Rede von Axel Corti (11. März 1988)
Das „Bedenkjahr“ 1988
Im 1988 ausgerufenen Bedenkjahr wurden „Vergangenheitsbewältigung“ und der Umgang mit der jüngeren Geschichte Österreichs zum breit und kontrovers diskutierten Thema – das zeigen etwa die Auseinandersetzungen um Alfred Hrdlickas „Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“ und um Thomas Bernhards Drama „Heldenplatz“
Die Präsentation der Ergebnisse der internationalen Historikerkommission zu Kurt Waldheim fiel ins Ge- bzw. Bedenkjahr 1988, in dem des „Anschlusses“ im März 1938 gedacht wurde und das womöglich ohne die Debatten um Waldheim nicht auf derart großes Interesse gestoßen wäre. Geprägt war das Gedenkjahr von zahlreichen Diskussionsveranstaltungen, Publikationen und Sendereihen zur Geschichte des Nationalsozialismus, zur Verantwortung Österreichs, zur Beteiligung der Bevölkerung am NS-Regime und zur Auseinandersetzung damit in der Zweiten Republik – und der weiter andauernden Kontroverse um die Lesart der Geschichte. Der Begriff der „Vergangenheitsbewältigung“ war beinahe allgegenwärtig.
- 00:25:04 Das Radiokolleg - Vom Umgang des Österreichers mit seiner Geschichte - Teil 1
- 00:24:45 Das Radiokolleg - Vom Umgang des Österreichers mit seiner Geschichte - Teil 2
- 00:25:42 Das Radiokolleg - Vom Umgang des Österreichers mit seiner Geschichte - Teil 3
- 00:25:33 Das Radiokolleg - Vom Umgang des Österreichers mit seiner Geschichte - Teil 4
Wie umstritten der Umgang mit der Vergangenheit in der Bevölkerung, in den führenden Medien und bei den politischen Eliten im Gedenkjahr 1988 war, veranschaulicht der beispiellose „Theaterskandal“ um Thomas Bernhards Stück „Heldenplatz“, das am 4. November 1988 Premiere am Burgtheater feierte und bereits Monate davor heftigst diskutiert wurde. Am Abend der Premiere versammelten sich vor dem Burgtheater rund 500 Menschen, um gegen die Aufführung zu protestieren, die restlos ausverkauft war. Buhrufe und demonstrativer Applaus begleiteten die Premiere, die vom anwesenden Publikum mehrheitlich begeistert aufgenommen wurde, wie der etwa halbstündige Schlussapplaus zeigt.
Nicht weniger umstritten war das „Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“ des Bildhauers Alfred Hrdlicka, das im November 1988 – noch unvollendet – auf dem heutigen Helmut-Zilk-Platz nahe der Wiener Albertina enthüllt wurde. Zwar hatte der Wiener Gemeinderat schon 1983 mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ die Errichtung beschlossen, doch die Realisierung hatte sich auch wegen der Ablehnung führender Medien wie der „Neuen Kronen Zeitung“ verzögert. Im Zuge der Waldheim-Debatte verschärfte sich die Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern. Im Bedenkjahr setzte der Wiener Gemeinderat die Realisierung auf die Tagesordnung – auch gegen die Einwände des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung.