Mittagsjournal 1989.11.18

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    Rechtliches

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    Untertitel der Amara.org-Community
    Guten Tag beim Samstag-Mittag-Journal, Redakteur am Mikrofon ist Manfred Kronsteiner und berichten werden wir in dieser Informationsstunde über die niedergeknüppelte Demonstration in Prag, die Hoffnung des Prager 68er-Reformers Ota Schick auf einen Umbruch in der GSSR, eine Massenkundgebung in Bulgarien, die Selbstisolation Rumäniens durch Grenzschließung und den Ansturm von Millionen DDR-Wochenendtouristen auf die Bundesrepublik Deutschland.
    Im Journal zu Gast geht heute der ehemalige Berater Helmut Schmitz, Klaus Böhrling, auf deutsch-deutsche Probleme ein.
    Um die EG Ostpolitik geht es bei einem Sondergipfel in Paris.
    Theater Manfred Karges-Lehnau-Stück Lieber Niempsch im Akademietheater in Wien.
    All das und vermutlich noch mehr nach einem Überblick in Nachrichtenform von Elisabeth Manners.
    Eva Wächter sitzt als Sprecherin im Studio.
    Bundesrepublik Deutschland.
    Zwei Österreicher, Ausbrecher aus dem Gefangenenhaus von Steyr, haben in der vergangenen Nacht in Bayern ein Blutbad angerichtet.
    Die beiden Männer betraten eine Gaststätte in Laaber bei Regensburg, tranken etwas und eröffneten ohne Vorwarnung das Feuer auf die anwesenden Gäste und die Bedienung.
    Drei Personen starben am Tatort, ein Mann erlag eine Stunde später seinen Verletzungen.
    Die Serviererin wurde angeschossen und schwer verletzt.
    Nach der Tat flüchteten die beiden Männer in einem gestohlenen Fahrzeug mit Linzer-Kennzeichen.
    Das Auto wurde wenig später leer in der Oberpfalz gefunden.
    Dort verliert sich die Spur der Verbrecher.
    Eine Großfahndung hat bisher keine Ergebnisse gebracht.
    Das Motiv ist völlig unklar.
    Die beiden Männer gelten als Profi-Einbrecher.
    Sie sind am 13.
    November aus dem Gefangenenhaus Steyr geflohen, indem sie das Gitter ihres Zellenfensters durchsägten.
    Tschechoslowakei.
    Die Haltung der tschechoslowakischen Führung gegenüber Demonstranten ist weiterhin unnachgiebig.
    Eine Großdemonstration für Demokratie und Reformen in Prag wurde mit brutaler Gewalt von der Polizei aufgelöst.
    Konkrete Angaben über Verletzte und Festnahmen liegen zurzeit nicht vor.
    Die Kundgebung hatte mit einer offiziell genehmigten Gedenkveranstaltung zum 50.
    Jahrestag der Hinrichtung mehrerer Studenten durch die damalige deutsche Nazibesatzung begonnen.
    Anschließend formierten sich die Demonstranten und zogen zum Wenzelsplatz, der für die Demonstration aber gesperrt war.
    Deutsche Demokratische Republik.
    Die Volkskammer in Ost-Berlin hat die Regierung von Ministerpräsident Modrow bei fünf Gegenstimmen und sechs Enthaltungen bestätigt.
    Der Ministerrat wurde von 44 auf 28 Mitglieder verkleinert.
    Elf Minister gehören den nicht-kommunistischen Parteien an.
    Die Volkskammer setzte außerdem einen Ausschuss zur Überprüfung von Fällen des Amtsmissbrauchs ein.
    Bundesrepublik Deutschland.
    Der über Nacht abgeflaute Ansturm der Wochenendbesucher aus der DDR in Richtung Bundesrepublik Deutschland hat heute früh wieder voll eingesetzt.
    Von allen Grenzübergängen werden kilometerlange Staus gemeldet.
    In Berlin gibt es regen Fußgängerverkehr.
    Die Polizei hatte sowohl im Osten als auch im Westen die Besucher aufgefordert, die Autos an den Stadtgrenzen stehen zu lassen.
    Insgesamt erwarten die westdeutschen Behörden für dieses Wochenende fünf Millionen Besucher aus der DDR.
    Ungarn, Rumänien.
    Nach Angaben von Radio Budapest hat Rumänien seine Grenze zu Ungarn abgeriegelt.
    Reisende wurden von den rumänischen Behörden zurückgewiesen.
    Das Verhältnis zwischen Budapest und Bukarest ist seit langem gespannt.
    Ungarn wirft Rumänien vor, die ungarische Minderheit zu unterdrücken.
    Außerdem gibt es grundsätzliche Unterschiede über dem politischen Kurs.
    Am Montag beginnt in Bukarest der Kongress der rumänischen Kommunisten.
    Die Grenzschließung könnte mit dieser Tagung zusammenhängen.
    Europäische Gemeinschaft In Paris findet heute ein Sondergipfeltreffen des gemeinsamen Marktes über die künftige Ostpolitik statt.
    Zur Diskussion steht die Frage, welche Form der Zusammenarbeit den osteuropäischen Reformstaaten angeboten werden soll.
    Gastgeber der Sonderkonferenz ist Staatspräsident Mitterrand.
    Frankreich hat zurzeit den Vorsitz in der Europäischen Gemeinschaft.
    Jugoslawien
    Bei einem Grubenunglück in einem Kohlebergwerk in Aleksinac in Serbien sind 92 Menschen umgekommen.
    Ein Feuer hatte den Bergleuten den Zugang zum rettenden Hauptschacht versperrt.
    Die Bergungsmannschaften konnten noch nicht in den Stollen vordringen.
    Der Brand dürfte bei Schweißarbeiten in etwa 700 Meter Tiefe ausgebrochen sein.
    Schweiz.
    Im Zusammenhang mit einer internationalen Schmuggelaffäre hat die Schweizer Bundesanwaltschaft nun auch in Zürich Uran sichergestellt.
    Ein Südafrikaner wurde vorübergehend festgenommen.
    Über die Menge des sichergestellten Materials wurden keine Angaben gemacht.
    Das Uran war in Schachteln in einem Keller in Zürich gelagert.
    Am Dienstag hatte die Vorarlberger Polizei in Feldkirch 50 Kilogramm Uranoxid beschlagnahmt.
    Österreich.
    In weiten Teilen Österreichs ist gestern ein für Mitteleuropa unübliches Naturphänomen beobachtet worden.
    In den Abendstunden erschien farbiges Nordlicht am Himmel.
    Das Phänomen wird auf die zurzeit erhöhte Sonnenaktivität zurückgeführt.
    Im Bezirk Braunau in Oberösterreich sorgte das Nordlicht für Aufregung.
    Einige Bewohner vermuteten eine Giftgaswolke aus einem grenznahen bayerischen Chemieunternehmen und alarmierten über Notruf die Gendarmerie.
    Die Wetteraussichten bis morgen früh.
    Allgemein sonnig, während der Nacht im Flachland und in alpinen Tal- und Beckenlagen Nebelbildung, sonst wolkenlos oder heiter, mäßiger Wind.
    An der Alpen-Nordseite gebietsweise föhnig.
    Nachmittagstemperaturen 3 bis 8 Grad, Tiefstemperaturen der kommenden Nacht minus 8 bis minus 1 Grad.
    Die Aussichten für morgen Sonntag.
    Im Flachland Ostösterreichs, im Donautal und in alpinen Tal- und Beckenlagen verbreitet Boden- oder Hochnebelfelder mit einer Obergrenze um 800 Meter.
    Sonst meist wolkenlos oder heiter.
    Mäßiger Wind aus Südost bis Südwest, Tageshöchsttemperaturen in den Nebelzonen um den Gefrierpunkt, sonst 4 bis 8 Grad.
    Das Wetter übermorgen Montag, teils nebelig trüb, teils sonnig, keine wesentliche Temperaturänderung.
    Nun noch die Messwerte abgelesen um 12 Uhr.
    Wien wolkenlos 3°, Südostwind 25 km in der Stunde.
    Eisenstadt wolkenlos 3°, Südostwind 30 km.
    St.
    Pölten wolkenlos 3°, Linz wolkenlos 3°, Ostwind 20 km.
    Salzburg wolkenlos 2°, Innsbruck wolkenlos 6°, Bregenz heiter 2°, Graz heiter 0° und Klagenfurt heiter 1°.
    Es ist 12.08 Uhr und wir kommen zu den ausführlichen Beiträgen im heutigen Mittagsschornal.
    In Prag holten sich vergangene Nacht wieder einmal Demonstranten blutige Köpfe.
    Freiheit, Dialog waren die meistgehörten Rufe bei dieser größten oppositionellen Kundgebung seit 20 Jahren, an der 50.000 Menschen teilgenommen haben dürften.
    Mit dem Ruf
    Jacke Schraus wurde auch die Absetzung des KPJ-Chefs gefordert.
    Die Polizei habe einschreiten müssen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen, heißt es heute in der tschechoslowakischen Nachrichtenagentur DZK.
    Diesem Auftrag kam die Polizei auch gründlich nach.
    Wahllos prügelten die mit weißen Helmen und Schutzschilden ausgerüsteten Sicherheitsorgane auf Demonstranten ein, in einigen Fällen jedoch auch durchaus zielgerichtet, indem sie einzelne Teilnehmer wie freiwillig jagten.
    Eine Gruppe von für antisozialistische Aktivitäten bekannten Personen hätte die Kundgebung missbraucht, um den sozialistischen Staat, die Organe der Verfassung und Vertreter von Partei und Regierung zu diffamieren, rechtfertigt JTK den Polizeieinsatz.
    Aus Prag am Tag danach berichtet Barbara Kudenhofe-Kalergi.
    Schock, Empörung, aber auch Stolz herrschte heute in Prages Studentenkreisen nach der großen Demonstration von gestern Abend und ihrem gewaltsamen Ende.
    Man ist erschüttert darüber, dass sich die Sicherheitsorgane auch heute noch Übergriffe von solcher Brutalität leisten können, aber man ist auch stolz darauf, dass eine so große Zahl von Studenten bis in den späten Abend hinein den Polizei-Attackenstand gehalten hat.
    Der Zug der Studenten war am Abend nach dem Ende der friedlichen und genehmigten Demonstration vom Friedhof Wischerath aus ins Stadtzentrum gezogen.
    Er strebte zu Wenzelsplatz und zu einer seiner Seitengassen, der Obletalstraße.
    Dort war vor 50 Jahren bei einer der letzten großen Demonstrationen gegen die deutsche Besetzung das Student Jan Opplethal getötet worden.
    Seinem Gedenken galt auch die Manifestation von gestern Abend.
    An der Zufahrtsstraße zum Wenceslasplatz in der Nähe des Nationaltheaters sperrten Polizisten den Demonstranten den Weg ab.
    Die Studenten setzten sich auf die Straße, entzündeten Kerzen und sangen die Nationalhymne.
    Dann griff die Polizei mit Hunden und Schlagstöcken an, holte sich immer wieder einzelne junge Leute aus der Menge und schlug sie vor den Augen ihrer Kameraden zusammen.
    Augenzeugen sahen einen jungen Mann auf dem Boden liegen, ein ganzes Rudel Polizisten traktierte ihn mit Fußtritten.
    Immer wieder ertönten Sprechchöre, kein Peking, keine Gewalt und Yakisch Gestapo.
    Yakisch ist der Name des Parteichefs.
    Es gab zahlreiche Verletzte und viele Festnahmen.
    Die Straße war übersät mit Schuhen, Jacken und anderen Kleidungsstücken, die man den Demonstranten im Getümmel heruntergerissen hatte, als man sie in die Arrestantenwagen gestopft hatte.
    Viele Kamerateams und Journalisten wurden behindert.
    Ursprünglich war die Demonstration von unabhängigen Studentengruppen und dem offiziellen Jugendverband gemeinsam ausgerufen worden.
    Die offiziellen Studentenvertreter hatten sich der Initiative der Unabhängigen angeschlossen.
    Ihre Sprecher sagten, man wolle jetzt zu einem offenen Dialog kommen und sich gemeinsam über notwendige Reformen verständigen.
    Die Studenten fordern unter anderem die Bildung eines unabhängigen Studentenverbandes, Schluss mit dem obligatorischen Marxismusunterricht, die Zulassung unabhängiger Zeitungen und bessere Hochschulen.
    Auf der gestrigen Kundgebung wurde der offizielle Studentenvertreter ausgepfiffen, vor allem als er sagte, wir, die Gesellschaft, hätte Fehler gemacht.
    Das Wir wollte die Menge nicht gelten lassen.
    Die Kundgebung selber und vor allem ihr offizieller Ausklang auf dem Friedhof Bischerath verlief aber ausgesprochen diszipliniert und in einer Stimmung patriotischer Eintracht mit Kerzen, blau-weiß-roten Fahnen und Tafeln mit den böhmischen Löwen.
    Ob das gewaltsame Ende diese Eintracht befestigen oder wieder zerstören wird, bleibt vorerst noch abzuwarten.
    Insgesamt ist aber gestern klar geworden, dass die Sehnsucht nach Reformen, ähnlich wie in der DDR, längst über den Kreis der Dissidenten hinausgeht und breite Kreise, besonders der Intelligenz, erfasst hat.
    Als schlimmster Hemmschuh hat sich wieder einmal das Sicherheitsapparat erwiesen, den selbst Parteimitglieder in der Tschechoslowakei fürchten und hassen und als gefährlichen Staat im Staate ansehen.
    Viele der GSSR-Demonstranten, die dieser Tage Reformen und eine Abkehr vom traditionellen kommunistischen System fordern, sind zu jung, um den Prager Frühling von 1968 noch bewusst miterlebt zu haben.
    Einer der prominentesten Ökonomen der Reformbewegung von damals, Ota Schick, lebt heute als Universitätsprofessor für Wirtschaftswissenschaften in der Schweiz.
    In einem Gespräch mit Walter Ausweger, aufgenommen noch vor den gestrigen Massendemonstrationen in Prag,
    bringt Ota Schick seine Erwartung zum Ausdruck, dass es auch in der GSSR bald zu einer Veränderung der Machtverhältnisse kommen könnte.
    Ich erwarte eine solche Wende, denn zurzeit bleibt ja eigentlich nur mehr die Tschechoslowakei als einziges Land, wenn ich jetzt von Rumänien absehe, in welchem eine
    Klicke an der Macht ist, die glaubt, dass sie ohne eine wirkliche Demokratisierung zu gewissen Wirtschaftsreformen kommen könnte.
    Ich würde nicht sagen, dass die Tschechen und Slowaken keine genügende Zivilcourage hätten.
    Es ist nun einmal so, dass sie erstens in der Vergangenheit tiefgehende Enttäuschungen erlebt haben.
    Der Schock aus dem Jahr 1968
    liegt den Menschen noch sehr in den Knochen und die Menschen wissen dort sehr gut, dass das heutige Regime noch weiterhin, zumindest also offiziell, die politische Unterstützung aus der Sowjetunion hat.
    Und die Menschen haben daher ein bisschen resigniert.
    Sie haben zum Beispiel von Gorbatschow Besuch im Jahre 87 in der Czechoslovakia doch erwartet, dass er gewisse politische Änderungen und Liberalisierungen einleiten könnte.
    und waren ungemein enttäuscht von der Tatsache, dass er ja eigentlich in seinem Auftreten der tschechoslowakischen Führung gegenüber die Normalisierung eigentlich gut geheißen hat.
    Wie beurteilen Sie denn überhaupt den inneren Zustand der GSSR-Führung?
    Das ist nun mal so, dass dies eben eine Partei ist, die einst gründlich aufgeräumt hat.
    Man darf fort nichts vergessen, dass hier 600.000 Menschen aus der Partei ausgestoßen wurden.
    Das heißt, alle, die auch nur ein bisschen sympathisierten mit den Reformideen, wurden aus der Partei herausgeworfen.
    Und das, was nun geblieben ist und auch das, was neu aufgenommen wurde, sind ja ausgesprochene Opportunisten.
    Und die Clique, die da an der Führung steht, hat sich, wenn ich so sagen kann, zu einer Einheit verschrieben mit dem Ziel, so lange wie nur möglich
    jede Gefährdung ihrer Machtstellung im Keim zu ersticken.
    Was kann der Westen tun, was muss er tun, um einen ökonomischen Wandel im Osten zu fördern?
    Mir schwebt fast so etwas vor wie ein Marschallplan, eins nach dem Zweiten Weltkrieg, das heißt eine koordinierte Wirtschaftshilfe zwischen allen westlichen Industriestaaten, denn nur mit einer so
    Mit der weitgehenden Wirtschaftshilfe kann man z.B.
    in der Sowjetunion, aber auch in Polen, Ungarn usw.
    eine grundlegende Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung erreichen.
    Und ich halte dies für eine ganz entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich die ganze Gorbatschowsche Entwicklung weiterhin durchsetzt und es nicht zu einem reaktionären Rückschlag kommt.
    Worte des Prager Alt-68ers Ottar Schick.
    Vorboten für ein Reformklima gibt es jedenfalls bereits in Bulgarien.
    Seit gestern ist der bulgarische KP-Chef Mladenov auch Staatschef.
    Vergangene Woche hatte er den Greisen Todor Schifkov zunächst in dessen Funktion als Parteichef abgelöst.
    Gestern folgte er ihm auch im Amte des Staatspräsidenten nach.
    In ersten Interviews gab sich Mladenov reformfreudig.
    Er sprach sich für freie Wahlen in Bulgarien aus.
    Die Stimmung im Lande ist auch ganz danach.
    Friedrich Orta berichtet von einer Massenkundgebung in Sofia.
    Zehntausende vor der Alexander Nevsky-Kathedrale in Sofia, die freiwillig gekommen sind.
    Der größte Aufmarsch der bulgarischen Opposition, eine offene, schonungslose Abrechnung mit 45 Jahren kommunistischer Diktatur.
    Das hat das Land bisher noch nicht erlebt.
    Zur Kundgebung aufgerufen haben die Liga für die Menschenrechte, die illegale Gewerkschaft Botkrepa, der gestern gegründete unabhängige Studentenverband,
    die Umweltschutzbewegung Ökoglasnost und das Helsinki-Komitee für Bulgarien.
    Persönliche Freiheit, Demokratie, ein Mehrparteiensystem und immer wieder der Ruf nach freien Wahlen.
    Diese Parolen und Losungen bestimmen die Grundgebung.
    Tod der Roten Bourgeoisie ist auf einem Plakat zu lesen.
    Schiffkopf soll vor ein Gericht gestellt werden.
    Schiffkopf wird auf Fotos in hitlerähnlicher Pose gezeigt.
    Der bekannte regimekritische Dichter Radoj Ralin
    brangete das Schiffko-Regime als Plutokratie und Schmarotzer-Gesellschaft an, die drei Generationen zugrunde gerichtet habe.
    An den neuen Partei- und Regierungschef Nadenow gewandt, sagt er, wir wollen keine Privilegien und keine Macht, wir wollen das Recht.
    Pressefreiheit, Schluss mit der Zensur, weg mit der Nomenklatura.
    Schmeichler und Anpasser sollten aus den Massenmedien entlassen werden.
    Bulgarien sollte endlich ein zivilisierter Staat werden und nicht länger ein Feudalbesitz bleiben.
    Verlangt wird auch eine neue Verfassung und immer wieder der Appell an den neuen starken Mann im Staat, die Preise nicht zu erhöhen, solange die Geschäfte für das Volk leer, die Luxusläden für die Nomenklatura aber voll sind.
    Das hat auch der Vorsitzende der illegalen Gewerkschaft Konstantin Trentschew angeklagt.
    Leere Geschäfte, Lethargie in der Bevölkerung, Bulgarien,
    Das Land in Europa mit der höchsten Sterblichkeit.
    Kein Geld für neue Krankenhäuser, aber Luxuskliniken für die Privilegierten.
    Korruption und Lüge, die den Alltag bestimmten.
    Der Filmregisseur Angel Wagenstein rief die Jugend auf, jetzt die Chance zu ergreifen, nicht zu warten.
    Handelt rasch, bevor auch ihr unter die Räder kommt, ruft er den Jungen zu.
    Immer wieder wird an Rinnen begeistert applaudiert, wird mit Pfiffen auf Missstände hingewiesen.
    Die allmächtige Polizei hält sich zurück.
    Soviel aus Sofia.
    An den Fingern zweier Hände ist derzeit die Zahl der DDR-Abspringer abzuzählen, die über die ungarisch-burgenländische Grenze in den Westen ausreisen.
    Ganze sieben waren es in den letzten 24 Stunden.
    Stattdessen rollt die Wochenendreisewelle über die nunmehr offene DDR-Grenze ins andere, ins westliche Deutschland.
    Auf vier Millionen DDR-Besucher hat sich die Bundesrepublik bereits eingestellt.
    Antonia Rados informiert über das deutsche Weekend-Chaos.
    20 Mark für ganze 10 Mark und kostenlos dabei die 60 cm lange Medaillonkette für die Herren und die lange Pulloverkette für die Damen.
    Das sind immer alle drei Teile und 10 Mark ist für alle drei Teile zusammen der Preis.
    10 Mark, umgerechnet 70 Schilling für ein Geschenk, das es drüben nicht gibt.
    Die DDR-Bürger kaufen schon früh an den Ständen auf der Straße und wenn um 9 Uhr die Billig-Kaufhäuser die Tore öffnen, stürmt eine Menge hinein.
    Sie beäugt das Paradies des Westens, Sonderangebote von Strümpfen bis Bananen.
    An der Kasse eine lange Schlange, aber keiner kauft viel.
    Jeder zahlt mit einem 100-Mark-Schein den Begrüßungsgeld, das auch heute früh in West-Berlin an den Sparkassen ausgegeben wurde.
    Ein Kilo Orangen kostet derzeit in West-Berlin 5 Mark, 35 Schilling, eine Mark mehr als noch am vergangenen Wochenende.
    Die Preise sind gestiegen, vor allem bei jenen Artikeln, die DDR-Bürger suchen und sich leisten können.
    Das ist meistens nur Neugierde.
    Jeder will mal nach Berlin sein, nach Berlin-West.
    Das ist viel Neugierde.
    Zu kaufen, zu essen und so haben wir auch viel.
    Reichlicher.
    Und es ist ja noch billiger hier.
    Finde ich jedenfalls.
    Am zweiten großen Wochenende in West-Berlin wird viel geguckt, wie die Berliner sagen, aber wenig gekauft.
    Der Reiz des Neuen ist vorbei.
    In West-Berlin gab es heute auch kein Verkehrschaos am Vormittag, denn viele haben ihre Trabanten zu Hause gelassen und sind mit der S-Bahn gekommen.
    Die West-Berliner beginnen nun langsam auch zu murren wegen der Behinderungen beim Kauf und die Ost-Berliner wegen der wirtschaftlichen Enge, in der sie leben, und die sehen sie nun deutlicher denn je.
    Was sollen wir von den 100 Mark sparen?
    Das müsste so sein, dass wir von der DDR unser Geld umtauschen können.
    Ich meine, wir haben ja auch Geld auf den Banken, wir haben ja auch gearbeitet.
    Und das müsste so sein, dass wir unsere Devisen in der DDR kaufen können, oder beziehungsweise umtauschen, nach dem reellen Kurs jetzt, wie es steht.
    Die Ostmark war vor zehn Tagen auf dem Schwarzmarkt in West-Berlin, noch ein Fünftel der Westmark wert.
    Heute bekommt man dafür nur ein Zwanzigstel.
    Für 1000 Ostmarkt im Durchschnittsgehalt in der DDR gibt es in Westberlin nur 50 Westmarkt.
    Das sind 350 Schilling.
    Dass das nicht so weitergehen kann, hat gestern auch der neue DDR-Ministerpräsident Hans Modrow in der Volkskammer kritisiert.
    In einer Pressekonferenz warnte er vor allem vor Spekulanten vor dem Import eines Schwarzmarktes in den Osten.
    Die DDR hat nämlich derzeit solche Wirtschaftsprobleme, dass der Massenbesuch im Westen nun die Lage rapide verschlechtert.
    Im Osten wird nichts mehr verkauft, im Westen verfällt die Währung und die Ware aus der DDR.
    In Westberlin kann man jetzt angeblich einen Trabanten das Einheitsauto aus dem Osten um wenig Geld kaufen.
    Die Autos werden dann angeblich zurück in den Osten importiert und dort teuer verkauft.
    Denn in Ostberlin wartet man auf einen Trabanten heute noch 10 bis 15 Jahre.
    Zum Thema Deutschland auch das ausführliche Samstaginterview.
    Im Journal zu Gast ist heute Klaus Bölling, in West-Berlin lebender Publizist und Politikwissenschaftler.
    Bölling, Jahrgang 1928, war enger Berater des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt und diente im Kabinett als Regierungssprecher.
    Bölling war überdies 14 Monate lang Leiter der ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR.
    also der Botschaft der Bonds in Ost-Berlin.
    Im folgenden Gespräch, das Roland Machatschke geführt hat, geht es vor allem um die Fragen der Wiedervereinigung und des Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten.
    In Warschau, in der Stadt, die dem Warschau-Pakt den Namen gegeben hat, amtiert ein Nicht-Kommunist als Ministerpräsident.
    In Ungarn ist die Kommunistische Partei abgeschafft worden.
    In der DDR hat der Kommunist Krenz den Kommunisten Honegger abgelöst.
    Und trotzdem steht die Welt fast Kopf über diesem Ereignis.
    Was ist das Besondere, Herr Bölling, an diesem Deutschland?
    Ich sage jetzt absichtlich Deutschland.
    Das Besondere, das Ungewöhnliche, ja das Sensationelle, Herr Machatschke, ist, dass uns nirgendwo in der Welt, schon gar nicht in Europa, zugetraut worden ist, dass wir eine wirkliche Revolution machen könnten.
    Wir, ich will bescheiden anmerken, die Deutschen in der DDR,
    In unserer ganzen Geschichte hat es keine richtige, genuine, authentische Revolution gegeben.
    Und nun kommt die Welt, kommen vor allem unsere europäischen Nachbarn aus dem Staunen nicht heraus.
    Hier hat es eine Auflehnung gegen eine Willkürherrschaft, gegen eine Diktatur, gegen eine Obrigkeit, die sich jenseits der Gesetze bewegt hat gegeben, die von vielen Leuten für ganz untypisch deutsch
    gehalten wird und dennoch hat
    die Bevölkerung in der DDR gezeigt, dass es auch bei den Deutschen einen elementaren Freiheitsinstinkt gibt.
    Ich glaube, es ist aber nicht nur Staunen, wie Sie gesagt haben, Herr Bölling, was die Welt empfindet, sondern, ich möchte da ein bisschen Karl Marx paraphrasieren, ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst der deutschen Wiedervereinigung.
    Ist es nicht so, dass die Welt auch sich ein bisschen fürchtet vor dem, was hier zwischen Bundesrepublik und DDR und vor allem hier in Berlin passiert?
    Ja, ganz sicher.
    Nach der ersten Freude darüber, dass die Deutschen offenbar doch nicht die geborenen Untertanen sind, sondern fähig für die Freiheit etwas zu riskieren, kommen die alten Ängste zurück.
    Ängste, die man hier bei uns in Deutschland weder in der DDR noch in Bonn einfach als eingebildet abtun kann.
    Die Erinnerung an den mächtigsten Staat,
    in der Mitte Europas und das, was unter der Hitler-Diktatur von Deutschland an schrecklichen Dingen geschehen ist, ist auch nach 40 Jahren lebendig.
    Und die Vorstellung eines wiedervereinigten Deutschland macht manchen aus historischen Gründen ziemlich viel Angst.
    Ich denke, dass diese Angst zu einem guten Teil unbegründet ist.
    Weshalb?
    Weil weder in der Bundesrepublik Deutschland und schon gar nicht in der DDR jene, die politische Verantwortung haben oder sie jetzt in Ostberlin im Begriff sind, zu übernehmen,
    eine Vision haben von einer Wiederherstellung des alten Reichs.
    Überhaupt nicht.
    Schon gar nicht in den Grenzen von 1937.
    Die Sprecher, Frauen und Männer der Oppositionsgruppen in der DDR, haben klipp und klar gesagt, das ist kein aktuelles Thema.
    Was sie wollen und was stadthaft ist, denke ich, und auch von unseren europäischen Nachbarn,
    akzeptiert werden kann, ist, dass die Deutschen sich wiedersehen, dass sie sich einander annähern, dass sie das erreichen und anstreben, was schon im Grundlagenvertrag zwischen den beiden deutschen Staaten im Artikel 1 niedergeschrieben worden ist, nämlich eine gut-nachbarschaftliche Beziehung.
    Natürlich ist die große Aufgabe der Rekonstruktion der ökonomischen
    und der politischen Rekonstruktion der DDR eine Sache zuallererst der DDR-Deutschen und der hoffentlich bald von ihnen demokratisch zu wählenden politischen Führung.
    Nur weiß jeder in der DDR, ohne ganz erhebliche Hilfen aus der Bundesrepublik Deutschland wird es nicht gelingen.
    Nur dürfen solche Hilfen nicht mit politischen Auflagen verbunden werden im Sinne einer Wohlverhaltensklausel der künftigen demokratisch gewählten Regierung in Ost-Berlin.
    Ein paar Bedingungen sollten selbstverständlich sein, wenn man drüben
    nicht bereit ist, aber man scheint ja dazu bereit zu sein, marktwirtschaftliche Elemente in die DDR-Wirtschaft einzuführen.
    Wenn es nicht einen Investitionsschutz gibt für solche, die in der DDR zu investieren bereit sind, dann werden mögliche Investitoren in der Bundesrepublik natürlich zögern.
    Also keine politischen Auflagen, aber sehr wohl wirtschaftliche Auflagen in einer gewissen Form.
    Ja, das Geld, und es werden ja gewaltige Größenordnungen, denke ich, zweistellige Milliardensummen sein, kann unmöglich gegeben werden, wenn man nicht annähernd die Gewissheit hat, dass es in einer ökonomisch vernünftigen Art investiert wird.
    Herr Bölling, glauben Sie, hat die derzeitige Regierung die nötige Sensibilität sowohl der DDR gegenüber, die sicherlich auch ein bisschen heikel zu behandeln ist, wie Sie ja aus Ihrer Zeit hier als offizieller Vertreter Bonds sicherlich wissen, und auf der anderen Seite auch die Sensibilität
    den Bündnispartnern gegenüber, denn eines glaube ich ist auch klar, wenn die DDR wirtschaftlich auf der Höhe ist und eine Art weiterer politischer Annäherung zwischen den beiden deutschen Staaten da ist, dann existiert in Mitteleuropa die stärkste wirtschaftliche Macht des Kontinents.
    Ja, das ist ein Argument, das sorgenvoll auch von manchen Politikern in Washington und sicherlich auch in Frankreich hin und her bewegt wird.
    Ich denke, Herr Machatschke, man muss den Hörern, die das nicht so genau wissen, in Erinnerung rufen, dass ja die Bundesrepublik Deutschland heute schon
    im Verbund der EG die stärkste ökonomische Kraft ist und dass es sicherlich ein volles Jahrzehnt dauern wird, so sagen mir meine ökonomisch urteilsfähigen Freunde, hier und in der DDR ein volles Jahrzehnt dauern wird, bis wir das Wohlstandsgefälle zwischen Bundesrepublik und DDR
    erfolgreich abgebaut haben.
    Also die Vorstellung mancher amerikanischer politischer Kommentatoren und Abgeordneten in Washington, es entstehe nun ein wirtschaftlicher Gigant, der dann womöglich ganz Osteuropa ökonomisch dominiert und aus dieser Dominierung würden dann, so lauten diese Cassandra-Rufe, auch eine politische Vorherrschaft über Osteuropa werden.
    Ich glaube, diese Sorgen sind unbegründet, denn es ist nicht zu erwarten, dass in wenigen Jahren so etwas wie ein DDR-Wirtschaftswunder entstehen wird.
    Da braucht es sicherlich viel Geduld und zunächst wird es eher eine Durststrecke für die DDR-Wirtschaft geben.
    Herr Böding, Sie sind ein enger Berater von Bundeskanzler Helmut Schmidt gewesen.
    Sie haben mit vorbereitet die Begegnung zwischen Schmidt und Honecker.
    Sie sind mehr als ein Jahr ständiger Vertreter der Bundesrepublik in Ost-Berlin gewesen.
    Kennen Sie eigentlich diese sogenannten neuen Leute in der DDR, die ja in Wirklichkeit gar keine neuen Leute sind?
    Also ich meine damit Leute wie Modrow, wie Krenz, wie Schabowski.
    Kennen Sie sie persönlich?
    Ich kenne einige von ihnen aus Gesprächen.
    Nun müssen Sie wissen, dass für die Diplomaten in Ost-Berlin Kontakte mit den Mitgliedern des Politbüros fast unmöglich waren.
    Aber Grenz bin ich im Gespräch begegnet.
    Und im Unterschied zu manchen bundesdeutschen Politikern, ich selber bin keiner wie sie wissen, war ich vom ersten Tage an sehr sehr skeptisch gegenüber diesem neuen Generalsekretär, weil er ja nun der Prototyp
    jenes Kommunisten ist, der die Verantwortung hat und sie doch nicht einfach verdrängen kann für alles, was dort in den letzten Jahren an schlimmen Repressionen durch das Regime zu verantworten ist.
    Ich halte es für möglich,
    und weiß, dass viele meiner Freunde in Ostberlin es für wünschbar halten, dass auf dem für Mitte Dezember angesetzten Parteitag der SED vielleicht schon über einen neuen
    Generalsekretär der SED diskutiert werden wird.
    Es ist im Augenblick eine rein spekulative Überlegung.
    Insofern allerdings nicht spekulativ, als die SED, wenn sie auf die politischen Geschicke der DDR auch künftig Einfluss nehmen will, wissen muss, und ich denke sie weiß es bereits, dass mit einem Mann wie Egon Krenz an der Spitze das Wichtigste nicht zu schaffen sein wird.
    Nämlich das Vertrauen der Mehrheit der DDR-Bürger
    in eine erneuerte SED herzustellen.
    Das wird mit einem Mann wie Krenz nicht zu schaffen sein.
    Der gilt den meisten Deutschen in der DDR als Wendehals.
    Ich weiß nicht, ob die Österreicher genau wissen, was ein Wendehals ist.
    Ich denke schon.
    Ein Spechtvogel, der seinen Hals um 180 Grad dreht.
    Und er gilt drüben als der prominenteste Wendehals.
    Also diese Leute haben Glaubwürdigkeit wohl ein für allemal verspielt.
    Auch wenn sie sich jetzt als stürmische Reformer porträtieren und den Eindruck zu erwecken versuchen, alles was sie an tiefgreifenden Veränderungen ankündigen, sei ganz ehrlich gemeint.
    Ist es nicht ein Grund für Besorgnis, nicht nur in der DDR, sondern auch im Ausland, wenn man sich diese Wendehelse anschaut, diese Fähigkeit von einem Tag auf den anderen, sozusagen auf dem Absatz oder wenn ich es pointiert sagen möchte, sogar auf dem Stiefelabsatz kehrt zu machen.
    An einem Tag noch sind die Demonstrationen in Leipzig eine Konterrevolution und Honecker hat schon den Schießbefehl an die Polizei unterschrieben und am nächsten Tag marschiert die SED-Spitze in der vordersten Reihe mit und sagt, wir sind auch das Volk.
    Das Phänomen, dass Vertreter einer Diktatur, wenn die Diktatur nicht mehr zu halten ist, sich schnell noch an die neuen Ufer zu retten versuchen, ist ein weltweites Phänomen.
    Opportunisten, die an ihren Machtpositionen, an ihren Privilegien festzuhalten wünschen und die schnell
    ihre Gesinnung an der Garderobe abgeben und sich hier an der nächsten Garderobe eine neue Uniform, eine neue Garderobe besorgen.
    Das ist nichts Neues.
    Aber im konkreten Fall DDR heißt es, dass ein Parlament, das bisher nur ein Akklamationstheater gewesen ist, wirklich neu gewählt werden muss.
    Deshalb, denke ich, wird auch die Regierung
    Dieses Hans Modrow, den ich in der Tat für einen recht ehrlichen Mann halte und der nach meinem Eindruck wohl auch ein ganz kompetenter Politiker ist, vermutlich nur eine Übergangsregierung sein können.
    Es muss zu wirklichen Wahlen kommen.
    Anders kann sich die Partei, die dort über 40 Jahre allein das Sagen gehabt hat, nicht rehabilitieren.
    Welche Chance geben Sie eigentlich der SED bei freien Wahlen?
    Wie viel Prozent?
    Das hängt davon ab, was für Leute sie aus den eigenen Reihen zu rekrutieren versteht.
    Ich fühle mich ziemlich sicher und gründe dieses Urteil auf persönliche Gespräche im anderen Teil Deutschlands.
    Das ist dort
    ja, wirklich ehrliche Kommunisten gibt, die zu keiner Zeit eine Chance hatten, mit ihren Vorstellungen die Politik der Führung zu beeinflussen.
    Da sind auch einige, wenige, bereits aufgetreten, die
    einen guten Eindruck hinterlassen haben.
    Also wenn die SED bereit ist, diese kritischen Köpfe zu mobilisieren, wenn sie jüngere Leute mit Verantwortung betraut,
    die es ehrlich meinen mit der Verbindung von Demokratie und Sozialismus, dann könnte ich mir denken, werden sie auch Vertrauen gewinnen können und dann brauchen sie nicht, um einen Terminus der Bonner Politik zu gebrauchen, unter der Fünf-Prozent-Klausel bleiben.
    Aber einen triumphalen Erfolg können sie sich auch dann nicht erhoffen.
    Herr Bölling, wir führen dieses Gespräch in Berlin, in einer Stadt, die durch eine Mauer geteilt ist.
    Jetzt gibt es in dieser Mauer sehr viele Löcher und es wird wahrscheinlich noch mehr neue Grenzübertrittsstellen geben.
    Wie sehen Sie die Zukunft Berlins?
    Wird diese Mauer eines nahen Tages verschwinden?
    Und wenn die Mauer verschwindet, welche Art von Grenze in einer Stadt wie Berlin kann man zwischen zwei verschiedenen Ländern ziehen?
    Also zunächst bin ich, und ich bin kein unkritischer Lokalpatriot, das müssen Sie wissen, davon überzeugt, dass Berlin in der Zukunft ein ganz wichtiger politischer Platz in Europa werden wird.
    Wenn jetzt am Wochenende die Regierungschefs der europäischen Gemeinschaft die Entwicklung im anderen Teil Deutschlands kritisch diskutieren, werden sie ja auch über Konzepte nachdenken, einer gemeinsamen Haltung gegenüber den Reformprozessen in der Sowjetunion, aber vor allem in so ungemein europäischen Ländern wie der Tschechoslowakei, in Ungarn und in Polen.
    Das muss ich Ihnen
    als Österreicher nicht umständlich erklären.
    Und da kann Berlin eine Art Clearinghouse werden, ein großes Forum, auf dem sich Vertreter dieser ureuropäischen Länder, die jetzt in diesen dramatischen Reformprozessen stehen, treffen
    um Konzepte für ein ökonomisches, politisches, geistiges Zusammenwachsen Europas zu diskutieren.
    Das klingt im Augenblick, ich weiß das, sehr allgemein, aber es gibt da schon eine ganze Reihe von hochinteressanten Projekten.
    Und insofern ist die Mauer heute schon eigentlich erledigt.
    Sie ist bereits ein Relikt der Geschichte.
    Ihre Etikettierung als antifaschistischer Schutzwall war immer eine faustdicke Lüge.
    Das ist jetzt sogar von einem wichtigen Mann in der Sowjetunion zugegeben worden, dass die Mauer natürlich nur seit dem August 1961 die Funktion hatte,
    Erziehungslager hinter Stacheldraht zu garantieren.
    Das weiß auch die Führung der DDR.
    Die Deutschen können jetzt wieder zueinander, wobei es sehr wichtig sein wird, dass auch die Westberliner nicht mehr mit einem Eintrittsgeld in die DDR kommen, sondern sich frei bewegen können.
    Da bin ich optimistisch, das wird passieren.
    Aber Berlin wird nicht wieder die alte Stellung als Reichshauptstadt zurückgewinnen und das sollte auch wahrlich nicht unser Ehrgeiz sein.
    Aber als ein Treffpunkt, wie ich gesagt habe, als ein Forum neuer Konzepte
    allesamt unter dem Titel des Zusammenwachsens der Europäer.
    Das wird Berlins künftige Funktion sein können.
    Ich danke schön.
    Klaus Bölling war Gast im Journal.
    Bleiben wir noch im Osten.
    Die einen öffnen die Grenzen, die anderen machen sie dicht.
    Während von allen Grenzübergängen der DDR zur Bundesrepublik Deutschland kilometerlange Trabi-Staus gemeldet werden, setzt Radio Budapest seine Hörer davon in Kenntnis, dass sich das Reformen-Abholde Rumänien einigelt.
    Die gesamte rumänische Grenze sei dichtgemacht worden.
    Möglicherweise eine Vorsichtsmaßnahme des auf Isolation gegenüber reformfreudigen Staaten bedachten rumänischen Kondukators Nikolaj Zauzescu vor dem für Montag in Bukarest anberaumten KP-Kongress, heißt es in Budapest, von wo sich Karl Stipsitz meldet.
    Die Grenzeübergänge zu Rumänien sind nicht nur für ungarische Staatsbürger geschlossen.
    Die unvermeidlichen polnischen Handelsreisenden und Vertreter westdeutscher Hilfsorganisationen
    sowie Touristen werden seit gestern ebenfalls zurückgewiesen.
    Schon bisher haben die rumänischen Grenzbeamten jeden Reisenden genau untersucht.
    Die Einfuhr von Bibeln, Büchern, Zeitungen, Injektionsnadeln und Antibabypillen waren schon bisher streng verboten.
    Auf die Einreise musste man meist mehrere Stunden warten.
    Die Zahl der namentlich aus Rumänien ausgeschlossenen Personen wird auf mehrere tausend geschätzt.
    Darunter sind fast alle namhaften westlichen Journalisten, die sich mit diesem Raum beschäftigen.
    Was die Rumänen zu ihrer plötzlichen und vorher nicht angekündigten Schließung der Grenze veranlasst hat, ist unklar und wie vieles in diesem Land sehr rätselhaft.
    Ungarische Rumänienkenner sehen einen Zusammenhang mit dem bevorstehenden kommunistischen Parteikongress.
    Nachdem nun bis auf die Tschechoslowakei alle stalinistischen Dominosteine in Mittel- und Osteuropa gefallen sind,
    versucht sich Rumänien unter der Dynastie Ceaușescu noch stärker als bisher einzuigeln und die Demokratisierungswelle abzuschotten.
    Der Westteil des Landes sieht über das ungarische Fernsehen, wie sich die Diktaturen im ganzen ehemaligen Ostblock verwandeln.
    Seit vergangener Woche sehen die rumänischen TV-Besitzer im Süden die Bilder von dem Sieg der Reformer in Bulgarien und auch die Abrechnung mit dem bisherigen Regime.
    Aus dem Nordosten schließlich kommen Nachrichten von den Demonstrationen und Streiks,
    im sowjetischen Moldawien.
    Der in der nächsten Woche beginnende kommunistische Kongress dient aller Voraussicht nach wieder der Verherrlichung und Rechtfertigung der Ceaușescu-Herrschaft.
    Eine Schließung der Grenze könnte unvorhergesehene Störungen von außen abwehren, wobei unklar ist, wovor das bucharestische Regime sich da fürchtet.
    Für die kaum noch existierenden offiziellen Beziehungen zwischen Ungarn und Rumänien ist die vorerst vorübergehend verhängte erscheinende Grenzschließung ein neuer Schlag.
    Schon im August dieses Jahres wurde der rumänische Botschafter aus Budapest abgerufen.
    Zehntausende rumänische Staatsbürger haben in Ungarn um politisches Asyl angesucht.
    Der letzte stalinistische Dominstein im ehemaligen Sowjetblog aber steht noch fest und aufrecht.
    Wegen der sich überstürzenden Entwicklungen in Osteuropa, vor allem aber in der DDR, hat der gegenwärtige EG-Vorsitzende, Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand, die Staats- und Regierungschefs der zwölf EG-Länder nach Paris beordert, um mit ihnen die längst fällige Grundsatzdebatte über die Zukunft der EG-Ostpolitik zu führen.
    Lorenz Gallmetzer, Paris, berichtet.
    Keine festgelegte Tagesordnung, keine Vorarbeiten für eine gemeinsame Erklärung, keine spektakulären Entscheidungen, sondern lediglich ein informelles Treffen zur politischen Analyse und Abstimmung der Zwölf angesichts der historischen Ereignisse in den Ländern Mittel- und Osteuropas.
    Immer wieder betont der Pressesprecher des Élysée diesen informellen Charakter des außergewöhnlichen Ägäegipfels, den François Mitterrand für heute einberufen hat.
    Zu hoch gesteckte Erwartungen sollen im Vorhinein gedämpft werden, für den Fall, dass das Ergebnis der Pariser Beratungen mager ausfallen sollte.
    Diskutiert wird ab 20.30 Uhr und bei Tisch, im Laufe von zwei parallel stattfindenden Dinees, die zwölf Regierungs- und Staatschefs plus EG-Kommissionspräsident Jacques Delors im Salon der Botschafter, die Außenminister im Salon Murat.
    Nachdem sich beide Runden beim Kaffee noch einmal verständigt haben, wird Präsident Mitterrand dann in einer nächtlichen Pressekonferenz darlegen, welchen Weg die EG angesichts der Umwälzungen im anderen Europa zu gehen gedenkt und ob sich die Zwölf überhaupt auf eine Marschroute und schnelle, konkrete Schritte einigen konnten.
    Die Position des amtierenden Ratsvorsitzenden Mitterrand und des Kommissionspräsidenten Delors ist bekannt.
    Der EG-Einigungsprozess müsse jetzt noch intensiviert und beschleunigt werden, um in einer Zeit der Auflösung des bisherigen Gleichgewichts wirtschaftlich und politisch der Anziehungspol für ganz Europa zu werden.
    Nur so könne auch die Entwicklung in den beiden deutschen Staaten in einen gesamteuropäischen Einigungsprozess eingebunden werden, wie der offizielle Sprachgebrauch heißt, der natürlich kontrollieren meint.
    Deshalb müsse der für 8. und 9.
    Dezember in Straßburg anberaumte EG-Rat entscheidende Schritte in Richtung Wirtschafts- und Währungsunion und Sozialkarta für die EG beschließen.
    Um den Demokratisierungs- und Reformprozess in Osteuropa rasch und wirksam zu unterstützen, schlägt Mitterrand die Schaffung einer europäischen Bank für Entwicklungshilfe vor.
    Einen baldigen Beitritt der Staaten wie Ungarn, Polen oder der DDR in die EG hält Frankreich wirtschaftlich und politisch weder für möglich noch dienlich.
    Dieser Unionstheorie werden beim heutigen Amt des NIMELISÉ jene Kritiker gegenübertreten, die eine Pause im westeuropäischen Einigungsprozess fordern.
    Der britischen Premierministerin Thatcher ist der Fall der Berliner Mauer natürlich ein willkommener Anlass, um ihren traditionellen Widerstand gegen die EG-Einigung
    Erneut mit Energie vorzubringen, aber auch andere Kräfte mahnen vor einer Einkapselung der EG.
    Wenn man jetzt alleine nach vorne presche, könnte eine einmalige Chance vertan werden, die im Aufbruch befindlichen Staaten des anderen Teils Europas rasch zu assoziieren und integrieren, befürchten selbst in Frankreich Persönlichkeiten wie Giscard d'Estaing.
    Und ausschlaggebend wird natürlich die Haltung der Bundesrepublik sein.
    Wie stark ist in Ponn selbst noch der EEG-Konsens?
    Gibt es die bisher so enge Achse Ponn-Paris als Motor der gemeinsamen Europapolitik noch?
    Oder sind die östlich des Rheins wieder hörbarer vorgetragenen Bedenken gegen eine schnelle Wirtschafts- und Währungsunion schon erste Signale einer Neuorientierung?
    Sicher ist Kanzler Kohl heute Abend zugleich Star und Sorgenkind Nummer eins am Elisethisch.
    Präsident Mitterrand hat jedenfalls gestern mit US-Präsident Bush und vor zwei Tagen mit Gorbatschow telefoniert und will sie beide über den Ausgang der Zwölferrunde unterrichten.
    Die Frage ist, ob er ein eindeutiges Mandat erhalten wird, ob die EG nach dem heutigen Gipfel mit einer einzigen Stimme auftreten wird können.
    So viel aus Paris.
    Das österreichische Innenministerium will jetzt Flüchtlingsschleppern das Handwerk legen.
    4.000 Menschen aus dem Nahen und Fernen Osten haben in den letzten Monaten versucht, illegal über Österreich in die Bundesrepublik Deutschland nach Italien und in die Schweiz zu gelangen.
    Weil jetzt aber auch die grünen Grenzen besser bewacht werden als früher, hat sich die Zahl der Rückstellungen binnen dreier Monate verzehnfacht.
    Details dazu von Georg Gleich.
    Sie kommen aus Kurdistan, dem Libanon, aus Ägypten, von den Philippinen, aber auch aus China.
    Männer, Frauen und Kinder, die meist unterkühlt und verwahrlost, irgendwo im Wald von den Grenzorganen der Nachbarländer aufgelesen und nach Österreich zurückgeschickt werden.
    Kürzlich hatte eine Gruppe von nur leicht bekleideten Ägyptern im Grenzgebiet zwischen Ost- und Südtirol die Nacht bei Minustemperaturen im Freien verbracht.
    Innerhalb der letzten drei Monate hat sich die Zahl rückgestellter Flüchtlinge an den österreichisch-deutschen Grenzen fast verzehnfacht.
    Während einerseits die Organe der Nachbarländer Deutschland, Schweiz und Italien rigoros kontrollieren, lockt der Ruf des freien und reichen Mitteleuropa immer mehr Menschen aus dem Süden und Osten zu einer gewagten Odyssee.
    Seit der Liberalisierung in Ungarn hat sich dort ein Schlepperwesen etabliert, dem es nicht um politische Motive, sondern ums Geld geht.
    Die Zentren der großen Schlepperorganisationen liegen in Istanbul, Belgrad, Prag und in Budapest.
    Das Geschäft läuft gut, die Flüchtlinge zahlen unvorstellbare Summen, die sie aus dem Erlös ihres Besitzes in der Heimat bestreiten.
    Da die Tendenz der Flüchtlingszahlen aber weiterhin stark steigend ist, überlegt sich jetzt das Innenministerium Gegenmaßnahmen.
    Innenminister Franz Löschnack
    Diese Rückstellungen, die wir an der deutsch-österreichischen und schweiz-österreichischen Grenze in diesem Jahr gehabt haben, immerhin 4.000 in den ersten neun Monaten, veranlassen uns auch demnächst Gespräche mit dem ungarischen Amtskollegen zu führen, weil viele dieser illegal Eingereisten über Ungarn gekommen sind.
    Und b ist es notwendig gegen das Schlepperunwesen verschärft vorzugehen.
    Es fehlt hier meines Erachtens eine entsprechende strafrechtliche Bestimmung.
    Gespräche mit den Mitarbeitern des Justizministers haben stattgefunden.
    Wir werden versuchen in den nächsten Wochen einen Initiativantrag einzubringen.
    Menschenschmugglern soll also ein eigener Paragraf im Strafgesetzbuch gewidmet werden, fordert Innenminister Löschnack.
    Ob sich Schlepper davon abschrecken lassen, bleibt abzuwarten.
    In den meisten Fällen können sie nämlich entwischen.
    Wenn Flüchtlingstrupps in der Nacht die grüne Grenze überschreiten und der Zoll anrückt, sind die ortskundigen Menschenschmuggler plötzlich verschwunden.
    Mit Geld und Pässen ihrer Kunden.
    Und jetzt zu den schweren Brummern.
    Die offensichtliche Revancheaktion des bundesdeutschen Verkehrsministers Friedrich Zimmermann auf das österreichische Lkw-Nachtfahrtverbot hat hierzulande ablehnende Reaktionen in seltener Einmütigkeit ausgelöst.
    Quer durch die Parteien gehen die wütenden Reaktionen.
    Aber auch in der Bundesrepublik selbst stößt das von Zimmermann angekündigte Nachtfahrtverbot für österreichische Lkw nicht nur auf Gegenliebe.
    Und rechtliche Bedenken bleiben.
    Den heutigen Stand der Diskussion fasst Herbert Huthar zusammen.
    Die Bundesrepublik Deutschland, vor allem das Verkehrsministerium in Bonn, tut sich relativ schwer, das Nachtfahrverbot für österreichische Lkw in der Bundesrepublik rechtlich abzusichern.
    So behauptet ein Sprecher in Bonn, das Nachtfahrverbot beruhe exakt auf Gegenseitigkeit.
    Es würden die österreichischen Frechte in Deutschland denselben Bedingungen unterworfen wie die deutschen Lkw-Fahrer in Österreich.
    Dies betreffe sowohl die Lärmobergrenze als auch die Zahl der Fahrten, als auch die Ausnahmebedingungen und vor allem das Verbot, in der Nacht zu fahren.
    Schuldig geblieben ist der Sprecher des Bonner Zimmermann-Ministeriums allerdings die Begründung, warum nur österreichische Dicke Brummer von dieser angeblich gegenseitigen Maßnahme betroffen sein sollen, nicht aber auch andere.
    Verkehrsminister Friedrich Zimmermann selbst sieht die Sachlage ebenfalls nur innerhalb der österreichisch-deutschen Scheuklappen.
    Er glaubt, so hatte er Minister Rudolf Streicher geschrieben, dass die Frage des Nachtfahrverbots eine deutsch-österreichische sei.
    Wenn also die Deutschen in Österreich nicht fahren dürfen, so dürfen auch die Österreicher in Deutschland nicht fahren.
    Damit sei die Gegensätigkeit der Maßnahmen gerechtfertigt.
    Nur, und das ist dem strammen Bayern entgangen, und darauf hat Österreich immer wieder hingewiesen, das österreichische Nachtfahrverbot gilt für alle, nicht nur für Deutsche, während aber das deutsche Nachtfahrverbot sich ausschließlich gegen unsere Referechte richtet.
    Und hier setzt ja die rechtliche Anfechtbarkeit von österreichischer Seite ein.
    Folgende Verträge und Abkommen sind nach österreichischer Ansicht verletzt worden.
    das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT, das österreichische Freihandelsabkommen mit der EG und der Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland über den grenzüberschreitenden Güterverkehr.
    Abgesehen von diesen grundsätzlichen Rechtsverletzungen aus österreichischer Sicht hat Verkehrsminister Streicher auch noch eine Pikanterie am Rande gefunden.
    Es geht in diesem Fall um die zweiseitig ausgemachten Kontingente für Lkw-Fahrten, jeweils im anderen Land.
    Diese Kontingente werden den Frechtern als Karten zugeteilt und diese Karten, so hat man im österreichischen Verkehrsministerium herausgefunden, werden in aller Genauigkeit jeweils immer für 24 Stunden ausgestellt, also für den ganzen Tag.
    Und allein deswegen ist es schon rechtswidrig, wenn eine solche Karte ausgerechnet zwischen 22 Uhr nachts und 5 Uhr früh nicht gelten soll.
    Auch im eigenen Land kommt Friedrich Zimmermann nicht gut weg.
    Die Süddeutsche Zeitung nennt ihn einen Geisterfahrer, die völkerrechtlich zumindest bedenkliche Vorgangsweise scheint, so die Zeitung wörtlich, die Zornigel nicht zu stören.
    Als Geisterfahrer auf der Europaspur unterwegs, nicht nur gegen Österreich, sondern auch gegen die IG, meint die Süddeutsche Zeitung.
    Und jetzt ins Kriminal.
    Die ganze Sache macht überhaupt keinen Sinn, sagte ein Polizist auf die Frage nach dem Motiv für das Blutbad, das zwei Österreicher in einem Gasthaus bei Regensburg angerichtet haben.
    Die beiden Männer, vermutlich Ausbrecher aus einem Gefängnis in Steyr, betraten das Lokal, tranken etwas, setzten die Gläser ab, erschossen vier Gäste und verletzten zwei Menschen schwer.
    Die Großfahndung ist bisher erfolglos verlaufen.
    Mehr von Karl Ploberger vom Landesstudio Oberösterreich.
    Die Hintergründe für diese Bluttat sind völlig unklar.
    Bei den beiden Männern dürfte es sich nach Angaben der Polizei in Regensburg um den 31-jährigen Dietmar M. aus Haid in Oberösterreich sowie um den 25-jährigen Helmut Bergmay aus Linz handeln.
    Die beiden sind am vergangenen Montag aus dem kreisgerichtlichen Gefangenenhaus in Steyr ausgebrochen, wo sie wegen zahlreicher Einbrüche in Haft waren.
    Bei der Flucht haben sie ein Gitter durchsägt und sich über einen Blitzableiter abgeseilt.
    Anschließend stahlen sie dann zwei Pkw, mit denen sie nun nach Deutschland fuhren.
    In der vergangenen Nacht kamen sie dann gegen 1 Uhr früh in den Bräugasthof Plank in Laber, 30 Kilometer westlich von Regensburg.
    Zunächst tranken sie etwas, standen dann aber plötzlich auf und eröffneten ohne Vorwarnung das Feuer auf die anwesenden fünf Gäste und eine Kellnerin.
    Drei der Opfer starben noch am Tatort, ein Mann erlag seinen schweren Verletzungen im Krankenhaus.
    Das Motiv ist völlig unklar, es habe keinen Streit gegeben, erklärten die beiden Überlebenden des Blutbades, eine 50-jährige Kellnerin und ein Gast des Lokals.
    Die beiden Männer flüchteten mit einem Fahrzeug mit linkzer Kennzeichen, das aber wenig später in der Oberpfalz aufgefunden wurde.
    Vorerst gibt es keine Hinweise, wohin die beiden Täter geflüchtet sind.
    Es wurde jedenfalls auch die Gendarmerie in Oberösterreich in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.
    Unter anderem wurde angeordnet, dass Verkehrskontrollen wegen der Gefährlichkeit der Täter nun nur noch von Patrouillen mit zwei Beamten durchgeführt werden dürfen.
    Im Akademietheater in Wien wird heute Manfred Karges Stück »Lieber Niempsch« uraufgeführt.
    Im Zentrum des Stückes steht der Schriftsteller Nikolaus Niempsch, Edler von Strelenau, besser bekannt als Nikolaus Lenau.
    Eine durchaus interessante Persönlichkeit, melancholisch, rätselhaft.
    42-Jährig in geistige Umnachtung verfallen, 48-Jährig verstorben.
    Ein Aufbegehrer, ein Kämpfer gegen das erstarrte System Metternichs.
    Und gerade dieses Aufbegehren stellt Autor Karge in den Vordergrund seines Stücks Lieber Niemsch, über das ihm folgenden Eva-Maria Klinger informiert.
    Meine sämtlichen Schriften sind, da ich für Taten keinen Raum finde, mein sämtliches Leben, schreibt Nikolaus Lenau 1840 an Sophie Löbenthal, die Frau seines Freundes und sein Lebensmensch.
    Mit ihr verbindet den zerrissenen Dichter zwölf Jahre lang bis zum Ausbruch seiner Geisteskrankheit eine unerfüllte Liebe.
    600 Briefe hatte er in diesen Jahren geschrieben.
    Ihre ebenso zahlreichen Briefe hat er fast vollständig in seinem ersten Topsuchtsanfall verbrannt.
    Die Weiber haben mich auf dem Gewissen, mein Freund!
    Die Weiber?
    Und der Metternich!
    Ein Löffel für den Metternich!
    Das Pseudonym Nikolaus Lenau nimmt Nikolaus Niemsch, Edler von Strelenau, an, weil die metternische Zensur die Veröffentlichung seiner vormärzlichen Gedanken verbietet.
    In Kotta findet Lenau später einen verständnisvollen Verleger, was ihn veranlasst, das halbe Jahr jeweils in Schwaben zu verbringen.
    Einige heftige Liebesbeziehungen und eine Heiratsabsicht scheitern an seiner Neigung zu Sophie Löbenthal, deren Zuwendung er nicht verlieren will.
    Ich wollte, Sie hätten gesagt, hier bin ich, Niemsch.
    Sieh mich an!
    Ich brachte mich nur für dich.
    Ich möchte dich küssen, Sophie.
    Einmal möchte ich dich küssen.
    Tief und innig.
    Lieber Nemsch, Sie wissen, ausweglos ist unser Wünschen hier in dieser Welt.
    Im Jenseits wird es sich erfüllen.
    Ures Hefte als Nimsch und Lore Brunner als Sophie.
    Manfred Karge wählt die Oktoberaufstände von 1848 als zeitlichen Hintergrund seines Stückes.
    Als Ort der Handlung die Nervenheilanstalt in Oberdöbling, wohin Lenau 1847 in bereits hoffnungsloser Umnachtung von der schwäbischen Irrenanstalt überführt worden war.
    Obwohl Lenau die Erfüllung seiner politischen Hoffnungen nicht mehr wahrgenommen hat, ist die Revolution von 1848 der Schlüsselpunkt für Karge.
    Das war für mich so ein merkwürdig sinnliches Erlebnis.
    Ich dachte, hier sitzt der, er hört die Kanonen von da drüben.
    Er muss den Feuerschein sehen können, wenn er aus dem Fenster schaut und da passiert etwas, das er also sehnsüchtigst herbeigedacht, herbeigeschrieben hat und hat also selber keinen Anteil mehr daran.
    Karge zeichnet Lenau in bereits schwer geistesgestörtem Zustand.
    Er empfängt Besuche von Sophie und ist sonst nur von seinem Arzt und seinem Wärter umgeben.
    In hellen Momenten tauchen Bruchstücke aus seinem vergangenen Leben auf.
    Seine Aussagen sind zum überwiegenden Teil Zitate aus Briefen.
    Vielleicht sollte man gar nichts schreiben und dichten.
    In Österreich von Poesie reden, das ist, als wenn man im Hurenhaus von der platonischen Liebe redet.
    Das erschütternde und faszinierende Schicksal des lange Zeit vergessenen Dichters will Manfred Karge bewusst nicht nachvollziehen.
    Das will ich auch ganz betonen, dass das Stück natürlich eine freie Dichtung ist.
    Das heißt, keiner der dort geschehenen dramatischen Ereignisse hat tatsächlich stattgefunden, kann auch gar nicht stattgefunden haben.
    Obwohl eben große Eckdaten der Biografie Lenaus authentisch sind, aber letztendlich ist es eine Freidichtung.
    Und es ging mir ja nicht darum, ihn sozusagen als Sprachrohr da zu postieren.
    Es ging darum, wirklich das Wesentliche irgendwie doch nicht außer Acht zu lassen, aber sozusagen eine
    Vollständigkeit in dieser Weise war überhaupt nicht angestrebt.
    Damit erklärt Manfred Karge, warum aus der Biografie nur einige Aspekte anklingen und aus dem lyrischen Werk nur drei Strophen.
    Worin der vom Burgtheater immer wieder versprochene spannende Zeitbezug liegen könnte, ist kaum zu erklären.
    Doch Manfred Karge geht nichts ab.
    Mich persönlich, muss ich sagen, hat ganz erstaunt, gerade jetzt zum Ende der Proben hin, ich habe nichts gefunden, von dem ich sagen würde, oje, das hättest du noch unterbringen sollen.
    Sagt der Autor.
    Nachrichten gehen sich nicht mehr aus, noch die Wetteraussichten für Österreich bis heute Abend.
    Sonnig, Nachmittagstemperaturen 3 bis 6 Grad und in der Nacht Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.
    Das war's für heute Mittag und Manfred Kronsteiner verabschiedet sich für das ganze Team des Mittagjournals.
    Untertitel der Amara.org-Community

    Beiträge dieses Journals

    Nachrichten
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten
    Wetterbericht
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Natur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten
    Studentendemonstration in Prag von Polizei brutal niedergeschlagen
    Mitwirkende: Coudenhove-Kalergi, Barbara [Gestaltung]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Ort: Prag [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Gespräch mit Ota Sik zur Lage in der CSSR
    Interview: Wirtschaftswissenschafter Sik
    Mitwirkende: Ausweger, Walter [Gestaltung] , Sik, Ota [Interviewte/r]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten
    Neuer Staatschef Bulgariens Mladenow kündigt freie Wahlen an
    Mitwirkende: Orter, Friedrich [Gestaltung]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Ort: Sofia [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Reiseansturm von DDR-Bürgern in den Westen
    Einblendung: westdeutscher Straßenhändler, ostdeutsche Kunden
    Mitwirkende: Rados, Antonia [Gestaltung] , Anonym, Straßenhändler [Interviewte/r] , Anonym, DDR-Bürgerin, DDR-Bürger [Interviewte/r]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Im Journal zu Gast: Klaus Bölling
    Interview: Publizist Bölling
    Mitwirkende: Machatschke, Roland [Gestaltung] , Bölling, Klaus [Interviewte/r]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten
    Grenzen Rumäniens wurden geschlossen
    Mitwirkende: Stipsicz, Karl [Gestaltung]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Vorschau auf EG-Sondergipfel in Paris
    Mitwirkende: Gallmetzer, Lorenz [Gestaltung]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
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    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten
    Innenminister Löschnak zu illegalen Transitflüchtlingen
    Einblendung: Innenminister Löschnak
    Mitwirkende: Laich, Georg [Gestaltung] , Löschnak, Franz [Interviewte/r]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik ; Politik Österreich ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten
    Reaktionen auf BRD-Nachtfahrverbot für österreichische LKWs
    Mitwirkende: Hutar, Herbert [Gestaltung]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten
    2 Österreicher richten Blutbad in einem Lokal bei Regensburg an
    Mitwirkende: Ploberger, Karl [Gestaltung]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten
    Kultur: Lenau-Stück von Manfred Karge "Lieber Niembsch" im Akademietheater
    Einblendung: Szenenausschnitte, Autor Karge
    Mitwirkende: Klinger, Eva Maria [Gestaltung] , Karge, Manfred [Interviewte/r]
    Datum: 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Theater ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten

    Katalogzettel

    Titel Mittagsjournal 1989.11.18
    Spieldauer 00:59:43
    Mitwirkende Kronsteiner, Manfred [Moderation]
    ORF [Produzent]
    Datum 1989.11.18 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-891118_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal

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    Gesellschaft , Radiosendung-Mitschnitt

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