Wiener Leben
Eine Stadt im Aufbruch. Um 1900 erreicht Wien den Höhepunkt seiner kulturellen und urbanen Bedeutung – vor dem Hintergrund großer politischer und sozialer Probleme.
Eine Stadt im Aufbruch
Die dynamische Haupt- und Residenzstadt Wien hat jahrzehntelang unternehmungslustige Menschen aus allen Teilen des Reiches angezogen – ein Schmelztiegel der Nationalitäten.
Manche der Neu-Wiener sind längst etabliert, "Millionäre", manche von ihnen gar "Ringstraßenbarone", ihre Söhne Industrielle, Politiker, Professoren und Schöngeister.
Der bei weitem überwiegende Teil der Bevölkerung lebt unter Umständen, die bescheidener sind, als man es sich heute vorstellen kann.
Um nur ein anschauliches Faktum herauszugreifen: 66.000 Menschen waren 1909 "Bettgeher", das heißt, sie hatten keine Wohnung und durften nur für einige Stunden ein Bett benützen.
Was das Leben kostet ...
Ein Arbeiter verdient rund 20-24 Kronen, Frauen weniger als die Hälfte, ein Volksschullehrer 120 Kronen im Monat;
ein Leib Brot kostet rund 20 Heller, ein Wiener Schnitzel mit Salat 70 Heller; ein Herrenanzug 30 Kronen, Damenschuhe 6-12 Kronen;
eine bessere Vorstadtwohnung (Zimmer, Küche, Kabinett) rund 28 Kronen im Monat (nach Walter Kleindel, Österreich, Wien 2004)
Eine Alibiaktion?
In Ermangelung eines sozialen Netzes spielen private und kirchliche Karitativunternehmungen eine wichtige Rolle. Manches ist aber auch bloße Alibiaktion – wie wahrscheinlich der im Film gezeigte "diesjährige Blumentag":
Haupt- und Residenzstadt
Politisch ist Wien Hauptstadt und Teil Niederösterreichs, sein Bürgermeister dem Statthalter von Niederösterreich untergeordnet. Tatsächlich ist die politische Rolle des Bürgermeisters groß, vor allem seit dem prägenden Auftreten Karl Luegers, Bürgermeister von 1897 bis zu seinem Tod 1910. Seit dem Aufkommen der Massenparteien und der Erweiterung des Wahlrechtes dominieren die Christlichsozialen Luegers die Stadt, eine kleinbürgerliche, klerikale und antisemitische Partei, die mittlerweile aber von den Sozialdemokraten in ihrer Rolle bedroht sind. – Wien hat über zwei Millionen Einwohner und ist eine der größten Städte der Welt.
Chronologie der Ereignisse
1900

Sigmund Freud veröffentlicht "Die Traumdeutung" und damit zentrale Thesen der Psychoanalyse.
An der medizinischen Fakultät der Universität Wien werden Frauen als ordentliche Hörerinnen zugelassen.
Reichsratswahlen. Von den 425 Abgeordneten erhalten die Massenparteien modernen Zuschnitts aufgrund des ungleichen Wahlrechts wenig Abgeordnete: Christlichsoziale (25), Sozialdemokraten (10). Wesentlich mehr Abgeordnete hatten verschiedene liberale und deutschnationale Parteien und die Jungtschechen (75) oder der Polenclub (63).
1. Jänner
Die Krone wird neue Währung. 1 Krone = 100 Heller (1 Gulden der alten Währung entspricht 2 Kronen).
28. Juni

Erzherzog Franz Ferdinand verzichtet für seine Kinder auf die Thronfolge, Grund ist seine Ehe mit der "nicht standesgemäßen" Sophie Gräfin Chotek. (Hochzeit am 1. Juli 1900 in Reichstadt).
14. – 22. Juli
Zweite Olympische Spiele in Paris.
29. Juli
Ermordung des italienischen Königs Umberto I. (* 1844), Nachfolger wird Viktor Emanuel III.
17. August
Besetzung Pekings durch eine gemeinsame westliche Streitmacht.
30. Oktober
Eröffnungskonzert der Wiener Symphoniker.
1901

Wegen angeblicher Angriffe auf den Ehrenkodex des österreichischen Militärs in seiner Novelle "Leutnant Gustl" wird dem Arzt und Schriftsteller Arthur Schnitzler der Rang eines Reserveoffiziers aberkannt.
Sigmund Freud publiziert seine Arbeit "Zur Psychopathologie des Alltagslebens".
Abschluss eines Bündnisses zwischen Rumänien und Österreich-Ungarn, das gegen die Balkanpolitik Russlands gerichtet ist.
Der Arzt Karl Landsteiner (1868–1943) entdeckt das System der Blutgruppen, wofür er 1930 den Nobelpreis erhält.
17. Juni
Auf einer Konferenz in Berlin beschließen Vertreter des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns eine einheitliche deutsche Rechtschreibung (in Kraft getreten mit 1. Jänner 1903). Grundlage ist der "Duden".
14. September
Nach einem Attentat auf den US-Präsidenten William McKinley, an dessen Folgen er stirbt, wird der bisherige Vizepräsident Theodor Roosevelt neuer Präsident.
2. – 6. November
2. Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Wien. "Wiener Programm": Forderung nach arbeitsrechtlichen Reformen (u. a. 8-stündiger Maximalarbeitstag).
10. Dezember
Erste Nobelpreisverleihungen (benannt nach dem Stifter des Preises, Alfred Nobel), in Stockholm und Oslo.
1902
28. Jänner
Elektrifizierung der letzten Pferdestraßenbahnlinie in Wien.
Mai
Beendigung des Burenkrieges, die Burenrepubliken werden britische Kronkolonien.
9. August
Krönungsfeierlichkeiten für Eduard VII.Bündnissysteme in London.
November
Die Annäherung Italiens an Frankreich unterläuft den im Juni verlängerten Dreibundvertrag zwischen Österreich-Ungarn, Deutschland und Italien.
31. Dezember
Abkommen zwischen der cisleithanischen Reichshälfte und Ungarn über den Fortbestand des gemeinsamen Wirtschaftsgebietes. Bestrebungen Ungarns zur Loslösung aus der Doppelmonarchie können eingedämmt werden.
1903
12. Mai
Gründung der "Wiener Werkstätte" durch Josef Hoffmann und Kolo Moser.
15. Juni

Nach einem Staatsstreich und der Ermordung von König Aleksandar Obrenović wird Peter I. Karadjordjevic zum König von Serbien gewählt. Ende des österreichfreundlichen Kurses. Zu den führenden Mitgliedern des Staatsstreiches gehört Dargutin Dimitrijevic, ab 1913 Chef des serbischen Militärgeheimdienstes. Unter seinem Sptiznamen "Apis" Führer der anti-österreichischen, pro-großserbischen Terror-Organisation "Vereinigung oder Tod", auch als "Schwarze Hand" bekannt, die die Ermordung des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand plant, organisiert, die Attentäter anwirbt, ausbildet und nach Sarajewo schleust.
2. August - 4. August
Veto von Kardinal Puzyna gegen die Wahl von Mariano Rampolla zum Papst. Hinter diesem Veto steht Kaiser Franz Joseph, Grund ist die österreichfeindliche Haltung des Kardinal-Staatssekretärs. Abschaffung des Vetorechts am 11. Dezember 1904.
Wahl Giuseppe Sartos zum Papst (Pius X.).
16. September
Armeebefehl von Chlopy. Veranlasst durch Angriffe auf die gemeinsame Armee in Ungarn unterstreicht Kaiser Franz Joseph die Notwendigkeit einer einheitlichen Sprache in der k. u. k. Armee. "Gemeinsam und einheitlich, wie es ist, soll Mein Heer bleiben ...". Proteste in Ungarn waren die Folge.
30. September – 3. Oktober
Treffen Kaiser Franz Josephs mit Zar Nikolaus II. von Russland in Mürzsteg. Abstimmung der gemeinsamen Politik gegenüber dem Osmanischen Reich.
17. Dezember
Erster Motorflug eines Flugzeugs (Brüder Wright).
1904

Russisch-Japanischer Krieg: Kriegserklärung Japans und japanischer Sieg in der Seeschlacht von Port Arthur.
April
Weltausstellung in St. Louis (U.S.A.).
8. April
Großbritannien gibt seine bisherige "splendid isolation" auf und schließt die Entente cordiale mit Frankreich; dadurch bildet sich in der Folge eine Bündnissystem, das dem Zwei- bzw. Dreibund (Österreich-Ungarn, Deutsches Reich, Italien) gegenübertritt.
August
Der Aufstand der Herero in Deutsch-Südwestafrika wird von der deutschen Kolonialmacht brutal niedergeschlagen.
Dritte Olympische Spiele in St. Louis (U.S.A.); der österreichische Turner Julius Lenhart – oft als US-Amerikaner geführt – erringt im Mehrkampf Einzel eine Goldmedaille, eine weitere im Mannschafts-Mehrkampf und eine Silbermedaille im Neunkampf.
3. September

Der Begründer des Zionismus, Theodor Herzl (* 2. Mai 1860), stirbt in einem Sanatorium in Edlach.
1905

Krise in Ungarn: nach dem Wahlsieg der Unabhängigkeitspartei setzt Kaiser Franz Joseph einen General als Ministerpräsidenten ein; der Versuch, die Unabhängigkeitspartei durch Einführung des allgemeinen Wahlrechts in die Schranken zu weisen, wird schließlich aufgegeben, verstärkt aber die Diskussion um ein allgemeines Wahlrecht im österreichischen Reichsteil.
Jänner
Nach Rücktritt des Ministerpräsidenten Koerber (Dezember 1904) bildet Paul v. Gautsch ein neues Kabinett.
September
Nach weiteren japanischen Siegen (Mukden, Tsushima) gibt Russland seine Expansion in Fernost auf (Friede von Portsmouth); in der Folge Rückwendung Russlands zu einer aktiven Balkanpolitik.
27. November
Mährischer Ausgleich: Landtagswahlen nach nationalen Kurien, auch Einigung zwischen Tschechen und Deutschen in Sprach- und Schulfragen.
1906

"Schweinekrieg" Österreich-Ungarns gegen Serbien (1906–1911): vergeblicher Versuch, durch Unterbindung von serbischen Agrarimporten in die Monarchie politischen Druck auszuüben.

Mit der Rehabilitierung des fälschlich als Spion verurteilten jüdischen Offiziers Alfred Dreyfus findet die sogenannte Dreyfus-Affäre, die seit 1894 Frankreich in zwei einander bitter bekämpfende Lager gespalten hat, ein vorläufiges Ende.
Frühjahr
Konferenz von Algeciras zur Beendigung der ersten Marokkokrise; sie wurde ausgelöst durch den vergeblicher Versuch des Deutschen Reiches, den dominierenden französischen Einfluss in Marokko zu bekämpfen; es zeigt sich eine Lagerbildung der Großmächte: Isolierung des Deutschen Reiches gegenüber Großbritannien, Frankreich und Italien.
1. Jänner
Helmuth Johannes Ludwig von Moltke wird Nachfolger von Alfred Graf von Schlieffen als deutscher Generalstabschef.
18. April
USA - Ein Erdbeben der Stärke 8,4 (Richterskala) und ein dadurch verursachtes Feuer zerstört weite Teile von San Francisco.
30. April
Rücktritt des Kabinetts Gautsch, gefolgt vom Kabinett Max Wladimir Beck (2. Juni).
Oktober – November
Alois Lexa von Aehrenthal wird neuer Außenminister der Monarchie, Franz Conrad von Hötzendorf neuer Generalstabchef der k. u. k. Armee; aktivistischere Außen- und Militärpolitik.
16. Oktober
Der "Hauptmann von Köpenick" – ein Schuster, der als Hauptmann verkleidet, ein Rathaus besetzt – führt preußischen Gehorsamskult und Militarismus ad absurdum.
Dezember

Großbritannien stellt das ausschließlich mit großen Kanonen bewaffnete, bisherigen Kriegsschiffen weit überlegene Schlachtschiff "HMS Dreadnought" in Dienst; dies löst eine neue Welle maritimen Wettrüstens aus.
1. Dezember
Das Abgeordnetenhaus des Reichsrates beschließt das allgemeine gleiche (Männer-)Wahlrecht.
1907
Jänner

Wahlen in Cisleithanien (österreichischer Reichsteil) nach dem neuen Wahlrecht; Christlichsoziale und Sozialdemokraten stellen die größten Parlamentsfraktionen.
Mai – Juli
2. Haager Konferenz zur friedlichen Regelung internationaler Konflikte; Verfeinerung der Landkriegsordnung und Regeln für den Seekrieg; in der Rüstungsbeschränkung wird, vor allem wegen des von Österreich-Ungarn gestützten Widerstandes des Deutschen Reiches, kein Fortschritt erreicht.
8. Juni

40-jähriges Krönungsjubiläum in Budapest: 1867 – nach dem "Ausgleich" zwischen Österreich und Ungarn – wurde Kaiser Franz Joseph zum König von Ungarn gekrönt.
5. August
Der britische Polarforscher Ernest Shackleton bricht zu seiner ersten Antarktis-Expedition auf.
31. August
Abkommen zwischen Großbritannien und Russland, Interessensausgleich in Asien; damit ist ein englisch-russisch-französisches Bündnissystem – die Triple-Entente – entstanden.
8. Oktober
Erneuerung des Ausgleiches mit Ungarn: 63,6 Prozent der Ausgaben sind von Cisleithanien, 36,4 Prozent von Ungarn zu tragen.
1908

60-jähriges Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph.
Festigung der britisch-russischen Beziehungen: Treffen Edward VII. mit Nikolaus II. in Reval.
Der Zeichner Alfred Kubin (1877–1959) veröffentlicht seinen fantastischen Roman "Die andere Seite".
Der Architekt Adolf Loos (1870–1933) veröffentlicht seine Schrift "Ornament und Verbrechen".
13. Jänner
Henri Farman gelingt mit seinem Doppeldecker der erste Motorflug über eine Distanz von einem Kilometer.
26. – 28. April
Erster Internationaler Psychoanalytischer Kongress in Salzburg. Sigmund Freud hält den Eröffnungsvortrag.
12. Juni

Kaiserhuldigungsfestzug in Wien, anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der Thronbesteigung von Franz Joseph I.
15. September
Treffen in Buchlau zwischen dem österreichisch-ungarischen Außenminister Aloys Graf Lexa von Aehrenthal und dem russischen Außenminister Alexander Petrowitsch Iswolski. Ankündigung der österreichisch-ungarischen Annexion von Bosnien-Herzegowina.
5. Oktober

Annexionskrise – Österreich-Ungarn annektiert Bosnien-Herzegowina, zwei seit dem Berliner Kongress (1878) von der Monarchie besetzte und verwaltete türkische Provinzen; dieses Vorgehen wurde ursprünglich vage mit Russland akkordiert (Außenministertreffen von Buchlau, 15. September), aber nach Scheitern russischer Pläne bezüglich der türkischen Meerengen von diesem und vor allem von Serbien bekämpft; schon vor der offiziellen Bekanntgabe der Annexion bekannt geworden, erregt die Annexion europäische Ablehnung; die Unterstützung der Monarchie durch das Deutsche Reich festigte zugleich die Entente der anderen Großmächte; im Februar und März 1909 wird die Annexion – bei Rückgabe des Geländestreifens des Sandschak Novi Pazar – durch die Türkei und die anderen Mächte anerkannt.
7. November
Rücktritt der Regierung Beck: Erfolg beim neuen Ausgleich mit Ungarn, aber klerikaler Widerstand (Affäre Wahrmund), Ungnade des Hofes und Scheitern der Ausgleichsverhandlungen mit den Tschechen und Deutschen in Böhmen.
15. November

Leopold II., König der Belgier, verkauft nach internationalem Druck, seinen Privatbesitz Kongo-Freistaat dem belgischen Staat, der ihn in die Kolonie Belgisch-Kongo umwandelt. Grund für den Druck sind die Kongo-Gräuel, die bis zu 10 Millionen Menschen im Kongobecken seit 1888 das Leben gekostet haben.
28. Dezember
Durch ein Erdbeben und die folgende Flutwelle werden Messina, Reggio Calabria und Palmi vollständig zerstört. Zwischen 70.000 und 120.000 Menschen fallen dieser größten Naturkatastrophe in Europa im 20. Jahrhundert zum Opfer.
1909

Der deutsche Arzt und Forscher Paul Ehrlich wendet erstmals die Chemotherapie beim Menschen an.
The "Naval Scare" – Der "Marine Schrecken" in Großbritannien führt zu dem kuriosen Ergebnis, dass die Admiralität sechs neue Großkampfschiffe verlangte, die Regierung vier anbot und man sich schließlich auf acht neue Großkampfschiffe einigte.
25. Jänner
Uraufführung der Oper "Elektra" von Richard Strauss nach einem Libretto von Hugo von Hofmannsthal in Dresden.
26. Februar
In einem Abkommen zwischen Österreich-Ungarn und der Türkei, anerkennt die Türkei die Annexion Bosniens und der Herzegowina durch die Doppelmonarchie, welche dafür auf den Sandschak von Novi Pazar verzichtet.
4. März
William Howard Taft wird als 27. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika angelobt.
25. März
Russland anerkennt die Annexion von Bosnien-Herzegowina durch Österreich-Ungarn. Die Annexions-Krise endet mit einem außenpolitischen Erfolg des Habsburgerreiches. Doch weder Russland noch Serbien vergessen, geschweige den vergeben, die tatsächliche oder vermeintliche Demütigung.
25. Juli

Der Franzose Louis Blériot überquert, als erster Mensch in einem Flugzeug, den Ärmelkanal. Die Pionierleistung ist eine doppelte, denn er benutzt den von ihm selbst entwickelten und gebauten Eindecker Blériot XI.
24. Oktober
Abkommen von Racconigi zwischen Italien und Russland, der staus quo am Balkan soll gewahrt und ein Vordringen Österreich-Ungarns verhindert werden.
12. November
Uraufführung der Operette "Der Graf von Luxemburg" von Franz Lehár in Wien.
1910

Die letzte Volkszählung der Monarchie ergibt eine Einwohnerzahl von fast 51 Millionen. Rund 25 Prozent bekennen sich zur deutschen Umgangssprache.
Robert von Lieben (1878–1913) erhält ein Patent auf seine "Verstärkerröhre".
Ausgleich der Nationalitäten in der Bukowina nach dem Muster des Mährischen Ausgleichs (1905).
10. März
Der Wiener Bürgermeister Karl Lueger (* 24. Oktober 1844) stirbt in Wien. Der christlichsoziale Politiker war maßgeblich für die Stadterneuerung verantwortlich (u. a. II. Wiener Hochquellwasserleitung, Kommunalisierung der Strom- und Gasversorgung, sowie der Straßenbahn, Errichtung zahlreicher Sozial-, Kranken- und Schulbauten), politisch und ideologisch vertrat er eine Stärkung des gewerblichen Kleinbürgertums, verbunden mit scharfem Antisemitismus.
April
Besuch des US-Präsidenten Theodor Roosevelt in Wien.
September
Der ehemalige russische Außenminister Iswolski wird Botschafter in Paris und verfolgt einen stark anti-österreichischen Kurs. Iswolski war als russischer Außenminister der Verlierer der Annexions-Krise von 1908/09.
20. November
Die Mexikanische Revolution gegen Langzeitpräsident Porfirio Díaz beginnt unter der Führung von Francisco Madero sowie Emiliano Zapata und Pancho Villa.
1911
26. Jänner
Uraufführung der Oper "Der Rosenkavalier" von Richard Strauss nach dem Libretto von Hugo von Hofmannsthal in Dresden.
18. Mai

Der Komponist, Dirigent und Direktor der Wiener Hofoper von 1897–1907, Gustav Mahler (* 7. Juli 1860), stirbt in Wien.
Juni
Reichsratswahlen, Erfolge deutschnationaler Parteien, Verluste für Sozialdemokraten und Christlichsoziale.
1. Juli

Ankunft des deutschen Kanonbootes SMS Panther in Agadir. Damit beginnt die zweite Marokkokrise. Zuvor hatten im Mai 1911 französische Truppen Fès und Rabat besetzt. Deutschland protestierte mit dem "Panthersprung", der Entsendung des Kanonenbootes, dagegen. Im November wird schließlich ein deutsch-französisches Abkommen über Afrika geschlossen, das einer diplomatischen Niederlage Deutschlands gleichkommt (Kamerun wird deutsch).
September
Unruhen in Wien wegen Teuerungen.
November
Bildung einer neuen Regierung unter Karl Graf Stürgkh.
10. Dezember

Alfred Hermann Fried (1864–1921), der Gründer der Zeitschrift "Die Waffen nieder!", erhält den Friedensnobelpreis.
1912

Verhandlungen über eine Flottenvereinbarung zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich scheitern.
Rudolf Steiner gründet die "Anthroposophische Gesellschaft".
Erscheinen des Werks "Kolloidchemie" von Richard Zsigmondy (1865–1929). 1925 erhielt er den Nobelpreis für Chemie.
Erste Gedichtveröffentlichung von Georg Trakl.
1. Jänner
Am 1. Jänner 1912 wird die Republik China gegründet, damit endet die über 2000-jährige Zeit der Kaiser von China.
März
Bildung des Balkanbundes (Serbien, Bulgarien, Griechenland und Montenegro).
Mai
Aufstand in Albanien gegen die türkische Herrschaft.
20. Juni – 22. Juli
Fünfte Olympische Spiele der Neuzeit in Stockholm.
Juli – August
Französisch-russische Flottenkonvention. Besuch des französischen Ministerpräsidenten Poincaré in Petersburg.
Herbst
1. Balkankrieg, nach Mobilisierung des Balkanbundes gegen die Türkei vergebliche Vermittlung durch Österreich-Ungarn und Russland, nach der türkischen Niederlage soll deren europäischer Besitz aufgeteilt werden; Spannungen zwischen Österreich-Ungarn und Russland, Österreich-Ungarn verhindert Ausweitung Serbiens in Richtung auf die Adria und setzt mit italienischer Unterstützung einen selbständigen Staat Albanien durch.
Oktober
Italienisch-französisches Abkommen: italienische Neutralität bei Krieg Frankreichs gegen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich.
28. November
Ausrufung der Unabhängigkeit Albaniens.
5. Dezember
Verlängerung des "Dreibund"-Vertrags zwischen Österreich-Ungarn, Deutschland und Italien.
14. Dezember

Der Beginn der deutschen Militärmission in der Türkei, auf Bitte der türkischen Regierung, führt zur internationalen außenpolitischen Liman-Sanders Krise, benannt nach Generalleutnant Otto Liman von Sanders, dem Kommandanten der Mission. Besonders Russland sah seine Interessen an den Meerengen durch die deutsche Präsenz massiv bedroht. Frankreich und Großbritannien protestierten zwar, aber eher um den Schein zu bewahren.
1913
4. März
Thomas Woodrow Wilson wird als 28. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt.
31. März
"Skandalkonzert": Aufführung der "Fünf Orchesterlieder nach Ansichtskarten-Texten von Peter Altenberg" von Alban Berg unter der Leitung Arnold Schönbergs im Großen Musikvereinssaal in Wien.
Sommer

2. Balkankrieg, im Zuge der Auseinendersetzungen um die Verteilung der eroberten türkischen Provinzen zerfällt der Balkanbund: Angriff Bulgariens auf Serbien (Juni), Bulgarien wird von einer Koalition aus Serbien, Rumänien, Griechenland und der Türkei besiegt, Neuaufteilung der ehemals türkischen Provinzen durch den Frieden von Bukarest (10. August); Österreich-Ungarn, das Bulgarien zu unterstützen suchte, entfremdet sich von Rumänien.
4. Juni

Beim Galopprennen in Epsom läuft die englische Suffragette Emily Davison auf die Rennbahn, vermutlich um für das Frauenwahlrecht zu demonstrieren. Sie stößt mit dem Pferd König George V. (geritten vom Jockey Herbert Jones) zusammen und erleidet dabei so schwere Kopfverletzungen, dass sie vier Tage später daran stirbt.
10. Juni
Graf Stephan Tisza wird abermals ungarischer Ministerpräsident (Führer der liberalen Partei, die seit gelenkten Wahlen 1910 über eine starke Mehrheit verfügte).
Herbst
Fortschritte im Ausgleich zwischen Tschechen und Deutschen in Böhmen (nur mehr "papierdünne Wand").
7. Oktober

Henry Ford führt zur Herstellung des Ford Modell T zunächst im Probebetrieb die Fließbandfertigung ein.