Trauma, Träume und Tragödien - Ein Friedensvertrag und seine Folgen

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Dieses Medium ist Teil des Gesamtwerks Menschen & Mächte

Katalogzettel

Titel Trauma, Träume und Tragödien - Ein Friedensvertrag und seine Folgen
Urheber/innen und Mitwirkende Novak, Andreas [Regie] [GND]
Euba, Matthias [Sprecher/in]
ORF 2 [Sendeanstalt]
Datum 2018.03.08 [Sendedatum]
2018 [Jahr des Copyright]
Schlagworte Gesellschaft ; Politik Österreich ; Dokumentation ; Erster Weltkrieg ; Erste Republik ; TV-Mitschnitt
Typ video
Format DFMPG [Dateiformat: MPG]
Sprache Deutsch
Signatur E52-08718
Gesamtwerk/Reihe Menschen & Mächte

Information

Inhalt

„Schandvertrag“, „Siegerdiktat“, „Knebelpapier“: das waren noch die höflichen Prädikate für den Friedensvertrag von St. Germain nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Andreas Novak geht in seiner Dokumentation „Trauma, Träume und Tragödien“ der Frage nach, welche Auswirkungen und Folgen dieser Vertrag auf die politische Entwicklung der Ersten Republik hatte.

„Der Rest ist Österreich“
Im Schloss St. Germain en Laye bei Paris legten die Siegermächte 1919 die staatspolitische und geografische Neuordnung Österreichs fest. Die Kriegsverlierer, das nicht mehr existente ehemalige wilhelminische Kaiserreich, und die ebenfalls zusammengebrochene Donaumonarchie - repräsentiert durch eine Delegation unter Führung von Staatskanzler Karl Renner - waren zu Statisten degradiert. Die Westmächte diktierten die geografische Neuordnung. „Deutsch-Österreich“ wird kleingeschrumpft, vom Vielvölkerstaat mit rund 55 Millionen Einwohnern zur Republik mit lediglich 6,5 Millionen Einwohnern. „Der Rest ist Österreich“ meinte der französische Chef-Verhandler und Ministerpräsident George Clemenceau.

Als Tiefschlag empfanden Volk und Regierung das in St. Germain verordnete „Anschlussverbot“ an die Weimarer Republik
Die Folge: kollektive Empörung im Land. Dazu kam, ganz im Sinne der versuchten Demilitarisierung Deutschlands und Österreichs, die Reduktion des österreichischen Heeres auf maximal 30 000 Berufssoldaten, einhergehend mit dem Verbot der allgemeinen Wehrpflicht. Nicht nur von Offizieren und Berufssoldaten - geübt im Marschieren, Befehlen und Gehorchen - war nun mentale Abrüstung gefordert, der Abschied vom Großraumdenken, die Integration in eine Friedens- und Zivilgesellschaft. Das jedoch sollte scheitern, denn recht bald fanden viele nach 1918 arbeitslos gewordene Soldaten in den neu gegründeten paramilitärischen Verbänden wieder Verwendung.

Durch die Abkoppelung der Nachfolgestaaten der Monarchie gehen wichtige Industrie und Handelsgebiete ebenso verloren wie Absatzmärkte
Die neuen Länder verhängen zudem hohe Schutzzölle über die österreichische Warenkonkurrenz. Die von England und Frankreich gewährten Kredite sind mit der Bekräftigung des Anschlussverbotes verbunden.
Gleichzeitig kommt es zur direkten Einflussnahme auf die Wirtschafts- und Budgetpolitik, da die Schuldner den Weg des Sanierungskurses bestimmen: höhere Steuern, eiserner Sparkurs und Preiserhöhungen. Das wiederum bremst den öffentlichen Konsum, führt zu Entlassungen und letztlich zur Massenverarmung breiter Bevölkerungsschichten. All das sollte in den folgenden Jahren fatale politische, soziale und wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen.

Und so entwickelt sich die Erste Republik zunehmend zu Einer mit immer weniger Republikanern
Neben Österreich verwandeln sich auch eine Reihe anderer, aus den Verträgen von St. Germain hervorgegangene Länder, nach kurzen demokratischen Intermezzi zu autoritären Staaten. Aus der Weimarer Republik etwa wird das Dritte Reich, geführt von einem ehemaligen Gefreiten des Ersten Weltkrieges, der mit der „Schandvertragsrhetorik von 1918 und der in den Schmutz getretenen Ehre des deutschen Volkes“ zu dessen „Führer“ aufsteigt.

Eines ist jedoch Faktum, auch wenn diese Zeit zwischen den beiden Weltkriegen lediglich einer Art Waffenruhe gleichkam:
Den Friedensverträgen von St. Germain kann nicht die ganze Malaise in die Schuhe geschoben werden. Vieles ist politisch „hausgemacht“ gewesen, denn nirgendwo wurde etwa verordnet, demokratische Strukturen, Parlamentarismus und Parteien auszuschalten.
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