Kaddisch

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Ein Mann zieht seinen Karren. Der Karren ist schwer, die Straßen sind dreckig, das Leben scheint nur Mühsal und Plage bereitzuhalten. Dennoch ist Tewje, der augenzwinkernde Schlaumeier und Lebenskünstler aus dem unerschöpflich scheinenden Geschichtenvorrat des großen Dichters Scholem Alejchem, mit grimmigem Mut zur Ironie gesegnet. Mit seinem Gott hält er selbstbewußt Zwiesprache, im Kreis seiner Familie sonnt er sich im Glanz nicht mehr ganz unverfälschten Patriarchentums, und seine haarspalterischen Ansichten erschweren ihm und den Seinen zusätzlich das Leben.
Und doch ist „Kaddisch“, die von dem zeitgenössischen Moskauer Dramatiker Grigorij Gorin zusammengestellte Szenenfolge über Freuden und Leiden in dem ukrainischen Dorf Anatovka zur vergangenen Jahrhundertwende, auch ein elegisches Gedenkgebet (so die Übersetzung des jüdischen „Kaddisch“-Brauchs) für eine zerstörte Kultur: die des osteuropäischen „Schtetls“ samt seiner scheinbar insularen Ruhe und seiner ständigen Gefährdung. Russen, Ukrainer und Juden versuchten in diesem untergegangenen Legendenort Anatovka ein Zusammenleben; verschiedene Religions- und Lebensformen trafen da auf engstem Raum aufeinander, begleitet beständig von der Angst vor Not und Verfolgung.
Die unwahrscheinlichsten und doch wahrhaftigsten Lebensgeschichten mischen sich in dem Stück „Kaddisch“ – Geschichten von Liebe, Verständnis, Hochzeit und Freude, aber auch von Unglück, Sterben, Verrat und Vertreibung. Das Stück entfaltet ein weiträumiges theatralisches Panorama menschlicher Leiden und Leidenschaften, spannt auf ernsthafte und zugleich heitere Weise Komik und Tragik zusammen und stellt nicht zuletzt eine unmißverständliche Warnung vor Intoleranz, Rassismus und Minderheitenfeindlichkeit dar.
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