Mittagsjournal 1989.08.18

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    Rechtliches

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    KI-generiertes Transkript

    Die Zeit, in fünf Sekunden ist es zwölf Uhr.
    Zwölf Uhr.
    Hier ist der österreichische Rundfunk.
    Guten Tag beim Mittagschanal, sagt Ihnen Fritz Wendl als Redakteur im Studio.
    Unser Hauptthema ist heute selbstverständlich die wohl wirklich nur noch mit dem oft strapazierten Wort historisch zu bezeichnete Entwicklung in Polen.
    Dort wird nun nämlich aller Voraussicht nach erstmals in der Geschichte KP-beherrschter Länder eine nicht-KP-dominierte Regierung gebildet.
    Dazu erwarten wir einen Situationsbericht aus Warschau, wir zeichnen ein Porträt des wahrscheinlich neuen Ministerpräsidenten des Chefredakteurs der Solidarnosch-Wochenzeitung Tadeusz Mazowiecki und wir sprechen mit dem Politikwissenschaftler und KPG-ZK-Sekretär aus der Zeit des Prager Frühlings Zdenek Mlynasz über die Entwicklung in Polen und deren Einordnung in die gesamte östliche Umbruchssituation.
    Die weiteren Themen der nächsten 60 Minuten sind unter anderem das Ende des KVA-Verfahrens in Donauwitz, die folgende Ablehnung eines Lkw-Verladebahnhofs durch den Gemeinderat der Tiroler Ortschaft Langkampfen, SPÖ-Zentralsekretär Zschapp kritisiert Vizekanzler Riegler und Umweltministerin Fleming und Salzburger Sommerszenepläne des sowjetischen Regisseurs Vasiljev.
    Voralldem jetzt aber eine von Georg Schalgruber zusammengestellte Meldungsübersicht, die Maria Piffel ist.
    Polen.
    Der künftige Ministerpräsident wird wahrscheinlich Tadeusz Mazowiecki heißen.
    Mazowiecki ist 62 Jahre alt, Chefredakteur der Wochenzeitschrift Solidarität, ein enger Vertrauter von Arbeiterführer Walisa.
    Er gilt als gläubiger Katholik.
    Staatspräsident Jaruzelski wird heute bekannt geben, ob er Mazowiecki als Regierungschef akzeptiert.
    Arbeiterführer Walliser hat drei Kandidaten vorgeschlagen.
    Es sind dies der Fraktionsvorsitzende der Solidarität, Gerdemek, weiters das Vorstandsmitglied, Jacek Kuron und Mazowiecki.
    Gerdemek und Kuron haben bereits abgelehnt.
    Die drei nichtkommunistischen Parteien haben sich auf eine Koalitionsregierung geeinigt.
    Der bisher designierte Ministerpräsident Kiszczak ist offiziell zurückgetreten.
    Schlüsselministerien bleiben wahrscheinlich für die Kommunisten reserviert.
    Arbeiterführer Lech Walesa hat in einem Grundsatzinterview zur politischen Lage in seinem Land die Verpflichtungen Polens im Warschauer Pakt unterstrichen.
    Wer ihm auch regiere, müsse diese Realität beachten.
    Polen dürfe nicht vergessen, wo es liege, sagte Walesa.
    Seinen Verzicht auf das Amt des Ministerpräsidenten begründete er neuerlich mit dem Hinweis, er sei ein Mann des Volkes und werde bei den Arbeitern bleiben.
    Zur Situation in Polen meinte der Friedensnobelpreisträger grundsätzlich, nicht alles, was von der kommunistischen Partei komme, sei schlecht, nicht alles sollte abgelehnt werden.
    Jene, die unter dem Wagen gewesen seien, kämen jetzt aber auf den Wagen, formulierte Valesa.
    Zur Person des sowjetischen Staats- und Parteichefs Gorbatschow sagte er, Gorbatschow sei einer der größten politischen Jongleure in der jetzigen Epoche.
    Um ein so großes Land wie die Sowjetunion mit so vielen Problemen zu führen, müsse man auch ein sehr begabter politischer Jongleur sein.
    Walliser bestätigte, dass er demnächst nach Moskau reisen und mit Gorbatschow zusammentreffen werde.
    Sowjetunion.
    Die streikenden russischen Arbeiter in der Republik Estland haben ihren Ausstand vor ihr beendet.
    Nach zehntägigen Aktionen gegen ein neues, als diskriminierend empfundenes Wahlgesetz, sind die Arbeiter heute in die Fabriken gekommen.
    Ein Sprecher des Streikomitees hat über eine Vereinbarung berichtet, auf die man sich heute Nacht geeinigt hat.
    Der Ausstand könnte aber weitergehen, sollten die estnischen Behörden die Aufforderungen Moskaus unbeachtet lassen, neue Vorschläge zur Änderung des Wahlgesetzes vorzulegen, ergänzte der Sprecher.
    Gestern hat allerdings ein Abgeordneter Islands durchblicken lassen, dass die Republik im Streit um das neue Wahlgesetz den Spruch des obersten Sowjets ignorieren wolle.
    Zum ersten Mal hat eine sowjetische Zeitschrift Artikel von Leo Trotsky wieder veröffentlicht.
    Leo Trotsky ist unter Stalin in Ungnade gefallen.
    Er wurde 1940 im mexikanischen Exil ermordet.
    Das vom Jugendverband herausgegebene Magazin hat jetzt eine Artikelserie mit dem Titel »Der neue Kurs« wieder abgedruckt.
    Sie ist zum ersten Mal 1923 im Parteiorgan Pravda erschienen.
    Trotski übt darin scharfe Kritik an der kommunistischen Partei und wirft ihr vor, den revolutionären Geist zu verlieren.
    In Moskau gibt es in diesem Zusammenhang sogar Spekulationen, Leo Trotski könnte rehabilitiert werden.
    Die amtlichen tschechoslowakischen Medien haben mit scharfer Kritik auf Verurteilungen der Ereignisse des Jahres 1968 reagiert.
    Gestern hat das polnische Parlament in einer Resolution den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei verurteilt.
    Dazu schreibt nun die amtliche Prager Nachrichtenagentur, die Solidarität, die immer eine entscheidendere Rolle im Parlament spiele, habe sich neuerlich in die inneren Angelegenheiten der Tschechoslowakei eingemischt.
    Dies widerspreche dem neuen Denken und den demokratischen Beziehungen zwischen Nationen und Staaten.
    Es würden auch Kräfte in der Tschechoslowakei unterstützt, die Unruhen provozieren und die soziale Entwicklung destabilisieren wollten, meint das amtliche Prag.
    Die Deutsche Demokratische Republik hat den Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen am 21.
    August 1968 gerechtfertigt.
    Die Aktion sei der einzige wirksame Ausweg aus einer Bedrohung für den Sozialismus und den Frieden in Europa gewesen.
    kommentiert das Parteiorgan Neues Deutschland.
    Österreich.
    Weite Teile Salzburgs und der Steiermark sind wieder von schweren Unwettern heimgesucht worden.
    In Graz wurde heute ein Krisenstab gebildet.
    In der Landeshauptstadt sind zahlreiche Keller überflutet, es gab Stromausfälle.
    Im Bezirk Volzberg wurden mehrere Autos von den Fluten mitgerissen.
    Viele Landes- und Gemeindestraßen sind vermuert.
    In Salzburg ist die Westbahnstrecke in Taxenbach nach einem Murenabgang gesperrt.
    Ungarn.
    Der Plattensee, das beliebteste Gewässer Ungarns, ist zunehmend durch Sonnenöl verschmutzt.
    Die amtliche Nachrichtenagentur MTI schreibt, in den vergangenen Tagen hätten etwa 450.000 Urlauber beim Baden Unmengen an Sonnenöl im Wasser zurückgelassen.
    Für das kommende Wochenende rechnet man mit einer Million Besucher.
    Am Ende der Nachrichtenübersicht standen zwei Meldungen zum Wetter.
    Und ob das Wetter in Österreich am Wochenende mehr in Richtung Unwetter oder mehr Sonnenölverbrauchs fördernd sein wird, das sagt uns jetzt Dr. Christoph Gress von der Wiener Hohen Warte.
    Einen schönen Gruß.
    Das Wetter wird am Wochenende freundlich werden, also ein Sonnenölwetter.
    Die Wolkenfelder, die zur Zeit noch in Österreich vorhanden sind, ziehen langsam ostwärts ab und der Hochdruckeinfluss kann sich dadurch im Alpenraum wieder durchsetzen, sodass morgen und auch am Sonntag mit meist freundlichem Wetter gerechnet werden kann.
    Lediglich am Sonntag wird im Westen und Südwesten, also in Vorarlberg, im Norden und Osttirol, zur Gewitterbildung kommen, aber sonst wird ein durchwegs freundliches Wetter sein.
    Der Wind wird meist nur schwach sein und die Frühtemperaturen liegen zwischen 14 und 20 Grad und die Tageshöchsttemperatur wieder zwischen 24 und 29 Grad.
    Zum Schluss noch die Wettermeldungen von 12 Uhr.
    Wien stark bewölkt, 24°, Nordwestwind mit 15 km pro Stunde, Eisenstadt stark bewölkt, 21°, ebenfalls Nordwestwind mit 15 km pro Stunde, St.
    Polten wolkig, 22°, Linz stark bewölkt, 21°,
    Salzburg stark bewölkt 19, Innsbruck stark bewölkt 20 Grad, Bregenz bedeckt leichter Regen 19 Grad, Graz stark bewölkt 21 Grad und Klagenfurt heiter 24 Grad.
    So weit das Wetter.
    Das war Dr. Christoph Kress von der Wiener Hohenwarte.
    Und jetzt noch ein Verkehrshinweis.
    Die B311, die Pinzgauer Bundesstraße, ist zwischen Lent und Bruck neuerlich voraussichtlich stundenlang gesperrt.
    Pkw werden zwischen Salfelden, Dienten und Lent über die Hochkönigbundesstraße umgeleitet.
    Schwerfahrzeuge werden angehalten.
    Und jetzt gleich weiter mit den dramatischen Entwicklungen in Polen.
    Dort schaut nun alles ganz anders aus, als es noch vor einigen Wochen am oft zitierten runden Tisch fixiert worden war.
    Dort hatte die KP zwar der Opposition wesentliche Mitsprache eingeräumt, sich aber alle entscheidenden Machtpositionen selbst reserviert.
    Und so wurde auch General Jaruzelski Staatspräsident, die KP und traditionell mit ihr verbündete Parteien sicherten sich eine Parlamentsmehrheit und General Kiszczak wurde zum Ministerpräsidenten bestellt.
    Er brachte aber dann keine Regierung zusammen, und die seit Jahrzehnten mit der KP verbündeten Kleinparteien wandten sich von den Kommunisten ab und erklärten sich bereit, mit den Solidaritätsabgeordneten eine neue Parlamentsmehrheit zu bilden, womit seit gestern der Weg zu einer solidarisch geführten Regierung frei ist.
    Lech Walesa ergab sich nach dieser Weichenstellung, wie auch vor wenigen Minuten zu Beginn der Nachrichten zu hören war, überaus staatstragend, Warschauer Paktbündnis treu und für ein weiter bestehendes KP-Einflusses in Schlüsselbereichen recht aufgeschlossen.
    Und so wird nun also die Bestellung des 62-jährigen Solidaritätszeitungs-Chefredakteurs Tadeusz Mazowiecki zum Ministerpräsidenten erwartet.
    Aus Warschau berichtet Reinhold Vetter.
    Folgt Staatspräsident Jaruzelski dem Vorschlag von Lech Walesa,
    Dann könnte der neue polnische Premier Tadeusz Mazowiecki heißen.
    Mazowiecki arbeitet zurzeit als Chefredakteur des Wochenblattes der Solidarität Tygodnik Solidarnosc.
    Wie am Abend in einer Fraktionssitzung bekannt wurde, hat Wawansa dem Präsidenten gestern insgesamt drei mögliche Kandidaten vorgeschlagen.
    Außer Mazowiecki noch den Fraktionsvorsitzenden Bronislaw Geremek und Jacek Koron, der ebenfalls dem Vorstand der Fraktion angehört.
    Da Geremek und Koron aller Voraussicht nach nicht antreten werden,
    ist Mazowiecki praktisch der einzige Kandidat.
    Nach langem Taktieren hatte ja auch Lachwansa gestern erklärt, dass er nicht Ministerpräsident werden wolle.
    Die Regierungsbildung stand gestern auch im Mittelpunkt eines Gesprächs zwischen dem Staatspräsidenten und dem ersten Sekretär der PVAP, Mieczysław Rakowski.
    Anschließend erklärte Rakowski vor den Parlamentariern seiner Partei, alle im Sejm vertretenen politischen Kräfte müssten an der neuen Regierung mitwirken.
    Nur so könne die krisenhafte Situation im Lande gemeistert werden.
    Diese Position wurde auch von Jaruzelski in seinem Gespräch mit Lech Wałęsa und den Vorsitzenden der Vereinigten Volkspartei sowie der Demokratischen Partei vertreten.
    Jaruzelski betonte nach der Unterredung, er wolle die Vorschläge rasch prüfen und mit Konsultationen beginnen, damit so schnell wie möglich eine Regierung gebildet werden könne.
    Bronislaw Keremek meinte gestern Abend, in der von Wałęsa angestrebten Regierung könnten auch parteilose Fachleute einzelne Ministerposten übernehmen.
    Auf jeden Fall sollten das Innen- und das Verteidigungsressort Funktionären der PVAP überlassen bleiben.
    Das war Reinhold Vetter aus Warschau.
    Neuer Ministerpräsident Polens soll nun also aller Voraussicht nach Tadeusz Mazowiecki werden.
    Nominiert werden muss er von Staatspräsident Jaruzelski.
    Und dann braucht er im Sejm, dem polnischen Parlament, eine einfache Mehrheit, über die die Solidarität und die beiden anderen nicht-kommunistischen Parteien locker verfügen.
    Ein Porträt des voraussichtlichen neuen polnischen Ministerpräsidenten und Solidarnoschmann der ersten Stunde, Tadeusz Mazowiecki, zeichnet nun Armin Wolf.
    Der einzige Ausweg aus dem Teufelskreis wäre ja ein großer Reformsprung, damit sich die Menschen verwirklichen können.
    Das sagte Tadeusz Mazowiecki 1987 in einem Interview und meinte weiter, Polen kann aus der katastrophalen Lage nur herausfinden, wenn die ganze Bevölkerung Möglichkeit zur Mitbestimmung hat.
    Und in einem anderen Interview meinte er auch 1987, das Schlüsselwort für uns ist nicht Perestroika, sondern Pluralismus.
    Nun, der erträumte Reformsprung scheint geglückt, in den ersten zumindest halbwegs freien Wahlen seit mehr als 40 Jahren konnte die polnische Bevölkerung mitbestimmen und das Ergebnis dürfte nun eine überwiegend nicht-kommunistische Regierung sein, mit einem überzeugten Katholiken und Nicht-Kommunisten als möglichen Ministerpräsidenten.
    Es wäre eindeutig der Höhepunkt in der langen politischen Laufbahn des Juristen und Journalisten.
    Ein Intellektueller, der sich selbst nie in den Vordergrund geschoben habe.
    Das schrieb die renommierte Frankfurter Allgemeine 1981 über Mazowiecki.
    Aber im Hintergrund und in der zweiten Linie ist Adeusz Mazowiecki seit Jahrzehnten aktiv.
    1926 wird er als Sohn eines Arztes und einer Lehrerin in ein bürgerlich-katholisches Milieu hineingeboren.
    Noch während seines Jus-Studiums in Warschau schließt er sich der katholischen Pax-Gruppe an, die unter dem Anspruch einer Versöhnung mit den gesellschaftlichen Veränderungen mit dem kommunistischen Regime kooperiert.
    Aber 1955 verlässt Masowiecki die Gruppe wieder, deren Funktionäre erhebliche Vorteile genießen und die vom laut Staatsideologie atheistischen Regime als Mittel zur Spaltung der starken katholischen Kirche in Polen gesehen wird.
    Mazowiecki schließt sich dann der katholischen SNAC-Gruppe an, die eng mit dem Episkopat zusammenarbeitet und sich als politische Opposition versteht.
    In dieser Zeit gründet der junge Jurist auch eine katholische Monatszeitschrift, in der auch artikeloffiziell verbotene Autoren veröffentlicht werden.
    Von 1961 bis 1972 sitzt er schließlich für SNAK im Parlament.
    Eine neuerliche Kandidatur wird ihm 1972 aber von den Behörden untersagt.
    Mazowiecki ist auch unter den Gründern des Klubs der katholischen Intelligencia, einem wichtigen intellektuellen Forum in Polen.
    1980, während des Streiks in Danzig, gehört der Jurist zu den Rechtsberatern der Arbeiter in der Leninwerft und er führt eine Gruppe von Intellektuellen an, die die streikenden Arbeiter und die aus den Ausständen geborene Gewerkschaft Solidarność berät.
    Als Chefredakteur der neu gegründeten Wochenzeitung der Solidarnosc wird Mazowiecki am 13.
    Dezember 1981 mit Ausrufung des Kriegsrechts verhaftet.
    Ein Jahr lang bleibt er interniert.
    Auch nach seiner Freilassung bleibt er einer der engsten Berater von Lech Walesa und auch dessen Rechtsbeistand.
    Bei den berühmten Gesprächen am runden Tisch zwischen Opposition und Regime, die schließlich zu den Wahlen im heurigen Frühjahr führen, verhandelt Mazowiecki als einer der Führer der Solidarność-Delegation mit den Vertretern der Kommunisten.
    Er gilt als zurückhaltend und vorsichtig.
    Selbst kandidiert er aber nicht bei den Wahlen, sondern übernimmt wieder die Chefredaktion der Solidarność-Wochenzeitung, die seit der Neuzulassung der Gewerkschaft wieder erscheinen darf.
    Die Bewegung Solidarność wurde zwar als Organisation zerstört und in die Illegalität getrieben, sagte Mazowiecki 1987.
    Aber man kann den Menschen nicht ihre Idee aus den Herzen reißen.
    Und nach sieben Jahren der Illegalität könnte die Solidarność mit Tadeusz Mazowiecki nun gar einen Ministerpräsidenten stellen.
    Armin Wolf zeichnete ein Porträt des voraussichtlichen neuen polnischen Ministerpräsidenten Mazowiecki.
    Einer der besten Kenner der Vorgänge in der kommunistischen Welt ist Zdeněk Mlinaš.
    Er war 1968, zur Zeit des Prager Frühlings, ZK-Sekretär der Kommunistischen Partei unter dem damaligen Parteichef Dubček.
    Mlinaš ist nicht nur ein Altersgenosse des sowjetischen Reformers Michael Gorbatschow, sondern er hat auch zusammen mit ihm an der Moskauer Lomonosov-Universität studiert.
    Heute lebt der frühere kommunistische Politiker als österreichischer Staatsbürger in Wien und ist in seinem erlernten Beruf als Politikwissenschaftler tätig.
    In einem Gespräch mit Roland Machatschke erläutert Zdenek Mlynasz seine Gedanken über die jüngsten Entwicklungen in Polen im Besonderen und in den kommunistischen Staaten Europas im Allgemeinen.
    Ich würde sagen, dass die heutige Entwicklung in Polen eine qualitativ neue Etappe der ganzen Reformentwicklung im Sowjetblock geöffnet hatte.
    Und zwar einerseits gesehen eine Etappe, die zu begrüßen ist, weil es geht tief, es ist eine qualitative Änderung, es kommt wieder eine Kontrolle über die totalitäre Macht der Partei.
    Sie meinen damit das Parlament?
    Ja, ja, ich meine das Parlament oder zum Teil frei gewähltes Parlament.
    Und auf der anderen Seite ist es aber auch eine gefährliche Entwicklung.
    In dem Sinne, dass hier kommt man an die Grenze dessen, was wahrscheinlich
    die Moskauer Reformpolitik auch noch dulden kann.
    Sie sehen also trotz aller Bezeugungen aus der Sowjetunion, dass sich alle Länder frei entwickeln sollen auf ihre Art und Weise und trotz Aussagen wie zum Beispiel des sowjetischen Generalstabschefs Akhromeyev, dass er sich durchaus auch ein neutrales Ungarn vorstellen kann, jetzt sicherheitspolitisch, sehen Sie, dass Moskau trotzdem sozusagen die alten Satellitenstaaten weiter an der Leine, an der Kantare halten
    Es ist nicht so einfach.
    Ich sehe, dass die Entwicklung außer Kontrolle geraten könnte, in gewisser Hinsicht schon.
    Und dann wird daraus ein außenpolitisches Problem, nicht nur für Moskau, sondern auch für den Westen, also für die globale Politik, für Europapolitik usw.
    Da muss man darauf achten, da diese Entwicklung nicht also die grundsätzliche Richtung der neuen sowjetischen Außenpolitik bedroht.
    Und zweitens also was die verschiedenen Aussagen betrifft von vertretenen sowjetischen Firmen, ich zweifle nicht daran, dass die das ernst meinen, aber es ist in der Geschichte so, dass
    Die Meinung nicht immer entscheidet darüber, was dann wirklich geschieht.
    Zum Beispiel die polnische Entwicklung, die könnte oder die muss sogar die Entwicklung im Baltikum weiter beeinflussen, im Sinne des Radikalismus.
    Und das ist doch heute ein Stolperstein in der sowjetischen Entwicklung.
    der da vor Grabatschow im Wege steht.
    Also ob das alles jetzt weiter ohne Erschütterungen, ohne Konflikte laufen kann, das ist die Frage und deshalb spreche ich über eine neue Entwicklungsetappe, aber keine Katastrophe, aber eine gefährliche Entwicklungsetappe.
    Was könnte außer Kontrolle geraten im Falle Polens bedeuten, Herr Mlinasz?
    Was hier außer Kontrolle geraten könnte, das ist vor allem also die Entwicklung, die mit der Unzufriedenheit der Massen zusammenhängt, weil die Leute, schon heute ist es so, dass die Leute nicht zu sagen hundertprozentig, sondern wahrscheinlich auch in ihrer Mehrheit,
    davon überzeugt sind, dass eine neue Regierung die Wirtschaftslage ändert und bessert.
    Und wenn es dazu nicht kommt, in Polen oder sogar in der Sowjetunion in einem Jahr, da haben wir da Erscheinungen, die mit dieser Massenunzufriedenheit zusammenhängen, die niemand unter Kontrolle haben wird.
    Sogar nicht die Solidarność oder nicht der Teil der Solidarność, der sozusagen die Regierungsverantwortung tragen wird.
    Können Sie sich vorstellen, Herr Amlinas, dass zum Beispiel in Polen die Kommunisten sagen, okay, wir geben die Macht ab, die Solidarnost und die anderen sollen schauen, wie sie mit dieser fürchterlichen Wirtschaftslage und innenpolitischen Situation fertig werden und wir schauen zu, wie sie scheitern und stehen dann wiederum da und können dann wiederum die Macht übernehmen?
    Ja, dass so etwas als eine Parteilinie formuliert wird, das glaube ich nicht.
    Aber es ist so, wir sind das die Kommunisten in Polen heute.
    Das ist doch nicht nur die Parteiführung oder der Rakowski oder das Politbüro, das ist doch eine Schicht.
    von Macht haben eigentlich oder von einer Schicht, die an der Verwaltung da sitzt.
    Und das ist eine soziale Gruppe.
    Und diese soziale Gruppe wird sich sicher unter jeden Umständen dagegen wehren, dass sie einfach durch eine andere Gruppe sozusagen ersetzt wird.
    Also das würde schon eine soziale Revolution bedeuten.
    Und das, bitte, kann jemand das schon wollen, aber das ist
    zu dieser Zeit und in diesem Lande eigentlich unrealistisch.
    Das hat sich gezeigt schon mehrmals, dass es in einem Lande des Ostblocks unmöglich ist.
    Also ich glaube, der Widersprung besteht darin, es besteht kein Zweifel, dass der Wille der Mehrheit der Bevölkerung in diesen kleineren Ostblockstaaten, also in die Richtung geht, weg von dem real existierenden Sozialismus, zu einer parlamentarischen Demokratie, zur Neutralität.
    Aber
    Die Realpolitik kann diesen Willen meiner Meinung nach nicht hundertprozentig folgen, was nichts Besonderes bedeutet, weil es ist immer so, die Politik, das sind vor allem Kompromisse.
    Und wenn die Kompromissfähigkeit und Kompromissbereitschaft
    fehlen wird, dann könnte das sehr gefährlich sein.
    Also allgemein gesagt, ich bin der Meinung, die Systeme, die sowjetartigen oder die stalinistischen historisch gesehen, die sind heute imstande, eine Beteiligung von verschiedenen politischen Kräften und sozialen Gruppen an der Macht zuzulassen.
    Aber das ist auch die Grenze.
    Eine Regierung ohne Kommunisten, die Kommunisten auszuschließen, das müsste schon dann Konflikt bedeuten und das könnte dann alles bedrohen, was mit der Reformpolitik auch in der Sowjetunion zusammenhängt, also auch die großen Hoffnungen, die auch wir im Westen haben, was die Friedensperspektiven betrifft, was Abrüstung betrifft und so weiter und so weiter.
    Sind das die Lehren, die der ehemalige Reformpolitiker Amlinas jetzt als Politikwissenschaft aus dem Scheitern des Prager-Versuchs einer Reform 1968 gezogen hat, dass man die Realpolitik nie aus dem Auge verlieren darf?
    Ja, man könnte das so formulieren.
    Sicher bin ich beeinflusst durch meinen Lebenslauf.
    Und ich habe schon so viele Niederlagen in diesem Sinne erlebt oder beobachtet, dass ich doch vorsichtig bin und ich glaube, es ist nicht sozusagen unrichtig.
    Nach dem, was passiert, sagen wir, in Polen und in Ungarn, um zwei vergleichbare Länder heranzuziehen, wie glauben Sie, Herr Mlinasz, wird es jetzt in der Tschechoslowakei und wie wird es in der DDR weitergehen?
    Es ist klar, dass die Tschechoslowaker und die DDR aus verschiedenen Gründen zwar, aber doch zu denen gehören, die eigentlich auf den Sturz Gorbatschow immer noch warten, was die Parteiführung betrifft.
    Die Führung, die reagiert auf die panische Art, und das sind ideologisch-politische Reaktionen, die lehnen das alles als Kontrrevolution ab.
    Auf der anderen Seite, die politisch aktive Opposition wird dadurch sicher gestärkt in ihren Hoffnungen.
    Aber die große Mehrheit der Bevölkerung, meiner Meinung nach, für die ist Polen im Moment kein Land, das eine große Anziehungskraft besitzt.
    Und wenn ein Tschecher da herumschaut, was sieht er?
    Also diejenigen, die sich mit den Reformen beschäftigen, die haben zu Hause eigentlich eine Wirtschaftskrise.
    Die haben Schlangen auf Fleisch und es gibt kein Zucker und sogar kein Brot.
    Also es gibt nicht diese materielle Grundlage für eine Massenunzufriedenheit in diesen Ländern.
    Wenn die Reformen in der Sowjetunion weiter mit Erfolg fortschreiten, wenn also die polnische und ungarische Entwicklung nicht in eine Sackgasse endet, dann ist in einer absehbaren Zukunft, möglicherweise noch heuer, auch in der Schoslowakei eine Änderung zu erwarten.
    Da wird der Druck darauf, dass sich etwas ändert, noch stärker sein.
    Man müsste wahrscheinlich ein Prophet sein.
    Politikwissenschaftler sind keine Propheten.
    Würden Sie trotzdem eine Vorhersage wagen, wie wird das östliche Mitteleuropa in einem Jahr von heute ausschauen oder wie könnte es ausschauen?
    Es gibt mehrere Alternativen.
    Die optimistische Alternative wäre, dass das sowjetisierte Mitteleuropa eine relativ selbstständige Rolle spielt.
    Zwar immer sozusagen als Ganzes an die sowjetische Wirtschaft und auch Politik vorwiegend gebunden ist, aber die Selbstständigkeit führt auch dazu, dass sie auch gewisse selbstständige Beziehungen zu integriertem Westeuropa
    entwickelt.
    Die Pessimisten sagen, das ist alles unmöglich und es muss zu einem Rückschlag kommen, also es wird die chinesische Lösung stattfinden.
    Ich glaube kaum, es ist nicht so, außer so sollte es wieder zu einer Gefahr kommen, dass eine Eruption in einem Lande wie Polen droht.
    Aber das ist im Moment nicht der Fall.
    Und dann gibt es wie immer auch eine zentristische Vorstellung, dass es in einigen Ländern in der Richtung geht, die ich als die optimale bezeichnen habe.
    In einigen wird das eher konservativ sein.
    Aber ich glaube, das kann nicht sehr, sehr lange dauern.
    Aber in einem Jahr kann es noch nicht entschieden werden, obwohl in der Sowjetunion und diesen zwei Ländern, die heute an der
    Frontlinie da sind, Polen und Ungarn, muss sich in einem Jahr zeigen, ob sich die Reformen durchgesetzt haben oder nicht.
    Roland Machatschke sprach mit Dänik Mlinasz.
    Und jetzt ein zum Thema östliche Veränderungen passender Radio-Tipp für heute Abend.
    Die rasanten politischen Veränderungen in der Sowjetunion und in Ländern wie Ungarn und Polen bringen für das Selbstverständnis der beiden Verteidigungsbündnisse NATO und Warschauer Pakt eine Fülle von Fragen mit sich.
    Professor Dieter Senckers hat über die Jahre das konfliktrechtige Nebeneinander der ideologischen Feinde als Friedens- und Konfliktforscher analysiert.
    Ein Osten, der pluralistisch ist, der sich politisch öffnet, wo möglicherweise innerhalb der einen Partei legitimerweise Fraktionen gebildet werden dürfen oder wo sogar möglicherweise zusätzliche Parteien gegründet werden können als
    Gegengewichte zu der einen Partei, die es bisher gegeben hat.
    Wo also so etwas entsteht, was man heute vage umschreibt als pluralistischer Sozialismus oder Pluralismus im Sozialismus, was es so bisher nicht gegeben hat, das wäre in der Tat ein anderer Osten.
    Professor Wolfgang Hahnrieder von der Universität von Kalifornien sieht in der amerikanischen Abschreckungsdoktrin ein Abrücken von den Positionen des kalten Kriegers.
    Man kann das über die Jahrzehnte hinweg verfolgen.
    wie die Nuklearisierung der amerikanischen Diplomatie auf Waffensysteme zurückgreift, die vielleicht beim Gegner nicht mehr viel Wirkungskraft haben, nicht mehr viel diplomatische Wirkungskraft haben, aber gegenüber dem Partner
    noch voll einsetzbar sind, besonders wenn dieser Partner, wie die Bundesrepublik, aus politischen, rechtlichen, geschichtlichen, psychologischen Gründen sicher den Status einer Nuklearmacht nicht erwerben kann.
    NATO-Warschau-Pakt, die schwierigen Bündnisse, heute Abend um ca.
    18.20 Uhr in einem Journal Panorama.
    Und im Mittagsschornal jetzt nach Österreich.
    Gestern Abend hat der Gemeinderat von Langkampf, einer kleinen Tiroler Gemeinde in der Nachbarschaft von Kufstein, den Antrag der ÖBB auf Errichtung eines Terminals für eine Erweiterung der rollenden Landstraße abgelehnt.
    Damit hat die ÖBB die Möglichkeit, schnell und wirksam eine Entlastung des Staus zu bewirken, den man als Folge des Nachtfahrverbots erwartet, verloren.
    Heute Vormittag hat man in der Generaldirektion der ÖBB auf die Langkampfentscheidung bereits reagiert.
    Pläne wurden umgestellt und neue Verhandlungen aufgenommen.
    Übrig bleibt bei allen Beteiligten das Gefühl, dass in Tirol verkehrstechnisch anscheinend nichts mehr geht.
    Man muss ausweichen.
    Wohin?
    Danach hat sich Hans Adler erkundigt.
    Technisch gesehen hätte der Verladebahnhof für eine zusätzliche rollende Landstraße in Langkampfen an der österreichisch-deutschen Grenze nur Teil einer Übergangslösung sein sollen.
    Man wollte so rasch als möglich, nämlich ab 1.
    Dezember, eine zusätzliche rollende Landstraße zur bestehenden zwischen München und Verona anbieten.
    Die neue hätte dann zwischen der deutschen und der italienischen Staatsgrenze am Brenner eine zusätzliche Transportmöglichkeit bieten sollen.
    Schon am Brenner hatte es Schwierigkeiten wegen eines exorbitant teuren Grundstückes gegeben, welches man hätte kaufen müssen.
    Jetzt hat der Gemeinderatsbeschluss in Langkampfen die ganze Aktion Hannibal, wie sie intern in der ÖBB genannt wurde, überflüssig gemacht.
    Als Übergangslösung hatte man diese Aktion deshalb gesehen, weil die langfristige Planung der ÖBB ohne dies eine endgültige rollende Landstraße zwischen München und Verona vorsieht, die durch einen Brennerbasistunnel und über eine Umfahrung von Innsbruck führen muss.
    Geologische Schwierigkeiten beim Streckenausbau auf der italienischen Seite des Brenners
    haben aber diesen Plan verzögert und außerdem wollte man eben bei der ÖBB auf das Nachtfahrverbot rasch und wirksam reagieren, was jetzt nur teilweise möglich ist.
    Teilweise deshalb, weil man natürlich die Kapazität in München und Verona noch etwas steigern kann.
    Man spricht von maximal 30 zusätzlichen Zügen, von denen allerdings nur ein kleiner Teil wirklich als rollende Landstraße, also mit den ganzen Lastwagenzügen samt Ladung und Chauffeur fahren kann.
    Sonst ist nur der Transport von Sattelaufliegern möglich.
    Diese Möglichkeit wollen aber viele Frechter nicht annehmen, weil sie die ewigen Streitereien mit den Partnern, wer welche Reparaturen an den teuren Fahrzeugen verursacht und daher zu bezahlen hätte, scheuen.
    In der gegebenen Situation laufen jetzt intensive Verhandlungen zwischen den drei Kombiverkehrsgesellschaften in Österreich, Italien und Deutschland.
    und mit der Deutschen Bundesbahn über einen Kapazitätsausbau in München und Verona.
    Die Transportwirtschaft wird sich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, ab 1.
    Dezember einerseits technische Lösungsmöglichkeiten für die Nachttransporte zu finden, für die es keine Ausnahmegenehmigungen geben wird und die doch fahren müssen, und andererseits wird man besser timen müssen, um dem zu erwartenden Stau an der nächtlich gesperrten Grenze zu entgehen.
    In der Politik setzt man jedenfalls auf die technischen Lösungen und die überlässt man der ÖBB, wenn man auch weiß, dass man unter den gegebenen Umständen in Tirol in die Quadratur des Kreises geraten ist, die eben gar nicht mehr geht.
    Auch der für Verkehrsfragen zuständige Tiroler Landesrat Hans Danzer von der SPÖ, also Parteigenosse des ebenfalls zuständigen, aber in Amerika weilenden Verkehrsministers Streicher, erwartet technische und nicht politische Lösungen.
    Zuerst bin ich der Meinung, dass die Wirtschaft in der Lage ist, so viel lärmarme Lkw
    bis zum Dezember in Betrieb zu nehmen, dass der Transport gewährleistet ist für die Güter.
    Andererseits ist Langkampfen für mich nie ein guter Standpunkt gewesen, nicht nur weil politisch hier einiges dagegen gesprochen hat, sondern weil einfach die Strecke von Kufstein und Langkampfen bis zum Brenner zu kurz ist.
    Einerseits und andererseits hätte das bedeutet, dass das Nachtfahrverbot durch Kufstein Nachlangkampfen ja nicht wirksam geworden wäre.
    Also ein dicht verbautes Gebiet wäre also nicht vom Nachtfahrverbot betroffen gewesen.
    Die Alternative ist jetzt München.
    Es gibt allerdings nicht mehr acht Züge oder vier Züge in die Richtung, sondern nur mehr zwei Züge, weil München nicht mehr aufnahmefähig ist.
    sodass wir jetzt von München nach Brenner transportieren, diese rollende Landstraße.
    Und das ist der alternative Nachteil, dass wir etwas weniger Auto transportieren können.
    Diese zusätzlichen Züge von München bis zum Brenner, die sind also vereinbart.
    Nicht ganz abgehandelt ist noch Rosenheim.
    Es könnte auch sein, dass Rosenheim
    noch in Betracht kam.
    Da gibt es in den nächsten Tagen noch Verhandlungen, die noch offen sind, der Ausgang.
    Aber München ist paktiert, sodass ich überhaupt kein Problem sehe, dass das Nachtverbot mit 1.
    Dezember bei uns in Kraft tritt.
    Wenn die Wirtschaft oder die Bundesbahn jetzt
    unüberwindliche Schwierigkeiten geltend macht.
    Sehen Sie dann die Gefahr, dass Minister Streicher eventuell den Termin des Nachtfahrverbots doch nicht mit 1.
    Dezember belässt, sondern eventuell noch eine Frist dazugibt?
    Das kann ich mir nicht vorstellen, weil ich der Meinung bin, dass die Wirtschaft und die Bundesbank das
    diese Probleme, die es gibt, überwindet.
    Einerseits.
    Und andererseits, glaube ich, sind ja 80 Prozent der Güter, die auf der Straße transportiert werden, Güter, die nicht unbedingt die Nacht zu transportieren sind.
    Daher sehe ich überhaupt keine Veranlassung, diesen Termin 1.
    Dezember zu verschieben.
    Die Fragen an Hans Tanzer am Ende des Beitrags von Hans Adler hat Günter Schimetzen vom Landesstudio Tirol gestellt.
    Das Wirtschaftsministerium hat einen weiteren Versuchsbetrieb für das KVA-Verfahren im Stallwerk Donnerwitz verboten.
    Das Ministerium fällt damit möglicherweise das Todesurteil über den Standort Donnerwitz.
    Denn seit Jahren redet man dort fast nur übers Zusperren.
    Als entscheidende Hoffnung wurde den Arbeitern jedoch versprochen, das neue KVA-Verfahren bringe die Rettung.
    Nun scheint auch dieser Traum ausgeträumt zu sein.
    Es berichtet Wolfgang Fuchs.
    Für den zuständigen Juristen im Wirtschaftsministerium war die Entscheidung laut eigener Aussage leicht zu fällen.
    Und die lautet, wegen Gesundheitsgefährdung darf der Versuchsbetrieb nicht mehr durchgeführt werden.
    Ein ärztlicher Gutachter hatte nämlich festgestellt, sollten bei diesem Stahlerzeugungsverfahren mehr als 0,1 Nanogramm Dioxin pro Kubikmeter Luft ausgestoßen werden, so bestehe für die Anrainer eine akute Gefährdung ihrer Gesundheit.
    Messungen des Technischen Überwachungsvereins ergaben aber, dass dieser Grenzwert um das 50 bis 300-fache überschritten wurde.
    Das Wirtschaftsministerium argumentiert nun, bei diesen Untersuchungen könne es sich wohl nicht mehr um Messungenauigkeiten handeln.
    Die Gesundheit der Bevölkerung steht daher vor wirtschaftlichen Interessen.
    Der Versuch des Staatskonzerns, durch alle drei Instanzen den derzeitigen Versuchsbetrieb durchzukämpfen, ist also gescheitert.
    Und das Stahlwerk Donauwitz ist damit um eine entscheidende Hoffnung ärmer.
    Der Ausweg wäre nämlich, teure Filter einzubauen, um das lebensbedrohende Dioxin zu binden.
    Die Voest argumentiert allerdings, dies sei weltweit noch niemandem im ausreichenden Ausmaß gelungen.
    Und überdies stellt sich die Frage, ob die optimistischen Ankündigungen mit dem KVA-Verfahren Bringemann-Donauwitz über den Berg, dann mit den zusätzlichen Investitionen auch zu halten wären.
    Fürst Alpine Stahlchef Ludwig von Buchtandi hat ja bis vor wenigen Wochen ein durchaus positives Szenario für Donauwitz gezeichnet.
    Sein KVA-Verfahren, das er von Klöckner mitgebracht hat, werde die Probleme weitgehend lösen.
    Weitere flankierende Maßnahmen wie Rationalisierungen und Personalabbau sollten ein übriges tun.
    Aus der Diskussion gehalten wurden dabei aber wohl die Gegenargumente.
    Punkt 1.
    Das hochgelobte Verfahren, das als neue Schrott-Schmelztechnik unter Einsatz von Erdgas und Sauerstoff die Kosten senken sollte, rechnet sich nur, wenn Schrott billig ist.
    Schrott ist derzeit aber teuer.
    Das zweite Argument, das gegen Donauwitz vorgebracht wird, ist grundsätzlicher.
    Im internationalen Vergleich sei das Stahlwerk zu klein, es liege nicht an einem Hafen und das vom steirischen Erzberg gelieferte Rohmaterial habe einen zu geringen Eisengehalt.
    Diese drei Fakten stünden unabhängig vom Erfolg des KVA-Verfahrens gegen die steirische Stahlschmelze, so die Gegner des Standortes.
    Ein Schweizer Unternehmensberater hat daher analysiert, nicht wie bisher mit fast 3.000 Mitarbeitern müsse Donauwitz mit nur 1.700 auskommen.
    Nur so könne man den Betrieb aus den roten Zahlen bringen.
    Das Management hat sich diese Argumente teilweise angeeignet und daher auch angekündigt, weitere 800 Mitarbeiter müssten bis 1991 das Werk verlassen.
    Welch politischen Sprengstoff das für die Obersteuermark bedeutet, kann man abschätzen, wenn man bedenkt, dass in Donauwitz früher etwa 5000 Menschen arbeiteten und schon seit Jahren wohl nur noch gekündigt wird.
    Durch den Personalabbau sind die Verluste aber durchaus kleiner geworden.
    1987 betrug das Minus noch 1,3 Milliarden Schilling, vergangenes Jahr knapp unter einer Milliarde und für heuer rechnet man mit etwa 600 Millionen Schilling Defizit.
    Das war wohl auch der Grund, warum der VÖS-Chef immer wiederholte, Donauwitz sei in ein bis zwei Jahren saniert.
    Diese Aussage machte er wohl immer vor dem Hintergrund eines erfolgreichen KVA-Betriebes.
    Und der ist jetzt gescheitert.
    Das war ein Beitrag von Wolfgang Fuchs.
    SPÖ-Zentralsekretär Josef Zschapp hat heute bei einer Pressekonferenz recht scharfe Kritik an Umweltministerin Marie-Lise Fleming und an Vizekanzler Josef Riegler in dessen Funktion als Kanzleramtsminister geübt.
    Aber der SPÖ-Zentralsekretär ist trotzdem für ein Weiterarbeiten der Koalitionsregierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 1990.
    Es berichtet Manfred Steinhuber.
    SPÖ-Zentralsekretär Josef Zschapp spricht sich zwar für das Auslaufen der Legislaturperiode aus, also für einen Wahltermin erst im Herbst 1990, aber seine Worte klingen schon ganz nach beginnendem Wahlkampf.
    Die erklärten Ziele sind Vizekanzler Riegler und Umweltministerin Flemming.
    Es gibt eine Diskussion über die Physiknachfolge in der Wiener ÖVP, unter anderem ist auch die Frau Umweltministerin im Gespräch dafür.
    Man kann nur empfehlen, dass sie versucht, weiter im Gespräch zu bleiben.
    Und ich möchte das auch begründen, warum ich zu diesen
    Resümee komme.
    Die Begründung, Jobs, in der Umweltpolitik gehe einfach nichts weiter.
    Bei der Abfallproblematik habe sich die Umweltministerin auf Appelle beschränkt.
    Bei den Sonderabfalldeponien gäbe es zwar Hilferufe aus den Ländern, aber keine Schritte Flemings in Richtung einer Standortwahl.
    Und bei der Altlastensanierung herrsche absolute Stille.
    Es gibt daher die Vermutung, dass sie ihre alte Konfliktfreudigkeit verloren hat und dass sie vor allem unter einem Realisierungsdefizit leidet und das ist natürlich eine Sache, die sehr schwer wiegt.
    Zweites Ziel der Angriffe des SPÖ-Zentralsekretärs ist Vizekanzler und ÖVP-Obmann Josef Riegler.
    Chapp fragt, was Riegler eigentlich in seiner Funktion als Kanzleramtsminister mache.
    Denn an Kompetenzen habe er von seinem Vorgänger Heinrich Neisser lediglich die Verwaltungsreform übernommen.
    Das heißt, überlastet kann er eigentlich nicht sein.
    Was aber natürlich jetzt die Frage aufwirft, wo geht dann sonst seine Aktivität hin?
    In der ÖVP selbst kann das auch nicht übermäßig entwickelt sein, denn wenn man also den gestrigen Inlandsreport gesehen hat und wenn man das drunter und drüber in der ÖVP jetzt beobachtet, dann stellt man sich die Frage, was macht Riegler eigentlich als Parteiobmann?
    Bevor man dann zu der Schlussfrage kommt, was macht Riegler eigentlich überhaupt?
    Ist der Obmann eigentlich Obmann?
    Anders formuliert, was macht er wirklich?
    Die SPÖ verlange jedenfalls jetzt von Riegler einen Leistungsnachweis als Kanzleramtsminister.
    Denn die Regierung könne sich keine Schwachstellen leisten und die SPÖ sei deshalb an einem starken Koalitionspartner interessiert, sagt Zschapp.
    Von einer Pressekonferenz des SPÖ-Zentralsekretärs Josef Zschapp berichtete Manfred Steinhober.
    Die sommerliche Diskussion um das Bundesheer, ausgelöst vom zweiten SPÖ-Zentralsekretär Peter Marizzi mit der Idee Bundesheer light, geht munter weiter.
    Kernpunkt des außer von Zentralsekretär Marizzi auch noch von weiteren SPÖ-Politikern propagierten Konzepts ist der Verzicht auf schwere Waffen fürs Bundesheer.
    Heute hat nun der Militsprecher der ÖVP, Michael Ikrat, das Gegenteil davon gefordert, berichtet Robert Stoppacher.
    Mitten in die Diskussion um ein Bundesheer ohne schwere Waffen kommt jetzt von der Volkspartei der Vorstoß, noch mehr schwere Waffen anzuschaffen.
    Michael Ikrat, Milizoffizier und Milizsprecher der kleineren Regierungspartei, will mehr Panzer, mehr Geschütze, neue Abfangjäger und in der Folge auch Kampfhubschrauber.
    Es wäre denkbar, zusätzliche schwere Waffen für die Miliz zu beschaffen.
    Nicht nur denkbar, das wäre sicher ein Anliegen von unserer Seite.
    Wir würden da sicherlich ein Mehr an
    Artillerie benötigen.
    Wir müssen an die Modernisierung der mittleren Kampfpanzer denken.
    Auch da verweise ich noch einmal auf die Schweiz, was in der Schweiz geschieht.
    Sie beschaffen jetzt etwa 350 neue mittlere Kampfpanzer.
    Also auch hier wird in Österreich ein Handlungs- und Beschaffungsbedarf entstehen.
    Dann haben wir natürlich die leidige Frage der Abfangjäger, die ja nur vorübergehend unter Anführungszeichen gelöst ist.
    Damit spielt der ÖVP-Milizsprecher auf den Umstand an, dass die Draken nur noch längstens zehn Jahre fliegen werden.
    Daher sollte man sich, so Ikrat, schon sehr bald nach einem Nachfolgeabfangjäger der nächsten Generation umschauen.
    Ohne schwere Waffen, so der ÖVP-Mann, wäre die Einsatzbereitschaft des Heeres gefährdet.
    Das käme einer Demontage des Bundesheeres gleich.
    Die ÖVP werde daher in der Frage der schweren Bewaffnung keinen Millimeter entgegenkommen zeigen.
    Und die SPÖ müsse endlich Klarheit über ihre wahren Absichten schaffen, betont Ikrat, der auch eine Sitzung des Landesverteidigungsrates fordert.
    Das war ein Beitrag von Robert Stoppacher.
    Kaum hat sich die Aufregung um die Sachverhaltsdarstellung über einen angeblichen Deal zwischen SPÖ und ÖVP, bei dem es 1986 um die Beantwortung von ÖVP-Nuricum-Anfragen ging, ein wenig gelegt, wartete heute ein Politiker mit neuen Aspekten zum illegalen Kanonengeschäft mit dem Iran auf.
    Der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Fritz Probst teilte nämlich mit, er und weitere vier Personen seien schon im Mai 1985, also ein Jahr vor dem Zeitpunkt, zu dem die ÖVP Parlamentsanfragen eingebracht wurden, von den Waffenlieferungen der Föster in den Iran informiert worden.
    Und zwar aus höchsten politischen Kreisen des Irak.
    Fritz Probst erklärte im Gespräch mit Erich Aichinger, Mir ist nämlich aufgefallen durch die Berichterstattung,
    Mock und andere schon 86 davon gewusst haben sollten.
    Und da ist mir eben nach Rückblättern in meinem Kalender aufgefallen, dass meine Reise in den Irak im Jahr 1985 erfolgte, und zwar zwischen 13. und 20.
    Mai.
    Wir waren fünf Parlamentarier.
    Ich war der Freiheitliche unter denen und geleitet wurde diese Mission in den Irak, diese parlamentarische Delegation vom damaligen Nationalratsabgeordneten Koneczny und vom ÖVP-Abgeordneten Wendelin Edtmeier.
    Dann waren auch mit da inzwischen ausgeschiedene Sozialisten Pfeiffer und der ÖVPler Puntigam aus Graz auch.
    Wir sind damals in dieser Woche, an dem Tag kann ich mich natürlich nicht mehr erinnern, mit einem der Minister da unten konfrontiert worden.
    Und der uns gesagt hat, also vorgeworfen hat, Österreich liefere keinen Kanonen-Geheim 45 an seinen Feind, den Iran, also an die Perser.
    Und für mich war das völlig neu.
    wie mir schien, für meine Kollegen auch.
    Und wir haben das mehr oder minder entrüstet zurückgewiesen.
    Und die haben dann auch mit Zahlen aufgewartet und haben gesagt, ja, die kommen aus Österreich, mit denen werden wir beschossen.
    Und wir haben dann den damaligen Delegationsleiter Koneczny gebeten.
    Das heißt, er hat sich auch bereit erklärt, das genau zu überprüfen.
    Und Ed Meier auch über seine diplomatischen Kanäle.
    Er ist ja Berufsdiplomat.
    Dann sind wir eben wieder nach Hause gefahren.
    Es ist doch zwischendurch auch aufgetaucht, dass es im Mai 1985 Telexe des Botschafters Amri aus Athen gegeben hat, dass die angeblich für Libyen bestimmten Kanonen der Firma Norikum tatsächlich in den Iran geliefert würden.
    Diese Information müssen Sie ja jetzt auch schon ein paar Monate haben.
    Warum kommen Sie erst heute an die Öffentlichkeit mit Ihren Eintragungen im privaten Kalender?
    Als ich mir gedacht hab, jetzt muss ich mir den Kalender suchen, und ich hab ihn natürlich längst abgelegt, ich hab ihn aber wieder gefunden, da ist mir aufgefallen, dass ich das ja mit den Telexen von Amri tägt, und ich mir gedacht hab, bitte um Gottes Willen, wenn der Delegationsleiter damals da nix erfahren hat, dann muss er die Fragestellung, die er gerichtet hat.
    Für mich war das so absurd, als ich mir damals gedacht hab, und von den Telexen haben wir ja damals alle nichts gewusst,
    Dass ich mir damals gedacht hab, naja, der wird sich erkundigt haben und es wird schon seine Richtigkeit haben, dass da nix ist.
    Und auch der Berufsdiplomat Ed Meyer hat gesagt, er wird sich erkundigen über seine diplomatischen Kanäle.
    Ob Ed Meyer von dem Telex namenlich gewusst hat oder nicht, entzieht sich natürlich völlig meiner Kenntnis.
    Sie haben derzeit nicht versucht, hier wieder Kontakt anzuknüpfen oder zu sagen, habt ihr damals mit der Information eigentlich was weiter getan?
    Ja, das habe ich ja damals gemacht.
    Ich habe den Herrn Koneczny gefragt im Parlament, hast du dich erkundigt?
    Und die Antwort war ja, es ist nichts dran.
    Also Sie haben jetzt aktuell im Sommer 89 nichts mehr nachgefragt?
    Nein.
    Wäre es nicht im Grunde sinnvoller gewesen, Sie hätten jetzt Ihre Beobachtung meinetwegen nicht den Medien zur Verfügung gestellt, sondern die Sachverhaltsdarstellung beispielsweise bei der Staatsanwaltschaft deponiert?
    Ich glaube nicht, dass das einen sehr kriminellen Background hat, sondern mehr einen politischen Hintergrund hat.
    Und ich weiß eigentlich nicht, um was es Ihnen geht.
    Die Frage ist, wenn ein Politiker etwas beobachtet, was macht er aus seiner Beobachtung?
    Richtig.
    Die einen gehen heimlich zur Zeitung und stecken es da.
    Und die anderen rufen halt beim ORF an.
    Wir haben natürlich versucht, die von FPÖ Abgeordneten Probst als Zeugen für seine Norikumerinnerungen genannten Parlamentskollegen zu erreichen.
    Bis jetzt aber leider ohne Erfolg.
    Vor einem Vierteljahr standen die chinesischen Hochschulstudenten an der Spitze der Bürgerprotestbewegung, die am 4.
    Juni blutig niedergeschlagen worden ist.
    Nun werden sie von der Parteiführung zu den Hauptsündenbrücken gemacht.
    Hunderte, vielleicht Tausende sind verhaftet.
    Viele wurden vom Universitätsbetrieb ausgeschlossen.
    Aber auch die Hochschulen insgesamt werden bestraft.
    Vor allem in den sozialwissenschaftlichen Fächern wurden die Studienplätze drastisch beschnitten.
    Der Lehrbetrieb wird wieder politisiert und militarisiert.
    In diesen Tagen nehmen die ersten Hochschulen nach den Sommerferien den Unterricht wieder auf.
    Aus Peking berichtet Ludwig Tam.
    Der Betrieb an chinesischen Universitäten und Hochschulen und das Leben der Studenten sind vor allem in der Hauptstadt nicht mehr wiederzuerkennen.
    Da wird alles umorganisiert, umgepflügt, in neue Bestimmungen gezwängt und das aus der Furcht heraus.
    Studenten könnten erneut demonstrieren und ihren Unwillen bekunden, was trotz aller Überwachung, Restriktionen und Gehirnwäsche über kurz oder lang trotzdem eintreten könnte.
    Der massive Druck, der jetzt allen Teilen auf die jungen Menschen ausgeübt wird, um sie zu zwingen, so zu denken, wie die Partei das will, verstärkt nur den Widerspruch zwischen Propaganda und Wirklichkeit.
    Im neuen Semester Student zu sein, macht kaum Spaß.
    Erklärtes Ziel der Partei ist es, die angehenden Akademiker zuerst rot und dann zu Fachleuten zu erziehen.
    Naheziel aber ist, sie unter allen Umständen daran zu hindern, etwa um den 1.
    Oktober herum, da die Volksrepublik den 40.
    Jahrestag ihrer Gründung feiert, mit Demonstrationen und Protesten das sorgsam retuschierte Bild von Harmonie und nationaler Einheit, von Liebe zu Partei und Armee zu zerstören.
    Diesmal beginnen nicht alle akademischen Lehranstalten das Semester gemeinsam.
    Eine Reihe von ihnen hat die Studenten bereits wieder auf dem Campus gerufen, so etwa die Volksuniversität im Nordwesten Pekings, eine der bekanntesten im Lande.
    94 Prozent der Studenten seien gekommen.
    Diese Auskunft erteilt nicht etwa die Verwaltung, sondern der stellvertretende Parteisekretär der Universität.
    Die Partei hat an den Lehranstalten jetzt das alleinige Sagen.
    Die Studenten werden erst einmal gründlich politisch gestylt.
    Eine Konferenz von Politwissenschaftlern von 96 Universitäten fand heraus, dass die Studierenden politisch unreif seien, weit von der Realität entfernt lebten und ihre Fähigkeiten überschätzten.
    Als Heilmittel dagegen empfahlen sie politische und ideologische Erziehung, die verwirrte Ideen korrigiere,
    Ein Wort, das seit Wochen das gesamte öffentliche Leben beherrscht und auf ein klares Ziel ausgerichtet sein müsse.
    Natürlich heißt das Ziel, marxistisch-leninistische Doktrinen einhämmern.
    Aber damit nicht genug, die Praxis der Kulturrevolution wird wieder aufgenommen, die China einen so immensen Schaden zugefügt hat.
    Nämlich Studenten für Jahre zur Arbeit aufs Land, möglichst in weit entfernte Gegenden zu verbannen, wo nicht wenige dann ein ganzes Leben lang festgehalten werden.
    Ohne eine solche Arbeit gibt es künftig keine Graduierung mehr.
    Für die Peking-Universität, die die Führung in der Protestwelle besaß, hat sich die Partei besonders brutale Vergeltungsaktionen ausgedacht.
    Da auch dort kein Stein der bisherigen Organisation auf dem anderen bleiben soll, fängt das Semester erst Mitte Oktober an, also nach dem Staatsfeiertag.
    Statt 2000 Erstsemester werden nur 811 neu aufgenommen.
    Etwa 200 davon sind aus Staatsunternehmen und Behörden zum Studium delegierte zuverlässige Genossen, also Aufpasser.
    Alle Studienanfänger, auch die Mädchen, müssen erst ein Jahr Militärdienst absolvieren,
    wo sie auf die Parteilinie eingeschworen werden.
    Das bedeutet, dass mindestens ein Jahr lang an dieser Uni kein erstes Semester existiert mit allen damit verbundenen Folgen.
    Peking hat auch den Studentenaustausch mit den USA drastisch beschränkt.
    Ein weiterer Beweis dafür, dass die ständige Behauptung, die bisherige Politik der Öffnung werde weitergeführt, einfach nicht den Tatsachen entspricht."
    Aus Peking berichtete Ludwig Thamm.
    Nicht wenige Kulturfreunde halten die am Sonntag zu Ende gehende Salzburger Sommerszene für den künstlerisch innovativsten Teil der Salzburger Festspiele.
    Die Avantgarde-Veranstaltung am Rande des Mammutfestivals kämpft aber mit beträchtlichen Geldsorgen.
    Heute Nachmittag treffen die Organisatoren der Sommerszene mit Spitzenpolitikern zu einer Finanzaussprache zusammen.
    Künstlerische Blutzufuhr könnte die Sommerszene nächstes Jahr aus der UdSSR erhalten.
    Der prominente sowjetische Starregisseur Anatoly Vasiljev überlegt ein Salzburg-Gastspiel mit seinem Ensemble Schule der Dramatischen Kunst.
    Im Gespräch, das Maria Renhofer mit Vasiljev geführt hat, geht es aber auch um die weitreichenden Veränderungen der sowjetischen Theaterszene als Folge der Perestroika- und Glasnostpolitik Gorbatschows.
    An Yuri Lyubimovs Tanganka Theater gelang Anatoly Vasiljev 1985 der Durchbruch.
    Doch dem russischen Starregisseur, der sich auch theoretisch mit der dramatischen Kunst auseinandersetzt, wurde bald klar, dass er ein eigenes Ensemble braucht, um seine Vorstellungen zu verwirklichen und etwas Neues zu schaffen.
    1987 brachte er mit Pirandellos Sechs Personen suchen einen Autor die erste Produktion seiner eigenen Truppe heraus.
    Und mit diesem Stück wird die Schule der Dramatischen Kunst, so der Name des Ensembles, voraussichtlich auch im nächsten Jahr bei der derzeit mit Finanzproblemen kämpfenden Salzburger Sommerszene gastieren.
    Der Erfolg dieser Produktion, auch im Ausland, hat nach Vasiljevs Meinung mehrere Gründe.
    Wenn ich darüber nachdenke, dann frage ich mich, ist das allgemein ein Erfolg der Kulturpolitik der Perestroika oder ist es mein persönlicher Erfolg?
    Ich bin natürlich auch stolz darauf, dass ich irgendwie zu dieser neuen Welle
    gehöre in der Politik, aber natürlich wäre ich auch interessiert daran, dass meine Stücke, sozusagen der Erfolg meiner Stücke, auch ganz ausschließlich mein persönlicher Erfolg.
    Anatoly Vasiljev, der als Kind der Brezhnev-Ära am Theater begonnen hat, beobachtet nicht nur in der eigenen Arbeit die ambivalenten Auswirkungen der Perestroika auf die sowjetische Theaterszene.
    Sehr häufig wird mir die Frage gestellt oder die wird behauptet, mir gegenüber, von westlichen Beobachtern, jetzt wo die Freiheit in der Sowjetunion gegeben ist, das werden sicherlich die Künstler also sehr gut, viel besser leben als vorher.
    Und mir scheint, dass diese Behauptung sehr naiv ist, denn wie die Geschichte gezeigt hat, sind die Künstler eigentlich dann am freiesten,
    nur wenn sie es am ehesten gesellschaftlich, sozial eingeschränkt sind.
    Und entsprechend diesem Paradox der Geschichte ist auch wirklich in den letzten Jahren nichts Weltbewegendes passiert in der Sowjetunion.
    was das Theater der Perestroika an Unvergänglichem hervorbringe, werde jedenfalls erst die Zukunft zeigen, meint Anatoli Vasiljev.
    Zurzeit beobachtet er ein Interesse der Theater an bisher verbotener Literatur, wobei es sich zum Großteil um dramatisierte Prosa handelt, und an Klassikern, Alla Tolstoi, Dostojewski oder Tschechow, die er als intuitive Suche nach etwas Höherem deutet.
    Vasiljev selbst interessiert sich für die Wurzeln des russischen Theaters, für die vorrevolutionäre russische Theatertradition, etwa eines Stanislavski, und lehnt den lange Zeit gängigen orthodoxen Realismus als vulgär ab.
    Auf die Frage, ob die derzeitige kulturelle Freiheit in der UdSSR tatsächlich unbegrenzt und jener in den westlichen Ländern vergleichbar sei, antwortet Vasiljev jedoch vorsichtig.
    Ich möchte, dass es sich unterscheidet.
    Mir scheint, dass viele wollen, dass es sich nicht unterscheidet.
    Vielleicht hängt das damit zusammen.
    Ich war eben längere Zeit im Westen und ich habe bemerkt, dass die westliche Kultur krank ist, genauso wie die sowjetische Kultur krank ist.
    Es gibt einige Gesetze der Kunst, die gleich sind, egal in welchem Land, im Ost oder im Westen.
    Eine Freiheit haben die sowjetischen Theater-Ensembles jedenfalls erreicht, nämlich die, auf Gastspielreisen zu gehen.
    Auch wieder wahrscheinlich nach Österreich.
    Polen.
    Der künftige Ministerpräsident Polens wird wahrscheinlich Tadeusz Mazowiecki.
    Der 62-jährige Chefredakteur der Wochenzeitschrift Solidarität ist ein enger Vertrauter von Arbeiterführer Lech Walesa und gläubiger Katholik.
    Staatspräsident Jaruzelski wird heute bekannt geben, ob er Mazowiecki als Regierungschef akzeptiert.
    Die drei nicht-kommunistischen Parteien haben sich gestern auf eine Koalitionsregierung geeinigt.
    Schlüsselministerien bleiben wahrscheinlich für die Kommunisten reserviert.
    Sowjetunion.
    Die streikenden russischen Arbeiter in der Republik Estland haben ihren Ausstand vorerst beendet.
    Nach zehntägigen Aktionen gegen ein neues, von ihnen als diskriminierend empfundenes Wahlgesetz, sind die Arbeiter heute in die Fabriken gekommen.
    Zum ersten Mal hat eine sowjetische Zeitschrift Artikel von Leo Trotzki wieder veröffentlicht.
    Der frühere Kriegskommissar Trotzki ist unter Stalin in Ungnade gefallen.
    1940 wurde er im Exil in Mexiko ermordet.
    Das vom Jugendverband herausgegebene Magazin hat nun eine Artikelserie Trotzkis aus den 20er Jahren abgedruckt.
    Darin äussert Trotzki die Befürchtung, dass die kommunistische Partei ihren revolutionären Geist verliere.
    Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung sind Spekulationen aufgetaucht.
    Leo Trotzki könnte rehabilitiert werden.
    Österreich.
    Wieder ist der Justiz ein Strafgefangener entkommen.
    Aus der Strafvollzugsanstalt Garsten in Oberösterreich floh ein 29-jähriger Gefangener.
    Der Mann sollte eine 20-monatige Haftstrafe wegen schwerer Eigentumsdelikte verbüßen.
    Acht Monate hatte er bereits im Gefängnis verbracht.
    Die Flucht gelang ihm bei Feld- und Stallarbeiten in einem landwirtschaftlichen Außengut der Strafanstalt.
    Nun noch die Wetteraussichten bis heute Abend.
    Im Westen langsame Wetterbesserung, sonst noch wechselhaft und gewittrige Regenschauer.
    Nachmittagstemperaturen zwischen 21 und 27 Grad.
    Nachrichten und das Wetter standen am Ende des Mittagsjournals.
    Auf Wiederhören sagt Ihnen im Namen von Redaktion und Technik Fritz Wendl.
    Untertitel der Amara.org-Community

    Beiträge dieses Journals

    Nachrichten
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Wochenendwetter
    Mitwirkende: Kress, Christoph [Gestaltung]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Ort: Hohe Warte, Zentralanstalt für Meteorologie (ZAMG) [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Polen: Erster nichtkommunistischer Ministerpräsident im Ostblock
    Mitwirkende: Vetter, Reinhold [Gestaltung]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Porträt des wahrscheinlichen Premiers Tadeusz Mazowiecki
    Mitwirkende: Wolf, Armin [Gestaltung]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Politologe Mlynar zur Reformentwicklung im Osten
    Interview: Politologe Mlynar
    Mitwirkende: Machatschke, Roland [Gestaltung] , Mlynar, Zdenek [Interviewte/r]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Trailer Journal-Panorama: Ostblock - Westblock
    Einblendung: Konfliktforscher Senghaas, Professor Hanrieder
    Mitwirkende: Brandl, Hellfried [Gestaltung] , Senghaas, Dieter [Interviewte/r] , Hanrieder, Wolfram [Interviewte/r]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    ÖBB müssen weiter nach Tiroler Transit-Terminal suchen
    Einblendung: Tiroler Verkehrslandesrat Tanzer
    Mitwirkende: Adler, Hans [Gestaltung] , Tanzer, Hans [Interviewte/r]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Ist KVA-Stopp Todesstoß für Donawitz
    Mitwirkende: Fuchs, Wolfgang [Gestaltung]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Kritik an Umweltarbeit von Flemming und an Rieglers Arbeit als Kanzleramtsminister
    Einblendung. SPÖ-Zentralsekretär Cap
    Mitwirkende: Steinhuber, Manfred [Gestaltung] , Cap, Josef [Interviewte/r]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Milizsprecher der ÖVP fordert totale Erneuerung des Bundesheeres
    Einblendung: ÖVP-Milizsprecher Ikrath
    Mitwirkende: Stoppacher, Robert [Gestaltung] , Ikrath, Peter Michael [Interviewte/r]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik ; Politik Österreich ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    FPÖ zu illegalen Waffengeschäften mit dem Iran
    Einblendung: FPÖ-Abgeordneter Probst
    Mitwirkende: Eichinger, Erich [Gestaltung] , Probst, Friedrich [Interviewte/r]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Politik Österreich ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    China: Die akademische Landschaft wird umgepflügt
    Mitwirkende: Thamm, Ludwig [Gestaltung]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Ort: Peking [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Kultur: Sowjetregisseur Wassiljews Salzburger Pläne für nächstes Jahr
    Interview: Regisseur Wassiljew
    Mitwirkende: Rennhofer, Maria [Gestaltung] , Wassiljew, Anatolij [Interviewte/r]
    Datum: 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik Österreich ; Kultur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten

    Katalogzettel

    Titel Mittagsjournal 1989.08.18
    Spieldauer 00:59:28
    Mitwirkende Wendl, Fritz [Moderation] [GND]
    ORF [Produzent]
    Datum 1989.08.18 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-890818_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal

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    Schlagworte

    Gesellschaft , Radiosendung-Mitschnitt
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