswärts, so wie es die Pekinger Regierung wünscht, Peking verlassen und nach Hause zurückkehren.
    Und gleich daneben einen zweiten Bericht, dass immer noch viel mehr Studenten in Peking ankommen, um sich den Protesten anzuschließen.
    Die englischsprachige China Daily bringt auf ihrer Wirtschaftsseite regelmäßig Berichte über die negativen Auswirkungen der Situation in China auf das Ausland.
    dass viele Touristen ihre Reisen storniert haben, dass in Hongkong die Börsenkurse gepurzelt sind und dass viele Ausländer und ausländische Firmen in China aus Angst ihre Devisen von den Konten bei der chinesischen Staatsbank abgehoben haben.
    Die fremdsprachigen Publikationen entgehen offensichtlich leichter der Zensur.
    Die englischsprachige Ausgabe der Wochenzeitung Peking Rundschau etwa, die heute auf den Markt gekommen ist, ist voll von Spitzen gegen das Kriegsrecht und die dafür verantwortlichen Politiker.
    Der Ausnahmezustand sei unpopulär und werde vom Volk abgelehnt, liest man da.
    Über viele Seiten hinweg wird die Studentenbewegung gelobt und, denk sie auch, Bing wird sogar als Tatterkreis bezeichnet, der jetzt ernte, was er gesät hat.
    In den chinesischsprachigen Publikationen sind solche Akte zivilen Ungehorsams inzwischen seltener geworden.
    Aber auch dort halten sie weiter an und zeigen zumindest, dass es die Verfechter der harten Linie, die jetzt in China an der Macht sind, sehr, sehr schwer haben werden, den politischen Apparat wirklich auf ihre Seite zu ziehen oder zumindest unter Kontrolle zu bringen.
    Da hat die weit in die Staats- und Parteiorganisationen hineinreichende Bürgerprotestbewegung der letzten Wochen
    offensichtlich doch Denkprozesse, Zivilcourage und politische Verhaltensweisen ausgelöst, gegen die die neuen Machthaber auch auf längere Sicht nicht so leicht ankommen.
    Die Vorgänge in China, sie sind auch Thema unseres heutigen Journal Panorama.
    Im Studio in Wien diskutieren Dr. Martin Kott, Sinologe und Autor eines Buches über Teng Xiaoping, Prof. Harry Sichrovsky, der Ma aus China als Korrespondent erlebt hat, der in Wien lebende Chinese Dr. Ma Jiang, sowie über Telefon aus Peking, Helmut Opletal, den wir gerade hörten.
    Machtkampf in China, unser heutiges Journal Panorama, 18.20 Uhr, Programm Österreich 1.
    Und halb eins ist es geworden mit diesem Programm Hinweis.
    Wir machen wieder einen Themenwechsel von International im Hin zu Er.
    bilateralem.
    Es ist eine durchaus bemerkenswerte Einladung, die das Prager KP-Regime da ausgesandt hat.
    Die Umweltminister der sechs Nachbarländer wurden an die Moldau gerufen, um mit der tschechoslowakischen Regierung über gemeinsame Umweltprobleme zu reden.
    Dass die CSSR, die sich im Gefolge der östlichen Reformbewegung zunehmend eingebunkert hat, nun den Dialog in einem so sensiblen Bereich sucht, wird nicht nur in Österreich als äußerst positiv gewertet, mit den Worten von Umweltministerin Marilis Fleminga als historisch.
    Umweltpolitisch hat die GSSR einen äußerst schlechten Ruf.
    Vom Waldsterben im Erzgebirge über Atomkraftwerke von zweifelhaftem Sicherheitsstandard bis zum Mammut-Donau-Kraftwerk Gapjikovo, durch das Mitteleuropas größtes Grundwasserreservoir gefährdet wird.
    Aus Prag ein Bericht von Franz Simbürger.
    Die Umweltministerkonferenz der GSSR Anrainerstaaten geht auf eine Initiative des tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Adamets zurück.
    Und die Tschechoslowakei, die ja selbst eine Reihe von Umweltproblemen hat, bemüht sich, den Umweltschutz auf eine internationale Ebene zu stellen und gleichzeitig selbst eine Art Drehscheibe gemeinsamer Umweltschutzaktivitäten zu werden.
    Pavel Rivnak, stellvertretender Ministerpräsident der GSSR, ging in seinem Referat heute dementsprechend vor allem auf die Möglichkeiten internationaler Zusammenarbeit beim Schutz von Luft-, Wasser- und Boden ein.
    Rivnak plädierte etwa dafür, entlang der Staatsgrenzen gemeinsame Naturschutzregionen zu errichten.
    Nach einem Gespräch zwischen Rivnak und der österreichischen Umweltministerin Marilis Fleming wurde ja gestern auch das Thema Atomkraftwerke in letzter Minute auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt.
    Riefnack ging darauf allerdings heute nur sehr allgemein ein, nämlich mit der Aufforderung, den Informationsaustausch über Atomenergiefragen ebenfalls zu internationalisieren.
    belasten können.
    Und angesichts der zunehmend größeren Folgen dieser Störfälle schlagen wir vor, Organe bilden, die beauftragt werden, diese Angaben weiterzuleiten ins Ausland
    Und wir sollten auch weitere daran anknüpfende Organisationsstrukturen bilden.
    Gegenseitige Information in allen Fragen des Umweltschutzes, das ist zweifellos das Hauptanliegen der meisten Umweltminister hier in Prag.
    Wobei auch von Oststaaten durchaus selbstkritisch Mängel im Informationsfluss zugegeben werden.
    Wie weit diese Einsicht aber zum Beispiel tschechoslowakischen Umweltschutzgruppen zugutekommt, bleibt fraglich.
    Mangelnde Informationen, so sagen Umweltschützer hier in Prag, sei zurzeit ihr größtes Problem.
    In der Prager Innenstadt haben heute zum Beispiel Mütter demonstriert, weil sie zu wenig über Umweltgefahren für ihre Kinder wissen.
    Die Kundgebung verlief übrigens friedlich, die Polizei griff nicht ein.
    Umweltministerin Marilice Fleming hat ihr Referat bei der Prager Konferenz noch nicht gehalten.
    Sie wird sich aber ausschließlich und ganz speziell mit dem Thema Atomkraft auseinandersetzen.
    Österreich wird seine Hauptsorge, die Sorge um diese grenznahen Atomkraftwerke deponieren.
    Dass Österreich das einzige Land ist, das hier diese Sorge so stark vertreten wird, das liegt in der Natur der Sache.
    Aber ich werde auch versuchen, hier
    darzulegen, dass seit dem Unfall von Three Miles Island in Amerika kein einziges Atomkraftwerk mehr in Amerika gebaut wurde, dass Italien ausgestiegen ist, dass Schweden ausgestiegen ist, dass die Bundesrepublik Wackersdorf nicht bauen wird.
    Ich werde sagen, dass Temelin eine Technologie der Vergangenheit ist, dass man nicht in die Vergangenheit investieren kann, sondern dass wir alle und zwar nicht nur ein Land, sondern wir alle miteinander
    die neue Energie der Zukunft suchen müssen, dass wir investieren müssen in Sonnenenergie, Solarenergie, Photovoltaik, Biomasse, vielleicht sogar auch einmal Kernfusion.
    Nur es ist ja sinnlos, in eine Technologie zu investieren, Atomkraftwerke bauen, die wir mit Sicherheit in einigen Jahren zusperren werden müssen, weil die Bevölkerung sie einfach nicht mehr akzeptieren wird.
    Eine Antwort auf diesen Vorstoß Flemings gibt es freilich noch nicht und man darf gespannt sein, ob überhaupt eine Reaktion von tschechoslowakischer Seite dazu kommt.
    Aus Prag ein Bericht von Franz Simbürger.
    In Paris beginnt morgen eine KSCD-Konferenz über die sogenannte menschliche Dimension, also über Menschenrechte.
    Die auf drei Wochen anberaumte Tagung ist eine von elf Konferenzen, die beim Abschluss der Wiener KSCD-Konferenz im Jänner beschlossen wurden.
    Und von den Teilnehmerländern allen europäischen Staaten außer Albanien plus Kanada und die USA wurde damals auch ein als historisch bewertetes Menschenrechtsinstrumentarium angenommen.
    Alle KSCD-Staaten haben sich damals in Wien verpflichtet, Anfragen anderer Teilnehmerländer über die Menschenrechtssituation zu beantworten.
    Und in den vergangenen Monaten wurde dieser Mechanismus auch bereits mehrmals in Anspruch genommen.
    So hat etwa Österreich von der Tschechoslowakei Auskunft über die Verurteilung von Vaclav Havel und anderen Dissidenten verlangt und in Rumänien um eine Stellungnahme zur sogenannten Dorfsystematisierung Ceaușescus angefragt.
    Und über diese beiden Themen werden neben anderem auch heftige Diskussionen auf der Pariser Tagung erwartet.
    Noch rechtzeitig vorher hat die Regierung in Prag Hawelja freigelassen, wohl auch um allzu peinliche Debatten zu vermeiden.
    Für Österreich nimmt Außenminister Alois Mock an der morgen beginnenden Pariser Menschenrechtstagung teil.
    Heute gab er in einer Pressekonferenz einen Ausblick darauf.
    Michael Kerbler informiert sie.
    Da in Wien im Jänner vereinbart wurde, dass jeder KSZE-Staat jederzeit einem anderen Mitglied des Vertrages Auskunft über die Einhaltung der Menschenrechte oder aber das Schicksal einzelner Personen verlangen kann, wird erwartet, dass sich diesmal Rumänien, Stichwort Dissidentenverfolgung, die GSSR, Stichwort Václav Havel-Verurteilung und die DDR, Stichwort Schießbefehl an der Grenze, vor dem internationalen Gremium verantworten werden müssen.
    Außenminister Alois Mock erklärte vor seiner Abreise nach Paris angesprochen auf die bisherigen Erfahrungen mit dem KSZE-Überwachungsmechanismus bei Anfragen in Prag zu Watzlar-Fawel und in Bukarest wegen der Dörferzerstörung.
    Die Zegeslovagei hat in der Sache die formelle Seite korrekt geantwortet, aber im Inhalt natürlich unbefriedigend.
    Während Rumänien hat das österreichische Vorgehen überhaupt zurückgewiesen.
    erklärt, dass seine Einmischung in die innere Angelegenheiten Rumäniens ein Stammpunkt, der in keiner Weise mehr aufrechterhalten werden kann.
    Wir werden daher gegenüber Rumänien die dritte Stufe des Überwachungsmechanismus in Anspruch nehmen, nämlich die Erörterung eines Falles von Menschenrechtsverletzungen im multilateralen Rahmen, eben anlässlich dieser Menschenrechtskonferenz in Paris.
    Nach Meinung von Außenminister Alois Mock wird es mit Rumänien zum Beispiel wegen der angesprochenen Systematisierung der Dörfer, mit Bulgarien wegen der Verfolgung der türkischen Minderheit und auch mit der CSSR wegen der Verfolgung und Inhaftierung von regimekritischen Personen zu heftigeren Kontroversen auf der Pariser KSZE-Tagung kommen.
    Österreich wird auf dem Pariser KSZE-Treffen auch neue Vorschläge zur Verbesserung der Menschenrechtssituation auf den grünen Tisch legen.
    Neue Vorschläge werden wir vor allem beantragen die Abschaffung der Ausreisegenehmigungen beziehungsweise die beschleunigte Ausstellung von Reisedokumenten.
    Es sollte im Sinne der Freizügigkeit jedem möglich sein aus seinem
    Heimatland auszureisen.
    Das zweite wird ein Antrag sein auf Ausformung des Rechts auf gewerkschaftliche Freiheit, das heißt auf Sicherung des Gewerkschaftspluralismus.
    Das dritte Anliegen wird sein, die Möglichkeit von Besuchen in Haftanstalten.
    Das wäre natürlich vor allem eine vertrauensbildende Maßnahme im Menschenrechtssektor.
    Und dann auch die Anerkennung des Zivildienstes, was bisher nicht verankert ist in den KSTT-Dokumenten.
    Nach dem Pariser Treffen wird im Juni 1990 in Stockholm über das Thema Menschenrechte erneut beraten werden.
    Diese beiden Treffen in Paris und Kopenhagen gelten als Testfall für Moskau, dessen Kandidatur für die dritte Konferenz im September und Oktober 1991 innerhalb der KSZE-Mitgliedstaaten noch heftig umstritten ist.
    Das war ein Beitrag von Michael Kerbler.
    Aufwachen hat heute Vormittag der freiheitliche Abgeordnete Holger Bauer lassen.
    Ein Finanzexperte, ein Staatssekretär beim Minister Latziner und auch der verstaatlichten Sprecher seiner Partei.
    Unter Berufung auf einen Rechnungshof Rohbericht behauptet Bauer, Steyr Daimler Puch, Österreichs größte Fahrzeugbaufirma und im Besitz der Kreditanstalt, hat trotz jahrelanger Sanierungsschritte immer noch einen Zuschussbedarf von 15 Milliarden Schilling.
    Eine Aussage, die Rätsel aufgibt.
    Herbert Huter hat Holger Bauer am Telefon.
    Herr Abgeordneter Bauer, nun ist es doch ein Riesenunterschied zwischen einem Sanierungsbedarf und einem neuerlichen Zuschussbedarf.
    Wie wollen Sie das auseinanderhalten?
    Es entsteht ja der Eindruck, als ob der Steuerzahler mit 15 bis 17 Milliarden Schilling noch einmal zur Kasse gebeten würde.
    Der Zuschussbedarf kann nur von zwei Seiten getragen werden.
    Die eine Seite,
    ist der eigentliche Eigentümer, der unmittelbare Eigentümer, Kreditanstalt Bankverein.
    Dieses Unternehmen ist nach meinen Informationen aus eigenem nicht in der Lage, diesen neuerlichen Zuschussbedarf zur Gänze abzudecken.
    Darauf deutet auch hin, dass es bereits Verhandlungen mit dem Finanzminister gibt, um einen Teil dieses Zuschussbedarfs aus öffentlichen Geldern abzudecken.
    Das heißt also weiter,
    dass das natürlich auch empfindliche Rückschläge für allfälliges weiteres Privatisierungsprogramm bei der CA bedeutet, weil dadurch natürlich, in welcher Größenordnung auch immer die Eigenabdeckung durch die CA liegen wird, Ausfluss auf die Dividende hat.
    Und je geringer die Eigenmittelabdeckung seitens der CA ist, desto größer wird der Zuschussbedarf seitens der öffentlichen Hand sein müssen.
    Nun, Herr Abgeordneter, scheint mir doch der Betrag von 15 bis 17 Milliarden Schilling reichlich hochgegriffen zu sein, wenn man daran denkt, dass der Jahresumsatz des Gesamtkonzerns nicht mehr als 13 bis 15 Milliarden Schilling ausmacht.
    Die Verluste bewegen sich bei der halben Milliarde Schilling.
    Wie kommt eigentlich diese Riesensumme zustande?
    Es wäre vielleicht auch noch zu bedenken, dass sämtliche CA-Betriebe seit 1970 nicht mehr als 20 Milliarden Schilling teils aus
    der CA-Teils aus dem Steuertopf erhalten haben.
    Ja, das ist eine wirklich beachtliche Größenordnung.
    Und diese Größenordnung von 15 Milliarden Schilling ist ein mittelfristiger Sanierungsbedarf für Steuerteimler Buch, um aus den dort Jahr für Jahr geschriebenen roten Zahlen herauszukommen.
    Haben Sie da nähere Details, wie das zustande kommen soll?
    Es ist also, diese Verluste kommen
    dadurch zustande, dass einerseits die geplanten und festgelegten Sanierungsprogramme nicht entsprechend durchgezogen worden sind.
    Nebenbei bemerkt, hat auch das seitens des Finanzministeriums zur folgende sogenannte Meilenstein-Controlling, das ist eine begleitende vierteljährige Kontrolle, die vereinbart worden war, nicht funktioniert.
    Die Verluste entstehen vor allem durch den völligen Zusammenbruch des Waffengeschäftes.
    Und sie entstehen in den Sparten Lkw-Produktion, Autobus-Produktion vor allem.
    Und ich habe mir auch sagen lassen, dass von der Waffenproduktion mehr als eine Jahresproduktion auf Halde liegt.
    Herr Abgeordneter Bauer, nun spricht der Steyr-Daimler-Vorstand nach wie vor davon, bis 1991 aus den roten Zahlen kommen zu wollen.
    Bei Steyr-Daimler schiebt die Konjunktur genauso an wie bei der Voest.
    Die Auftragslage ist gerade noch ausreichend für den LKW-Bereich.
    Trotz alledem sprechen Sie von dieser neuzuastronomischen Summe.
    Ja, hier ist ohne Zweifel eine noch aufzuklärende Diskrepanz vorhanden.
    Ich kann also nur sagen, dass diesen mittelfristigen Sanierungsbedarf in einem vom Rechnungshof erarbeiteten Rohbericht gegeben ist und errechnet worden ist.
    Herr Abgeordneter Bauer, was heißt mittelfristig?
    Unter mittelfristig versteht man immer einen Zeitraum, der zwischen einem und fünf Jahren liegt.
    Und Sie wollen behaupten in diesem Zusammenhang, dass Generaldirektor Voisard bisher zumindest verschleierte Größen genannt hat, wenn er nicht gar die Unwahrheit gesagt hat?
    Das kann ich zur Zeit nicht beurteilen.
    Ich habe also mit dem Herrn Generaldirektor kein diesbezügliches Gespräch geführt, aber diese Fragen gilt es unter anderem morgen in einem Unterausschuss des Rechnungshofausschusses, in dem
    auch die Industriebeteiligungen der CA zur Sprache kommen werden, aufzuklären und abzuklären.
    Aber ich kann auch auf der anderen Seite nicht davon ausgehen, dass seitens des Rechnungshofes falsche Zahlen, in der Größenordnung zumindest, falsche Zahlen an so einem Sanierungsbedarf vorgelegt und errechnet worden sind.
    liegt ja auch die Interessenslage ganz anders, während eben beim Repräsentanten eines großen Unternehmens also die Interessenslage schon darin besteht, die Situation seines Unternehmens nach außen hin möglichst rosig darzustellen.
    Das ist schon einmal ein Unterschied und ich habe daher davon auszugehen, dass diese errechnete Größenordnung seitens des Rechnungshofes Hand und Fuß
    Das sagt Holger Bauer und eine Stellungnahme von Steierdaimler Buch oder auch von der Kreditanstalt, die haben wir zu dieser Mittagstunde noch nicht erhalten können.
    Dreiviertel eins ist es jetzt und wieder ein Themenwechsel.
    Der nicht alltägliche Fall, dass Wissenschaft und Politik
    An einem Tisch sitzen spielt sich heute im Presseclub Concordia in Wien ab.
    Der Wiener Politologe Emmerich Talos hat die Schrift des österreichischen Sozialreformers Josef Popper-Linkeus über die allgemeine Nährpflicht neu herausgegeben und Sozialminister Walter Gebert übernahm die Präsentation.
    Wobei es natürlich um aktuelle Fragen wie Arbeitslosenversicherung genauso ging, wie um ein grundsätzliches Mehr über all das von Ernest Hauer.
    Solange es vorkommt, dass auch nur ein einziger Mensch hungert oder in seiner Lebenshaltung nicht gesichert ist, solange taugt die ganze Gesellschaftsordnung nichts.
    Von dieser These ausgehend entwickelte um die Jahrhundertwende Josef Popper-Lindqvist seine Forderung nach einer allgemeinen Nährpflicht zur Lösung der sozialen Frage.
    Der österreichische Sozialtheoretiker wurde damit zu einem der Vorväter der aktuellen Diskussion um den Basislohn.
    Die Präsentation einer Neuausgabe des Popper-Linkeis-Buches ist auch für Sozialminister Walter Gebhardt Anlass, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
    Zunächst mit einem Hinweis auf Vorgänger Alfred Dallinger und auf die bevorstehende Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes.
    Wenn Sie mich nach meinem persönlichen Standpunkt noch befragen,
    So darf ich vielleicht vorher auf meinen Vorgänger zurückkommen, der ja die Idee von der Grundeinkommenssicherung als eine faszinierende Idee bezeichnet hat.
    Und diese Überlegung, die damit verknüpft ist, hat er auch versucht im Rahmen der von ihm noch initiierten Novelle zur Arbeitslosenversicherung einzubringen.
    Das ist auch geschehen.
    Ich gebe aber zu, dass man mit dieser Lösung, die in die Novelle eingebaut wurde, die auch im Begutachtungsverfahren allgemeine Akzeptanz gefunden hat, noch weit von dem entfernt ist, was eine materielle Grundsicherung an sich in der Arbeitslosenversicherung darstellt.
    Aber es waren jetzt die Zeitumstände, die ihm als Realpolitiker Anlass dafür waren, so einmal zu beginnen, weil mehr eben nicht drinnen war.
    Und wer sich insbesondere gegen eine darüber hinausgehende materielle Grundsicherung wendet, ist Ihnen allgemein bekannt.
    Das ist also vor allem die Arbeitgeberseite.
    Aber es sei trotzdem ein großer Schritt in Richtung hin auf materielle Grundsicherung, meint Minister Gebhardt.
    Die Sozialminister haben sich vor etwa einer Woche ja bereits geeinigt.
    Arbeitslose im unteren Einkommensbereich sollen künftig 58% des letzten Einkommens erhalten.
    Für junge und alte Arbeitslose gibt es Verbesserungen bei Anwartschaft bzw.
    Bezugsdauer.
    Die Arbeitslosenversicherungsbeiträge werden gesenkt.
    Die Sanktionen bei Ablehnung angebotener Arbeit verschärft.
    Das Inkrafttreten mit 1.
    Juli sieht Gebert allerdings durch zusätzliche Forderungen der ÖVP im jetzigen parlamentarischen Prozess gefährdet.
    Zurück zum Grundsatzthema materielle Grundsicherung.
    Minister Geppert, dies sei nicht nur wünschenswert, sondern gehöre zu den Notwendigkeiten eines entwickelten Sozialstaats.
    Soziale Standardrisiken, wie Alter, Krankheit oder eben Arbeitslosigkeit, müssten abgesichert werden.
    Das, was jetzt in dieser Novelle drinsteht, ist ein wichtiger, bedeutender Schritt.
    Damit kann es aber nicht sein Ende haben.
    Die Forderung nach einer materiellen Grundsicherung, vor allem in den sozialen Standardrisiken, ist damit weiterhin auf der Tagesschau und wird meiner Meinung nach dort nicht verschwinden.
    Und ich werde das Meinige dazu beitragen, dass weiterhin die Diskussion bleibt und dort, wo ich die Möglichkeit habe oder mein Ressort die Möglichkeit hat, entsprechende Regeln vorzunehmen, werden wir das auch tun.
    Einzelheiten werde er allerdings erst zum gegebenen Zeitpunkt bekannt geben, sagte Gebhardt.
    Und was seine Einstellung zum Thema Basislohn betreffe, so bleibe er bei der Formulierung Dallingers.
    Eine faszinierende Idee, die aber viele Für und Widers habe.
    Und wir wechseln für einen Beitritt noch einmal ins Ausland.
    Seit einem Jahr erst ist Michel Rocard französischer Ministerpräsident.
    Aber er hat schon einen eigenen Regierungsstil geprägt, den die Medien «Méthode Rocard» nennen.
    Präsident Mitterrand hatte den Wirtschaftsfachmann und einstigen Konkurrenten um die Präsidentschaftskandidatur zum Regierungschef gemacht, weil er sich von ihm eine Öffnung zur Mitte erhoffte.
    Und der pragmatische Sozialist Rocard hat die Hoffnungen seines Chefs erfüllt, meldet Lorenz Galmezza.
    Er ist 1,69 klein, schmächtig, raucht 30 Guloise am Tag, macht unentwegt einen leicht verkrampften Eindruck, ist kein besonders guter Redner und war jahrelang mit dem Image des Losers, des Verlierers behaftet.
    Denn Michel Rocard, Jahrgang 1930, war schon 1969 erstmals als Präsidentschaftskandidat erfolglos angetreten, versuchte es noch einmal als Rivale François Mitterrands und hatte in der sozialistischen Bewegung immer eine Sonderstellung.
    Aus bürgerlicher Familie, protestantisch erzogen, Pfadfinder, dann radikaler Sozialist, galt Michel Rocard immer als undogmatischer Intellektueller, etwas naiv aber ehrlich, eben als anregender Ideenlieferant, aber nie als Parteipolitiker, der Karriere machen und den Staat lenken könnte.
    Als Spitzenreiter bei allen Meinungsumfragen seit Jahren blieb er der ewige Außenseiter.
    Die Franzosen liebten an ihm das Parlez-Vrai, seine offene Sprache.
    Den Leuten sagen, was man wirklich denkt, ihnen ohne Zögern den Spiegel der Wirklichkeit vorhalten, mit allen Parteidogmen brechen.
    Seit der Pragmatismus zur neuen Lehre für die gesamte Sozialistische Partei geworden ist, gilt Rocars ehemalige Originalität plötzlich als allgemein anerkannte Tugend, die er zum Regierungsstil erhoben hat und die jetzt die Methode Rocard heißt.
    Spektakulärstes Erfolgsbeispiel, gleich nach der Ernennung zum Regierungschef vor einem Jahr gelang es Roca, das vor einem Bürgerkrieg stehende französische Überseegebiet Neukaledonien zu befrieden, durch diskrete Vermittlungsaktionen, durch starken persönlichen Einsatz, durch konkrete und kompetente Sachlösungen.
    selbst die Konservativen Frankreichs gratulierten.
    Seither stieg Michel Rocard's Erfolgskurve ununterbrochen, obwohl die Hürden nicht fehlten.
    Gleich nach seiner Ernennung zum Regierungschef erhielten die Sozialisten lediglich eine relative Mehrheit bei den Parlamentswahlen, die von Rocard versuchte mit Einbeziehung der Zentrumsdemokraten in die Regierung scheiterte, an deren Unschlüssigkeit, und zehn Monate lang jagte ein Streik im öffentlichen Dienst den anderen.
    Krankenschwestern, Lehrer, Gefängniswärter, Eisenbahner und Metrolenker, die Piloten von Air France und die Angestellten der E-Werke, alle forderten höhere Löhne und soziale Aufwertung.
    Nach Jahren des Gürtelengerschnallens wollen die öffentlich Bediensteten von den Früchten des neuen Wirtschaftsaufschwungs zumindest ebenso viel abbekommen wie ihre Kollegen in der Privatwirtschaft.
    Zur Überraschung aller zeigte Michel Rocard eine ganz neue Seite, jene des strengen Verwalters.
    Die meisten Streiks wurden nicht durch große Zugeständnisse beendet, sondern durch politisches Aushungern.
    Eure Forderungen sind vollkommen berechtigt, zeigte Rocard Verständnis, um gleich hinzuzufügen.
    Leider hat der Staat nicht die Mittel, sie sofort zu erfüllen.
    Gebt mir Zeit, forderte Rocard und mobilisierte die öffentliche Meinung für sich mit pädagogischen Argumenten.
    Die geforderten Lohnerhöhungen würden den Wirtschaftsaufschwung gefährden, die Inflation anheizen, somit die Vorbereitung Frankreichs auf den europäischen Binnenmarkt, also letztlich die Zukunft der Nation gefährden.
    Die Streiks versiegten vorerst, die Unzufriedenheit blieb.
    Wenn es Rocard trotzdem gelang, mit 63% Positivurteilen bei den letzten Meinungsumfragen zum populärsten Politiker Frankreichs aufzusteigen, so hat es im Wesentlichen drei Gründe.
    Erstens die Wirtschaft.
    Vom allgemeinen Aufschwung im Westen begünstigt, förderte er die Investitionen der Unternehmer im Lande, erreicht einen leichten Rückgang der noch immer 10% betragenden Arbeitslosigkeit und hielt die Inflation auf dem Niveau der Nachbarstaaten in Europa.
    Die privaten und staatlichen Großunternehmen konnten erstmals wieder Millionengewinne vermelden.
    Zweitens hat das Team mit Terrain Roca auf eingreifende Gesellschaftsreformen wie 1981 verzichtet.
    Marktwirtschaft ohne liberale Auswüchse und soziale Maßnahmen für die Ärmsten, wenig Versprechungen und diskret betriebene Langzeitprojekte etwa im Erziehungswesen, die Methode Rocard ist eine vorsichtige Politik der kleinen Schritte und sie erntet die Zustimmung der Franzosen.
    Und drittens schließlich ist die konservative Opposition dermaßen zersplittert und geschwächt, dass Rocard derzeit keinen glaubwürdigen Angreifer zu fürchten hat.
    Und jetzt ist sieben vor eins höchste Zeit für den Kulturbericht.
    Wiener Diva nennt sich eine Ausstellung, die seit heute im Wiener Museum des 20.
    Jahrhunderts zu sehen ist.
    Thema dieser Festwochenschau ist der Psychoanalytiker Sigmund Freud im Spiegel der zeitgenössischen bildenden Kunst.
    Ein Bericht von Robert Bilek.
    Spätestens seit den Surrealisten liegt der Einfluss von Sigmund Freud auf die bildende Kunst klar auf der Hand.
    Überall dort, wo der Künstler seine Werke dem Unterbewusstsein entreißt, wo Kunst selbst zu einer Art Freistil-Psychoanalyse wird.
    Aber nicht nur dort.
    Denn Freud ist in aller Munde, zurecht trivialisiert für den Alltagsgebrauch als Interpretationsmethode für die eigenen Kopfschmerzen bis zum Erklärungsmechanismus für
    unbequeme Kunst, die etwa in den Tabuzonen unserer Gesellschaft herumstochert.
    Der Ausstellungskommissär Thomas Zaunschirm wollte in der Schau Wiener Divan jedoch nicht Freuds Einfluss auf die Kunst des 20.
    Jahrhunderts darstellen, sondern eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen künstlerischen Freud-Rezeption liefern.
    In dieser Ausstellung steht an erster Stelle die Frage Freud heute, was bedeutet er uns heute.
    Und das kann ich nicht erklären in einem historischen Abriss von früher bis heute.
    Deswegen eben dieser Rückblick, der als Gegenthese zum Wunderblock zu verstehen ist.
    Dort versucht man aus dem 19.
    Jahrhundert die Situation um 1900 zu erklären.
    Wir versuchen unser Interesse heute an Freud zu erklären.
    Und das geht eben nicht auf wissenschaftliche Art und Weise, sondern aufgrund besonderer Bedingungen in den verschiedenen Ländern haben wir besonders
    interessante, wichtige, international relevante, bekannte Künstler ersucht, ihr kreatives Potenzial einzubringen, ohne ihnen vorzuschreiben, was sie zu tun haben.
    Natürlich finden sich in der Ausstellung auch sämtliche Freud-Klischees wieder.
    Unzählige Couch-Up- und Nachbildungen, die Gold- und die Spiegelmetapher, die Anspielungen auf die Zusammenhänge von Macht und Sexualität.
    Wobei ein Blick weg von der Oberfläche der Arbeiten hin zu deren innerer Bedeutung oft lohnend ist.
    Zum Beispiel haben McDermott und McGuff, zwei amerikanische Künstler, ein Analyse-Tagbuch einer Schülerin von Freud, die selber Analytikerin war und deren Sohn bei Anna Freud analysiert worden ist, künstlerisch umgesetzt.
    Das ist ein direkter Bezug auf die Situation.
    Oder Robert Morris hat mit einem Bleirelief
    die tragische, schicksalhafte Situation der Juden in Wien und eben der freudschen Familie aufgegriffen, indem er den Namen eines KZs unter dieses Bleirelief gesetzt hat.
    Von den österreichischen Künstlern griff Hans Hollein zum Selbstzitat und zeigt seine bekannte vergoldete Couch in einem schönen neuen Raum.
    Cornelius Kolik beschäftigt sich, wie so oft, mit vergoldeten Fäkalien.
    Gunter Damischs Couch-Bild ist nicht nur ein Auftragswerk, sondern sieht auch so aus, während Walter Opholzer mit seinen abstrakt-ornamentalen Menschenporträts eher einen Gegenentwurf zu Freud vorlegt.
    Der einheimische Starkünstler Arnulf Reiner hat Freuds Büste natürlich übermalt.
    Über seine Beziehung zum Meister der Psychoanalyse meinte er,
    Wie ich in der Pubertät war, das ist bei mir erst um 18 Jahre passiert, habe ich die Freischlagbücher verschlungen und das hat mir immer gefallen.
    Heutzutage halte ich das mehr für eine Mythologie, aber die Methode und die ganze Strukturierung und das ganze Denken, das fasziniert mich immer noch.
    und ist wahrscheinlich auch in die Kunst hineingeflossen, sozusagen die schnellen Assoziationen, das leichte Herumspringen von Gedanken oder von Empfindungen und so.
    In manchen Fällen wirkt die Beziehung des jeweiligen Künstlers zu Freud an den Haaren herbeigezogen.
    Bei anderen ist Freud so sehr Bestandteil der Arbeit, dass seine Spuren kaum noch wahrgenommen werden können.
    Als Statement zu «Freud heute» bietet die Ausstellung Wiener Divan nur eine Summe oft schwer nachvollziehbarer Aussagen.
    Und die Ausstellungsgestaltung spiegelt am ehesten noch den saloppen Umgang mit Freud in den letzten 50 Jahren wider.
    Wer mehr erwartet, sollte zum Katalog greifen, der sowohl zum Thema Freud, wie auch zum Thema Kunst reiche Informationen bietet.
    Freud als Malerthema im 20er Haus, das war der Kulturbericht 3V1, noch ein paar Schlussmeldungen.
    Belgien.
    Präsident Bush hat bei NATO-Gipfeltreffen in Brüssel eine Reduzierung der amerikanischen Truppen in Europa angeboten.
    Zugleich schlug Bush vor, die Truppenstärke in Ost und West bis 1993 auf je 275.000 Mann abzubauen.
    Weiteres Hauptthema des NATO-Gipfeltreffens ist der sogenannte Raketenstreit zwischen Bonn und Washington.
    Die USA wollen Verhandlungen über Kurzstreckenraketen mit Fortschritten bei der konventionellen Abrüstung verbinden.
    Die Bundesrepublik Deutschland tritt für möglichst baldige Verhandlungen ein.
    China.
    Die Führung in Peking hat offenbar den Druck auf die Protestbewegung verschärft.
    Truppen haben heute ein großes Stahlwerk in der Hauptstadt besetzt, um so die Teilnahme von Arbeitern an Demonstrationen zu verhindern.
    Die amtliche Nachrichtenagentur Neues China und der staatliche Rundfunk werden verstärkt von der Armee überwacht.
    Sowjetunion.
    Anatol Lukjanov, bisher Mitglied des Politbüros, ist vom Kongress der Volksdeputierten in Moskau zum stellvertretenden Vorsitzenden des obersten Sowjets und damit zum Vizepräsidenten gewählt worden.
    Lukjanov war der Wunschkandidat von Staats- und Parteichef Gorbatschow.
    Ungarn.
    Der als Reformer geltende Staatsminister Imre Poschgoy strebt offenbar die Bildung einer neuen Partei an.
    In einem Interview für den amerikanischen Sender Radio Freies Europa sagte Poschgoy, das System des Kommunismus müsse hinweggefegt werden.
    Eine Reform sei unmöglich.
    Er ziehe die Bildung einer neuen Partei auf der Basis sozialistischer und sozialdemokratischer Ideen, Reformen der kommunistischen Partei vor, meint der ungarische Politiker.
    Tschechoslowakei.
    In Prag hat eine zweitägige Umweltministerkonferenz der sechs Anrainerstaaten der Tschechoslowakei begonnen.
    Österreich wird durch Umweltministerin Fleming vertreten.
    Die Tschechoslowakei wird bei dem Treffen erstmals über ihr umstrittenes Atomkraftwerk Temelin informieren.
    Das Wetter in Österreich bis heute Abend zunehmend gewittrig, jedoch weiterhin warm.
    Das war das Mittagschanal vom 29.
    Mai.
    Im Namen aller Mitarbeiter verabschiedet sich Louis Glück.
    Schönen Nachmittag, auf Wiederhören.

    Beiträge dieses Journals

    Nachrichten
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Wetterbericht
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Schlagworte: Natur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Beginn des NATO-Gipfels in Brüssel
    Einblendung: NATO-Generalsekretär Wörner
    Mitwirkende: Emmerich, Klaus [Gestaltung] , Brandstätter, Helmut [Gestaltung] , Wörner, Manfred Hermann [Interviewte/r]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Ort: Brüssel [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Volksdeputiertenkongreß in Moskau
    Mitwirkende: Kössler, Franz [Gestaltung]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Ort: Moskau [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Ungarischer Reformer Pozsgay kritisiert Kommunismus
    Einblendung: Reformer Pozsgay
    Mitwirkende: Stipsicz, Karl [Gestaltung] , Pozsgay, Imre [Interviewte/r]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Ort: Budapest [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Situation des Studentenprozesses in Peking
    Mitwirkende: Opletal, Helmut [Gestaltung]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Ort: Peking [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Umweltministertagung in Prag
    Einblendung: stellvertretender CSSR-Ministerpräsident Rivnak, Umweltministerin Flemming
    Mitwirkende: Simbürger, Franz [Gestaltung] , Rivnak, Pavel [Interviewte/r] , Flemming, Marilies [Interviewte/r]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Politik ; Wissenschaft und Forschung ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Mock zu KSZE-Menschenrechtskonferenz in Paris
    Einblendung: Außenminister Mock
    Mitwirkende: Kerbler, Michael [Gestaltung] , Mock, Alois [Interviewte/r]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Am Telefon: Holger Bauer zu Steyr-Daimler
    Interview: FPÖ-Abgeordneter Bauer
    Mitwirkende: Hutar, Herbert [Gestaltung] , Bauer, Holger [Interviewte/r]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Buchpräsentation durch Minister Geppert: Materielle Grundabsicherung
    Einblendung: Sozialminister Geppert
    Mitwirkende: Hauer, Ernest [Gestaltung] , Geppert, Walter [Interviewte/r]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Kultur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Französischer Premier Rocard ein Jahr im Amt
    Mitwirkende: Gallmetzer, Lorenz [Gestaltung]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Ausstellung "Wiener Diwan - Sigmund Freud heute"
    Einblendung: Ausstellungskommissär Zaunschirm, Maler Rainer
    Mitwirkende: Bilek, Robert [Gestaltung] , Zaunschirm, Thomas [Interviewte/r] , Rainer, Arnulf [Interviewte/r]
    Datum: 1989.05.29 [Sendedatum]
    Schlagworte: Kultur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten

    Katalogzettel

    Titel Mittagsjournal 1989.05.29
    Spieldauer 00:59:36
    Mitwirkende Glück, Luis [Moderation]
    ORF [Produzent]
    Datum 1989.05.29 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-890529_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal

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    Gesellschaft , Radiosendung-Mitschnitt
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