Braune Brettln, braunes Leder

Mediathek

Dieses Medium ist Teil des Gesamtwerks Menschen & Mächte

Katalogzettel

Titel Braune Brettln, braunes Leder
Urheber/innen und Mitwirkende Betz, Martin [Gestaltung] [GND]
ORF 2 [Sendeanstalt]
Datum 2023.04.04 [Sendedatum]
Schlagworte Sport ; Dokumentation ; Sport ; Faschismus und Nationalsozialismus ; TV-Mitschnitt
Typ video
Format DFMPG [Dateiformat: MPG]
Sprache Deutsch
Signatur E52-31449
Gesamtwerk/Reihe Menschen & Mächte

Information

Inhalt

[Senderinformation] „Menschen & Mächte“-Neuproduktion thematisiert Sport im Nationalsozialismus

Skifahren und Fußball waren schon in den 1930er Jahren österreichische Nationalsportarten. Mit dem „Anschluss“ 1938 ändert sich alles – jüdische Spitzensportler und Funktionäre werden verfolgt oder ermordet, die Sportverbände in den NS-Reichsbund für Leibesübungen eingegliedert, die „arischen“ Sportler erst als Draufgänger und Himmelhunde, dann als Kriegshelden inszeniert.

Martin Betz geht für die neue „Menschen & Mächte“-Dokumentation „Braune Brettln, braunes Leder“ auf Spurensuche: auf die Fußballplätze in Wien und die Skipisten von Kitzbühel und St. Anton; aber auch zu den versteckten Plätzen der Flucht und den verdrängten Orten von Verbrechen, bis nach Frankreich, Holland und Griechenland.

Die Folgen des Rassismus auf Fußballplätzen
„Braune Brettln, braunes Leder“ zeigt die Folgen des Rassismus auf Fußballplätzen und legt den Fokus dabei auf die Wiener Leitvereine Austria und Rapid. Emanuel „Michl“ Schwarz, der Austria-Präsident der Zwischenkriegszeit, wurde wie der gesamte jüdische Vorstand des Vereins Austria seines Amtes enthoben und musste aus Wien flüchten. Im besetzten Frankreich wurde er schließlich doch verhaftet. Thomas Schwarz, sein Enkel: „Mein Großvater hatte das Riesenglück, dass in dem Anhaltelager, in dem er interniert war, der Kommandant ein Fußballfan war. Der hat ihn erkannt und ihm zur Flucht verholfen.“ Danach wurde Schwarz jahrelang von dem ebenfalls im Untergrund lebenden Hakoah-Spieler Friedrich Donenfeld in der Nähe von Paris versteckt. „Arische“ Spieler wie Matthias Sindelar oder Karl Sesta dagegen wurden nach der Abschaffung des Profi-Systems mit arisierten Kaffeehäusern oder Bäckereien versorgt. Deren jüdische Vorbesitzer wurden deportiert und ermordet.

Als Meister der Improvisation entpuppte sich Franz „Bimbo“ Binder, der dreifache Torschütze beim 4:3-Sieg Rapids über Schalke Westfalen beim Endspiel um die großdeutsche Meisterschaft 1941. „Um dem Kriegsdienst in Russland zu entgehen, hat sich mein Vater den gesunden Blinddarm herausoperieren lassen“, berichtet sein Sohn Franz Binder jun.

Der Skisport war einfacher ins NS-Sportsystem zu zwingen. Denn der Österreichische Skiverband (ÖSV) hatte bereits selbst mit der Einführung des „Arierparagrafen“ 1923 eine zentrale Voraussetzung dafür geschaffen. „Das zog eine Radikalisierung nach sich und führte zu einer starken Hinwendung führender Funktionäre zur nationalsozialistischen Bewegung“, analysiert der Historiker Andreas Praher. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg waren die Skisportler Projektionsfläche für Heldenmut und Draufgängertum, mit dem Weltkrieg wurden aus vielen Sport-„Helden“ schließlich Kriegs-„Helden“. Etwa der zweifache Weltmeister Josef „Pepi“ Jennewein aus St. Anton, dessen Abschüsse als Jagdflieger wie sportliche Triumphe gefeiert wurden. „Mein Großonkel wurde sicher von der NS-Presse instrumentalisiert“, sagt Martin Jennewein aus St. Anton. Selbst Jenneweins Tod 1943 als Jagdflieger in Russland wurde von der NS-Propaganda ausgeschlachtet.

Auffallend viele Skisportler traten SA, SS und Gestapo bei. Etwa Josef „Bubi“ Bradl, der erste Skispringer, der über 100 Meter weit flog. Oder auch Ferdinand Friedensbacher, der Sieger der ersten Hahnenkamm-Abfahrt 1931. Als Chef der Geheimen Feldpolizei auf Kreta soll Friedensbacher 1944 bei der Partisanenbekämpfung in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen sein – für die er 1970 von einem Innsbrucker Gericht freigesprochen wurde. Die Defizite in der Aufarbeitung der NS-Diktatur zeigten sich auch im Sport, wo 1945 alles so weiterging, als wäre nichts gewesen. Mit den Erfolgen der heimischen Fußballer bei der WM 1954 und den Triumphen von Toni Sailer diente der Sport als zentrales Instrument zur nationalen Identitätsfindung im Nachkriegs-Österreich – was jede kritische Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit lange unmöglich machte.

„Braune Brettln, braunes Leder“ ist eine ORF-Eigenproduktion, die als interdisziplinäre Zusammenarbeit der Hauptabteilungen Wissenschaft und Sport, gefördert von der Verwertungsgesellschaft Rundfunk, entstand.
Mediathek Logo