Mittagsjournal 1984.10.27

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    Rechtliches

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    KI-generiertes Transkript

    Die Zeit, in fünf Sekunden ist es zwölf Uhr.
    Zwölf Uhr.
    Hier ist der österreichische Rundfunk.
    Eine angenehme Mittagsstunde, meine Damen und Herren.
    Hier meldet sich Herbert Dobrowolny mit dem Mittagsschonal des aktuellen Dienstes.
    Für die kommenden 60 Minuten haben wir Beiträge zu folgenden Themen vorbereitet.
    Affäre Barzel.
    Wie ist es in den letzten Stunden in der Bundesrepublik Deutschland weitergegangen und wer ist der designierte Nachfolger im Amt des deutschen Bundestagspräsidenten, nämlich Philipp Jenninger?
    Im Zusammenhang mit der Affäre Barzel zeichnet unsere Wirtschaftsredaktion ein Porträt des Konzernherrn Friedrich Karl Flix.
    Wir zitieren aus österreichischen Tageszeitungen und fassen einen Vortrag von Altkanzler Bruno Kreisky anlässlich eines Renner-Symposiums in Glocknitz zusammen.
    Im Journal zu Gast ist der Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch.
    Außerdem hören Sie eine Vorschau auf die am Montag in Genf beginnende Gipfelkonferenz der OPEC und einen Bericht über eine Fotoausstellung im Rahmen des steirischen Herbstes in Graz.
    Zu Beginn aber nun der Nachrichtenüberblick, den Rainer Warnecke zusammengestellt hat.
    Gelesen werden die Meldungen von Rosmarin Frauendorfer.
    Bundesrepublik Deutschland.
    Der als Nachfolger für den entscheidenden Bundestagspräsidenten Rainer Barzel nominierte Staatsminister Philipp Jenninger hat sich dafür eingesetzt, das Ansehen des Parlaments zu stärken.
    Jenninger sagte, alle Parteien müssten dazu beitragen, Maß und Mitte wiederzugewinnen.
    Er äußerte die Bereitschaft, die Verhaltensregeln für Parlamentarier überarbeiten zu lassen, wandte sich aber gegenüber steigerte Reformbemühungen.
    Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Mischnik hat Vorwürfe zurückgewiesen, dass in Deutschland Politiker und Politik käuflich seien.
    Mischnik sagte, er wolle nicht ausschließen, dass es in Einzelfällen immer wieder Dinge gäbe, die nach seinen persönlichen Maßstäben und nach allgemeiner Ansicht nicht richtig seien.
    Entscheidend sei aber, dass es in einer parlamentarischen Demokratie möglich sei, diese Dinge selbst zu bereinigen.
    SPD-Fraktionsvorsitzender Hans-Jochen Vogel hat im Zusammenhang mit der Flick-Affäre Kritik gegen Bundeskanzler Kohl gerichtet.
    Vogel wies die Darstellung Kohls zurück, die Enthüllungen seien eine gezielte Kampagne gegen die Regierung.
    Er wolle zwar nicht von einem Fall Kohl sprechen, sagte Vogel, an den Kanzler seien aber Fragen gestellt worden, die dieser bis heute nicht überzeugend beantwortet habe.
    Polen.
    In der Affäre um die Entführung des oppositionellen Priesters Jerzy Popieluszko gibt es einen neuen Aspekt.
    Der frühere stellvertretende Vorsitzende der Verbotenen Gewerkschaft Solidarität in Warschau, Jaworski, will erfahren haben, dass Popieluszko lebt und sich in den Händen des Sicherheitsapparats befindet.
    Jaworski sagte gegenüber westlichen Journalisten, Popieluszko drohe eine Deportation ins Ausland.
    Einzelheiten über die Quelle dieser Nachricht wollte er nicht mitteilen.
    Das Zentralkomitee hat gestern die Entführung des Priesters Schach verurteilt und personelle Konsequenzen im Sicherheitsdienst gefordert.
    Außerdem wird strenge Bestrafung der Täter und ihrer möglichen Hintermänner verlangt.
    Andererseits hat die Regierung die politische Opposition gewarnt, die Entführung für ihre Zwecke auszunutzen.
    Kardinal Glemp hat gestern in einer Predigt die Hoffnung geäußert, dass Popieluszko noch am Leben ist.
    Glemp rief die Gläubigen auf, sich nicht von Gefühlen des Hasses und der Rache hinreißen zu lassen.
    Österreich.
    Professor Otto Schick, in der Zeit des Prager Frühlings stellvertretender tschechoslowakischer Ministerpräsident, hält eine Besserung der wirtschaftlichen Situation im Ostblock nur dann für denkbar, wenn im politischen System entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden.
    Schick erklärte in einem Vortrag in Wien, die Betriebe müssten entsprechend der Marktlage produzieren, Verschwendung von Produktionsmitteln müsse durch stärkere Konkurrenz verhindert werden.
    Als weitere Punkte nannte Schick die Verbesserung der Einkommenssituation, die Gestaltung der Löhne nach dem Leistungsprinzip und die Spiegelung von Angebot und Nachfrage in den Preisen.
    Ungarn
    Arbeitsscheue und sogenannte Bummler müssen ab 1.
    Jänner in den ungarischen Betrieben mit strengeren Strafen rechnen.
    Nach offiziellen Meldungen aus Budapest soll das Strafgesetz geändert werden, sodass für Personen, die sich vor der Arbeit drücken, Strafen von einem bis zu drei Jahren Arbeitslager verhängt werden können.
    Diese Arbeitslager sind aber angeblich nicht mit Haftanstalten vergleichbar.
    Es wurde nicht mitgeteilt, in welchem Fall ein Arbeiter als arbeitsscheu zu gelten hat.
    USA.
    Außenminister George Shultz hat mit dem sowjetischen Botschafter in Washington, Anatoly Dobrynin, über Fragen der Abrüstung verhandelt.
    Einzelheiten über den Inhalt des Gesprächs wurden nicht mitgeteilt.
    Der sowjetische Staats- und Parteichef Tschernenko hatte zuletzt erklärt, die USA müssten zur Verständigung bei mindestens einem Abrüstungsthema bereit sein, um den Weg zur Wiederaufnahme der Ost-West-Verhandlungen zu öffnen.
    Nach Untersuchungen einer privaten Forschergruppe würde ein Raketenabwehrsystem im Weltraum Unmengen von Geld verschlingen, ohne wirksamen Schutz zu bieten.
    Die Experten vertreten die Ansicht, das Programm würde die Hälfte des amerikanischen Verteidigungsbudgets aufbrauchen.
    Außerdem sei ein absolut sicheres Abwehrsystem dieser Art technologisch nicht zu verwirklichen, heißt es in der Studie.
    Die Experten widersprechen damit Präsident Reagan, der das Raketenabwehrsystem im Weltraum forciert.
    Vereinte Nationen.
    Mehrere tausend Kinder aus Ost und West wollen der UNO in einer Petition ihre Abscheu gegen das Wettrüsten mitteilen.
    Die Unterzeichner des Dokuments stammen aus den USA, der Sowjetunion, Kanada, Japan und einigen westeuropäischen Ländern.
    Alle Unterzeichner sind jünger als 16 Jahre.
    Die Petition soll am kommenden Montag einem UNO-Vertreter in New York übergeben werden.
    Die Idee zu dieser Aktion stammt von einer 13-jährigen amerikanischen Schülerin.
    Argentinien.
    Das Foltern von Häftlingen kann in Argentinien künftig mit lebenslanger Haft bestraft werden.
    Ein entsprechendes Gesetz ist gestern in Kraft getreten.
    Lebenslange Freiheitsstrafe droht unter anderem auch Staatsangestellten, die Kenntnis von Folterungen haben und dies nicht innerhalb von 24 Stunden melden.
    Äthiopien.
    UNO-Generalsekretär Pérez de Coelho hat zur Hilfe für das von einer Dürrekatastrophe heimgesuchte Äthiopien aufgerufen.
    Die Lebensmittelknappheit in Äthiopien erfordere rasche und abgestimmte internationale Aktionen, betonte Pérez de Coelho.
    Die Hilfeleistungen der UNO-Organisationen seien nahezu erschöpft.
    Die Europäische Gemeinschaft will für die notleidende Bevölkerung in Äthiopien zusätzlich etwa 500 Millionen Schilling bereitstellen.
    In dem ostafrikanischen Land sind etwa 900.000 Menschen unmittelbar vom Hungertod bedroht.
    USA.
    Einem 14 Tage alten Mädchen ist gestern in Kalifornien erfolgreich das Herz eines jungen Pavians eingepflanzt worden.
    Nach Angaben der Universitätsklinik von Loma Linda wäre das Baby ohne Transplantation mit Sicherheit gestorben, weil sein Herz nicht genügend entwickelt war.
    Schimpansenherzen sind bereits viermal Erwachsenen eingepflanzt worden, diese haben aber nur wenige Stunden überlebt.
    Dem Mädchen geht es nach Angaben der Klinik sehr gut.
    Das Wetter?
    Die Wetterlage.
    Nach dem Durchzug einer Störung führt Druckanstieg über Mitteleuropa zum Aufbau eines Hochdruckgebietes.
    Die Wetteraufsichten bis morgen früh.
    Veränderliche im Durchschnitt abnehmende Bewölkung.
    Nur noch lokal etwas Regen.
    West- bis Nordwestwind.
    Nachmittagstemperaturen 10 bis 16.
    Tiefstemperaturen der kommenden Nacht 0 bis 8 Grad.
    Die Wetteraussichten für Sonntag.
    Im Süden teilweise noch stark bewölkt und lokal etwas Regen möglich.
    Über den Niederungen gebietsweise Nebelfelder von unterschiedlicher Beständigkeit.
    Sonst meist aufgelockert bewölkt bis heiter.
    Schwachwindig.
    Frühtemperaturen 0 bis 8, Tageshöchsttemperaturen 8 bis 14 Grad.
    Das Wetter am Montag.
    Über den Niederungen gebietsweise Nebel.
    Sonst sonnig, auf den Bergen sehr mild und gute Fernsicht.
    Jetzt noch die Messwerte von 12 Uhr Mittag.
    Wien stark bewölkt, 13 Grad, Nordwestwind mit 20 Kilometern in der Stunde.
    Eisenstadt heiter, 13 Grad, Nord 15 Kilometer.
    Linz wolkig, 12 Grad.
    Salzburg stark bewölkt, 13.
    Innsbruck stark bewölkt, 10.
    Pregens wolkig, 11.
    Graz stark bewölkt, 12.
    Und Klagenfurt bedeckt bei 12 Grad.
    Soweit also Nachrichten und der Wetterbericht im Mittagschanal.
    Zwölf Uhr und neun Minuten ist es so eben.
    Am Donnerstag wurde von ihm selbst ein Schlussstrich unter eine Fähre gezogen, die zwei Wochen lang für öffentliche Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik Deutschland sorgte.
    Rainer Barzel, 60-jähriger CDU-Politiker, trat vom zweithöchsten Amt in der Bundesrepublik Deutschland, vom Amt des Bundestagspräsidenten, zurück.
    Diese Entscheidung gab er jedoch nicht selbst bekannt, sondern ließ sie von Alfred Dregger, dem Vorsitzenden der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, mitteilen.
    Zuvor hatte Barzel eine Aussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Sachen Pflig unter Hinweis auf eine Erkrankung seiner Person abgesagt.
    Mit dem Rücktritt Barzels, der im Verdacht steht, vom Flick-Konzern über verschlungene Wege etwa 12 Millionen Schilling bekommen zu haben, wird ein eigenartiges Schlaglicht auf Bonn geworfen.
    Es entsteht ein Eindruck, den die Hamburger Wochenzeitung die Zeit mit der Schlagzeile formuliert, kaufen und sich kaufen lassen, die ehrenwerte Gesellschaft am Rhein, wird Bonn doch Weimar.
    Und Chefredakteur Theo Sommer beginnt dann seine Ausführungen über den Fall Barzl mit einem Zitat Barzls aus dem Jahr 1979.
    Zitat, dieses Land ist nicht in Ordnung.
    Seit diesem Ausspruch sind fünf Jahre vergangen und Barzl gehört als Bundestagspräsident auch schon der politischen Vergangenheit an.
    Als sein Nachfolger wurde Philipp Jenninger, der Staatsminister im Bonner Kanzleramt, nominiert.
    Wer Jenninger ist und welche Ereignisse im Fall Barzl in den letzten Stunden in der Bundesrepublik Deutschland es gegeben hat, das ist der Inhalt des folgenden Beitrags von Helmut Branstetter.
    Im Bonner Regierungsviertel ist heute wieder die übliche Wochenendruhe eingekehrt.
    Eine Ruhe, die aber auch nicht viel länger als das Wochenend dauern wird.
    Helmut Kohl hat mit seinem Vorschlag, den Kanzleramtsminister Philipp Jenninger zum neuen Bundestagspräsidenten zu wählen, für eine Überraschung gesorgt, die der CDU und seiner Regierung zugute kommen dürfte.
    Denn der 52-jährige Schwabe Jenninger gilt nicht nur als einer der begabtesten CDU-Politiker, er hat sich auch in seiner Funktion im Kanzleramt durch geschickte und diskrete Verhandlungen mit der DDR einen Namen gemacht und ist sicherlich auch einer der besten Kenner des Deutschen Bundestags.
    Vor allem aber, und das zählt in Bonn momentan besonders viel, Jenninger steht auf keiner der berüchtigten Flick-Spendenlisten.
    Der designierte Bundestagspräsident wird die Aufgabe haben, die sehr aufgewühlte Stimmung unter den Fraktionen wieder zu beruhigen.
    Die nötige Anerkennung hat er jedenfalls bei allen im Bundestag vertretenen Parteien.
    Die SPD hat bereits angekündigt, dass auch sie für Jenninger stimmen wird.
    Die Nominierung Jenningers überraschte nicht nur, weil der bisherige Kanzleramtsminister relativ jung ist für die Funktion des Bundestagspräsidenten.
    Der enge Vertraute Kohls gilt hier eher als Manager und ihm wird kaum großer Hang zum Repräsentieren nachgesagt.
    Doch gerade das hält Kohl für gut in diesem Moment.
    Jenninger soll das protokollarisch zweithöchste Amt im Staat bürgernah ausüben, meinte Kohl.
    Ein Bundestagspräsident zum Anfassen sein.
    Doch schon zwei Tage nach dem 5.
    November, wenn Philipp Jenning als neuer Bundestagspräsident angelobt werden soll, wird der Flick-Untersuchungsausschuss wieder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen.
    Denn am Mittwoch, dem 7.
    November, muss Bundeskanzler Helmut Kohl selbst den Abgeordneten Rede und Antwort stehen, was er über die Spendenflicks an die CDU weiß.
    Helmut Kohl sagte unmittelbar nach dem Rücktritt Batzels im deutschen Fernsehen, ihm sei schon klar, dass die Angriffe der Opposition gegen Batzels letztlich immer auf ihn gerichtet gewesen seien.
    Und weder SPD noch die Grünen machen den Hehl daraus, dass sie nachweisen wollen, dass interne CDU-Entscheidungen, etwa über das Grundsatzprogramm, von Flickgeldern beeinflusst gewesen seien.
    Kohl bestreitet das natürlich und vor allem, dass er oder seine Partei Einfluss auf die Steuerbefreiung Flix nach dem Verkauf der Daimler-Benz-Aktien im Jahr 1975 also zur Zeit der sozialliberalen Fraktion gehabt hätten.
    Genau zu diesem Punkt musste gestern der SPD-Vorsitzende Willy Brandt aussagen.
    Brandt betonte, er habe sich weder mit der Steuerbefreiung für den Flick-Konzern befasst, noch Geld von dem Konzern bekommen.
    Die Tatsache, dass er im Zusammenhang mit rund 1,4 Millionen Schilling in der Spendenliste des Flickbuchhalters Thiel auftauche, könne er sich nicht erklären.
    Parteispenden seien eine Sache des Schatzmeisters gewesen.
    Doch dieser Alfred Nau kann nicht mehr vernommen werden, er ist tot.
    Unter den Bonner Politikern hat mittlerweile wieder Diskussion über Verhaltensregeln der Abgeordneten eingesetzt.
    Ein SPD-Bundestagsmitglied forderte den gläsernen Abgeordneten, jeder müsste genauen Aufschluss über sein Einkommen geben.
    Andere wiederum meinen, es würde genügen, wenn die derzeitigen Verhaltensregeln nur eingehalten würden.
    Rainer Barzel könnte übrigens noch wegen falscher Zeugenaussage verantwortlich gemacht werden.
    Denn während der Flick-Gesellschaft der PSG am Donnerstag erklärte, Barzel habe ihn vom Eintritt in die Anwaltskanzlei Paul unterrichtet, danach sei es zum Vertrag zwischen Paul und Flick gekommen, hatte Barzel zuvor ausgesagt, es habe bei seinem Eintritt bei Paul bereits einen Vertrag zwischen dem Anwalt und Flick gegeben.
    Die Bonner Staatsanwaltschaft wollte gestern keine Stellungnahme darüber abgeben, ob sie Barzel anklagen wird.
    Die Diskussionen über die Verbindungen zwischen Macht und Kapital bzw.
    über die politische Moral werden in Bonn am Montag weitergehen, wenn die Abgeordneten in die Hauptstadt zurückkehren.
    Sie werden dann übrigens eine neue Erfahrung haben.
    Das Ergebnis der Kommunalwahlen in Baden-Württemberg.
    Helmut Brandstätter aus Bonn war das.
    Der Rücktritt Rainer Watzls und auch der Rücktritt des ehemaligen Bonner Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff sind untrennbar mit dem Namen Flick verbunden.
    Ebenso untrennbar ist dieser Name mit der Geschichte der deutschen Industrie seit Beginn dieses Jahrhunderts verknüpft und damit auch mit dem Schicksal.
    dem Aufstieg und Fall des Deutschen Kaiserreichs und des sogenannten 1000-jährigen Reiches unter Adolf Hitler.
    Im Jahr 1981 geriet der Flick-Konzern erstmals in den Verdacht, in Parteispendenaffären verwickelt zu sein.
    Seit damals füllen diverse Untersuchungsberichte bei Staatsanwälten gegen hohe Regierungsbeamte die Aktenordner.
    Der Mann, um dessen Konzern es geht, ist Friedrich Kardl Flick, Sohn des Unternehmensbegründers und deutschen Großindustriellen Friedrich Flick.
    Flicks Vater, der 1972 starb, wurde von der Presse nicht nur als Stahlkönig bezeichnet, er galt auch als Genie der Geräuschlosigkeit.
    Diesen Titel verlieh ihm die Presse taxfrei für sein Geschick, den Konzern aus spektakulären Auseinandersetzungen herauszuhalten, aber auch die Publizität über den Familienkonzern in der Öffentlichkeit auf einem deutlich niedrigen Niveau zu halten.
    Welche Machtstellung besitzt nun heute der Flick-Konzern in der Bundesrepublik Deutschland und wer ist Friedrich-Karl Flick?
    Michael Kerbler informiert sie.
    Schweigsamkeit und Publizitätsscheu sind immer Tugenden im Hause Flick gewesen.
    Tugenden, an denen auch der heute 57-Jährige Friedrich-Karl Flick festgehalten hat.
    Ein Mann, der zum bundesdeutschen Symbol für den bösen Kapitalisten und sogar zum Buhmann der Nation avancierte.
    Friedrich Kadelflick ist heute der Alleininhaber des größten deutschen Familienkonzerns, eines Konzerns, der im vergangenen Jahr nicht weniger als 43.000 Mitarbeiter weltweit beschäftigte und dabei einen Umsatz von umgerechnet 140 Milliarden Schilling erwirtschaftete.
    Zu dem Konzernimperium, das in der Düsseldorfer Friedrich-Flick-Industrieverwaltung KG zusammengehalten wird, zählen mehr als 50 Unternehmen sowie schätzungsweise 200 Beteiligungen an anderen Firmen.
    Im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel laufen in einem eher schlichten vierstöckigen Zweckbau alle Fäden des Flick-Imperiums zusammen.
    Die Konzernzentrale wirkt eher bescheiden dafür, dass es sich um den größten deutschen Industriekonzern im Familienbesitz handelt.
    Friedrich Karl Flick, oberster Firmenchef, dessen gesamtes Familienvermögen auf gut und gern 28 Milliarden Schilling geschätzt wird, ist jedoch seit Beginn der Flick-Affäre im November 1981 nur noch selten in der Chefetage anzutreffen.
    Viel häufiger trifft man ihn in München und mitunter auf seiner österreichischen Jagd im steirischen Bezirk Lizen.
    Wo ist eigentlich Herr Flick?
    Diese Frage stellte zu Jahresbeginn die angesehene Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
    Und sie gab sich selbst die Antwort auf die Frage nach den Gründen der Abwesenheit des deutschen Großindustriellen.
    Zitat
    Den kontaktarmen und misstrauischen Erben eines Industrieimperiums mag die Vorstellung bedrücken, wie einst sein Vater vor die Schranken eines Gerichts gezogen zu werden.
    Denn der 1972 verstorbene Konzerngründer Friedrich Flick, den man auch Friedrich den Großen nannte, war nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs von den Amerikanern interniert und dann zu sieben Jahren Haft verurteilt worden, mehr oder weniger als Symbolfigur der deutschen Schwerindustrie.
    Allerdings war in diesem Prozess deutlich geworden, dass der Flick-Konzern wie die meisten anderen Industriekonzerne schon immer Geld für Parteien gespendet hatte.
    Zitat Ende.
    In der jüngsten Vergangenheit, so verkündete die Staatsanwaltschaft in Bonn im November vergangenen Jahres, ist Geld in Richtung FDP geflossen.
    Dem damaligen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff wird zulast gelegt, vom Flickmanager von Brauchitsch 135.000 Mark erhalten zu haben.
    Dem ehemaligen Wirtschaftsminister Friedrichs von der FDP wird vorgeworfen, 375.000 Mark vom Flickbevollmächtigten erhalten zu haben.
    Ins Rollen kam die ganze Affäre dadurch, dass der Flick-Konzern im Jahr 1976 aus dem Verkauf eines Aktienpakets der Daimler-Benz AG 1,8 Milliarden Mark erlöst hatte und einen Steuererlass in Höhe von 850 Millionen Mark genehmigt erhielt, weil ein großer Teil dieser Summe angeblich volkswirtschaftlich förderungswürdig in einen amerikanischen Konzern investiert wurde.
    Diesen Steuererlass, so lautet nun der gerichtliche Vorwurf, soll sich der Flick-Konzern mit Parteispenden erkauft haben.
    Die Flick-Spendenaffäre, die seit Ende 1981 nun die politische Szene in der Bundesrepublik Deutschland beherrscht, hat mit dem Fall Barzel eine neue Dimension erreicht.
    Was als Ermittlung der Staatsanwaltschaft gegen den Flick-Konzern in Düsseldorf wegen Steuerhinterziehung begann, hat sich über den Rücktritt des wegen Bestechlichkeit angeklagten ehemaligen Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff zum politischen Skandal ausgewachsen, der im In- und Ausland auf Seen erregt.
    Längst geht es nicht mehr allein um die Frage, ob der Konzern mit seinen Millionenzahlungen nur Einfluss auf die umstrittene Steuerbefreiung für seine Kapitalanlage bei dem US-Konzern Grace genommen hat.
    In der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland wird zunehmend gefragt, in welchem Maße illegale Parteispenden, Schmiergelder und Korruption die Politik in Bonn insgesamt bestimmt haben.
    Friedrich Karl Flick indes tritt in die Fußstapfen seines Vaters, der oft als Genie der Geräuschlosigkeit bezeichnet worden war.
    Er hat sich zurückgezogen und schweigt.
    Die Frage, die man sich nun wieder in Bonn zu stellen beginnt, lautet, wie schon zu Jahresbeginn, wo bleibt eigentlich Herr Flick?
    Michael Kerbler zeichnete ein Porträt über den Konzernherrn Friedrich Karl Flick, einen Mann, dessen Familieneinkommen auf umgerechnet 28 Milliarden Schilling geschätzt wird.
    Ein Familieneinkommen, das ganz schön beachtlich ist.
    Übermorgen am Montag tritt die OPEC in Genf zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen.
    Die 13 Mitglieder wollen den Preisverfall des sogenannten schwarzen Goldes aufhalten, der vor zehn Tagen durch entsprechende Ankündigungen Norwegens, Großbritanniens und Nigeriens das Kartell in Unruhe versetzt hat.
    Die OPEC hat in den letzten Jahren einen Einfluss verloren.
    OPEC-Konferenzen stehen heute nicht mehr im Zeichen der Ölpreisdiktate aus dem Nahen Osten, sondern schon seit längerem im Zeichen einer Krisenfeuerwehr.
    Der Anteil der OPEC an der Weltölproduktion ist von der Hälfte auf ein Drittel gesunken.
    Die neuen Konkurrenten sind vor allem die Nordseestaaten Großbritannien und Norwegen, von denen bereits vor zweieinhalb Jahren die Preissenkung von 34 auf 29 Dollar für das fast zu 159 Liter das berühmte Barrel ausgegangen ist.
    Auch innerhalb der OPEC entziehen sich etliche Mitglieder der Kartelldisziplin, vor allem das hochverschuldete Nigerien sowie der Iran, der seinen Krieg gegen den Nachbarn Irak mit Öl finanzieren muss.
    Und der Irak selbst kann wegen des Krieges nicht so viel exportieren, wie er im Grunde eigentlich dürfte.
    In den letzten Tagen hat der saudi-arabische Ölminister Sheikh Jarmani nun durch rege Besuchsdiplomatie versucht, die Ölproduzenten auf eine gemeinsame Linie zu bringen.
    Am Montag nun soll es zu einem Ergebnis kommen, Herbert Hutter berichtet.
    Egal welches Ergebnis die OPEC-Ministerkonferenz bringen wird, eines ist sicher.
    Die OPEC als Exklusiv-Club der Ölexporteure hat ihre Rolle endgültig ausgespielt.
    Das haben die Ereignisse dieser Woche deutlich gezeigt.
    Es ist nicht mehr so, dass die in der OPEC zusammengefassten 13 Ölexportländer die 9 im Geschäft misstrauisch beobachten.
    Es haben sich vielmehr diverse Interessengruppen von Ölproduzenten gebildet, ob sie nun Mitglieder des 13er-Clubs sind oder nicht.
    Das sind zunächst Norwegen, Großbritannien und das OPEC-Mitglied Nigerien zu nennen.
    Kurz zur Erinnerung.
    Vor gut zehn Tagen hat die nationale norwegische Ölgesellschaft Start Oil eine Ölpreissenkung angekündigt, was einige Tage später ein Nachziehen der Briten zur Folge hatte.
    Großbritannien ist in den letzten Jahren zum fünftgrößten Ölproduzenten der Welt aufgestiegen, stellt also einen beträchtlichen Faktor am Markt dar.
    Hauptkonkurrent der Ölproduzenten in der Nordsee ist das OPEC-Mitglied Nigerien, das eine ähnlich gute Ölqualität anbietet und daher ebenfalls mit der Preissenkung mitziehen musste.
    Nigerien befindet sich seit Jahren in einer Wirtschaftskrise, ist hochverschuldet und hat Geld dringend nötig.
    Und Geld kommt zu 95 Prozent aus dem Ölexport.
    Als sich der saudi-arabische Ölminister Sheikh Jamali daraufhin in seinen Privatjet setzte, um die übrigen Ölproduzenten bei der Stange zu halten, damit sie nicht ebenfalls die Preise senken, machte er vor den Grenzen des OPEC-Kartells nicht Halt.
    Der schwache Kartellbruder Nigerien stand ebenso auf dem Reiseprogramm wie der Preisbrecher Norwegen, der nicht zur OPEC gehört.
    Die Vorberatungen dieser Woche in Genf fanden also nicht nur zwischen den OPEC-Mitgliedern Saudi-Arabien, Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Venezuela, Algerien und Libyen statt, auch Mexiko und Ägypten als Nichtmitglieder waren dabei.
    Diese Produzentengruppe bekräftigte ihre Absicht, den Ölpreis auf dem derzeitigen Niveau halten zu wollen.
    Wie immer geht auch hier Saudi-Arabien mit gutem Willen voran.
    Es will seine Fördermenge von derzeit etwa 5 auf 3,5 Mio.
    Fass pro Tag senken.
    Weitere 1,5 Mio.
    Fass pro Tag sollen ebenfalls vom Markt verschwinden und am Montag soll nun in Genf vor allem darüber beraten werden, auf wen die Förderkürzungen fallen sollen.
    Mexiko und Ägypten dürften zumindest zugesagt haben, ihre Produktion nicht weiter zu erhöhen.
    Nicht gerade gemeinschaftsfördernd für die OPEC war auch der Kriegsausbruch zwischen dem Irak und dem Iran vor vier Jahren, als die Berser durch die Revolution der Mullahs schlagartig ihre Rolle als zweitwichtigster Öllieferant für die westliche Welt ausgespielt hatten.
    Anlass genug für die Iraker in das Gebiet des Erbfeindes Iran einzumarschieren.
    Allerdings hat sich in der Zwischenzeit herausgestellt, dass das Öl aus den Quellen beider Kriegsparteien auf den Weltmärkten keineswegs gefehlt hat.
    Dass nun die beiden Kampfhähne am persisch-arabischen Gold versuchen, so viel Öl wie möglich an den Mann zu bringen, liegt natürlich ebenfalls nicht im Interesse der übrigen OPEC-Mitglieder.
    Die stets mit starken Sprüchen und ohne Krawatten auf den OPEC-Konferenzen auftretenden revolutionären Perser werden beschuldigt, das schwarze Gold zu verschleudern.
    So schreibt die britische Financial Times, dass die Iraner ihren Kunden die Ölrechnungen von vornherein schon zwei Monate lang stunden und so einen indirekten Preisnachlass gewähren.
    Eine andere Hintertür benutzt der libysche Revolutionsführer Gaddafi.
    Auch Libyen verkauft unter dem offiziellen OPEC-Preis, bezeichnet diese Umgehung der OPEC-Beschlüsse aber schamhaft als Steuernachlässe.
    Der Ausgang der OPEC-Konferenz am Montag in Genf jedenfalls ist völlig offen.
    Hatte es bis Mitte dieser Woche noch den Anschein, als ob sich die OPEC wieder den Gegebenheiten des Marktes beugen und den Ölpreis senken müsste, so zeichnete sich in den letzten Tagen zumindest eine abwartende Haltung der Ölproduzenten ab.
    Aus London verlautete er Mittwoch, die Briten wollen die bereits angekündigte Ölpreissenkung möglicherweise gar nicht durchführen, wenn die OPEC entsprechende Beschlüsse fasst.
    Auf jeden Fall wollen die Briten warten, bis die OPEC-Konferenz vorbei ist.
    Nigerien hat seine Ölkunden offiziell von den Preissenkungen aber noch gar nicht verständigt.
    Und an den freien Ölmärkten ziehen die Preise wieder leicht an.
    Die Ölproduzenten hoffen offenbar, dass sich der Wirtschaftsaufschwung auch auf sie auswirkt und dass der bevorstehende Winter die Nachfrage wieder etwas anheizt.
    Herbert Hutter gab eine Vorschau auf die OPEC-Gipfelkonferenz, die am Montag in Genf beginnen wird.
    Nächster Programmpunkt im Mittagsschanal ist ein Blick in die österreichischen Tageszeitungen.
    Ernest Hauer hat die Zitate für unsere Inlandspresseschau zusammengestellt.
    Der gestrige Nationalfeiertag gibt für die Kommentatoren einiger Blätter Anlass, über den österreichischen Patriotismus nachzudenken.
    Das Ergebnis ist durchaus positiv, wie etwa in einer Klosse im Kurier.
    Der Nationalfeiertag wurde nach einem alten Ritual begangen.
    Ansprache des Bundespräsidenten, Kranzniederlegung, Festsitzung im Parlament.
    Wandern, Laufen, Fitness.
    Doch alles schien gedämpfter als in früheren Jahren.
    Die Worte nicht mehr so hochtönend, die Phrasen gedämpfter.
    Ist demnach das Empfinden des Österreichers für sein Land schwächer geworden?
    Im Gegenteil.
    Stärker, innerlicher.
    Was von drinnen klingt, klingt leiser.
    In der Wiener Tageszeitung die Presse wird hervorgehoben, dass der neue schlichte Patriotismus zur Selbstverständlichkeit geworden sei.
    Er manifestiert sich durch die rot-weiß-rote Fahne, die aus dem Fenster des Einfamilienhauses hängt.
    Er zeigt sich daran, dass die Bundeshymne mitgesungen wird, wenn sie erklingt.
    Ein paar fangen an, dann setzen auch die anderen ein.
    Am Anfang noch ein wenig schamhaft, später nicht mehr.
    Dass man sich für die Symbole von Staat und Heimatliebe nicht mehr geniert, auch das darf gebührend hervorgehoben werden.
    Dass dieses schlichte, stille Bekenntnis der Österreicher zu ihrem Staat nicht unbedingt auch eine Identifizierung mit den, wie es heißt, staatstragenden Parteien bedeuten muss,
    legen grundsätzliche Kommentare zu den Ursachen des Vorarlberger Wahlergebnisses vom vergangenen Wochenende nahe.
    Zynismus in der Politik, nennt Karl-Heinz Ritschel seinen Kommentar in den Salzburger Nachrichten.
    Ritschel geht aus vom Vorarlberger alternativen Wahlgewinner Kaspar Naze Simmer, der für etablierte Politiker bereits ein Reizwort geworden sei.
    Nicht nur in Vorarlberg gerate die Glaubwürdigkeit der etablierten Politiker immer mehr in Zweifel, meint der Kommentator der Salzburger Nachrichten.
    Als Musterbeispiel nennt er die Budgetverhandlungen im Bundesland Salzburg.
    Dort werden gleichzeitig die Mittel für die Bergbauern und für die Kunstsammlung Rupertinum gekürzt, die Gelder für die Parteienförderung aber drastisch erhöht.
    Ritschl wörtlich.
    Das ist die Wirklichkeit der Parteienlandschaft.
    Das ist der Quell des Unbehagens, der so viele Menschen irre werden lässt an dem System.
    Dürfen wir uns wundern, wenn die Menschen, vor allem ist es die junge Generation, sich abwenden von Politikern und deren Politik, wenn sie denen zulaufen, die unverbraucht sind, die es einfach anders machen wollen?
    Ob sie es können, ist eine andere Frage.
    In den oberösterreichischen Nachrichten sieht Hermann Polz eine Ursache des Wahlerfolges der Vorarlberger Grün-Alternativen im Vollkommenheitswahn, der seiner Ansicht nach in allen Traditionsparteien grassiere.
    Nach menschlichem in der Politik aber dürsten die Wähler, meint Hermann Polz.
    Doch dieses Menschliche würde überlagert von Routine und immer wieder denselben großspurigen Versicherungen.
    Die fürchterliche Kluft zwischen donnernder Ankündigung und kläglicher Verwirklichung lässt unsere Politik noch kleiner erscheinen, als sie ist.
    Während der Bevölkerung Umweltschutz zu einem immer drängenderen Bedürfnis wird, glauben unsere Parteien nach wie vor, mit opportunistischer grüner Alibi-Politik durchzukommen, sich mit Wenn und Aber um Eindeutigkeit herumdrücken zu können.
    Da muss einer ja Erfolg haben, der sich den verkrusteten Verhaltensmustern nicht verpflichtet fühlt und das Gefühl hinterlässt, er meint es genauso, wie er es sagt, ehrlich.
    Das war unsere heutige Inlands-Presseschau, zusammengestellt von Ernest Hauer.
    Soeben war es zwölf Uhr dreißig halb eins und wir kommen zu unserer Samstagsserie Im Journal zu Gast.
    Das ist heute der Aktionskünstler Hermann Nitsch.
    Der 46-jährige Wiener hat in den 50er und 60er Jahren den Begriff des Orgien-Mysterien-Theaters entwickelt.
    Happening-artiges, kultisch-erotische Ritualspiele mit wilden Opferaktionen und Tierschlachtungen, wobei auf die Brutalitäten unseres Alltagslebens hingewiesen werden soll.
    Nitsch hat mit seinen blutigen Aktionen, die zuerst auf diversen Plätzen und in verschiedenen Galerien, seit 1973 auf dem von ihm gekauften Schloss Prinzendorf im niederösterreichischen Weinviertel durchgeführt werden, Beachtung bei der internationalen Kunstkritik gefunden.
    Dokumentationen seiner Aktionen wurden in vielen großen Museen in aller Welt gezeigt.
    Er war auch bei der großen Ausstellung das Gesamtkunstwerk in Zürich, Düsseldorf und Wien vertreten.
    Bei weiten Kreisen der österreichischen Bevölkerung haben Nietzschs Aktionen Befremden und oft auch Abscheu ausgelöst.
    Es wurden wiederholt Anzeigen gegen ihn erhoben, er wurde auch eingesperrt.
    Seine letzte Aktion in Prinzendorf fand Ende Juli dieses Jahres statt.
    Den damals gegen Nietzsch erhobenen Anzeigen wurde von den Gerichten nicht stattgegeben.
    Die Jury für die Vergabe des Niederösterreichischen Landeskulturpreises schlug in diesem Herbst Hermann Nietzsch für den Preis für die Sparte Bildende Kunst vor.
    Die Niederösterreichische Landesregierung akzeptierte die Juryentscheidung nicht und hat für heuer auf die Vergabe des Preises verzichtet.
    Die Jury mit Prof. Alfred Frohn an der Spitze sieht sich dadurch desavouiert und hat unter Protest ihren Rücktritt bekannt gegeben.
    In der Absage der Verleihungszeremonie, die für gestern geplant war, sieht Frohner den Versuch, sich einer himmelschreienden Blamage zu entziehen.
    Wer ist dieser Hermann Nitsch, der von den einen als unappetitlicher Scharlatan verdammt und von den anderen als bedeutender Künstler und Zeitkritiker angesehen wird?
    Volkmar Parshalk sprach mit ihm.
    Herr Nitsch, auf Schloss Prinzendorf wird es heute eine Ausstellung geben mit Relikten und Fotos des Prinzendorfer Dreitagesspieles ihrer 80.
    Aktion.
    Es wird ein Video der gesamten Aktion vom vergangenen Juli vorgeführt werden.
    Sie hätten gestern den Niederösterreichischen Kulturpreis entgegennehmen sollen.
    Dazu ist es nicht gekommen.
    Die Entscheidung der Jury wurde von den verantwortlichen Politikern nicht akzeptiert.
    Sind Sie darüber traurig gewesen?
    Es ist mir wichtig zu sagen, dass meine Arbeit so strukturiert war und ist, dass ich in Österreich nie einen Preis und nie eine öffentliche Anerkennung bekommen habe.
    Und ich möchte sagen, ich bin stolz darauf und bin auch weiterhin stolz darauf, dass meine Jungfräulichkeit
    Bezug und Empfang von Preisen geblieben ist.
    Nun könnte man allerdings dagegen sagen, dass die Politiker vielleicht doch auch zu verstehen sind, dass sie die Steuergelder eines Landes, das überwiegend konservativ und katholisch ist, nicht für jemanden verwenden wollen, der sich gegen die konservative und katholische Tradition dieses Landes wendet.
    Es ist ein Irrtum, dass ich mich gegen diese Tradition wende.
    Ich möchte nur sagen, dass ich persönlich kein ausübender, praktizierender Christ bin.
    Ich bin ein sogenannter Taufschein-Christ.
    Ich bin auch aus der Kirche nicht ausgetreten.
    Ich bin als Katholik geboren, getauft worden und habe dann durch mein autodidaktisches Philosophiestudium und der Religionsgeschichte
    Verhältnis zur Entwicklung der Religionen der gesamten Erde bekommen und ich finde Heilsbotschaften in allen Religionen.
    Also ich bin nicht fixiert auf die katholische Tradition, aber ich möchte sagen, dass ich große Hochachtung vor der katholischen Tradition habe und vor allem vor der Kultur, die dadurch entstanden ist und dass mir viele Symbole
    gerade des Katholizismus, persönliche, heilig sind.
    Jetzt ist einmal das eine, und mir fällt es jetzt gerade ein, jetzt muss ich es auch sagen, würden Sie sagen, dass Politiker unbedingt was von Kunst verstehen?
    Und was glauben Sie, warum sich Politiker eine Scherie nehmen?
    Weil sie eben nichts von Kunst verstehen.
    Wenn Sie sich jetzt selbst eine Jury nehmen, die Ihnen hilft, über das mangelnde Verständnis hinwegzukommen, dann müssen Sie diese Jury auch anerkennen.
    Tun Sie das nicht, dann ist das eine politische und demokratische Entscheidung.
    Ich möchte noch einmal zurückkommen auf das, was Sie über den Katholizismus gesagt haben.
    Nun verwenden Sie in Ihren Aktionen ja katholische Symbole, Messgewänder, Monstranzen und dergleichen.
    Glauben Sie nicht, dass gerade die einfachen Menschen, die Bauernbevölkerung dadurch besonders abgestoßen und besonders verwirrt wird?
    Meine Aktionen sind
    von mir aus für jene Leute geplant, die sie verstehen.
    Ich habe in meinem Leben genug Skandale gehabt, ich bin überhaupt nicht scharf drauf.
    Ich möchte nur jenes Publikum einladen zu meinen Veranstaltungen, die sich wirklich auskennen und die wissen, dass es da also zum Beispiel nicht um eine Blasphemie oder eine Herabwürdigung religiöser Symbole und so weiter und so weiter geht.
    Meine Veranstaltung war angekündigt als eine geschlossene Veranstaltung.
    Die Leute mussten also sehr viel bezahlen, auch aus diesen Gründen und auch weil die Veranstaltung sehr viel gekostet hat.
    Es war kein Eintrittspreis, sondern eine Art Materialentgelt.
    Also, was regt sich der Pfarrer auf?
    Die Bevölkerung hat mit dieser Veranstaltung nichts zu tun gehabt und hat nur insofern was zu tun gehabt, dass der Pfarrer und die Neonazi die Leute gegen mich aufgehetzt haben und auf etwas aufmerksam gemacht haben, was eigentlich im geschützten Kreis stattgefunden hat.
    Ist das nicht ein sehr elitärer Anspruch, dass man sagt, ich mache Kunst nur für geladene Gäste?
    Elitär ist der Anspruch der Regierung, eine Juryentscheidung zurückzuziehen.
    Aber nicht meine, weil Kunst hat am Anfang immer vor einem kleinen Kreis stattgefunden.
    der halt in der Lage war, das zu verstehen.
    Das war immer so.
    Ja, aber da müssten doch alle Gelegenheit haben, sozusagen dem beizuwohnen.
    Sie wissen, es gibt momentan große Bestrebungen, zum Beispiel die großen Theater für alle zu öffnen.
    Sie sagen von vornherein, ich lasse nur die Leute zu, die ich für meine Aktionen auswähle.
    Wenn die offiziellen Stellen mich so weit subventionieren, dass ich alle Leute zulassen kann, und wenn sie auch bereit sind, mich dann so zu schützen, wie es leider Gottes notwendig ist, dann sollen sie ruhig alle kommen.
    Was kann man Ihrer Meinung nach mit solchen Protestaktionen, und Ihre Aktionen sind doch in gewisser Hinsicht Protestaktionen und Tabu-Verletzungen, was kann man dadurch erreichen?
    Hat das überhaupt einen politischen Wert?
    Ich weise energisch zurück, dass meine Aktionen Protestaktionen sind.
    Mein Theater ist ein Theater, was sich sehr mit dem Mythos auseinandersetzt.
    Ich würde sagen, ich mache in meinem Jahrhundert etwas Ähnliches, was der Richard Wagner in seinem Jahrhundert gemacht hat, ohne mich mit ihm, was Qualität anlangt, vergleichen zu wollen, weil das wäre vermessen.
    Ich möchte mit meinen Arbeiten die Geschichte und die Entwicklung aller Kultformen und aller Mythen zeigen.
    Das heißt, ich möchte die Geschichte und die Entwicklung unserer Psyche zeigen.
    Sie haben Ihre Spiele einmal Abreaktionsspiele genannt.
    Nun, gibt es keine andere Form der Abdreaktion?
    Muss das auf eine so krasse und krude Weise geschehen?
    Und müssen dadurch unbedingt Tabus zertrümmert werden, die in breiten Kreisen der Bevölkerung verankert sind?
    Ja, ich möchte darauf hinweisen, dass ich mich in erster Linie als Dramatiker betrachte und schauen wir uns jetzt einmal die Geschichte
    des Theaters an, gehen wir zurück zur griechischen Tragödie.
    Das Theater hat immer das Schreckliche gezeigt und das Schreckliche dargestellt.
    Ich reiße keine Tabus nieder, sondern ich setze mich genauso wie die antiken Dramatiker mit der Macht der Tabus auseinander.
    Man hat immer wieder gesagt, Ihre Aktionen würden in den Bereich einer pervertierten Sexualität hineinreichen.
    Es ist so, dass der Mensch von der Natur mehr Energie mitkriegt.
    Ich spreche jetzt von Energie.
    Es gibt, also der Jung hat den Begriff psychische Energie geprägt, der Freud spricht von Libido.
    Die Überschussenergien werden einfach verdrängt.
    Und von den verdrängten Energien her kommt es, dass der normale Mensch doch mit einer großen Sensationslust ausgestattet ist.
    Man hat einmal errechnet, wie viele Menschen täglich am Fernsehschirm sterben.
    Ich glaube in Amerika ist es 150 am Tag.
    Ich möchte den Leuten einen Spiegel vorhalten und möchte diese Energien in meinem Theater nach außen dringen lassen und zu anschauen bringen.
    Und da sind natürlich gewisse sadomasochistische Angänge da.
    Aber die sind in jedem Drama da.
    Und das ist in keiner Weise eine Pervertierung der Sexualität.
    Weil ich fasse mehr oder weniger alle Energien zusammen.
    Welche kathartische Wirkung erwarten Sie sich davon, wenn Tiere vor den Menschen geschlachtet werden, wenn nackte junge Männer mit dem Blut dieser geschlachteten Tiere übergossen werden, wenn sozusagen diese Männer dann in Priestergewändern herumgehen und wenn eine Kreuzigungsszene simuliert wird?
    Ich möchte das Drama des Todes veranschaulichen.
    Der Tod ist etwas ganz Wesentliches, das uns eigentlich sekündlich beschäftigt.
    Wir haben alle Angst vor dem Tod und ich würde sagen, im Tod liegt die Wurzel des Tragischen.
    Ich habe zu, man kann ruhig sagen, zu 99 Prozent immer für meine Aktionen
    bereits geschlachtete Tiere vom Schlachthaus gekauft.
    Ich liebe Tiere, habe Tiere sehr gern und möchte durch meine Lebensweise eigentlich nicht dazu beitragen, dass ein Tier getötet wird.
    Ein wesentlicher Zug meines Theaters ist, dass Geschehnisse nicht nachgespielt werden, wie im klassischen Theater.
    wo jemand die Penthesilea spielt oder den Faust oder den König Leo oder den Hamlet, sondern es werden reale Geschehnisse inszeniert.
    Jetzt ist es so, dass im Prinzendorf Tiere geschlachtet wurden.
    Und da ist es nur darum gegangen, dass der Vorgang der Schlachtung nicht im Schlachthaus sich ereignet hat, sondern in Prinzendorf, in meinem Theater, wo eben der Prozess, der sich jeden Tag ereignet, für die Menschen veranschaulicht worden ist, die ja alle Wurst essen, alle Fleisch essen, aber es oft verpackt in Cellophane irgendwo bei Meindl kaufen.
    Und niemand denkt daran, dass dafür Tiere sterben haben müssen.
    Und so habe ich in meinem Theater lediglich den Schlachtprozess, die Örtlichkeit des Schlachtprozesses ist verändert worden und die Tiere sind entweder von uns gegessen worden, von unseren Gästen, weil so hätten wir halt die Tiere irgendwo in einem Schlachthaus oder beim Esker geschlachtet und sie hätten halt nicht gesehen, wie das herkommt und es war halt alles in Ordnung gewesen.
    großes Essen halt und wo das Fleisch eigentlich herkommt, hätten wir wieder nicht gewusst.
    Und Essen und Trinken ist Bestandteil meiner Spiele, also hätten wir die Leute mit was füttern müssen und Vegetarier bin ich nicht und ein Großteil meiner Gäste auch nicht.
    Nun taucht immer wieder der Vorwurf auf, Herr Nitsch, das Publikum, das zu Ihnen kommt, befriedigt ein gewisses voyeuristisches Bedürfnis.
    Es ist also so, dass sozusagen es vergleichbar wäre mit dem Publikum eines Striptease-Lokales, eines Nachtclub-Etablissements, bei dem etwa ein Geschlechtsverkehr simuliert wird oder dergleichen mehr.
    Ich habe Ihnen vorher gesagt, wo die wirklichen Voyeurs sind, bei einem Verkehrsunfall.
    beim Fernsehen, wenn irgendwo in China eine Katastrophe ist, beim Lesen eines Kriminalromans.
    Im täglichen Leben, da haben sie die wirklichen Wohlgehöre.
    Und jetzt, wenn Sie sich die Liste derer anschauen würden, die da zu meinen Aufführungen gekommen sind, ich glaube wirklich sagen zu können, dass die gebildete Elite von Europa in Prinzendorf war.
    Also ich glaube nicht, dass man da angesichts dieses Publikums sagen kann, dass das perverse Evolieure sind.
    Und das sind durchaus Leute, die auch andere künstlerische Richtungen gelten lassen, die meiner diametral entgegengesetzt sind.
    Also es ist nicht so, dass ich da eine Sekte aufbaue.
    Mir ist es gerade wichtig, dass ein offenes Publikum kommt.
    Herr Nitsch, zu Ihnen persönlich.
    Wie leben Sie?
    Was hören Sie für eine Musik?
    Welche Theater besuchen Sie?
    Ich liebe das Leben.
    Mein ganzes Theater, meine ganze Kunst, meine Malerei, mein Gesamtkunstwerk, ist ein Kult gegenüber dem Leben.
    Ich verherrliche das Leben.
    Ich verherrliche die Schöpfung.
    Ich glaube an die gesamte Kreation, an die gesamte Schöpfung.
    Ich glaube auch an den unendlichen Kosmos.
    Ich esse gerne, ich trinke gerne, ich beschäftige mich genießend.
    mit allen Kulturgütern der Welt aus allen Seiten und mit allen Kulturresultaten aller Nationen.
    Ich könnte eigentlich nicht sagen, welche Musik und welche Malerei ich besonders liebe.
    Ich liebe von den Ursprüngen der Kunst Resultate bis zur neuesten Kunst.
    Und ich möchte auch sagen, dass ich
    in der Kunst sehr zu Hause bin und mich da sehr wohl fühle und dass ich mich eben auch als Künstler fühle und sehr in der Lage bin zu genießen, vor allem künstlerische Resultate.
    Ich höre Mahler genauso gern wie Beethoven, Rossini genauso gern wie mittelalterliche Musik.
    Ich habe keine besonderen Vorlieben, für mich ist Qualität entscheidend.
    Vielen Dank, Herr Nitsch.
    Im Journal zu Gast war der Wiener Aktionskünstler Hermann Nietzsch.
    Heute Vormittag wurde in Glocknitz das vierte Dr. Karl-Renner-Symposium abgehalten.
    In Glocknitz besaß der ehemalige Bundespräsident eine Villa, in der vor einigen Jahren ein Renner-Museum eingerichtet wurde.
    Das Hauptreferat vor den etwa 200 Teilnehmern hat heute Altbundeskanzler Bruno Kreisky gehalten.
    Aus Glocknitz meldet sich dazu Reinhard Linke vom Landesstudio Niederösterreich.
    Es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen das von Karl Renner zu erzählen, was Sie bereits schon kennen, sondern ich werde Ihnen meine ganz persönlichen Eindrücke schildern.
    Mit diesen Worten begann Altbundeskanzler Dr. Bruno Kreisky, Ehrenbürger der Stadt Glocknitz, sein mehr als einstündiges Referat.
    Karl Renner war, so Bruno Kreisky, ein Mann in seinem Widerspruch.
    Diesem Mann sei man verpflichtet, auch wenn er innerhalb der Sozialdemokratischen Partei nicht immer auf einer Linie mit anderen führenden Politikern, wie zum Beispiel mit dem führenden Ideologen des Austro-Marxismus, Otto Bauer, lag.
    Der 1870 in Südmeer geborene Dr. Karl Renner war von Oktober 1918 bis März 1919 Leiter der Staatskanzlei und anschließend bis Juni 1920 Staatskanzler.
    Von Juli 1919 bis Oktober 1920 war er außerdem Staatssekretär für Äußeres sowie Leiter der österreichischen Friedensdelegation bei den Friedensverhandlungen in Saint-Germain.
    Bruno Kreisky.
    So wie Renner überhaupt ein Mann war,
    der außerordentlich begeisterungsfähig war und der außerordentlich rasch gewisse Entwicklungen verstanden hat, sich aber auch dabei manchmal sehr entscheidend geirrt hat.
    Dann kam die Erste Republik.
    Er wurde erster Staatskanzler und Renner war wie immer
    verantwortungsfreudig und hat diese Aufgabe übernommen, obwohl er klug genug war zu wissen, dass ihn das mit seiner eigenen Partei gelegentlich im Gegensatz bringen wird mit seinen besten Freunden und dass in Wirklichkeit das, was ihm übertragen wurde, das gerade Gegenteil war, von dem er politisch früher geträumt hat und wissenschaftlich dann bearbeitet hat.
    Er war es ja, der seine Unterschrift unter den Staatsvertrag von St.
    Germain setzen musste, der nicht nur das Ende der Monarchie gebracht hat, nicht nur das Ende einer de facto existierenden mitteleuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft, denn das war ja die Monarchie, sie war ja wirtschaftlich sehr ausgeglichen, so wenig sie es politisch war, und die ihn auch im Gegensatz gebracht hat, diese Haltung zu Otto Bauer,
    der zum Unterschied von Karl Renner ein entschlossener Anhänger des Anschlussgedankens war.
    14 Jahre von 1920 bis 1934 war Karl Renner Mitglied des Nationalrates, zwei Jahre lang dessen erster Präsident.
    Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Renner Staatskanzler einer provisorischen Regierung.
    Im Dezember 1945 wurde Karl Renner von der Bundesversammlung zum Bundespräsidenten gewählt.
    der Ehrenvorsitzende der Sozialistischen Partei Österreichs, Dr. Bruno Kreisky, über Renner als Bundespräsident.
    Er war ein großer Bundespräsident, obwohl die Österreicher dazu neigen, den Bundespräsidenten keine großen außerrepräsentativen Aufgaben zuzuteilen, indem er nämlich immer wieder, wenn er Gelegenheit hatte, das Wort zu ergreifen, Worte von großer politischer Klugheit sprach.
    Er wurde als Bundespräsident sozusagen der politische Lehrmeister des österreichischen Volkes in Sachen Politik und Demokratie.
    Und jeder hat es sich willig gefallen lassen, auch wenn man auf Ballhausplatz 2 nicht immer mit dem Einverstanden war, was auf Ballhausplatz 1 konzipiert wurde.
    Am 31.
    Dezember 1950 starb Dr. Karl Renner in Wien im Alter von 80 Jahren.
    Am Ende seines Referates beim 4.
    Dr. Karl Renner Symposium in Glocknitz würdigte Bruno Kreisky nochmals den am Wiederaufbau der SPÖ maßgeblich Beteiligten.
    Er ist einer der ganz großen Österreichs, ich sage Österreichs, weil ich damit auch das alte Österreich meine, einer jener, die
    in ihrem eigenen Leben erkennen musste, dass die österreichische, traurige österreichische historische Erkenntnis die ist, dass wir sehr oft das Richtige zu spät gemacht haben.
    Das alles wollten wir in der Zweiten Republik vermeiden und als einer der 30 Jahre
    in dem öffentlichen Leben dieser Zweiten Republik gestanden ist, glaube ich, dass der größte Erfolg dieser Politik nach 1945 der war, dass wir uns bemüht haben, die Dinge nicht nur zur rechten Zeit zu machen, sondern auch manchmal Ideen vertreten haben,
    die ihrer Realität um einige Jahre vorangehalten sind.
    Ich danke.
    Das meinte Altkanzler Bruno Kreisky in seinem Referat vor dem Symposium der 4.
    Dr. Karl-Renner-Tagung in Glocknitz.
    Im Forum Stadtpark in Graz findet zurzeit beim steirischen Herbst das schon zur Tradition gewordene Fotosymposium mit internationaler Besetzung statt.
    Heidi Grundmann ist in Graz und hat darüber den folgenden Beitrag gestaltet.
    Das Fotosymposium begann in einem übervollen Forum Stadtpark mit einem Filmausschnitt.
    An den letzten 20 Minuten von Frank Capras Mr. Deed Goes to Town demonstrierte Stanley Cavill, Philosophie-Professor aus Harvard, dass die Fotografie auch im Film eine große Rolle spielt.
    Titel seines Vortrags und des ganzen Symposiums Die Kraft und die Herrlichkeit der Fotografie.
    Die Organisatoren Manfred Willmann und Christine Fresinghelli.
    Die Kraft und die Herrlichkeit
    der Fotografie ist eben ein Titel, wo wir eben glauben, der im Moment eben wichtig wäre zu behandeln im Zusammenhang mit der jetzt so wahrscheinlich bald nicht mehr so breiten Diskussion über die neue Malerei.
    In Diskussionen wird immer wieder aufgeworfen, dass
    Fotografie das Medium ist, mit dem jeder umgehen kann von vornherein, mit dem jeder sich ausdrücken kann.
    Es ist auch das demokratischste Medium bezeichnet worden.
    Gleichzeitig gibt es aber eine
    Diskussion innerhalb der Künstler, die sich mit dem Medium auseinandersetzen, die sehr, sehr differenziert ist.
    Die Kraft der Fotografie ist völlig unbestritten, glaube ich.
    In der Kunst wie in der Mode spielt sie eine große Rolle.
    In der Modefotografie eben zum Beispiel
    dass wir eben Helmut Newton eingeladen haben.
    Ebenso im Journalismus, wo wir eben zu diesem Punkt die Frau Inge Morad Miller eingeladen haben.
    Und ebenso, dass Bernhard Johannes Blume, ein Künstler, der sich nach wie vor des Mediums Fotografie bedient.
    Blume versteht den Titel etwas anders.
    Ein höchst abgelegener Titel, finde ich, aber dann auch wieder sehr aktuell, weil er etwas mittelbar sagt über die Herrschaft, nicht über die Herrlichkeit, über die Herrschaft des Blickes, wo das Wort im Rückzug ist und das Bild
    Im Vormarsch, weil eigentlich die Idee ist, alle in Beschlag zu nehmen, auch den letzten Analphabeten.
    Zu den Symposiumsteilnehmern zählen noch John Baldessari, Giovanni Chiaramonte, John Gossitsch, Bernard Foucault, Rolf Saxe oder Gottfried Bechtold, der unter anderem Folgendes zur Kraft der Fotografie zählt.
    Die technische Seite der Fotografie hat ebenfalls Kräfte in sich, weil man sich vorstellt, dass man bei völliger Dunkelheit mit überlangen Belichtungen mit einer Kamera sichtbar machen kann, was vor einem liegt.
    Außerdem hat sie so eine Art Muskelkraft, die einfach in der Vergrößerung oder Verkleinerung oder in der Ungeheuer
    großen zahlenmäßigen Reproduzierbarkeit besteht.
    Das Bewusstmachen, das Erforschen von Möglichkeiten der Fotografie, die den meisten von uns, die wir fast alle eine Kamera in unserem gelegentlichen Ausflugs- und Reisegepäck haben, gar nicht oder nicht mehr auffallen, sieht auch Bernhard Johannes Blume als seine Aufgabe.
    Ich bin also ein Knipser und identifiziere mich übrigens sehr viel mehr mit den Millionen anderen Knipsern als zum Beispiel mit den wahren Ästheten.
    Nur macht der Knipser, der im Urlaub seine Fotos schießt oder bei besonderen Gelegenheiten, Festlichkeiten, Kommunion, Hochzeit, Todesfällen, der macht das natürlich etwas zwanghaft.
    Man stellt sich vor ein Denkmal oder vor eine Burg oder man fotografiert sich an der Tafel sitzen in der Gemeinschaft.
    Alles sakrale Augenblicke im Leben des Einzelnen.
    Und mein Beitrag besteht eigentlich nur darin, dass ich dagegen anknipse.
    Beispiele für dieses Dagegen-Anknipsen sieht man in einer Ausstellung des Forum Stadtpark.
    Die Vorträge des Symposiums, das noch morgen andauert, werden in der Zeitschrift Kamera Austria veröffentlicht.
    Vier Minuten vor 13 Uhr schließen wir unsere Berichterstattung mit Kurzmeldungen.
    Bundesrepublik Deutschland.
    Der als Nachfolger für den scheidenden Bundestagspräsidenten Rainer Barzl nominierte Staatsminister im Bundeskanzleramt, Philipp Jenninger, hat sich dafür eingesetzt, das Ansehen des Parlaments zu stärken.
    Jenninger sagte, alle Parteien müssen dazu beitragen, Maß und Mitte wiederzugewinnen.
    Er äußerte die Bereitschaft, die Verhaltensregeln für Parlamentarier überarbeiten zu lassen, wandte sich aber gegenüber steigerte Reformbewegungen.
    Barzel trat im Zusammenhang mit der Flick-Affäre zurück.
    Dazu nahm heute SPD-Fraktionschef Hans-Jochen Vogel Stellung.
    Vogel wies Äußerungen Bundeskanzler Kohls zurück, die Flick-Enthüllungen seien eine gezielte Kampagne gegen die Regierung.
    Er wolle zwar nicht von einem Fall Kohl sprechen, sagte Vogel, an den Kanzler seien aber Fragen gestellt worden, die diese bis heute nicht überzeugend beantwortet habe.
    Polen.
    Die Affäre um die Entführung des oppositionellen Priesters Jerzy Popieluszko dauert an.
    Der frühere stellvertretende Vorsitzende der Verbotenen Gewerkschaft Solidarität in Warschau, Jaworski, will erfahren haben, dass Popieluszko lebt und sich in den Händen des Sicherheitsapparates befindet.
    Einzelheiten und die Quelle dieser Nachricht wollte er nicht mitteilen.
    Das Zentralkomitee hat gestern die Entführung des Priesters Schach verurteilt und personelle Konsequenzen im Sicherheitsdienst gefordert.
    USA.
    Außenminister Schulz hat mit dem sowjetischen Botschafter in Washington, Anatoly Dubrinin, über Fragen der Abrüstung gesprochen.
    Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.
    Der sowjetische Staats- und Parteichef Tschernenko hatte zuletzt erklärt, die USA müssten zur Verständigung bei mindestens einem Abrüstungsthema bereit sein, um den Weg zum Wiederbeginn der Ost-West-Verhandlungen zu öffnen.
    Österreich.
    Professor Otto Schick, zur Zeit des Prager Frühlings stellvertretender tschechoslowakischer Ministerpräsident, hält eine Besserung der wirtschaftlichen Situation im Ostblock nur dann für denkbar, wenn im politischen und wirtschaftlichen System entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden.
    Schick sagte bei einem Vortrag in Wien, die Betriebe müssten entsprechend der Marktlage produzieren, die Verschwendung von Produktionsmitteln müsse durch stärkere Konkurrenz verhindert werden.
    Der Aktionskünstler Hermann Nitsch hat die Verweigerung des ihm in einer Jury zugesprochenen niederösterreichischen Kulturpreises durch die Landespolitiker als undemokratische Entscheidung kritisiert.
    In der Radioreihe im Journal zu Gast wies Nitsch Vorwürfe zurück, seine Aktionen seien blasphemisch.
    Er versuche mit seinem sogenannten Orgien-Mysterien-Theater die Entwicklung der Mythen und Kulte und damit der menschlichen Psyche darzustellen.
    Nietzsche betonte, er tue dies in geschlossenen Veranstaltungen vor einem zahlenden Publikum, das seine Aktionen verstehe.
    Die Bevölkerung habe damit nichts zu tun.
    USA.
    Einem 14 Tage alten Mädchen ist gestern in Kalifornien erfolgreich das Herz eines jungen Pavians eingepflanzt worden.
    Nach Angaben der Universitätsklinik von Loma Linda wäre das Baby ohne Transplantation mit Sicherheit gestorben, weil sein Herz nicht genügend entwickelt war.
    Jetzt noch die Wetteraussichten für Österreich bis heute Abend.
    Teils sonnig, teils bewölkt, nur noch lokal etwas Regen.
    Nachmittagstemperaturen 10 bis 16 Grad.
    Damit sind wir am Ende von 60 Minuten Berichterstattung durch den aktuellen Dienst.
    Die Redaktion meldet sich wieder morgen um 17 Uhr mit dem Sonntagsjournal.
    Für Redaktion und Technik von heute Mittag verabschiedet sich Herbert Dobrowolny.
    Auf Wiederhören.
    Verlorene Musik

    Beiträge dieses Journals

    Nachrichten
    Datum: 1984.10.27 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Wetterbericht
    Datum: 1984.10.27 [Sendedatum]
    Schlagworte: Natur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Porträt von Friedrich Karl Flick (Sohn des Unternehmensbegründers)
    Mitwirkende: Kerbler, Michael [Gestaltung]
    Datum: 1984.10.27 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Parteispendenaffäre , Nachrichten
    OPEC-Tagung in Genf
    Mitwirkende: Hutar, Herbert [Gestaltung]
    Datum: 1984.10.27 [Sendedatum]
    Ort: Genf
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Im Journal zu Gast: Maler und Vertreter des Aktionismus Hermann Nitsch
    Mitwirkende: Parschalk, Volkmar [Gestaltung] , Nitsch, Hermann [Interviewte/r]
    Datum: 1984.10.27 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik ; Gesellschaft ; Medizin ; Kultur ; Wissenschaft und Forschung ; Wirtschaft ; Theater ; Humor ; Bildende Kunst ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Vortrag von Alt-Bundeskanzler Kreisky beim Renner Symposion
    Einblendung: Alt-Bundeskanzler Bruno Kreisky
    Mitwirkende: Linke, Reinhard [Gestaltung] , Kreisky, Bruno [Interviewte/r]
    Datum: 1984.10.27 [Sendedatum]
    Ort: Gloggnitz [Veranstaltungsort]
    Schlagworte: Politik ; Politik Österreich ; Gesellschaft ; Wissenschaft und Forschung ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Fotoausstellung beim steirischen Herbst
    Interview: Organisatoren Manfred Willmann und Christine Friesinghelli, Fotograph Bernhard Johannes Blume, Multimedia-Künstler Gottfried Bechtold
    Mitwirkende: Grundmann, Heidi [Gestaltung] , Willmann, Manfred [Interviewte/r] , Friesinghelli, Christine [Interviewte/r] , Blume, Bernhard Johannes [Interviewte/r] , Bechtold, Gottfried [Interviewte/r]
    Datum: 1984.10.27 [Sendedatum]
    Ort: Graz [Veranstaltungsort]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Kultur ; Film ; Bildende Kunst ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten

    Katalogzettel

    Titel Mittagsjournal 1984.10.27
    Spieldauer 00:59:48
    Mitwirkende Henke, Reinhold [Moderation] [GND]
    Dobrovolny, Herbert [Regie]
    ORF [Produzent]
    Datum 1984.10.27 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-841027_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal

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